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2 Biographie von E. L. W. Nebel

2.5 Weitere akademische Grade, Titel und Ämter

Am 24.10.1793 legte Nebel das medizinische Examen ab und erhielt am 12.12.1793 von seinem Onkel, dem damaligen Dekan Thom, die Doktor-würde, nachdem er seine Thesen verteidigt und ein wenig später seine Dissertation „Antiquitates morborum cutaneorum“ nachgereicht hatte.22 Im folgenden Jahr widmete sich Nebel der Praxis, welche aber erst dann mehr Zulauf hatte, als sein Onkel Thom ihm durch seinen Weggang nach Darm-stadt im Sommer 1794 die Weiterversorgung einiger Kranker übertragen hatte. Im gleichen Jahr wurde Nebel auch als Prosektor am anatomischen Theater und als Privatdozent an der Giessener Fakultät angestellt. Nebel

19 Nebel 1865/1940, S. 41.

20 Giese 1985, S. 34.

21 Scriba 1846, S. 278.

22 Giese 1985, S. 35.

„… fühlte aber, daß es ihm in der Anatomie und Chirurgie an hin-länglicher Uebung und Erfahrung fehle.“23

So machte er sich am 10.09.1795 auf nach Wien, mit einem Empfehlungs-schreiben von Ernst Gottfried Baldinger aus Marburg und seinem vorma-ligen Lehrer Christian Gottfried Gruner aus Jena, der ihn

„… als einen sehr bescheidenen und in den Wissenschaften ausge-zeichnet bewanderten jungen Mann beausge-zeichnete.“,24

um sich dort vor allem Wissen im Bereich der Tierheilkunde aneignen zu können, was laut Dekanatsbuch mit einer Eintragung vom 18.08.1795 mit einer fi nanziellen Unterstützung von 300 fl . bewilligt worden war.25 Er reiste in einer Kutsche, die ihm ein dankbarer Patient kostenlos zur Verfü-gung gestellt hatte,26 über Würzburg, Bamberg, Erlangen, Nürnberg, Alt-dorf, Ingolstadt und Regensburg nach Wien.27

In Bamberg traf Nebel übrigens auf seine erste große Liebe, Helene Frey, die er später, im Jahr 1803 erneut aufsuchte. Jedoch wurde aus der engen Freundschaft keine eheliche Beziehung, denn Helene starb 1807 als Ehe-frau des Apothekers Rath in Bamberg nach der Geburt ihres ersten Kindes.

Warum trotz der tiefen Verbundenheit Nebels zu Helene keine Verlobung erfolgte, ist nicht bekannt, da diesbezüglich seine Tagebucheinträge ver-nichtet waren. Wilhelm Egid Nebel bezeichnet diese Begebenheit als

„…ein Geheimnis seines Lebens, über welches niemals Jemand ein Wort über seine Lippen gehen hörte.“28

Am 06.11.1795 kam Nebel in Wien an. In den sieben Monaten, in denen er in Wien verweilte, genoss Nebel folgenden Unterricht:

– Praktische Ausbildung am allgemeinen Krankenhaus bei Johann Peter Frank

– Gynäkologie bei Lukas Johann Boer

23 Scriba 1846, S. 278.

– Augenkrankheiten bei Adam Schmidt

– Chirurgische Operationen an der Josephinischen Akademie bei Johann Nepomuk Hunczowsky.

Nach einigen Wochen Aufenthalt in Wien bekam Nebel ein Reskript des Rektors der Universität Gießen, in welchem ihm aufgetragen wurde, dem Studium des Faches Tierheilkunde besondere Aufmerksamkeit zu schen-ken, was er bereitwillig in die Tat umsetzte.29 So besuchte Nebel noch die Wiener Tierarzneischule, die älteste Einrichtung dieser Art im deutschspra-chigen Raum, welche 1767 unter dem Namen „Pferdekur-Operationsschule“

gegründet worden war.30 Dort hörte Nebel folgende Vorlesungen:

– theoretische und praktische Pferdeheilkunde bei Johann Knobloch – Anatomie bei Anton Pettenkofer

– Botanik, pharmazeutische Chemie, Physik, Nahrungs- und Arzneimit-tellehre bei Hieronymus Waldinger31

– Human- und Tieranatomie bei Ignaz Joseph Pessina.32

Am 09.04.1796 reiste Nebel mit dem Stallmeister Frankenfeld nach Press-burg und Budapest, und wieder zurück nach Wien. Eineinhalb Monate spä-ter folgte eine Reise nach Prag. Dort verbrachte er einige Wochen und besuchte neben humanmedizinischen Vorlesungen auch die tierärztliche Anstalt unter Martin Albert Tögl33 und die klinischen und geburtshilfl ichen Übungen unter dem Gynäkologen Johann Melitsch.

