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1. Einleitung

1.5 Virale Evolution

1.5.1 Variabilität pflanzlicher Viren

MCDONALD undLINDE (2002)nennen Mutationen, Reproduktion, Selektion, Genfluss und Gendrift als treibende Kräfte der Evolution. Im Folgenden werden die drei erstgenannten Faktoren näher betrachtet. Während der Replikation kommt es zu hohen Mutationsraten, da die virale RNA-abhängige RNA-Polymerase häufig Fehler verursacht und kein entsprechender Korrekturmechanismus vorhanden ist (DOMINGO und HOLLAND, 1997;

DUFFY et al., 2008). DRAKE et al. (1998) und ROOSSINCK (2011) schätzen nach Angaben aus der Literatur die Fehlerrate bei einzelsträngigen RNA-Viren bei einem Fehler auf 104 Nukleotide. Genetische Variation eines Virus entsteht demnach durch das Auftreten von Fehlern während der Genomreplikation. Fehler können durch Mutation, „reassortment”

(Austausch genetischer Information) oder der Neuordnung von Aminosäuresequenzen (Rekombination) entstehen (ROOSSINCK, 1997; GARCÍA-ARENAL et al., 2001). Dadurch ist für das Virus die Möglichkeit einer Anpassung an sich ändernde Umweltbedingungen und verändertem Selektionsdruck gegeben (DOMINGO und HOLLAND, 1997; SCHNEIDER und ROOSSINCK, 2001). Durch einen Nukleotidaustausch kann es zu einem veränderten Aminosäuremuster kommen sowie zum „frameshift”, wenn Aminosäuren weggelassen oder hinzugefügt werden. Weiterhin kann sich die Aggressivität eines Virus verändern und es kann zu Fitnessverlusten kommen (CARRASCO et al., 2007). Alle Ereignisse, die die Variabilität beeinflussen, geschehen zufällig mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit. Die

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Produkte daraus werden selektiert. Über die Höhe des Anteils an der Population von neu entstandenen Varianten entscheiden letztlich Umweltbedingungen.

Der „ω-value” (KIMURA, 1983) beschreibt das Verhältnis zwischen nicht-synonymen (Aminosäure-verändernder) und synonymen Mutationen („silent mutations”) auf Proteinebene, um Aussagen über den Selektionsdruck auf ein Pathogen treffen zu können (YANG et al., 2000). Ein Wert von ω = 1 bedeutet dabei eine neutrale Mutation, ω > 1 positive Selektion (möglicherweise Fitnessvorteile) und ω < 1 negative Selektion („purifying selection”). Der „ω-value” für das P25 von BNYVV wurde als der bisher mit dem höchsten Wert gemessene „ω-value” mit 0,97 geschätzt (SCHIRMER et al., 2005;

ACOSTA-LEAL et al., 2008; JANZAC et al., 2009; CHIBA et al., 2011). Der „ω-value” anderer Viren liegt bei < 0,3. Je höher demnach der „ω-value” ist, desto geringer ist die Dauerhaftigkeit der Resistenz (JANZAC et al., 2009).

Ein weiterer Mechanismus der Variabilität pflanzlicher Viren ist die Rekombination (AGRIOS, 2005). Rekombinationen führen zu Veränderungen im Genom, wie beispielsweise Deletionen, Insertionen oder Sequenzaustausche zwischen zwei Genomen (HULL, 2002).

Durch Rekombinatonsereignisse kann es zum Auftreten von resistenzüberwindenden Virus-Isolaten kommen, wie LEGG und THRESH (2000) am Beispiel der Cassava mosaic disease, welche durch Geminiviren verursacht wird, beschreiben. Eine Übersicht zu Rekombinationsmechanismen geben LAI (1992), SIMON und BUJARSKI (1994), sowie NAGY

und SIMON (1997). MIRANDA et al. (2000) berichten von „reassortment” bei zwei Isolaten des Rice grassy stunt virus (RGSV). Dabei kommt es zum Austausch von genetischer Information bei einander ähnlichen Virus-Isolaten, die dieselbe Zelle infiziert haben (Ko-Replikation von Genomkomponenten).

HOLLAND et al. (1991), DOMINGO und HOLLAND (1997)undAGRIOS (2005) beschreiben Fitness als das Vermögen eines Pathogens zu überleben und sich zu reproduzieren. Die Häufigkeit einer Variante kann demnach als Maß für die Fitness gesehen werden. Fitness steht im engen Zusammenhang mit Selektion. Bei einer positiven Selektion erhöhen die fittesten Varianten ihre Häufigkeit innerhalb einer Selektion, bei negativer Selektion treten Varianten mit geringerer Fitness weniger häufig auf. Die Fitness wird u.a. beeinflusst durch den Wirt, die Umwelt und den Vektor. Nach GARCÍA-ARENAL und MCDONALD (2003) können sich resistenzüberwindende Virus-Isolate innerhalb einer Population nicht

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durchsetzen. Es konnte für einige Viren gezeigt werden, dass solche Isolate eine geringere Fitness besitzen, was durch eine schlechtere Übertragungsrate durch den Vektor oder einer verminderten Konkurrenzfähigkeit innerhalb der Pflanze gekennzeichnet ist.

