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Zum Vorschlag der CDU

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Beispielsvariante 1: Sie ist nicht schwerbehindert, die sonstigen Daten sind aber gleich

3. Zum Vorschlag der CDU

Im Antrag der CDU-Landesverbände NRW und Saar an den CDU-Parteitag heißt es u. a.:

„Wer den Menschen etwas zumutet, muss ihnen auch eine Perspektive bieten – Hartz IV generell überholen

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes wird wieder stärker an die Dauer der Beitrags-zahlung gekoppelt. Es wird eine Staffelung umgesetzt, bei der sichergestellt ist, dass zu-künftig jemand, der jahrzehntelang Beiträge gezahlt hat, deutlich länger Arbeitslosen-geld erhalten kann als jemand, der nur kurz gearbeitet und Beiträge gezahlt hat.

Im Regelfall wird Arbeitslosengeld bis zu 12 Monaten gezahlt. Bei einer versicherungs-pflichtigen Vorbeschäftigungszeit von mindestens 15 Jahren erhöht sich die Bezugsdau-er auf bis zu 15 Monate. WBezugsdau-er mindestens 25 Jahre lang in die ArbeitslosenvBezugsdau-ersichBezugsdau-erung eingezahlt hat, hat einen Leistungsanspruch von bis zu 18 Monaten. Für einen Über-gangszeitraum wird das Arbeitslosengeld bei mindestens 40 Beitragsjahren bis zu 24 Monate gezahlt.“

Bewertung:

Das erklärte Ziel ist richtig, dass insbesondere ältere Arbeitnehmer nach langer Erwerbstätig-keit nicht so schnell auf Hartz IV verwiesen werden. Die vorgeschlagene Umsetzung ist lü-ckenhaft und mit mehreren Nachteilen verbunden.

Der Vorschlag schwächt das Solidarprinzip in der Arbeitslosenversicherung und führt bei vergleichbarer Situation während der Arbeitslosigkeit zu sehr stark schwankenden Un-terstützungsleistungen. Dabei werden die geplanten (im Antrag aber nicht genannten) Kürzungen für jüngere Arbeitslose nicht einmal explizit erwähnt. Selbst Ältere können im Vergleich zum geltenden Recht negativ betroffen sein.

Nach der geltenden Rechtslage können 55-Jährige nach drei Beitragsjahren 18 Monate Arbeitslosengeld erhalten, nach dem CDU-Antrag müssten sie künftig sogar 25 Jahre in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben. Die 24 Monate Bezugsdauer sind weit-gehend Etikettenschwindel, zeigt doch die Rentenversicherung, dass (trotz Zurech-nungszeit und Beitragszahlungen während der Arbeitslosigkeit) nur relativ Wenige bei-tragspflichtige Erwerbsbiographien von 40 Jahren haben. Zudem erreichen diese Versi-cherungsjahre häufiger nur Personen mit einem unterdurchschnittlichen Risiko der Ar-beitslosigkeit. Für die neuen Bundesländer ist vollkommen ungeklärt, wie Arbeitsjahre in der DDR gewertet werden sollen. Gleiches gilt für Menschen, die ihre Erwerbstätigkeit z.B. für eine Familienphase unterbrechen.

Nach dem Antrag der CDU könnten auch Arbeitslose im mittleren Alter im Vergleich zum geltenden Recht profitieren, soweit sie mindestens 15 versicherungspflichtige Jahre nachweisen können.

Nicht beantwortet wird die Frage, ob bei Phasen der Arbeitslosigkeit die Beitragszeiten wieder von vorne beginnen. Wer arbeitslos wird, muss danach wieder „zurück auf Start“

und sich die Leistungsansprüche neu aufbauen. Wer z. B. mit 22 Jahren eine versiche-rungspflichtige Beschäftigung aufnimmt, 14 Jahre beitragspflichtig gearbeitet hat und nach einem Jahr Arbeitslosigkeit wieder 14 Jahre arbeitet, wird bei erneuter Arbeitslosig-keit mit 51 Jahren nicht besser gestellt als bisher. In diesen Phasen der ArbeitslosigArbeitslosig-keit würde er nur ein Jahr Arbeitslosenunterstützung erhalten. Das konkrete Modell einer stärkeren Staffelung des Arbeitslosengeldes nach der Beitragsdauer weckt Erwartungen, die unrealistisch sind und sich bei konkreter Betrachtungsweise oftmals als Etiketten-schwindel erweisen.