Danach kam er nach Dresden in die Tierarzneischule unter der Leitung der Gebrüder Johann Georg und Gottlob Sigismund Reutter und schließlich an die Tierarzneischule nach Berlin, wo er vom 22.07.1796 bis 20.09.1796 blieb.34 Welchen Unterricht er hier genau genoss, geht aus Egid Nebels Unterlagen nicht hervor. Fest steht jedoch, dass dort zu dieser Zeit in einer dreijährigen Ausbildung tierheilkundliche Vorlesungen für spätere Beamte und Pferdeärzte abgehalten wurden, und zwar waren das:

29 Nebel 1865/1940, S. 62.

30 Eichbaum 1885, S. 102.

31 Giese 1985, S. 39.

32 Schäffer 2001, Stichwort Pessina, Ignaz, Joseph.

33 Giese 1985, S. 42.

34 Giese 1985, S. 41 f.

– Hufkunde, Beurteilungslehre des Pferdes, allgemeine Nosologie, The-rapie und für Kavallerieoffi ziere gedachte pferdeheilkundliche Vor-träge bei Johann Georg Naumann

– Anatomie, Physiologie, Chirurgie, Operationslehre, Tierhaltung und Tierseuchenlehre bei Georg Friedrich Sick und Johann Dietrich Reck-leben

– Chemie, Pharmazie und Botanik bei dem Apotheker Christian Ratze-burg.35

Auch soll Nebel die Charité besucht und dort den Arzt und Philosoph Christian Gottlieb Selle und den Chirurgen Christian Ludwig Mursinna kennengelernt haben. Schließlich kam Nebel im Oktober 1796 nach seiner Rückreise über Hannover, wo er den damaligen Direktor der Tierarznei-schule, Konrad August Havemann, kennen lernte, wieder in Gießen an.36 Sein Sohn schreibt über den Erfolg der Reise folgendes:

„Ohne Zweifel war der erzielte wissenschaftliche Gewinn ein bedeu-tender. Man kann es schließen aus dem Fleiß und der Begabung des Reisenden und aus der reichlich gebotenen Gelegenheit, berühmte Männer zu hören und ausgezeichnete medizinische Anstalten kennen zu lernen.“37

Am 07.12.1796 bekam Nebel vermutlich auf Empfehlung seines Onkels Thom die Stelle als Garnisonsmedikus38 in Gießen,39 erhielt aber erst ab 1803 ein Gehalt dafür ausgezahlt. So arbeitete Nebel nebenbei als Privat-dozent, als praktischer Arzt und betrieb gemeinsam mit seinen Geschwis-tern die Apotheke.

Am 29.05.1798 wurde er zum dritten Professor der Arzneikunde in Gießen in Nachfolge des Geheimen Regierungsraths Johann Ludwig Friedrich Dietz ernannt40 und reichte zu diesem Anlass seine Abhandlung „Specimen nosologiae brutorum cum hominum morbis comparatae“ ein.41 1799 erhielt

35 Giese 1985, S. 42.

36 Scriba 1846, S. 279.

37 Nebel 1865/1940, S. 61 f.

38 Garnisonsarzt bedeutet soviel wie Militärarzt.

39 Nebel 1865/1940, S. 73 f.

40 Scriba 1846, S. 279.

41 Giese 1985, S. 44.

Nebel in der Abtey Arnsburg die Stelle als Arzt, die er aber nach einigen Jahren als Folge des Friedens von Lunéville 180142 verlor. 1803 erlangte Nebel das Rektorat (das er nochmals 1812 und 1833 jeweils für ein Jahr innehatte).43 Am 01.04.1804 wurde die Apotheke für 16.500 fl .44 an den Verwalter Wiedmer verkauft, der sie aber leider herunterwirtschaftete und daraufhin Selbstmord beging. Daher fi el die Apotheke schließlich wieder an Nebel zurück.45 Drei Monate nach dem Apothekenverkauf heiratete Nebel am 15.07.1804 Theodore Klippstein, deren Vater bereits mit 48 Jah-ren, ohne Vermögen hinterlassen zu haben, gestorben war. Wilhelm Egid Nebel schildert seine lebendige und gutmütige Mutter folgendermaßen:

„… eine zwar nicht ganz schulgerecht gebildete, aber höchst verständi ge, gemüthreiche Frau mit heiterem Sinne und von großer Gutmüthigkeit.

