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I.1.3 Morphologie und Virusproteine der Retroviren

I.1.3.3 Die viralen Enzyme

Das retrovirale Genom codiert die Enzyme Integrase, Protease und die reverse Transkriptase.

Sie sind Produkte des pol-Gens und werden durch eine Leserasterverschiebung während der Gag-Polyprotein-Translation als gemeinsames Gag/Pol-Vorläuferpotein synthetisiert. Durch diese Leserasterverschiebung wird das gag-Stoppcodon überlesen und dem Gag-Polyprotein werden die Pol-Domänen angehängt. Dieses Ereignis findet etwa bei jedem zwanzigsten

Translationsvorgang statt. Die Proteolyse in die aktiven Enzyme erfolgt während der Virusreifung im bereits freigesetzten Partikel.

Die Integrase wirkt als Endonuklease und Ligase. Sie schneidet die Enden der doppelsträngigen proviralen DNA und katalysiert die kovalente Integration in das Genom der Wirtszelle.

Die Protease liegt im aktiven Zustand als Dimer aus zwei identischen Untereinheiten vor. Sie ist für die Proteolyse der Gag- bzw. Gag/Pol-Vorläuferproteine in die strukturellen Untereinheiten bzw. funktionellen Enzyme verantwortlich. Inhibitoren der viralen Protease des HIV simulieren die Proteasespaltstellen der Vorläuferproteine und können die Reifung der Partikel effektiv hemmen.

Die reverse Transkriptase kann als RNA- oder DNA-abhängige DNA-Polymerase oder auch als RNAase wirken. Sie katalysiert die Umschreibung der viralen RNA in provirale DNA und baut nach der Synthese der DNA/RNA-Hybriddoppelstränge den RNA-Anteil ab. Die reverse Transkriptase besitzt keine Mechanismen zur Kontrolle der Lesegenauigkeit und baut daher mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:10-3-10-4 falsche Basen in den neusynthetisierten DNA-Strang ein. Diese hohe Fehlerrate sichert dem Virus eine hohe Sequenzvariabilität.

Verschiedene Nukleosidanaloga, wie z.B. Azidothymidin (AZT) oder Didesoxycytidin, werden derzeit als Inhibitoren der reversen Transkriptase zur antiretroviralen Therapie eingesetzt. Der Einbau dieser chemisch veränderten Basenderivate in den neusynthetisierten DNA-Strang führt zum Kettenabbruch. Neben den Nuklosidanaloga werden auch Nicht-Nuklosidanaloga als RT-Inhibitoren eingesetzt.

I.1.4 Replikation

Die Adsorption der Retroviren an die Zielzelle erfolgt über spezifische zelluläre Rezeptoren in Abhängigkeit vom jeweiligen Virustyp. Sie wird durch den externen Teil des Membranproteinkomplexes vermittelt. Am besten untersucht ist die Replikation der HI-Viren, daher soll der Infektionszyklus hier exemplarisch am HI-Virus erklärt werden.

Der erste zelluläre Reaktionspartner der HI-Viren ist das CD4-Protein, das über eine konservierte Region im trimeren Komplex des Oberflächenproteins (gp120) gebunden wird.

Das CD4-Molekül ist auf der Oberfläche von T-Helferzellen, Makrophagen, Monozyten und Fibroblasten exponiert. Sein natürlicher Ligand während der Induktion einer zellulären Immunantwort ist eine konstante Region innerhalb der MHC-Klasse-II-Moleküle. Die Bindung des CD4-Rezeptors an den gp120-Komplex ist konformationsabhängig. Sie bewirkt

Konformati-onsänderungen im gp120, durch die weitere Wechselwirkungen mit Rezeptoren auf der Oberfläche der Zielzelle ermöglicht werden. Das HI-Virus nutzt die Chemokinrezeptoren CXCR4 oder CCR5 als Korezeptoren, die an die variablen Regionen der gp120 V1/2- und V3-Schleifen binden. Der Chemokinrezeptor CXCR4 wird auf der Oberfläche von T-Lymphozyten, CCR5 auf der Oberfläche von Makrophagen und Monozyten exprimiert. Virusvarianten, die zum Eintritt in die Zelle CXCR4 als Korezeptor nutzen, werden als lymphotroph, CCR5 bindende als makrophagotroph bezeichnet.

