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von Gisela Mücke

Im Dokument 06 | 2010 Juni | 4,90 € (Seite 34-38)

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Viele Kollegen waren zunächst skeptisch. Auf den ersten Konferenzen zu diesem Thema waren zurückhaltende Kommentare zu hören. Unsere DBU-Betreuerin machte uns jedoch schnell klar, dass das Projekt »Heizung« tat-sächlich nur der Kristallisationskern war, um den sich die verschiedenen Themen zur Nachhaltigkeit gruppierten.

Inhaltlich entpuppte sich das Thema »Heizung« als idealer Kreuzungspunkt der Themen Wärme und Holz. Immer mehr Aktivitäten entwickelten sich in diesen Kontexten. So entstand auf dem Schulgelände ein umfangreicher Baum-lehrpfad, mit etwa 50 Bäumen und ausführlichen Begleit-texten.

Dieser ist Teil eines öffentlichen Wanderweges, der über unseren Schulhof führt. Auf diese Weise wird nicht nur die Elternschaft und der Schulumkreis einbezogen, sondern auch die weitere Öffentlichkeit. Genau das ist eine weitere tragende Säule des Projekts: Der Nachhaltigkeitsgedanke soll ausstrahlen. Zu diesem Zweck haben wir auch eine Website eingerichtet, auf der interessierte Menschen alle Informationen rund um unser Bildungsprojekt einsehen können.

Waldbauern und Förster sind nachhaltig dabei

Zwei Gruppen, die nicht zur Schule gehören, sind fest in das Projekt integriert. Zum einen die örtlichen Waldbauern:

Einer von ihnen liefert uns vertraglich geregelt Hackschnit-zel. Ein Kooperationsvertrag mit der Gemeinschaft der Wald-bauern beschreibt das gemeinsame primäre Ziel nach-haltiger Waldpflege und sichert die langfristige partner-schaftliche Zusammenarbeit. In den Verträgen ist festgehal-ten, dass sich der Preis nicht am Heizöl, sondern an der Kostendeckung orientiert.

In der Heizperiode muss unser Hackschnitzelsilo ein- bis dreimal wöchentlich aufgefüllt werden. Trotz dieser arbeits-intensiven Versorgung, ist für uns das Heizen mit Holz bil-lig. Die Schule zahlt pro Jahr rund 10.000 Euro weniger, als wenn sie mit Öl heizen würde. Die Forstwirte sind auch in den Bildungsteil des Projektes einbezogen. Bei Waldeinsät-zen der Schüler stehen sie für Fragen zur Verfügung, wäh-rend diese ihre Flächen aufforsten. Der Lieferant beteiligt sich an Heizungs-Demonstrationen, indem er einlädt, seine Trocknungsflächen zu besichtigen, den Besuchern Rede und

Foto: colourbox

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Antwort steht und auch mal seinen Häcksler vorführt.

Unser guter Kontakt zu den Forstwirten ist auch deshalb be-sonders erfreulich, weil unsere Schule – einmalig für eine Waldorfschule – vor vierzig Jahren aus der Bauernschaft he-raus gegründet wurde: Diese wollte ihre einzügige Dorf-schule behalten, die geschlossen werden sollte. Aus diesem Impuls ist im Lauf der Jahrzehnte eine zweizügige Wal-dorfschule mit mehr als 500 Schülern erwachsen, die als unmittelbarer Hackschnitzelabnehmer ein wenig an Wirt-schaftskraft zurückgeben kann.

Lokal handeln, global wirken

Die zweite Gruppe, die durch das Projekt mit der Schule ver-bunden ist, besteht aus den Heizungstechnikern und Ofen-bauern der Handwerkskammer Osnabrück/Emsland, denen unsere Heizung als Anschauungsobjekt dient.

Sie können sich in einem kleinen Unterrichtsraum direkt an der Anlage jederzeit unabhängig vom Schulbetrieb aus-tauschen. Auch kleine Ausstellungen und Messauswertun-gen sind möglich. Schon zweimal haben hier Meisterschüler

Ein Erntedank-Mosaik der dritten Klassen Achtklässler führen über den von ihnen gestalteten Waldsinnespfad

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markiert. Diese belasten alle irgendwie unseren Planeten durch Abgase oder Strahlen, durch Abfall oder Giftstoffe.

Unsere Heizung wird für unsere Schüler ein Exempel für das Bemühen, diese Belastungen möglichst gering zu hal-ten, ein erfahrbares Beispiel für Nachhaltigkeit. Allein des-halb lohnt sich der Aufwand.