Eine Eigenschaft besaß sie bei ihrem lebhaften Temperament in min-derem Grade, welche einem Manne, wie mein Vater, gegenüber wün-schenswert gewesen wäre, nämlich Geduld. Er war in manchen Stücken wunderlich und hatte Eigenheiten, die ertragen werden wollten.“46 Wilhelm Egid Nebel gibt aber auch mit Hilfe von Tagebucheinträgen sei-nes Vaters Zeugnis von dessen kritischer Selbsteinschätzung, da Nebel durch seine Anlagen und seine Erziehung einige unliebsame Charakterei-genschaften besaß:

„Wäre ich als Kind mit Liebe und Vertrauen gebildet worden, nicht mit harten Reden, Zwang, Schlägen und Machtansprüchen, ich würde ein andrer Mensch sein. Die Eindrücke in dem weichen Wachs bleiben Zeitlebens.“47

Dass Nebel aber auch stets gegen seine Schwächen, die er in seiner stren-gen und spöttischen Art und seinem Hang zu Allotrien sah, ankämpfte, beweist jener Tagebucheintrag von 1803, den er anlässlich seines Amtsan-tritts zum Rektor vorgenommen hatte:

42 Frieden von Lunéville: am 9.02.1801 zwischen Frankreich und Österreich unter Franz II.

„Gott sei mein Beistand, ich will das Gute und das Rechte, aber ich will auch nicht zu streng sein. Zwar stehe ich in diesem Ruf. Möchte ich doch hier stets die rechte Mittelstraße treffen. Ich habe wenig Äußeres, Einschmeichelndes, und Empfehlendes. Ich habe manche Feinde, oder doch solche, die mich verachten. Meine Talente und meine Verdienste verdienen keine Achtung, aber ich suche mich selbst zu beherrschen und arbeite an meiner Besserung. Ich bin oft vorlaut, aburtheilend, mehr nach meinen einseitigen Begriffen von Recht oder Billigkeit, als nach Politik. Ich bin auch zuweilen Spötter. Ich bin fi ns-ter, zurückstoßend obendrein. Was Wunder, daß ich wenig Freunde habe? Und ich bin träge, arbeite wenig, meist Nebendinge.“ 48

Wilhelm Egid Nebel sieht aber gerade im Eingeständnis der persönlichen Schwächen seines Vaters und seinem steten Drang, diese zu bekämpfen, sowie in der bescheidenen Einschätzung all seiner Talente49 dessen eigent-liche Größe. Zudem erwähnt Wilhelm Egid Nebel, dass sein Vater die unangenehme Eigenschaft der Gehässigkeit im Alter abgelegt hatte:

„Man erinnert sich, dass mein Vater über seine böse Zunge klagte.

Damit deutet er auf eine Eigenschaft hin, welche er in späteren Lebens-jahren, denen er sich durch eine große Milde des Urtheils auszeich-nete, vollständig überwunden hatte.“50 „Seine Empfi ndlichkeit, sein Starrsinn, sein auffahrendes Wesen waren kaum noch wahrzunehmen, er war freundlich und sanft, sein scharfes Urtheil hatte sich in die größte Milde verwandelt, an die Stelle des Trübsinns war die heitere Lebenslust getreten.“51

So erfolgreich er in berufl icher Hinsicht mit der stetigen Erlangung vieler Ämter war, so viel Leid musste er familiär erleben. Von den dreizehn Kin-dern, die ihm seine Frau geschenkt hatte, überlebten nur vier: Theodore (geb. 06.09.1806), Henriette (geb. 10.03.1809, körperlich behindert, starb aber bereits mit 25 Jahren), Auguste (geb. 29.05.1815) und Wilhelm Egid Nebel (geb. 19.02.1819). Seine Frau Theodore starb am 18.03.1838 an den Folgen von Brustkrebs.52

An der Giessener Universität zeichnete sich dagegen ein erfolgreicher Auf-stieg Nebels ab: 1805 erlangte er nach dem Tod von Johann Friedrich Sigismund Posewitz die zweite, nach dem Tod von Karl Wilhelm Christian von Müller 1817 die erste Professur. Bei der Übernahme der Professur legte er die Stelle als Prosektor nieder.53

