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Obwohl sie einen wesentlichen Teil der Biomasse und Biodiversität auf unserem Planeten bilden und eine entscheidende Rolle in der Biogeochemie und damit in der Funktionalität

der Ökosysteme spielen, werden Mikroorganismen in Umweltforschungsprogrammen und in den Debatten um den globalen Wandel weitgehend missachtet.

Die Forscher haben einen künstlichen Mikrokos-mos geschaffen, der aus hauchdünnen Schichten sterilen Bodens besteht und unter kontrollierten Bedingungen mit Bakterien und ihren Fraßfeinden – Amöben und Flagellaten – besiedelt wird.

damit weiter spannend. Die Protisten als Stellgröße scheinen jedenfalls aus dem Rennen zu sein. Jetzt denkt Fren-zel in neue Richtungen. Beispielsweise fixieren die Bakterien das Gas mit einem Enzym namens Methanmono-oxidase, das in zwei Formen vorkommt.

Eine Variante enthält Eisen, die andere Kupfer. „Es gibt sogar methanotrophe Bakterien, die ein eigenes Vehikel bil-den, um Kupfer aus der Umwelt löslich zu machen und in die Zelle zu schaf-fen.“ Könnten also auch bestimmte Mi-kronährstoffe wie Kupfer den Prozess der Methanoxidation mit kontrollieren und limitieren?

STICKSTOFFDÜNGUNG MACHT MANCHEN ARTEN DEN GARAUS

Die Stickstoffversorgung im Boden gilt hingegen seit Jahren zumindest unter bestimmten Bedingungen als „eine ent-scheidende Stellgröße für die Methan-oxidation.“ Die methanotrophen Arten nutzen Stickstoff unterschiedlicher Form: Manche fixieren Luftstickstoff, manche assimilieren aber auch den Stickstoff in Ammonium oder Nitrat, in Aminosäuren oder Harnstoff. Jetzt sind die Forscher dabei, den limitierenden Faktor bei Methanoxidierern aus unter-schiedlichen Biotopen genauer zu be-leuchten. Etwa aus den Nassreisfeldern

wendig kennen. Immer mehr Men-schen konsumieren immer mehr Reis – entsprechend düngen die Bauern stärker denn je auch mit Stickstoff, um die Reisernte zu steigern. Was wieder-um Folgen haben könnte für die Me-thanoxidation.

Zunächst zeigte sich, dass Stickstoff im Übermaß die Methanoxidation be-hindert. Die Erkenntnis galt als regel-rechtes Dogma, ehe Frenzels Team ent-deckte: Das stimmt nur bedingt. „Wenn die viel Methan haben, dann vertragen die auch verdammt viel Ammonium“, sagt er, „locker bis zum Hundertfa-chen.“ Allerdings verschiebt sich bei Düngung das Spektrum der methan-oxidierenden Arten, das heißt, das Öko-system verändert sich. Matthias Noll, Peter Frenzel und Ralf Conrad, Direk-tor am Marburger Max-Planck-Institut, hatten Reisboden aus Vercelli ins Hes-sische verfrachtet, einen Teil davon ge-düngt, einen anderen nicht, und mit einer neuen molekulargenetischen Technik analysiert, die aktive Methan-oxidierer sehr genau aufspüren kann.

Nur im gedüngten Boden selek-tierten sich zwei Bakterien-Gattungen heraus: Methylomicrobium und Methy-localdum. Alle anderen Arten hatte die Stickstoff-Flut förmlich platt gemacht.

Ob die Artenverarmung die Methan-oxidation sinken lässt, ist noch offen. >

GLOSSAR

Eukaryoten

Lebewesen mit Zellkern und Zellmembran.

Protisten

eukaryotische, ein- bis wenigzellige Lebewesen wie Algen, Schleimpilze und Protozoen.

Prokaryoten

Lebewesen, die keinen Zellkern besitzen, wie beispielsweise Bakterien. Die DNA befindet sich bei ihnen frei

im Zytoplasma.

16S-rRNA

Die Ribosomen von Prokaryoten ent- halten stets drei unterschiedlich große Moleküle ribosomaler Ribonukleinsäure (rRNA). Die Größe dieser rRNAs wird in der Einheit Svedberg angegeben, daher das „S“.

Schwerer Kohlenstoff

Kohlenstoff hat zwei stabile Isotope,

12C und 13C, d.h. die Atomkerne haben eine gleiche Anzahl Protonen, aber eine unterschiedliche Anzahl von Neutronen, was zu ungleichen Massenzahlen führt. Deshalb spricht man bei 13C von schwerem Kohlenstoff.

