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Vorspannung mit und ohne Verbund In der Schweiz kommt sowohl die Vorspannung

8 Verstärkung durch Vorspannung

8.3.2 Vorspannung mit und ohne Verbund In der Schweiz kommt sowohl die Vorspannung

mit als auch diejenige ohne Verbund zur Anwen-dung; die letztere vor allem bei Flachdecken im Hochbau. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Unterschiede im Verhalten von Trag-werken bei beiden Anwendungsarten grundsätz-lich bekannt sind, so dass hier nicht auf alle Ein-zelheiten eingegangen werden muss (z.B. Ritz, 1978).

Figur 8.10 zeigt einen Biegeträger mit externer Vorspannung. Vor dem Erreichen der Risslast des Trägers besteht kein Unterschied im Verhalten ge-genüber Vorspannung mit Verbund. Nach dem

Figur 8.10:

Biegeträger mit externer Vorspannung nach Über-schreiten der Risslast

Figur 8.9:

Kräfte bei Umlenkstelle

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Erreichen der Risslast entsteht in Feldmitte ein Riss oder sehr wenige Risse in grösseren Abständen je nach Momentenverlauf, nämlich dann, wenn im Träger keine oder nur wenig schlaffe Biegebeweh-rung vorhanden ist. Die Spannglieder können sich, abgesehen von der Reibungsbehinderung zwi-schen den Verankerungen auf ihrer ganzen Länge frei dehnen. Dies bedeutet, dass die aus der Riss-weite w entstehende Zusatzdehnung in den Spanngliedern nur eine geringe Spannungserhö-hung bewirkt. Damit ergibt sich bei nur geringer weiterer Lastaufnahme eine rasche Zunahme der Rissweite w und der Durchbiegung. Die Nullinie wandert im kritischen Querschnitt rasch nach oben und es entsteht eine starke äussere Konzentration der Betonstauchungen bis zum plötzlichen, explo-sionsartigen Versagen der Betondruckzone. Je nach Fall kann der Bruch bereits bei 1.1 bis 1.3 FRiss

auftreten, d.h. der Spannungszuwachs im Spann-stahl genügt meist nicht, dass dieser ins Fliessen kommt. Im Gegensatz zur Vorspannung mit Ver-bund wird also die Streckgrenze fpy in der Regel nicht erreicht, d.h. der Bruchwiderstand liegt bei verbundloser Vorspannung meist tiefer.

In einer differenzierteren Betrachtungsweise ist darauf hinzuweisen, dass beim einfachen Balken in Feldmitte die Querkräfte bzw. die Schubspan-nungen in der Regel gering sind. Damit ergibt sich in diesem Fall insgesamt doch eine bessere Risse-verteilung. Über einer Stütze im Falle eines sta-tisch bestimmten Kragträgers oder eines stasta-tisch unbestimmten Durchlaufträgers sind grosse Quer-kräfte bzw. Schubspannungen vorhanden, was zur Bildung nur eines Risses führen kann. Beim Durch-laufträger ist dies in der Regel ungefährlich, weil im Feldbereich normalerweise noch Tragreserven vorhanden sind. Beim Kragträger fehlen jedoch solche Reserven. Der Einsturz des Kragträgers, der im Freivorbau erstellten Cannavino-Brücke in Itali-en zeigt die Problematik in eindrücklicher Art und Weise. Das Unglück erfolgte, als der Kragträger weitgehend fertiggestellt war, die Spannglieder aber noch nicht injiziert, d.h. noch ohne kontinuier-lichen Verbund mit der Tragkonstruktion waren (Wittfoht, 1981).

Menn hat mit seinen Versuchen an unterspannten Brückenträgern gezeigt, dass durch konstruktiv-konzeptionelle Vorkehrungen, wie beispielsweise die Anordnung von Zwischenverankerungen, auch bei externer Vorspannung die Fliessspan-nung erreicht werden kann (Menn, 1987 und 1990).