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Links:

www.erfahrbare-nachhaltigkeit.de www.dbu.de

mit unseren Oberstufenschülern über Fragen der Berufs-wahl gesprochen. Mit unserem Bildungsprojekt bewerben wir uns an Ausschreibungen wie der UN-Dekade zur Nach-haltigkeit oder dem Focus-Projekt »Grüne Schule«. Außer-dem sind wir Mitglied im Verband der Regionalbewegung und werden in diesem Rahmen einen jährlichen Aktions-tag zur Nachhaltigkeit anbieten.

Vor unserem großen Saal ist die schwere, 200 Jahre alte Baumscheibe einer Eiche befestigt. Die Schüler haben auf den Jahresringen die Erfindungen der letzten 200 Jahre

Siebtklässler im Forstpraktikum Zweitklässler beim Müllsammeln auf dem Schulgelände

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SCHULE IN BEWEGUNG

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Der Vereinsgründung vorausgegangen war ein über einige Jahre dauernder Schüleraustauschzwischen dem Istanbuler Gymnasium »Istanbul Erkek Lisesi« und der Hambuger Waldorfschule in Bergstedt. Schon bei der Vereinsgründung im Herbst 2008 tauchte der Gedanke auf, einen öffentlichen Kongress in Istanbul zu veranstalten, um zu sehen, wie groß das Interesse an Waldorfpädagogik in dieser 15 Millionen Einwohner zählenden Stadt ist. Die Resonanz kam aus dem ganzen Land. Im März 2009 reisten rund 200 Menschen zu dieser ersten türkischen Großveranstaltung über Wal-dorfpädagogik an: Mütter, die für ihre bald schulpflichtigen Kinder nach einer pädagogischen Alternative zum rigiden öffentlichen Pauksystem suchten, Erzieherinnen und Lehrer auf der Suche nach Anregungen für ihre pädagogische Ar-beit, Studentinnen der Pädagogik, die an ihren Universitä-ten nichts über diese Form der Pädagogik hörUniversitä-ten. (Die

Erziehungskunst berichtete darüber in Heft 5/2009 – den Artikel finden Sie auf www.erziehungskunst.de im Archiv.)

Das Waldorferzieher-Seminar entsteht

Beim Kongress konnten sich Teilnehmer, deren Interesse an Waldorfpädagogik über die Veranstaltung hinausreichte oder die sich vorstellen konnten, an einer berufsbegleiten-den Waldorf-Erzieherausbildung teilzunehmen, in eine Liste eintragen – am Ende standen 80 Namen darauf. Im Sep-tember 2009 begann das Erzieher-Seminar in Istanbul mit 28 Teilnehmerinnen und einem Teilnehmer. In monatli-chen Womonatli-chenendseminaren, ergänzt durch vier einwöchige Kurse, arbeiten wir seit zwei Jahren zusammen. Die Dozen-ten kommen aus verschiedenen deutschen StädDozen-ten, wobei wir das Glück haben, in unserem Kreis mit Nurtac Perazzo auch eine türkische Pädagogin zu haben. Sie ist Waldorf-erzieherin und Diplompädagogin. Nurtac, die in Berlin lebt, unterrichtet nicht nur regelmäßig am Istanbuler Seminar, sie hat aufgrund der starken Nachfrage auch damit begon-nen, in verschiedenen Städten der Türkei waldorfpädagogi-sche Arbeitsgruppen für Eltern und Erzieher aufzubauen.

Bemerkenswert ist, dass in diesen Elterngruppen auch viele Väter dabei sind, die auf möglichst rasche Veränderungen drängen. So wollte ein Vater nach einem Elternabend zu Hause das gesamte Plastikspielzeug seiner Kinder wegwer-fen und durch Waldorfpuppen und Stofftiere ersetzen wenn es diese denn schon gäbe! Ein Kreis von türkischen und in Istanbul lebenden deutschen Seminar-Teilnehmerinnen

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SCHULE IN BEWEGUNG

Im Herbst 2008 gründete ein kleiner Kreis von Menschen in Istanbul den Verein »Egitim sanati Doslari Dernegi« (»Freunde der Erziehungskunst«). Mit dabei waren Pädagogen aus Hamburg und Stuttgart. Das Ziel wurde von einer türkischen Lehrerin etwa so formuliert: »Wenn wir unsere Kinder auf die Aufgaben der Zukunft vorbereiten wollen, dann darf Erziehung nicht nur den Intellekt fördern, dann müssen Denken, Fühlen und Wollen in ein gesundes Verhältnis kommen.«

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