· Eine Umsetzung des Vorschlags würde die Dokumentierung sämtlicher Beitragsjahre bei der Bundesagentur für Arbeit voraussetzen. Mit Wirkung für die Vergangenheit ist die-ser Vorschlag unrealistisch.

(J.L.)

II. „Motiviert und aus eigener Kraft“

Eigenständige Existenz- und soziale Sicherung auch für Frauen, mit gesetzlichem Min-destlohn und Neuregelung des Niedriglohnsektors, auch im Zusammenhang mit SGB II Position des ver.di-Bundesfrauenrates

Die Verabschiedung der Dienstleistungsrichtlinie sowie die Entwicklung des Arbeitsmarktes im Niedriglohnbereich legen für die Bundesrepublik nahe, mit dem gesetzlichen Mindest-lohn baldmöglichst eine Mindest-lohnpolitische Untergrenze einzuführen, die weder durch weitere Zuverdienst- oder Kombilohnregelungen unterschritten werden darf, noch Lohn- und Sozial-dumping durch ausländische Anbieter von Dienstleistungen zulässt. Eine Prüfung, wie der deutsche Arbeitsmarkt gegen Lohndumping geschützt werden kann, wurde durch das BMAS bereits öffentlich angekündigt1. Die ver.di-Frauen stellen dazu Eckpunkte sowie die folgenden Thesen und Forderungen auf:

Frauenpolitische Eckpunkte zum Mindestlohn-Konzept – November 2006

1. Die Einführung eines tariflichen und eines gesetzlichen Mindestlohns in einem abgestuf-ten Verfahren wird begrüßt. Um Arbeit von Frauen in Deutschland dabei zu erfassen, ist eine Regelung allein per Entsendegesetz nicht ausreichend, sondern ein gesetzlicher Mindestlohn als Untergrenze erforderlich.

2. Die ver.di-Frauen fordern ein umfassendes Konzept, in dem durch eigene Erwerbstätig-keit die Existenzsicherung und eigenständige soziale Sicherung auf breiter Basis, sowie zur Erfüllung des Gleichstellungsgrundsatzes insbesondere für frauentypische Arbeit ge-währleistet wird.

3. Im Prinzip ist eine Neuregelung des Niedriglohnsektors erforderlich. Dazu zählen die Höhe des Mindest-Stundenlohnes und die Beschäftigungsbedingungen (z.B. Neurege-lung Minijobs). Weiterhin ist ein Zusammenhang zur Grundsicherung herzustellen (z.B.

Anrechnung von eigenem und Partnereinkommen).

4. Die Einführung eines gesetzlichen und tariflichen Mindestlohnes wird auch zur Entlas-tung der öffentlichen Haushalte führen, da die Inanspruchnahme der Grundsicherung Alg II durch ein höheres Erwerbseinkommen gesenkt wird. Durch höhere Einkommen im Niedriglohnbereich wird auch eine direkte positive Wirkung auf den bundesdeutschen Konsum sowie Sozialabgaben und Steuern erzielt.

5. Der Mindestlohn ist durchgängig als Bruttolohn zu gestalten und durch den Arbeitgeber zu zahlen (ohne Subvention). Folgerichtig ist auch die geringfügige Beschäftigung auf einen Bagatellebetrag (z.B. 100 #) zu reduzieren.

6. Der gesetzliche Mindestlohn muss umgehend ein Niveau erreichen, das deutlich ober-halb der Grundsicherung Alg II liegt, so dass der/die Erwerbstätige grundsätzlich nicht hilfebedürftig i.S. des SGB II ist. Bei Erwerbstätigkeit auf Mindestlohnniveau muss des-halb künftig eine individuelle Einkommens-Anrechnung der/des Erwerbstätigen und se-parat bei den übrigen (nicht erwerbstätigen) Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft erfol-gen.

1 Pressemitteilung vom 15. Nov. 2006

7. Der gesetzliche Mindestlohn sollte in Vollzeit oder vollzeitnah konzipiert sein. Er be-schreibt so gleichzeitig das individuelle Existenzminimum bei Erwerbstätigkeit und ver-einfacht damit die gegenwärtige Anrechnungspraxis für Erwerbstätige.

