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Eine relativ große Anzahl der mutierten KCNQ1-Kanäle zeigte ein wildtyp-ähnliches Ga-ting-Verhalten (L266W, F270A, G272W, L273W, Y278W, F279W, A300W, W323A, V324W, T327W und F335A). Diese Kalium-Kanäle zeigten im Vergleich zum Wildtyp-Kanal kaum Veränderungen bezüglich Ihrer Aktivierungs- und Deaktivierungskinetik, so-wie der Spannung für die halbmaximale Aktivierung und der Steilheit der GV-Kurve in diesem Punkt (z). Die Homologiemodellierung der elf Aminosäurereste, basierend auf der KcsA-Kristall-Struktur (Abb. III.6), zeigte ein definiertes Verteilungsmuster. Die Mutanten lagen fast ausschließlich in der oberen Hälfte der transmembranären Porenhülle, wo die Außen-, Innen- und Porenhelices äußerst dicht gepackt liegen.

Bei den Shaker-Tryptophan-Mutanten zeigten sich nur acht, wildtyp-ähnliche Kanäle, von denen zwei in der Porenhelix lagen. Im Homologiemodelling dieser Shaker-Mutanten zeig-te das Verzeig-teilungsmuszeig-ter eine ähnliche Verzeig-teilung wie für die KCNQ1-Mutanzeig-ten, jedoch weniger konzentriert im oberen drittel des Kanalmodells.

Die wildtyp-ähnlichen Mutanten in der Porenhelix (A300W, V324W, T327W), die zwar im KcsA-Kristallstruktur-Modell nach Außen gerichtet erscheinen, aber eine große Nähe zum Selektivitätsfilter und der Pore besitzen, sollten gesondert betrachtet werden.

Besonders A300W zeigte eine wildtyp-ähnliche, spannungsabhängige Aktivierung, in den Tailstömen der Stromfamilie für die GV-Analyse (Abb. III.4) fiel jedoch eine veränderte Deaktivierung gegenüber dem Wildtyp auf. Somit ist die spannungsabhängige Aktivierung

gleich, jedoch weist die veränderte Deaktivierung auf Störungen des Gatings an anderer Stelle hin.

Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass diese wildtyp-ähnlichen Kanalmutanten nicht an einer Protein-Protein-Interaktion beteiligt sind. Es besteht die Möglichkeit, dass die Ami-nosäuren der transmembranären Außenhülle der KCNQ1-Porendomäne in der oberen Hälf-te mit Lipiden oder kleinen wassergefüllHälf-ten SpalHälf-ten in der Membran inHälf-teragieren. Andern-falls müsste man sehr präzise balancierte Störungen in allen Konformationstadien des KCNQ1-Kanals postulieren, die durch die großen Änderungen des Seitenkettenvolumens eher unwahrscheinlich sind. Als dritte Möglichkeit käme in Betracht, dass der Kanal in diesem Bereich so eng gepackt ist, dass kaum Bewegungen während des Gatings statt-finden, die zu energetischen Störungen führen würden.

Bei der Betrachtung des vor kurzem kristallisierten Modells für den KvAP-K+-Kanal (Jiang et al., 2003a/b) fällt auf, dass der Spannungssensoranteil S2, der an der Porenhülle entlang zu gleiten scheint, seine Bewegung vornehmlich in den unteren zwei Dritteln des Kanals ausführt. In dem Bereich, in dem sich die hier gezeigten Mutationen befinden, scheint ein erheblicher Abstand zwischen Sensor und Porenregion zu bestehen. Man kann sich daher gut vorstellen, dass gerade in dieser Region die nach Außen gerichteten, apolaren, sterisch großen Tryptophan-Reste nicht stören, da ohnehin Protein-Lipid-Interaktion vorzuliegen scheint.

