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Widerspenstiges Stroh

Im Dokument Unternehmergeist auf dem Campus: (Seite 34-37)

ser durchströmt. Das Stroh steckt im Filter, einer zylinderförmigen Stahlkartusche, die mit zwei Sieben verschlossen wird. Durch das unter Druck stehende Wasser wird die Hemicellulose, genau wie beim Espresso die Aromastoffe, aus dem Stroh heraus ge-löst. Der Wasserstrom mit der Hemicellu-lose wird als Hydrolysat bezeichnet. In der Stahlkartusche bleiben, vergleichbar mit dem Kaffeesatz, Lignin und Cellulose als Feststoff zurück.

Im zweiten Schritt, der enzymatischen Hy-drolyse, wird durch Zugabe von Wasser und Enzymen als biologischer Katalysator die Cellulose zu Glukose abgebaut. Der Zu-ckerbaustein Glukose kann zum Beispiel in Ethanol oder andere Wertstoffe umgewan-delt werden. Vor allem sind Glukosemole-küle wasserlöslich und können so vom nun primär aus Lignin bestehenden Feststoff abgetrennt werden.

Durch den Aufschluss wird das Stroh also in drei Bestandteile getrennt: das Hydroly-sat, den ligninreichen Feststoff und die Glu-koselösung. Jede dieser Fraktionen muss nun möglichst vollständig zu hochwertigen Produkten weiterverarbeitet werden.

So wird die Glukoselösung beispielsweise Foto: JKW TUHH_34_Stroh_Layout 1 07.05.15 11:57 Seite 1

Forschung Life Science Technologies 35

bereits in großtechnischen Anlagen zu Ethanol umgewandelt. Für die beiden an-deren Stoffströme müssen entsprechende Verfahren noch entwickelt, optimiert, und innerhalb einer Bioraffinerie unter Kosten-aspekten integriert werden. All das sind As-pekte meiner Dissertation.

Im praktischen Teil meiner Arbeit im Labor befasse ich mich vor allem mit dem Hydro-lysat. Der heiße Wasserstrom enthält außer Hemicellulose eine Vielzahl weiterer Stoffe, wenn auch in deutlich geringeren Konzen-trationen. Es handelt sich um Salze, Pro-teine und Wachse, aber auch um Abbau-produkte von Cellulose und Lignin, die aus dem Stroh herausgewaschen werden. In Reinform können diese Stoffe ebenfalls in-teressante Produkte sein, doch für eine hochwertige Nutzung der Hemicellulose als Rohstoff für biotechnologische Prozesse stören sie. Ihre Anwesenheit sorgt dafür, dass die eingesetzten Mikroorganismen und Enzyme nicht mehr richtig arbeiten;

weshalb sie als Inhibitoren oder Hemm-stoffe bezeichnet werden. Die Hemicellu-lose muss daher in einem weiteren Schritt vom Rest des Hydrolysats getrennt wer-den. Das ist aufgrund der Vielzahl der

Kom-ponenten und der Bandbreite ihrer Eigen-schaften sehr aufwändig. Daher wird die unbehandelte Hemicellulose derzeit zu ge-ringen Preisen als Futtermittel (Melasse) verkauft.

Ziel meiner Forschung ist es, ein Verfahren für die Aufbereitung der Hemicellulose zu entwickeln, um eine höhere Wertschöpfung zu erzielen. Reine Hemicellulose kann bei-spielsweise als Rohstoff für 3D-Drucker, für Textilfasern oder für Xylitol, einen Süßstoff für zuckerfreie Kaugummis, genutzt wer-den.

Dazu untersuche ich verschiedene Verfah-ren, die Inhibitoren vollständig aus dem Hy-drolysat abzutrennen und dabei möglichst viel Hemicellulose zu erhalten. Aus den un-terschiedlichen technologischen Optionen lassen sich effiziente Konzepte für inte-grierte Bioraffinerien ableiten. Für jedes Konzept wird der gesamte Weg vom Ge-treideanbau über die Strohbereitstellung und -umwandlung bis hin zum fertigen Pro-dukt modelltechnisch am Computer ab-gebildet – und anschließend technisch, ökonomisch und ökologisch bewertet. An-hand dieser Modelle kann ich unter ande-rem den Rohstoff- und Energiebedarf, die

Investitionskosten sowie die freigesetzten Emissionen ermitteln. So kann die Variante mit der besten Kosten-Nutzen-Relation identifiziert werden.

