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D. Governance, Organisation und rechtliche Ausgestaltungsoptionen

IV. WEITERES VORGEHEN

Mit der vorliegenden Machbarkeitsstudie ist grundsätzlich dargelegt, dass der Ansatz eines virtuellen Netzwerks Gesundheitsdaten fachlich, rechtlich und technisch machbar ist. Er eröffnet die Option, einen im Anwendungsbereich nahezu unbeschränkten Rahmen für die gesundheitspolitisch erwünschte Ausweitung von Big Data-Analysen in der Gesundheitsforschung zu schaffen.

Eine Umsetzung des Modells kann nur schrittweise erfolgen und erfordert eine Härtung des Konzeptes, insbesondere durch Pilotierung(en), eine tiefere und breitere Debatte mit Stakeholdern, die Erarbeitung des Geschäftsmodells, die Herbeiführung einer politischen Entscheidung einschließlich Gesetzgebung sowie die anschließende praktische Errichtung des Netzwerks.

Im Einzelnen werden die nachfolgenden nächsten Schritte vorgeschlagen.

Abbildung 13: Vorgehensvorschlag

1. Stakeholder-Dialog

Von entscheidender Bedeutung für den Erfolg des NGD ist die Einbindung der Stakeholder in die Planung des NGD. Der Stakeholder-Dialog sollte an die bisherige Stakeholder-Diskussion anknüpfen, frühzeitig beginnen und während der gesamten Planung und Errichtung fortgesetzt werden. Es bietet sich an, hierfür eine dauerhafte Organisationsform zu wählen. Vorgeschlagen wir die Einrichtung eines Fachforums NGD, das zunächst mit einer Arbeitsgruppe beginnen, später mit einer Steuerungsgruppe und Facharbeitsgruppen aufwachsen kann.

Mitglieder des Fachforums sollten Vertreter derjenigen Einrichtungen sein, die potentielle Datenbereitsteller oder Datennutzer im NGD werden können. Hierbei sollte eine Mischung aus institutionellen Interessenträgern (Verbänden) und profilierten Einzelpersonen angestrebt werden.

Wegen der Notwendigkeit der Etatisierung und Gesetzgebung sollten Vertreter der Politik des Bundes und der Länder in das Fachforum eingeladen werden. Das Fachforum sollte unter der Ägide des BMG stattfinden. Im weiteren Verlauf wäre die Geschäftsstelle des Fachforums zunächst beim BMG und nach der Gründung des NGD dortselbst anzusiedeln.

Neben dem vor allem der institutionsübergreifenden Weiterentwicklung und gesellschaftlichen Verankerung des NGD dienenden Fachforum muss wegen der speziellen Betroffenheiten spätestens im Vorfeld von Gesetzgebungsverfahren und Gründung eine Beteiligung von drei speziellen Gruppen erfolgen:

• Die Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder, gemeinsam organisiert in der Datenschutzkonferenz, sind frühzeitig anzusprechen, um das datenschutzrechtliche Konzept

Stakeholder-Dialog

zu diskutieren. Hier wird empfohlen, im ersten Schritt einzelne Landesbeauftragte und ergänzend die BfDI anzusprechen. Die Auswahl der Landesbeauftragten könnte sich an den Zuständigkeiten im Kontext der Pilotierung orientieren. Die BfDI ist wegen der Trägerschaft des Projekts im BMG ebenfalls einzubinden, auch sofern BfDI möglicherweise nicht direkt zuständig ist.

• Gerade im Hinblick auf die Beteiligung von Kliniken am NGD sollte die

Gesundheitsministerkonferenz (GMK) frühzeitig informiert und eingebunden werden. Die Einbindung könnte mit der Unterrichtung über die Ergebnisse der Studie und Information über eine geplante Pilotierung beginnen. Gerade wenn eine Erleichterung der Errichtung des NGD durch gesetzgeberische Maßnahmen vorgesehen ist, ist eine frühzeitige harmonisierte

Vorbereitung mit den Ländern anzuraten.

