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3. Herstellung stochastischer Druckmuster

3.1 Vorüberlegungen

28 3. Herstellung stochastischer Druckmuster erstellt wird. Die Forderung nach stochastischen Strukturen auf dem Druckprodukt stellt somit einen deutlichen Konflikt zu den Anforderungen dar, nach welchen Prozesse und Maschinen für gewöhnlich entwickelt werden. Dennoch werden im Druckprozess in der Praxis Strukturen erzeugt, welche makroskopisch betrachtet stochastisch wirken. Dies geschieht in der Regel nicht aus Absicht, sondern aufgrund von Imperfektionen im Druckprozess. Typische Beispiele für solche Imperfektionen werden in Abbildung 15 gezeigt.

Abbildung 15: Viscous Fingering, Entnetzung auf vorbedrucktem Substrat, Filamentbildung bei gedruckten Leiterbahnen in der gedruckten Elektronik (v.l.n.r.) (Quelle IDD)

Das Phänomen des Viscous Fingering (Abbildung 15 links) wird nachfolgend in Abschnitt 3.3 behandelt. Die in Abbildung 15 mittig gezeigte Entnetzung entsteht durch Differenzen zwischen der Oberflächenenergie des Fluids und des vorbedruckten Substrats. Die in Abbildung 15 rechts gezeigte Filamentbildung bei gedruckten Leiterbahnen kann auf statische Aufladung, Viskosität des Druckfluids und nicht optimal eingestellten Prozessgeschwindigkeiten zurückgeführt werden. Im dargestellten Fall führen die Härchen zu Fehlfunktion und Kurzschluss des Bauteils. Ein Nachweis, dass diese Strukturen tatsächlich stochastisch sind, ist bisher nicht erbracht worden.

Anforderungen an stochastische Druckmuster

Um geeignet für die Methode zu sein, müssen die aufgrund ihrer Strukturen stochastisch wirkenden Druckmuster einige Anforderungen erfüllen. Die Anforderungen beziehen sich dabei hauptsächlich auf die optische Erscheinung der Druckmuster, da die in Kapitel 4 vorgestellte Methode auf optischer Bilderfassung aufbaut.

1. Als wichtigste Anforderung darf gelten, dass die gedruckten Strukturen der Druckmuster nicht aus dem Druckbild vorhersehbar sind. Im Druckprozess sorgt somit eine Prozessunsicherheit für die Entstehung der stochastisch wirkenden Strukturen. Die Stochastik wird durch Be- und Entnetzungsphänomene begünstigt.

2. Es wird angenommen, dass eine hohe Informationsdichte innerhalb der Druckmuster zu einer hohen Diskriminierbarkeit führt. Um eine möglichst hohe Informationsdichte

3. Herstellung stochastischer Druckmuster 29 zu erhalten, müssen die Strukturen der Druckmuster möglichst fein sein. Diese Anforderung steht im Konflikt mit der minimalen Strukturgröße, welche zur optischen Erfassung benötigt wird. Es werden Strukturen angestrebt, deren stochastischen Charakteristika makroskopisch bzw. mit einer einfachen Lupe erkennbar sind. Eine eindeutige Identifikation der Druckmuster ist jedoch mit bloßem Auge aufgrund der Komplexität der Strukturen nicht möglich.

3. Neben der Größe der Strukturen ist auch der Kontrast zwischen Struktur und Hintergrund von Bedeutung, da in der Bilddatenverarbeitung der Vordergrund vom Hintergrund separiert werden muss. Der Hintergrund ist bei zwei der drei nachfolgend vorgestellten Druckmusterarten das Substrat, bei der dritten Druckmusterart eine dunkle Farbschicht (siehe Abbildung 17). Der Kontrast ist dabei in Zusammenhang mit der Beleuchtung und der relativen Empfindlichkeit der Bilderfassung zu betrachten. Es wird angestrebt, einen ausreichend hohen Kontrast zu erreichen.

Weitere Anforderungen können abhängig vom Einsatzzweck sein und können sich widersprechen. Soll in der Praxis die Echtheitsprüfung eines Produkts bzw. einer Verpackung durch den Endverbraucher durchgeführt werden, so ist von einem ungeschulten Prüfer mit bpsw. einem Smartphone mit entsprechender App als Messtechnik auszugehen. Wird dagegen die Echtheitsprüfung durch den Hersteller an verschiedenen Stellen in der Logistikkette des Produkts bzw. der Verpackung durchgeführt, so ist von einem geschulten Prüfer mit spezifischer mobiler Messtechnik auszugehen. Da beide Ansätze eine Auswertelogik benötigen, handelt es sich folglich bei beiden um forensische Ansätze (siehe Abschnitt 2.6).