Diese parallele Untersuchung neuer Verfah-ren und möglicher Gesamtkonzepte erlaubt es, frühzeitig zu erkennen, welche Faktoren den größten Einfluss auf die Kosten der un-tersuchten Bioraffineriekonzepte haben und in welcher Richtung optimiert werden sollte. So kann meine Arbeit dazu beitra-gen, dass Lignocellulose-Bioraffinerien ein wesentlicher Bestandteil der Bioökonomie werden. Aus den bisher ungenutzten Bio-massestoffströmen können wertvolle Pro-dukte erzeugt werden, die uns ein wenig unabhängiger von Ölimporten machen.

Lisa Schmidt 21.02.1987 geboren in Dortmund

2006-2013 Bachelor und Masterstudium Bioverfahrens-technik an der TU-Dortmund 2013 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Umwelttechnik und Energie-wirtschaft

Lisamarie.Schmidt@tuhh.de TUHH_34_Stroh_Layout 1 07.05.15 11:57 Seite 2

36 Forschung

Der Spitzentanz des Aluminiumwürfels war in der der ETH Zürich zu bewundern, wo Sebastian Trimpe (Bildmitte) promo-vierte.

Forschung 37

D

er balancierende Würfel ist beim Be-treten der Maschinenhalle der ETH Zü-rich nicht zu übersehen: eine zwei Meter hohe Struktur aus Aluminium, die auf einer Spitze stehend unter leichten Schwingun-gen ihre Balance hält. Diese Fähigkeit ver-dankt der Würfel sechs rotierenden Armen an seinen Innenflächen, die ihn durch ihre Bewegungen im Gleichgewicht halten – ähnlich wie ein Stab, der einen Artisten beim Balancieren auf einem Seil unter-stützt. Die rotierenden Arme bilden gleich-zeitig die intelligenten Einheiten des Systems: Sie nehmen Bewegungen über Sensoren wahr, stellen Berechnungen mit einem Computer an und kontrollieren ihre Bewegung durch Motoren. Damit das Ganze funktioniert, kommunizieren die Arme über ein Computernetzwerk und brin-gen so ihre Bewegunbrin-gen in Einklang.

Den Würfel habe ich im Rahmen meiner Doktorarbeit zusammen mit Kollegen ge-baut. Mit seinen intelligenten Armen steht er stellvertretend für die Art technischer Systeme, mit denen ich mich in meiner Ar-beit beschäftigt habe: intelligente Maschi-nen, die miteinander in Verbindung stehen und ohne menschliches Zutun agieren. Sol-che Systeme sind Stoff einiger Zukunftsvi-sionen. So arbeiten Forscher weltweit an Robotern, die uns eines Tages in Gefahren-situationen wie einem havarierten Kraft-werk aus der Klemme helfen sollen. Andere Szenarien sehen selbstfahrende Autos, die

sich gegenseitig auf Gefahren hinweisen, oder Produktionsanlagen, in denen Werk-stücke mit Maschinen kommunizieren und so ihre Produktion selbst organisieren.

Auch Unternehmen haben das Potenzial erkannt. Zum Beispiel der Internet-Gigant Google, der schon vor ein paar Jahren ein selbstfahrendes Auto entwickelt hat und zuletzt durch den Kauf mehrerer Robotik-Unternehmen in den Schlagzeilen war. Und auch die Bundesregierung ist nicht untätig und fördert mit dem Zukunftsprojekt Indus-trie 4.0 gar die nächste indusIndus-trielle Revolu-tion vernetzter Fabriken.

Wenn viele Maschinen Daten über ein ge-meinsames Netz austauschen, sind Regeln für deren Kommunikation nötig. Würden zum Beispiel viele Einheiten alle ihre Sen-sordaten mehrmals pro Sekunde verbrei-ten, wäre das Netzwerk bald überlastet.

In naher Zukunft werden intelligente Maschinen ihre Handlungen koordinieren, indem sie über

Netzwerke Informationen austauschen – eine wahre Datenflut ist die Folge. Doch wie bewältigt

man die? Mit einer Form der Kommunikation, die man auch manchen Menschen wünschen

würde: Jedes System sendet nur dann, wenn es etwas Relevantes mitzuteilen hat. Bei der

Erfor-schung dieser Methoden half ein mannshoher Würfel, der eigenständig auf einer Ecke balanciert.

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