• Die Einrichtungen der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen haben ein vielfältiges Interesse an der Art und Weise der Etablierung des NGD. Sie sind daher ebenfalls frühzeitig

einzubinden. Dabei sollte allerdings vermieden werden, das Projekt zu einem Projekt der Selbstverwaltung zu machen, um die im Zuge der Pilotierung und späteren Gesetzgebung nötigen Design-Entscheidungen in rechtlicher, organisatorischer und technischer Hinsicht nicht mit zu viel Abstimmungsnotwendigkeiten zu belasten.

2. Pilotierung

Zentral für eine weitere Härtung des Konzeptes ist die Durchführung einer geeigneten Pilotierung. Dabei sollten mindestens zwei bis drei fachlich möglichst weit auseinander liegende Piloten, entlang der beschriebene Beispielfällen I und II (s. Kapitel II A) konzipiert und durchgeführt werden. Neben der Entwicklung des fachlichen Konzeptes und auch der Etablierung von Qualitäts- und Rückkopplungskonzept sollten frühzeitig die für die Pilotierung notwendigen Stakeholder für die Projektformulierung des Piloten hinzugezogen werden.

Im weiteren Schritt wäre zur Vorbereitung der Pilotierung die Entwicklung eines Prototyps der technischen Plattform des NGD erforderlich. Der Prototyp sollte folgende Funktionalitäten anbieten:

• Big-Data-Plattform

• Kontaktplattform

• Terminologieserver

Auf die technische Pilotierung des Funktionsbereichs Contracting kann zunächst verzichtet werden, weil die Funktionalität während der Pilotierung nicht automatisiert benötigt und die technische Komplexität der Realisierung des Contracting nicht sehr hoch ist.

Zur Pilotierung sollte zum einen die für die Bereitstellung des Systems notwendige Hardware erworben werden, zum anderen anschließend eine auf Hadoop basierte Big Data-Plattform bestehend aus den einzelnen Software Bausteinen mit ihren dazugehörigen Lizenzen gekauft werden. Basierend auf den benannten Anforderungen sollte das NGD die Entwicklung der Kontaktplattform in Auftrag geben oder selbst vornehmen. Die dabei zum Einsatz kommende Software muss dem hier vorgeschlagenen Sicherheitskonzept entsprechen, so dass diese von einem unabhängigen externen Auditor ihre Konformität nach ISO 27001 auf Basis von IT-Grundschutz des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) verifiziert wird. Ferner muss dabei auch das Personal entsprechend der Sicherheitsrichtlinien geschult werden.

Das NGD sollte eine Lizenz für SNOMED CT erwerben und dieses gemeinsam mit den lizenzkostenfrei nutzbaren Systemen ICD-10 GM, OPS und LOINC als Kern eines Referenz-Codesystems nutzen. Die genannten Systeme müssen hierzu nicht untereinander vernetzt werden, da SNOMED CT nur als Referenz für in ICD-10 GM, OPS und LOINC nicht vorhandene Konzepte genutzt werden sollte.

Weitere domänenspezifische Systeme können als Referenzsysteme hinzugefügt werden (z.B.

ICSN für Gen-Daten oder ICNP für Daten aus der Pflege).

An das NGD angebundene Einrichtungen können anonymisierte, kodierte Datensätze zusammen mit Beschreibungen der genutzten Codesysteme an das NGD senden. Über NLP-, ML- und KI

Verfahren werden hieraus Vorschläge für ein Mapping auf das Referenzsystem berechnet, die anschließend durch Experten validiert werden. Lassen sich einzelne, in den Quellsystemen genutzte Konzepte nicht auf das Referenzsystem abbilden, werden diese selber zum Teil des Referenzsystems.

Nach Fertigstellung des Prototyps der Kontakt-Plattform kann mit dem Probelauf der Datenanalyse über das NGD begonnen werden. Die Pilotierung könnte zunächst im Rahmen eines Forschungsauftrags bei einer Forschungseinrichtung stattfinden, die entsprechend qualifiziert ist. Entlang der Pilotierung könnte eine Fortschreibung der vorliegenden Machbarkeitsstudie hin zu einem Grobkonzept vorgenommen werden.