Mindestlohn nach Entsendegesetz für Frauenberufe nicht ausreichend

Von der Marktöffnung durch die Dienstleistungsrichtlinie werden zahlreiche Frauenberufe in Deutschland betroffen sein: Büroberufe, auch Anwalts- und Steuergehilfinnen, Einzel- und Großhandel, Reisebüros und touristische Dienstleistungen allgemein, Gastgewerbe und Messen (z.B. Catering), Gebäudereinigung, personenbezogene und haushaltsnahe Dienste und anderes mehr. Andere frauentypische Berufe wurden durch die Richtlinie ausgenom-men: Gesundheits- und soziale Dienste, Pflege sowie grundsätzlich Leiharbeit, für die aber ebenfalls Lohn- und Sozialdumping zu verhindern ist.

Gerade die frauentypischen Berufsfelder zeigen in den letzten Jahren große Lücken in der Er-füllung der Existenzsicherung und/oder der sozialen Sicherung durch zu niedrige Stunden-löhne, auch in Verbindung mit weiter einkommenssenkender Teilzeit sowie enormem Zu-wachs an sozialversicherungsfreier Beschäftigung. Eine Regelung nach Entsendegesetz wür-de in diesen Bereichen nicht zum Ziel wür-der Existenz- und sozialen Sicherung führen, weil ent-weder keine bundesweit gültigen Tarifverträge vorliegen oder solche nicht in existenzsi-chernder Höhe abgeschlossen werden können. Das zu niedrige Einkommen kann auch durch die faktischen Beschäftigungsbedingungen2 mitverursacht werden. Wenn Tarifverträ-ge keine Existenzsicherung Tarifverträ-gewähren können, auch indem zu viele Beschäftigte von deren Anwendung ausgeschlossen werden, ist eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) auch mit Hilfe des Entsendegesetzes nicht mehr zielführend.

Folgende Komponenten sind in eine Neuregelung einzubeziehen:

Abgestuftes Verfahren der Einführung von Mindestlöhnen3

Vorrang für Tarifverträge (TV), die eine existenzsichernde Wirkung erfüllen, mit Allge-meinverbindlichkeitserklärung (AVE). Bei Vorliegen bundesweit gültiger TV auch Anwen-dung des Entsendegesetzes.

Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes als absolute Untergrenze und gültig für alle Beschäftigungsverhältnisse (auch z.B. für Aushilfen).

Auch laufende Entlohnungen müssen so angeglichen werden, dass sie den gesetzlichen Mindestlohn nicht unterschreiten. Der gesetzliche Mindestlohn sollte daher bei seiner Einführung eine ersetzende Wirkung hierfür enthalten.

Eigenständige Existenz- und soziale Sicherung durch Einführung eines gesetzli-chen Mindestlohns

Der gesetzliche Mindestlohn ist immer als Bruttolohn anzuwenden, so dass die Sozial-versicherungen und ggfls. Lohnsteuern gezahlt werden.

2 z.B. gängige Praxis bei sozialversicherungsfreier Beschäftigung: Die Teilzeitbeschäftigte erhält einen Brutto-für-Netto-Lohn, der um die sonst zu zahlenden Steuern (meist Klasse V) und Sozialversicherungsbeiträge bereits reduziert wird.

3 wie auch von der DGB-Bundesfrauenkonferenz und dem DGB-Bundeskongess beschlossen.

Konsequenterweise muss dies auch bei geringer Teilzeit gelten. Minijob oder Nebenver-dienst dürfen so nicht länger privilegiert werden. Der Minijob ist auf die bereits früher geforderte Bagatellegrenze von 100 # monatlich zu beschränken.

Der gesetzliche Mindestlohn muss die Aufgabe erfüllen, für den/die Erwerbstätige/n selbst direkt zur Unabhängigkeit von Transferleistungen zu führen. Hierzu ist der von ver.di vorgeschlagene Mindestlohn von 7,50 # zunächst einmal geeignet.

Befindet sich der/die Erwerbstätige in einer Bedarfsgemeinschaft nach SGB II, so muss zur Erzielung der Unabhängigkeit künftig eine Erfassung der Bedürftigkeit getrennt von den übrigen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft erfolgen. Die individualisierte Betrach-tung ist auch erforderlich, um dem Gleichstellungsgrundsatz zu entsprechen4.

Sind mehrere Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft so erwerbstätig, so muss die individu-elle Betrachtung für sie gleichermaßen gelten. Nur so kann die derzeitige Untermaue-rung des „Ernährermodells“, das auch durch die Praxis des SGB II wirksam ist, beseitigt und dem Gleichstellungsanspruch des §1 entsprochen werden.