In diesem Bereich der transmembranär-gelegenen Hülle scheinen sowohl KcsA- als auch KvAP-Kalium-Kanäle keine besonders großen Konformationsänderungen während des Übergangs vom Geschlossen- in den Offen-Zustand zu durchlaufen (Jiang et al., 2002b; Ji-ang et al., 2003b). Nimmt man ein ähnliches Verhalten und ähnlichen Aufbau für KCNQ1 -Kalium-Kanäle an, würde eine sterisch große Aminosäure wie Tryptophan sich beim Ga-ting nicht bemerkbar machen, da keine Änderungen der Kanalkonformation auftreten, die das Gating energetisch beeinflussen könnten. Wird jedoch der Aufbau des Kanals in dieser Region gestört, so kommt es leicht zu funktionell nicht exprimierenden Kanalmutanten (s.u.).

Bereits veröffentlichte Daten für Mutationen an den Positionen G272 und L273 zeigten eine wichtige Rolle bei Änderungen des Inaktivierungsverhaltens und der Kalium/Rubidi-um-Leitfähigkeit (GK/GRb) (Seebohm et al., 2003b). Die leichte, in der Stromfamilie von L273W zu erkennende, spannungsabhängige Inaktivierung wurde für verschiedene

Punkt-mutationen an dieser Stelle in unterschiedlicher Ausprägung gefunden. Es konnte jedoch keine klare Korrelation zu einer elektrochemischen Eigenschaft des Aminosäurerestes ge-zeigt werden. Eine besonders wichtige Rolle spielt dabei auch, dass Mutationen des KCNQ1-Kanals an Position L273 zu Alanin und Glutamin keine funktionelle Expression zeigen und beim Menschen zu verschieden Formen des LQT-Syndroms führen (Wang et al. 1996b; Shalaby et al., 1997; Saarinen et al., 1998; Splawski et al. 2000; Seebohm et al.

2001). Auch in diesen Arbeiten wurde ein dreidimensionales Modell von KcsA verwendet, in dem L273 und V307 als mögliche Interaktionspartner diskutiert wurden (Seebohm et al., 2001; Seebohm et al., 2003b).

Für L273 wurde eine Interaktion mit der Porenhelix und dem Selektivitätsfilter diskutiert, die sowohl den Ionenfluss als auch die KCNQ1-Inaktivierung beeinflusst (Seebohm et al., 2003b). Für T307W konnte in dieser Arbeit keine funktionelle Expression gefunden werden (s. u.), passend zu den bereits publizierten Daten, die an dieser Position nur für Mutationen nach Cystein oder Serin eine funktionelle Expression zeigten.

Für G272 wurde I337 als möglicher Interaktionspartner in S6 diskutiert, beruhend auf der Erkenntnis, dass in Kv2.1 K+-Kanälen die homologen Aminosäuren G421 und Y480 (S6) in der Lage sind, den Offen-Zustand über eine S6-Porenhelix-Interaktion zu stabilisieren (Liu und Joho, 1998; Seebohm et al. 2003b). Die in dieser Arbeit gewonnen Daten zu G272W zeigen keine verstärkte spannungsabhängige Inaktivierung, doch eine genauere Be-trachtung des Hooks, der als Ausdruck für die spannungsunabhängige, KCNQ1 typische Inaktivierung im Tail zu finden ist, wurde nicht durchgeführt.

2 Spannungsabhängig inaktivierende KCNQ1 Mutationen

Eine Gruppe von fünf Mutationen (I268W, V334W, S338W, F339W, F340A) führte zu KCNQ1-Kanälen, die Auswärtsströme mit einer KCNQ1 untypischen, spannungsabhängig inaktivierenden Komponente zeigten (Abb. III.7). Zusätzlich fiel bei I268W und F340A in den aufgezeichneten Stromfamilien auf, dass sie selbst bei sehr negativen Testpotentialen, im Bereich bis -120 mV, nicht vollständig geschlossen werden konnten.