Nebels Vorlesungen bezogen sich sowohl auf rein humanmedizinische The-men (wie Knochen- und Bänderlehre, Physiologie, Pathologie, allgemeine und spezielle Therapie, Chirurgie, Geburtshilfe, gerichtliche Arzneikunde, Geschichte der Medizin)54 als auch veterinärmedizinische Themen (wie Tierseuchenlehre, Chirurgie beim Vieh, Hauptmängel, gerichtliche Tierheil-kunde, Vieharzneikunde),55 deren Zuhörer anfangs Humanmediziner waren, die als sog. Physici für die Tierseuchenbekämpfung verantwortlich waren.56 Mit der Vorlesungsreihe über die Kenntnis und Pfl ege der Haustiere im Jahr 1797 legte er den Grundstein für den tierärztlichen Unterricht an der Universität Gießen,57 wobei eine reguläre Ausbildung für künftige Tier-ärzte an dieser Fakultät erst unter Mitwirken des Tierarztes Karl Wilhelm Vix ab dem Jahr 1828 stattfand.58 Aber auch die Fächer Psychologie und Psychiatrie, wie auch die Medizinische Enzyklopädie und Methodologie gehörten zu Nebels Vortragsreihen.59 Neben seiner Unterrichtstätigkeit ver-mittelte er aber sein Wissen auch durch zahlreiche Publikationen, die im Kapitel Bibliographie näher erläutert sind.

So erschien 1806 im Rahmen seines Vortrages über die promovierten Kan-didaten der Medizin, Tiermedizin und Pharmazie sein Werk über die Ge-schichte der Tiermedizin, das Thema der vorliegenden Dissertation ist.

1846 erhielt Nebel den Titel eines geheimen Medizinalrats.60

Neben den medizinischen und tiermedizinischen Ämtern erlangte Nebel auch auf dem Gebiet der Philosophie (mit der Erlangung der Doktorwürde

53 Scriba 1846, S. 279.

1814), der Naturkunde, der Geschichte und der lateinischen Sprache Anse-hen und war Mitglied in folgenden gelehrten Gesellschaften:

– Westphälische Landeskulturgesellschaft zu Arnsberg

– Weterauische Gesellschaft für die gesammte Naturkunde zu Hanau – Naturforschende senkenbergische Gesellschaft zu Frankfurt a. M.

– Naturforschende Gesellschaft zu Marburg – Botanische Gesellschaft zu Regensburg

– Gesellschaft zur Beförderung der Geschichtskunde zu Freiburg im Breisgau

– Antiquarische Gesellschaft zu Leipzig – Lateinische Gesellschaft zu Jena.61

Das vielseitige Interesse und Engagement seines Vaters ist jedoch nach Meinung von Wilhelm Egid Nebel nicht nur Zeugnis eines sehr gelehrten Mannes, sondern bringt auch mit sich, dass sich Nebel oft zu wenig inten-siv um einzelne Gebiete bemühen konnte.

„Die Vielseitigkeit zersplitterte seine Kraft, und zwar umsomehr, da er noch manche andere, nicht zu seiner Fachwissenschaft gehörige Gebiete bearbeitete. Ohne Zweifel hätte er bei seiner Begabung und bei seinem eisernen Fleiße Ausgezeichnetes leisten können, wenn er sich auf ein bestimmt abgegrenztes Gebiet seiner Wissenschaft und auf eine geringere Zahl von Nebendingen beschränkt hätte. So war er in Vielem tüchtig, aber hervorragend in seinem Fache nur in der Geschichte der Medizin, worin er als Autorität galt, und in Neben-dingen vorzugsweise in der Münzwissenschaft, in welcher er seltene Kenntnisse besaß.62

Neben seiner Lehrtätigkeit an der Universität Gießen war Nebel als prak-tischer Arzt tätig. In jungen Jahren arbeitete er in der Stadt und auf dem Land als Geburtshelfer sowie während der Kriegsjahre auch als Garnisons-arzt in den Lazaretten, im Alter beschränkte sich seine Praxistätigkeit aber nur noch auf die Stadt und auf Landleute, die ihn aufsuchten. Dass er im praktischen Berufsleben nie ganz seine Erfüllung fand, wird durch Wilhelm Egids Anmerkung deutlich:

61 Scriba 1846, S. 280.

62 Nebel 1865/1940, S. 97.

„Recht von Herzen liebte er aber den ärztlichen Beruf eigentlich nie-mals. Er übte denselben im fortwährenden Verdrusse, daß er ihn von den Wissenschaften abzog, und in dem niederschlagenden Bewusst-sein, dass mit aller Kunst doch eigentlich nur wenig auszurichten sei.“63

Es gibt keine Hinweise, dass Nebel in der praktischen Tiermedizin tätig gewesen war. Christian Giese (1985) geht davon aus, dass der sich meist auf Viehseuchen beziehende Unterricht vorwiegend theoretischer Natur war.64