Solche Massnahmen sind jedoch besonders bei

der nachträglichen Verstärkung aufwendig und kostenintensiv. Im weiteren hilft natürlich zur Ver-besserung des Bruchverhaltens eine ausreichen-de, gut verteilte Biegebewehrung und eine gut verbügelte Biegedruckzone.

In der Praxis wird es in der Regel sinnvoll sein, bei der Ermittlung der Tragsicherheit auf den mög-lichen Spannungszuwachs zu verzichten. Dies wird auch in Ziffer 3 24 18 der Norm SIA 162 em-pfohlen. Wichtig ist dabei, die nach Abzug sämt-licher Verluste realistischerweise noch vorhan-dene Spannkraft einzusetzen. Bei bestehenden Tragwerken ist je nach deren Alter nur ein Teil-kriechen oder -schwinden einzusetzen.

Im Einzelfall kann es trotzdem notwendig sein, eine genauere Ermittlung des Tragsicherheitsver-haltens vorzunehmen. Eine genaue Berechnung ist durch Integration der Dehnungen längs der Spanngliedachse möglich. Es handelt sich dabei um eine iterative, nichtlineare Berechnung, auf die hier nicht näher eingegangen wird. Wichtige Hin-weise hiezu sind veröffentlicht worden (z.B. Virlo-geux, 1983; Zimmermann, 1985; Eibl et al, 1990;

Gauvreau, 1993).

Eine gute Abschätzung der Spanngliedverlänge-rung kann mittels des Traglastverfahrens erfolgen (Figur 8.11). Bei Platten wird dieses Verfahren seit vielen Jahren erfolgreich angewendet. Es hat auch in der Norm SIA 162 Eingang gefunden. Mit der Festlegung einer Grenzdurchbiegung von 2.5%

der massgebenden Spannweite kann die Spann-kraftzunahme unter Berücksichtigung der gesam-ten Kabellänge einfach bestimmt werden.

Figur 8.11:

Verlängerung des Spannstahles L beim Erreichen der Grenzdurchbiegung R

Während dem sich dieses Verfahren bei Platten bewährt hat und auch theoretisch untermauert ist, kann es bei Balken nicht ohne weiteres angewen-det werden. So müssen beispielsweise die Auswir-kungen 2. Ordnung berücksichtigt werden. Figur 8.12 zeigt den Fall einer geraden Spanngliedfüh-rung, wobei Spannglieder und Tragwerk nur bei den Verankerungen miteinander verbunden sind.

Verformt sich das Tragwerk, so reduziert sich der Hebelarm der Vorspannkraft. Diese Reduktion er-gibt sich als Effekt 2. Ordnung und kann je nach den geometrischen Verhältnissen beträchtlich sein.

Eine Verbesserung wird durch das Anordnen von Umlenkstellen erzielt, bei denen die Spannglieder quer zur Tragwerksachse unverschieblich gehal-ten sind (Figur 8.13). Im weiteren muss in den kritischen Bereichen ausreichende

Rotations-fähigkeit vorhanden sein, damit entsprechende Grenzdurchbiegungen erzielt werden können.

Ist die Spannkraft im Bruchzustand bestimmt, d.h.

wird entweder deren Wert P∞ nach Abzug sämt-licher Verluste eingesetzt oder ist hiezu durch eine genauere Untersuchung eine Spannkrafterhö-hung ∆P bestimmt worden, dann wird die Trag-sicherheit mit den üblichen Methoden ermittelt.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich zwischen Vorspannung mit Verbund und verbund-loser Vorspannung in bezug auf die Gebrauchs-tauglichkeit keine Unterschiede ergeben, dass aber solche – wie vorstehend erläutert – in bezug auf die Tragsicherheit vorhanden sind.

Figur 8.12:

Einfluss der Trägerverformung auf die Spanngliedex-zentrizität bei geraden Spanngliedern, die mit dem Tragwerk nur bei den Verankerungen verbunden sind.

Figur 8.13:

Einfluss der Trägerverformung auf die Spanngliedex-zentrizität bei geraden Spanngliedern, die neben den Verankerungen noch bei 2 Umlenkstellen quer zur Stabachse gehalten sind.

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