Fotos: MPI für terrestrische Mikrobiologie

Insgesamt aber, resümiert der Wissen-schaftler, ist das System Methanoxida-tion zumindest an den meist nassen Standorten mit hohen Methankonzen-trationen „verdammt robust und weit-gehend resistent gegen Stress“.

DIE SENSIBELCHEN UNTER DEN METHANFRESSERN

Methanverwerter aus wechselfeuchten Böden indes scheinen schon anfälliger zu sein, wie das Max-Planck-Forschungs-team von Werner Liesack festgestellt hat. Die Mikrobiologen haben einen Organismus kultiviert, der offenbar ein völlig neues Enzym für die Methanoxi-dation besitzt – falls die Methankon-zentration im Ökosystem sinken sollte.

Diese Variante des Biokatalysators ar-beitet wesentlich effektiver als das meist verbreitete Enzym für diese Zwecke.

„Damit können die betreffenden Bak-terien noch bei niedrigen Methankon-zentrationen überleben.“ Zwar liegen für Methanoxidierer in eher trockenen Habitaten wie Wald- und Wiesenböden erst wenige und vorläufige Erkennt-nisse vor. Doch nach ersten METHECO-Analysen sind die dortigen Organismen wohl „echte Sensibelchen“, sagt Fren-zel, „eine richtige Stickstoff-Düngung macht die nieder“.

Es sind derlei Habitate, die nach Ansicht von Paul Bodelier geschützt werden sollten. Frenzels ehemaliger ar beiter, jetzt im Niederländischen Insti-tut für Ökologie in Niewersluis, sieht

„gute Gründe, um anzunehmen, dass solche Methan oxidierenden Ökosys-teme zukün ftig durch Umweltstressoren ge schädigt werden könnten.“ Der an METHECO beteiligte Biologe denkt an Veränderungen des pH-Wertes im Boden oder an mechanische Störungen. Wenn Bauern etwa den Boden umpflügen, ge-rät das empfindliche räumliche Arrange-ment der Mikroorganismen langfristig durcheinander. „Ich kann das zwar noch nicht beweisen, bin aber überzeugt da-von, dass die Methanoxidation darun-ter leidet.“ Ähnlich verheerend könnte sich eine Stickstoffdüngung dieser Bö-den auf das Ökosystem auswirken.

Ganz zu schweigen vom Klimawan-del und seinen möglichen Folgen wie zunehmender Trockenheit oder dem Auftauen des arktischen Permafrostbo-dens. Niemand kann derzeit sagen, wie die mikrobiellen Ökosysteme im Per-mafrost auf diese Veränderung reagie-ren würden. Immerhin enthält der ark-tische Permafrost rund 14 Prozent des weltweiten Boden-Kohlenstoffs, der bei wärmerem Klima größtenteils als Me-than freigesetzt werden könnte. Was die Klimamodellierung angeht, wertet Peter Frenzel seine Arbeiten einstwei-len als „Grundlagenforschung“. Zwar spielt die Methanoxidation eine maß-gebliche Rolle im Kampf gegen den Treibhauseffekt. Doch existieren derzeit nur wenige Klimamodelle, „die diese komplexen Dinge im Boden und die möglichen Stellgrößen der Methanoxi-dation abbilden können.“

PROJEKT

METHECO ist ein internationales Projekt, das im Rahmen des EuroDIVERSITY-Programms von der European Science Foundation (ESF) betreut wird.

Projektkoordinator D Professor Peter Frenzel

Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie, Marburg

PARTNER

Folgende Partner sind mit individuellen Projekten an METHECO beteiligt:

D Dr. Paul L.E. Bodelier Netherlands Institute of Ecology, Niederlande

D Dr. Levente Bodrossy ARC Seibersdorf Research GmbH, Österreich

D Professor Gunnar Börjesson

Swedish University of Agricultural Sciences, Schweden

D Professor Peter Frenzel Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie, Deutschland D Dr. Geneviève Grundmann

University Claude Bernard – Lyon I, Frankreich

D Dr. Steffen Kolb

Universität Bayreuth, Deutschland D Professor Pertti Martikainen

University of Kuopio, Finnland D Professor J. Colin Murrell

University of Warwick, Großbritannien D Dr. Werner Liesack

Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie, Deutschland D Professor Mette M. Svenning

University of Tromsø, Norwegen In der Arktis starten die Max-Planck-Forscher von der Koldewey-Station – benannt nach Carl Koldewey, dem

Leiter der ersten deutschen Nordpolarexpedition im Jahre 1868 – des Alfred-Wegener-Instituts zur täglichen Arbeit.

Die besteht u.a. darin, mit Röhren (vorne) Bodenkerne aus dem mit Wasser gesättigten Torf herauszuziehen.