HOLLAND et al. (1991) und GARCÍA-ARENAL et al. (2001) machen die Fitness eines Virus-Isolates dafür verantwortlich, ob dieser unter bestimmten Umweltbedingungen die Fähigkeit behält sich zu reproduzieren und zu verbreiten. ELENA (2002) zeigt den Zusammenhang zwischen der Fitness eines Pathogens und Umweltbedingungen auf. Unter bestimmten Bedingungen wie beispielsweise der Anpassung an einen neuen Wirt, entsteht ein Fitnessverlust, was wiederum theoretisch die Anpassung des Virus limitiert.

EIGEN und SCHUSTER (1977, 1978) definieren den Begriff der Quasispezies als eine wahrscheinliche Verteilung nicht identischer, jedoch verwandter Replikons. Durch Variabilität und Selektion innerhalb einer großen Population entstandene Kopien verteilen sich als eine Art Wolke um eine sogenannte Mastersequenz, die häufig auch die fitteste und am besten charakterisierte Variante darstellt (DOMINGO und HOLLAND, 1997; SCHUSTER, 1998). Die Größe der Wolke ist nach SCHNEIDER und ROOSSINCK (2001) abhängig vom Wirt. Durch die Interaktion zwischen Wirt und Virus erreicht die Diversität nach mehreren Passagen ein Gleichgewicht.

1.5.2 Viruspopulationsdynamik und Genetischer Flaschenhals („bottleneck”)

Nach SCHUSTER (1998) beschreibt die Populationsdynamik den Selektionsvorgang innerhalb einer Population. Bei der Replikation treten fehlerhafte Kopien auf, die zu geringerer oder höherer Fitness führen. Bei geringer Fitness sind die Chancen gering, in der Population erhalten zu bleiben. Bei höherer Fitness können Vorgänger verdrängt werden (SCHUSTER, 1998). In größeren Populationen ist dagegen die Wahrscheinlichkeit höher, dass neue Mutanten mit einem erhöhten Fitnesspotential auftreten (AGRIOS, 2005). Durch Selektion und die Passage von „bottlenecks” erhöht sich die Mutationshäufigkeit einer Population (SCHNEIDER und ROOSSINCK, 2001). Durch einen „bottleneck” kommt es zu einer Reduktion der genetischen Information und dem Auftreten einer neuen Population. In Viruspopulationen treten „bottlenecks” beispielsweise auf, wenn nur ein geringer Teil der Population auf einen neuen Wirt übertragen wird. NOVELLA et al. (1995) definieren den

„bottleneck” als Ursache für den Gründer-Effekt. CLARKE et al. (1994) konnten anhand von

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in vitro Kompetitionsexperimenten den Wirkmechanismus von Muller´s ratchet darstellen.

Dieser Mechanismus gibt die Entwicklungsrichtung einer Population vor (MULLER, 1964).

Es sind einige Arbeiten bekannt, die die Passage von „bottlenecks” mit einem Fitnessverlust in Zusammenhang stellen (CLARKE et al., 1993; BERGSTROM et al., 1999;

SCHNEIDER und ROOSSINCK, 2001). Die Auswirkungen von Muller´s ratchet gehen nur in eine Richtung. Mutationen führen daher nicht zu einer Umkehr der Wirkung und dem damit verbundenen Fitnessverlust. Die Auswirkungen können nur rückgängig gemacht werden, wenn es zu einem „reassortment” kommt. Voraussetzung ist jedoch, dass sich die betreffenden Mutationen auf unterschiedlichen Segmenten befinden (CHAO, 1990). Die Arbeiten von CLARKE et al. (1993) unterstützen weiterhin die Aussage von CHAO (1990), dass Muller´s ratchet während einer „bottleneck”-Passage ansetzt. Bei Viren könnte dies vor allem während der Übertragung durch den Vektor sein. „Bottlenecks”, die während der Vektorübertragung entstehen, können als Maß für die Virulenz eines Virus gesehen werden, da der Mechanismus von Muller´s ratchet während der Vektorübertragung einen Fitnessverlust verursacht (CHAO, 1990; CLARKE et al., 1994; NOVELLA et al., 1995;

GARCÍA-ARENAL et al., 2003) und Fitness im engen Zusammenhang mit der Virulenz steht (BERGSTROM et al., 1999). CLARKE et al. (1993) zeigen außerdem, dass die Temperatur keinen Einfluss auf das Auftreten von „bottlenecks” nimmt.