Hiermit wird gleichzeitig ein höheres persönliches Existenzminimum bei Erwerbstätigkeit umgesetzt5. Ein Nettoverdienst auf Mindestlohnniveau muss im SGB II anrechnungsfrei bleiben. Dies muss zur Erhöhung der Arbeitsmotivation auch bei gegenseitigen Unter-haltspflichten in der Bedarfsgemeinschaft gelten.

Die soziale Sicherung von Kindern in einer solchen Bedarfsgemeinschaft kann ähnlich der Regelung des Kinderzuschlages durchgeführt werden. Kinder behalten grundsätzlich ihren Kindergeldanspruch und erhalten ggfls. einen Auffüllbetrag aus Sozialgeld.

Mindestlohn statt Aufstockung nach SGB II für Erwerbstätige

Der gesetzliche Mindestlohn wird vom Arbeitgeber selbst für die Arbeitsleistung ge-zahlt. Eine öffentliche Bezuschussung des Mindestlohnes ist auszuschließen, um Mit-nahme- und Drehtüreffekte zu umgehen.

Andere Transfers direkt für die/den Erwerbstätige/n sind als „Auffüllbetrag“ bei besonde-rer beruflicher, persönlicher oder regionaler Begründung (z.B. Wiedereingliederung in höhere Lohnstufe, Qualifizierung, überdurchschnittliches Mietniveau) zuzulassen.

Die Arbeitgeberförderung sollte sich künftig auf die passgenaue Auswahl und Qualifizie-rung von potenziellen neuen MitarbeiterInnen konzentrieren6.

Überlegungen zu einem möglichen Kombilohn

Die derzeitige Aufstockung durch Alg II bei Erwerbstätigen mit Niedriglöhnen oder mit hilfebedürftigen Angehörigen führt zu der Wahrnehmung, dass die Grundsicherung Alg II eine Art „Hauptalimentierung“ sei, so dass die nicht angerechneten

Einkommens-4 Z.B. darf sich die Annahme nicht länger durchsetzen, dass das Alg II und der (Zu-)Verdienst „des Antragstellers“

zusammen mit dem Sozialgeld zu versorgender Angehöriger den Verdienst des „Familienvorstandes“ ausmachen würden. („Ernährermodell“ im SGB II-Verständnis)

5 Z.B. bei Mindestlohn 7,50 # und 163 Std. = brutto 1.222,50 # = ca. 916 # netto (fiktiv 25 % Abzüge). Die Pfändungsgrenze liegt derzeit bei 960 #.

6 Die Erfahrungen mit dem sogenannten Hamburger Modell zeigen größere Anreizwirkung zur Neueinstellung bzw. Weiterbeschäftigung durch diese Instrumente, verglichen mit einer finanziellen Förderung der Arbeitgeber.

bestandteile zum „Zuverdienst“ werden. Diese Sichtweise muss im Sinne der Ziele Eigen-ständigkeit und Arbeitsmotivation umgekehrt werden. Transferleistungen sind kein Ver-dienst.

Mit einem neuen Mindestlohnkonzept ist das möglich: Der eigene Verdienst wird die Basis der eigenen finanziellen und sozialen Absicherung. Sollten darüber hinaus Trans-ferleistungen zur Erreichung des persönlichen Existenzminimums für Erwerbstätige er-forderlich sein, so sind diese für die erwerbstätige Person deutlich als Auffüllbetrag zu kennzeichnen, ähnlich der früheren ergänzenden Sozialhilfe für Miete oder besondere Bedarfe.

Um die Zahlung von Auffüllbeträgen zu minimieren, sollte der gesetzliche Mindestlohn mit Vollzeit oder vollzeitnaher Teilzeit verknüpft werden.

Als Maßnahmen der Arbeitsförderung kann darüber hinaus ein zeitlich begrenzter zuschuss gezahlt werden, sofern damit die Wiedereinarbeitung in eine höhere Lohn-bzw. Qualifikationsstufe erreicht wird.

Zu einem geförderten oder 3. Arbeitsmarkt im kommunalen und sozialen Bereich haben sich die ver.di-Frauen bereits anderweitig positioniert. Siehe hierzu das 10-Punkte-Ko-zept des ver.di-Bundesfrauenrates „TransFair-Löhne statt Kombilöhne, Lohn statt Alg II“, September 2006.

(H.B.)

Im Dokument Sozialpolitische Informationen (Seite 138-144)