Fotos: MPI für terrestrische Mikrobiologie

KULTUR & GESELLSCHAFT_Spieltheorie

T

ausend Mark – das waren Ende der 1970er-Jahre so viel wie heute gut 1200 Euro. Eine Summe, die man nicht unbe-dingt bar mit sich herumtrug.

„Tausend Mark – das war die Art mei-ner Kollegen, Leute zum Mitmachen zu bewegen. Ich bin gewissermaßen ver-führt worden“, so Werner Güth. Kolle-gen von der Universität Augsburg hat-ten ihm die Scheine bei einem Treffen von Sozialpsychologen und Wirt-schaftsmathematikern im Allgäu zuge-steckt – als Spielgeld. Güth sollte den Betrag für Experimente mit realen wirt-schaftlichen Verhaltensanreizen ver-wenden: Die Teilnehmer an solchen Ex-perimenten werden danach bezahlt, wie geschickt, eigennützig oder auch wie kooperativ sie in den Spielsituati-onen agieren.

Der zurückhaltend auftretende, eher große Mann, der sich als einziges Zei-chen einer gewissen Exzentrik eine dunk-le und markant gerahmte Brildunk-le dunk-leistet und dessen Tonfall ganz leise eine Her-kunft irgendwo aus dem Rheinland oder dem Ruhrgebiet verrät, gehört laut HAN

-DELSBLATT-Ranking zu den bedeutendsten deutschen Wirtschaftsforschern. Er war Professor in Köln, Frankfurt und Berlin, bis er 2001 als Direktor an das Max-Planck-Institut für Ökonomik in Jena berufen wurde, um dort die Abteilung

„Strategische Interaktion“ aufzubauen.

Es war der Mathematiker und Ökonom Reinhard Selten, 1994 für

seine Forschungen auf dem Feld der Spiel theorie mit dem Nobelpreis ausge-zeichnet, der den jungen Güth 1970 erstmals mit der experimentellen For-schung in Berührung brachte. Jene Ver-suche, die Güth dann mithilfe der tausend Mark vornahm, mündeten schließlich in seine erste interna tionale Veröffentlichung. Seitdem ist Güth „der Mann mit dem Ultimatum-Spiel“.

DER MENSCH IST KEIN HOMO OECONOMICUS

Bei diesem Spiel wird einer Person eine Geldsumme gegeben, die sie beliebig auf sich und eine andere Person, den Empfänger, aufteilen darf. Der Empfän-ger kann die unwiderruflich – daher der Name Ultimatum-Spiel – vorgeschla-gene Aufteilung annehmen; dann er-halten beide Spieler jeweils die vorge-schlagenen Auszahlungen. Oder er kann sie zurückweisen. In diesem Fall gehen beide Spieler leer aus.

Die beiden Akteure sind anonym und wissen, dass die Interaktion genau einmal stattfindet. Sie wissen auch, dass sie in der Zukunft frühere Spielpartner niemals werden identifizieren können.

Aufgrund dieser Konstellation sollte ein am eigenen Gewinn interessierter Emp-fänger den kleinsten ihm angebotenen Geldbetrag annehmen. Lehnt ein realer Empfänger ein positives Angebot ab, und sei es noch so klein, so muss er – so die Schlussfolgerung der

Wissen-schaftler – an etwas anderem interes-siert sein als an der Maximierung seiner Gewinne.

Die Ergebnisse von Experimenten wie dem Ultimatum-Spiel zeigen: Men-schen handeln keineswegs so eigennüt-zig und zukunftsorientiert, wie dies die Standard-Modelle der Ökonomen vor-geben. Immer wieder waren die Spieler im Experiment bereit, auf einen Ge-winn gänzlich zu verzichten, wenn ih-nen die vorgeschlagene Teilung der Summe unfair erschien.

Dies und Ähnliches ist mittlerweile viele tausend Mal reproduziert worden.

Jedes einzelne Experiment erfordert mehrere Spielrunden, in denen die Spieler immer wieder zusammenkom-men. Das Max-Planck-Institut für Öko-nomik betreibt ein Computerlabor für Experimente, die Namen wie Forbea-rance (Stundung), Communication in charitable giving experiments (Kom-munikation in Experimenten zum Spendeverhalten) oder Dictator IN/OUT tragen. Daneben finden im Video -labor im Keller des Instituts Kontroll-unter suchungen statt, vor allem um herauszufinden, ob die Diskussionen gemeinsam entscheidender Teilnehmer bestätigen, was sich die Wissenschaft-ler so vorstellen.

Heute, nach einigen Jahrzehnten des Experimentierens, hat sich das In-teresse der Experimentalökonomen ein wenig verschoben. „Das Ultimatum-Spiel hat längst aufgehört, ein