3. Feinkonzept

Sofern die Pilotierung erfolgreich verläuft, sollte sich eine Phase der Feinkonzeptionierung anschließen.

In ihr wären vier für den Aufbau des NGD kritische Leistungsbereiche näher zu spezifizieren:

a) Geschäftsmodell

In einem Geschäftsmodell sind die in dieser Machbarkeitsstudie nicht betrachteten Kosten der NGD zu kalkulieren und ein, ggf. verschiedene, Modell(e) der Finanzierung zu betrachten. Dabei muss ins Betracht gezogen werden, dass

• NGD wegen des öffentlichen Auftrags keine Refinanzierung durch wettbewerblich gebildete Preise zulässt,

• die Aufwände der Datenbereitsteller kompensiert werden müssen sowie

• die sehr unterschiedlichen (monetären oder nichtmonetären) Vorteile der Datennutzer aus den Auswertungen im NGD Berücksichtigung finden müssen.

b) Fachkonzept

Basierend auf den Darlegungen der Machbarkeitsstudie wird das fachliche Konzept weiter ausgearbeitet und um das Qualitätskonzept sowie das Konzept zur Rückkopplung von Stakeholdern und NGD ergänzt.

c) Rechtsformentscheidung

Basierend auf einer politischen Grundentscheidung, den Diskussionen mit den Stakeholdern und den Finanzierungsüberlegungen im Geschäftsmodell ist anschließend die Rechtsform des NGD festzulegen.

Die aus der Rechtsformentscheidung folgenden organisatorischen und rechtlichen Anforderungen an den Aufbau des NGD sind zu ermitteln, zu priorisieren und zu beplanen.

d) Datenschutzrechtliches Gutachten

Wegen der besonderen Kritikalität der datenschutzrechtlichen Fragestellungen wird empfohlen, nach der Rechtsformentscheidung ein vertieftes datenschutzrechtliches Gutachten zu beauftragen, dass die datenschutzrechtliche Zulässigkeit für eine größere Zahl von Konstellationen aus Datenbereitstellern und Datennutzern prüft und den Gesetzgebungs- oder sonstigen datenschutzrechtlichen Umsetzungsbedarf für die neue Entität beschreibt. Das Gutachten sollte nach Möglichkeit mit einer Datenschutzaufsichtsbehörde besprochen und deren Sichtweise aufgenommen werden.

e) Organisationskonzept

Für die Zielorganisation NGD ist ein Organisationskonzept NGD zu erarbeiten, das folgende Aspekte beschreibt:

• Personalbemessung für die einzelnen Funktionsbereiche und Hierarchieebenen

• Aufbau- und Ablaufplanung

• Budgetplanung einschließlich Vorbereitung eines ersten Wirtschaftsplans zwecks haushalterischer Verankerung

• Stufenplan zum Aufbau der Organisation

Die gesamte Feinkonzeptionierung sollte durch Facharbeitsgruppen des Fachforums NGD begleitet werden.

4. Aufbau

An die Feinkonzeptionierung kann sich die Erarbeitung eines Gesetzentwurfes der Bundesregierung und ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren anschließen. Unter Umständen sollten auch Musterentwürfe zur Änderung von Landesrecht (z.B. Landeskrankenhausgesetze) erstellt werden. Mit der Verabschiedung des Entwurfs durch die Bundesregierung sollte eine Veranschlagung der für die Finanzierung des NGD nötigen Anschubmittel, ggf. je nach Geschäftsmodell auch nötigen dauerhaften Mittel, im Bundeshaushalt erfolgen.

An die Verabschiedung des Gesetzes sollte sich die Errichtung eines Aufbaustabes NGD im BMG anschließen, der die weiteren Schritte, insbesondere die Gründung der Organisation, die Besetzung von Schlüsselfunktionen und die Etablierung der Steuerungsprozesse anleitet.