In der KcsA-Kristall-Struktur verteilen sich diese Aminosäurereste auf einem Ring, zwi-schen den stark gating-veränderten, in der nähe des „Bundel crossings“ liegenden Amino-säureresten und den wildtyp-ähnlichen Mutationen in der oberen Hälfte der Kanalstruktur (Abb. III.10). Genau in dieser Region befindet sich auch die für die Kalium-Kanalfunktion äußerst wichtige Knickstelle, der sog. „hinge point“, die dem Glyzin 99 in KcsA und dem Alanin 336 in KCNQ1 entspricht (siehe Abb. 1.2; Jiang et al., 2002b). Dieses „Gating-Hin-ge“ ist essentiell für die Konformationsänderung der Pore von KcsA- und MthK-Kanälen, die beim Übergang vom Geschlossen- in den Offen-Zustand auftritt (Jiang et al., 2002b).

Es fanden sich neben dem bereits weiter oben erwähnten KCNQ1-Rest I337 (Seebohm et al., 2003b), der hier nicht untersucht wurde, eine ganze Gruppe stark spannungsabhängig inaktivierender KCNQ1-Mutanten (S338W, F339A, F340A). Für die beiden Alanin KCN-Q1-Mutationen wurde diese Inaktivierung bereits kürzlich beschrieben (Seebohm et al., 2003a) und die Blockierbarkeit dieser Mutanten im Vergleich zum Wt-Kanal durch das Benzodiazepinderivat L-7 überprüft. Dort konnte für diese zwei Mutationen (F339A, F340A) kein suffizienter, Wt-ähnlicher Block hergestellt werden, was mit einer vermutlich veränderten Bindungsstelle für L-7 erklärt wurde. Anhand der hier gezeigten Block-Expe-rimente mit Clofilium-tosylat (Arena und Kass, 1988; Abb. III.9) konnte für F340A ein dem Wildtyp ähnlicher Block erreicht werden. Daher kann an dieser Stelle weder eine deutliche Konformationsänderung im Bereich des Gates noch eine gestörte Bindungsstelle für Clofilium-tosylat angenommen werden. Für S338W und I268W war eine Blockierung mittels Clofilium-tosylat nicht oder nur eingeschränkt möglich. Gründe dafür sind entwe-der in veränentwe-derten Eigenschaften des Gates zu suchen, so dass Clofilium-tosylat nicht in die innere Höhle eindringen kann, oder aber in einer veränderten Bindungsstelle für Clofili-um-tosylat. Da die hier mutierten KCNQ1-Aminosäuren alle als die äußere Hülle bildend betrachtet und identifiziert wurden, erscheint erstere Erklärungsmöglichkeit näherliegend.

Auch eine extrem langsame Deaktivierung kann dazu führen, dass die KCNQ1-Mutanten scheinbar nicht schließen. In den hier durchgeführten Experimenten waren die Interpulsab-stände nie länger als 60 s. Es ist deshalb möglich, dass der Offset in der GV-Kurve die Erholung aus der Inaktivierung über den Offen-Zustand repräsentiert.

Eine ebenfalls erst kürzlich veröffentlichte Arbeit zeigte, dass S338, F339 und F340 auch als Cystein-Mutanten starke, KCNQ1 untypische Inaktivierung zeigten. Außerdem sind

diese Aminosäuren funktionelle Interaktionspartner für KCNE1 und KCNE3 (Melman et al., 2004).

3 Mutanten mit gestörter, spannungsabhängiger Aktivierung

Es wurden neun KCNQ1-Aminosäurereste gefunden (R259W, Q260W, E261W, I263W, T264W, L271W, F275W, L282W und L347W), die nach Mutation zu Tryptophan ein deutlich verändertes, spannungsabhängiges Aktivierungsverhalten zeigten. In diesen Fällen wurde ein |ΔΔG0w| ≥ 1.5 kcal mol-1 beobachtet (Tabelle II). Acht dieser Mutationen ver-schoben das Potential, bei dem ein absolutes Gleichgewicht zwischen Offen- und Ge-schlossen-Zustand des Kanals besteht, in Richtung positiverer Werte. Es musste daher mehr Spannung aufgewendet werden, stärker depolarisiert werden, um diese Kanäle zu öff-nen (Abb. III.11). Nur eine KCNQ1-Mutation (I263W) führte zu einer auf der Spannungs-achse nach links verschobenen GV-Kurve. Hier war also das Potential, bei dem ein abso-lutes Gleichgewicht zwischen Offen- und Geschlossen-Zustand des Kanals besteht, in Richtung des Offen-Zustandes verschoben (Abb. III.12).