Das Transmembranhüllprotein vermittelt die Fusion zwischen Virus und der Zytoplasmamembran der Zielzelle. Die Bindung des Oberflächenhüllproteins an den bzw. die Rezeptoren bewirkt Konformationsänderungen, durch die eine stark hydrophobe Sequenz am aminoterminalen Teil des TM-Hüllproteins freigelegt wird. Dieses ca. 25 Aminosäuren lange Fusionspeptid dient als hydrophober Anker, der sich während der Infektion in die Lipidmembran der Zielzelle einlagert und so die Verschmelzung mit der Virushülle vermittelt.

Der Membranenverschmelzung geht die Ablösung von gp120 und das Zusammenklappen der beiden Helixes des Transmembranproteins voraus (Abb. I.5).

Abb. I.5: Schematische Darstellung der Konformationsänderungen des HIV-Glykoprotein-Komplexes während Membranfusion (Liu et al, 2003).

Abb. I.6: Replikationszyklus von HIV-1:

Der Infektionsvorgang beginnt mit der Anheftung von gp120 an CD4, gefolgt von der gp41-vermittelten Membranfusion. Nach der reversen Transkription erfolgt die Integration des doppelsträngigen DNA-Provirus in das Genom der Wirtszelle. Die Bildung neuer Viruspartikel beginnt mit der Transkription der frühen Gene und endet mit der Knospung und Reifung. (http://www.viro.med.uni-erlangen.de/schubert/Ws/Teil2.pdf)

Nach der Aufnahme des Virus-Kapsids in das Zytoplasma der Zielzelle, folgt der Uncoating-Prozess, durch den die virale RNA in das Zytosol freigesetzt wird. Durch reverse Transkription des viralen RNA-Genoms wird das doppelsträngige DNA-Provirus synthetisiert. Im Zellkern katalysiert die virale Integrase die kovalente Integration des Provirus in das Wirtszellgenom.

Die späte Phase der Virusreplikation beginnt mit der Transkription der viralen Gene durch die zelluläre RNA-Polymerase II. Die viralen Proteine und das Virusgenom lagern sich an der Zytoplasmamembran an. In der Folge kommt es zur Knospung der unreifen Partikel von der Zelloberfläche. Erst nach der Spaltung der Gag- und Gag/Pol-Vorläuferproteine durch die virale Protease entstehen infektiöse Partikel.

I.1.5 Gammaretroviren

Gammaretroviren sind weniger komplex als Lentiviren aufgebaut, sie exprimieren keine regulatorischen oder akzessorischen Proteine.

Als Krankheiterreger spielten Gammaretroviren bislang nur in der Veterinärmedizin eine Rolle. Das feline Leukämievirus (FeLV) verursacht bei der Hauskatze Leukämien, Immunschwäche und opportunistische Infektionen, die oft tödlich verlaufen. Wie für die Lentiviren wurden auch für Gammaretroviren Transspeziesübertragungen unter natürlichen Bedingungen beschrieben (Denner, 2000). Die Übertragung eines endogenen Mausretrovirus (MuLV) auf Gibbonaffen ruft beim neuen Wirt als exogenes Retrovirus (Gibbon ape leukemia virus; GaLV) myeloische Leukämien und Lymphome hervor (Lieber et al., 1975).

Viele Transspeziesübertragungen führten im neuen Wirt zu ausgeprägten Krankheitsbildern.

Aufgrund der besonderen Situation während der Xenotransplantation wird das Risiko der Übertragung von porzinen endogenen Retroviren (PERV), besonders intensiv erforscht. Das Schwein gilt aus verschiedenen Gründen als favorisierte Spenderspezies (Tab. I.2), die potentielle Gefahr einer Transspeziesübertragung von PERVs auf Transplantatempfänger, kann derzeit nicht ausgeschlossen werden.