Im Falle der Überprüfung durch den ungeschulten Endkunden mit Smartphone ist jedoch mit stärkerem Störgrößeneinfluss zu rechnen als unter kontrollierten Messbedingungen mit spezifischer Messtechnik. So spielen unter anderem die Aufnahme- und Beleuchtungsgeometrie eine große Rolle bei der Bilderfassung. Störgrößen lassen sich mit spezieller Messtechnik, also bspw. genormter Aufnahme- und Beleuchtungsgeometrie mit festen Aufnahmeparametern auf ein Minimum reduzieren. Da diese Arbeit zum Ziel hat, die gewählten Druckmuster und nur nachrangig die gewählte Messtechnik zu bewerten, werden die Bilddaten im Rahmen dieser Arbeit mittels spezieller Messtechnik gewonnen (siehe Abschnitte 5.2 und 6.1). Die im Rahmen dieser Arbeit vorgestellte Methode bringt anhand von Druckmustern, welche stochastisch wirkende Strukturen enthalten, erstmals den Nachweis, dass diese Strukturen in Kombination mit der entsprechenden Bildverarbeitung als stochastisch interpretiert werden können. In Anlehnung an Abschnitt 2.2 zeigt nachfolgende Abbildung 16, wie die in dieser Arbeit verwendeten Druckmuster als PUFs verstanden werden können.

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Abbildung 16: Druckmuster sowie die zugehörige optische Erfassung und Bildverarbeitung im Sinne einer PUF

Reagiert jedes Druckmuster mit hinreichend unterscheidbaren Bilddaten (Response) auf die optische Erfassung (Challenge), so können die Druckmuster als PUFs interpretiert werden.

Zur Untersuchung der Diskriminierbarkeit werden die berechneten Binärvektoren verglichen.

Arten von Druckmustern

Im Rahmen der Arbeit werden drei verschiedene Arten von Druckmustern behandelt: Line Variation, Viscous Fingering sowie Drip-Off. Das Druckbild ist dabei stets streng deterministisch, die Stochastik der Druckmuster wird im Prozess physikalisch erzeugt. Je nach gewählter Druckmusterart (und damit je nach gewähltem Druckverfahren) stehen unterschiedliche Angriffspunkte zur Beeinflussung der stochastischen Wirkung zur Auswahl.

Abbildung 17 zeigt die drei im Rahmen dieser Arbeit behandelten Druckmusterarten Line Variation (siehe Abschnitt 3.2), Viscous Fingering (siehe Abschnitt 3.3) und Drip-Off (siehe Abschnitt 3.4). Die drei Druckmusterarten zeigen stochastisch wirkende Strukturen, welche makroskopisch ohne optische Hilfsmittel erkennbar sind und bieten durch eine entsprechende Granularität zusätzliche forensische Charakteristika. Dies bedeutet insbesondere, dass mehrere Druckmuster der gleichen Druckmusterart nicht mit bloßem Auge identifizierbar bzw. diskriminierbar sind und entsprechende technische Hilfsmittel benötigt werden. Die Strukturen wirken dabei stochastisch, eine Vorhersage der genauen optischen Erscheinung eines Druckmusters ist nicht möglich (siehe Abbildung 17).

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Abbildung 17: Druckmustern der drei behandelten Druckmusterarten Line Variation, Viscous Fingering und Drip-Off. Die Druckmuster einer Druckmusterart sehen sich untereinander ähnlich, sind jedoch nicht identisch und wirken stochastisch.

In der Drucktechnik ist bekannt, dass bei der Übertragung des Druckbilds auf das Substrat Abweichungen entstehen. Dies kann bspw. durch fluiddynamische Effekte oder die Struktur des Substrats (bspw. Papierfasern) begünstigt werden. Jedes Druckprodukt ist somit ein Unikat, die Erkennbarkeit dieser eineindeutigen Ausprägung des Druckbilds jedoch nicht trivial. Bei Auflösungen von bis zu 10.000 dpi im Offsetdruck liegen Störungen in der Regel unterhalb des Auflösungsvermögens des menschlichen Auges und teilweise auch deutlich unterhalb des Auflösungsvermögens von optischen Messsystemen. Aufgabe der zu entwickelnden stochastischen Druckmuster ist daher, diese Störungen auf eine makroskopische Skala zu transferieren und die Effekte somit (unter Zuhilfenahme geeigneter optischer Messsysteme) sichtbar zu machen. Dabei ist festzuhalten, dass der Druckprozess extrem abhängig von Umgebungsbedingungen wie Temperatur und Luftfeuchte, aber auch von Vorbehandlung und Alter des Substrats und des Fluids ist. Es lässt sich jedoch keine pauschale Aussage treffen, dass Prozessschwankungen die Stochastik begünstigen. Zwar führen Prozessschwankungen zu Schwankungen im Ergebnis des Druckprozesses.

Gleichzeitig treten bestimmte Effekte nur innerhalb eines Prozessfensters auf und können

32 3. Herstellung stochastischer Druckmuster durch erwähnte Schwankungen nur noch verringert oder nicht mehr auftreten. Die Druckmuster enthalten Merkmale (engl. Features), welche nach optischer Erfassung in der Bildverarbeitung extrahiert werden können. Entscheidend ist, dass die extrahierten Merkmale eindeutig für jedes Druckmuster sind, um die Druckmuster untereinander diskriminieren zu können. Je mehr Information im Sinne von Struktur in einem Druckmuster enthalten ist, desto mehr Druckmuster einer Druckmusterart können unterschieden werden. Die Auflösung des Bilderfassungssystems begrenzt die Informationsdichte. Die entsprechende Merkmalsextraktion wird in Abschnitt 4.3 behandelt.

Anmerkung: Alle nachfolgend vorgestellten Druckmuster sind am Institut für Druckmaschinen und Druckverfahren (kurz IDD) bzw. bei der Heidelberger Druckmaschinen AG hergestellt worden.