Yifrach und Mitarbeiter veröffentlichten 2002 ein Diagramm, in dem sie V1/2 und z -Werte von Shaker-Kanal-Alanin-Mutanten miteinander in Beziehung stellten, um Abhängigkeiten der beiden Werte für gleichsinnig, durch Mutation veränderte Kanäle, zu finden. Es zeigte sich für Shaker, dass V1/2 und z -Werte generell korreliert waren. Eine nach links ver-schobene Aktivierungskurve (negativeres V1/2) ging mit einer steileren Steigung (höherer z-Wert) einher. Eine nach rechts verschobene Aktivierungskurve (positiveres V1/2) war eher flacher (kleinerer z-Wert). Dieses Verhältnis zwischen V1/2 und z passte zu der Ansicht, dass die Mutanten hauptsächlich einen der letzten Schritte der vielen spannungsabhängigen Konformationsänderungen im Shaker-Kalium-Kanal vor dem Öffnungsschritt beeinfluss-ten. Für KCNQ1 konnte eine solch detaillierte Analyse nicht durchgeführt werden, da hier die Werte nur in einem sehr geringen Bereich variierten und nur ein negativ verschobener Wert zu finden war. Nur wenige Mutanten (R259W, E261W, I263W, L271W) zeigten einen Zusammenhang zwischen V1/2 und z-Wert, der auf eine Störung im letzten Schritt des

Gatings, kurz vor dem Öffnen des Kanals, hinweist. Für alle anderen Mutanten ist eine ge-nauere Aussage für die zu Grunde liegende Störung vermutlich nur durch Mutantcycle-Analysen oder die verwendung eines anderen Gating-Schemas möglich.

Homologie-Modellierung mit der KcsA-Kristall-Struktur zeigte, dass alle mutationssensi-tiven Aminosäurereste, ausgenommen L347W, auf der Außenhelix des Porenmoduls (S5) lagen (Abb. III.13). L271W, F275W und L282W zeigten sich entlang einer gedachten Linie, zentral auf der Oberfläche der Untereinheiten. Sie folgten dabei der aufwärts laufenden Spirale der äußeren Helix. An diesen Stellen scheint eine Protein-Protein-Inter-aktion so gestört worden zu sein, dass mehr Energie als beim Wildtyp benötigt wurde, um den Kanal zu öffnen. Es kann jedoch ohne genauere Analyse der Selektivität, der Ak-tivierung und vor allen Dingen der InakAk-tivierung nur spekuliert werden, welche funktionellen Strukturen des Kanals hier in ihrer Interaktion behindert wurden. Als mögli-cher Interaktionspartner im Spannungssensor-Modul scheint am ehesten das S2-Segment in Frage zu kommen. Wie im KvAP-Modell (Jiang et al., 2003b) gezeigt wurde, liegt das S2-Segment während des Öffnungsvorgangs zwischen dem Paddel und dem Porenmodul.

Aber auch jede andere Struktur in der Porendomäne kommt als Interaktionspartner in Frage, gerade mit Blick auf die bereits erwähnten, mit der Pore interagierenden, KCNQ1-Aminosäurereste G272 und L273 (Seebohm et al., 2003a).

Die größten Störungen der spannungsabhängigen Aktivierung wurden für R259W, Q260W, E261W, I263W und L347W beobachtet. Diese Mutanten lagen alle im Bereich des so genannten „Gates“ von KcsA und Shaker Kanälen, in der unteren Hälfte der trans-membranären Hülle (Abb. 2.11). Gerade in dieser Region, wo die inneren Helices (S6) eine Art Bündel bilden (Doyle et al., 1998), finden während des Öffnungsvorganges von Kali-um-Kanälen große Konformationsänderungen (Jiang et al., 2002b) statt, die im KvAP Ka-nal mechanisch an eine Positionsänderung des Spannungssensors gekoppelt zu sein scheinen (Jiang et al., 2003b).