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Konservierung der Funktion von Wnt-Liganden Subfamilien in der

Die frühe Expression von NvWnt11 macht es wahrscheinlich, daß die Injektion in den frühen Embryo zu einem Zeitpunkt erfolgt, an dem auch das endogene

Transkript aktiv ist. Zudem sind die Effekte der Injektion sowohl in N. vectensis als auch in Xenopus laevis möglicherweise vergleichbar. NvWntA wurde gewählt um Hinweise auf die unbekannte Funktion dieser Wnt-Subfamilie aus einem

etablierten experimentellen System zu erhalten. Alle Injektionsexperimente in Xenopus laevis benötigen eine Vielzahl an Einzelexperimenten. Die Qualität der

Eier und damit die Überlebensfähigkeit der Embryonen von Xenopus laevis schwanken sehr stark. Die Sterberate in unbehandelten Kontrolltieren aus den verschiedenen Gelegen reichte von unter 1% bis über 80%. Daten aus Eigelegen mit einer Sterberaten der Kontrolltiere von über 30% wurden nicht in die Statistik miteinbezogen. In manchen Eigelegen waren im Vierzellstadium die Zellen, die den dorsalen Teil des späteren Tieres bildeten, sehr gut von den Zellen, aus denen der ventrale Bereich hervorging, zu unterscheiden. In anderen Gelegen war diese Unterscheidung kaum möglich. Im Normalfall sollen die Blastomere, die den dorsalen Teil des Tieres bilden, kleiner und weniger pigmentiert sein als die, aus denen der ventrale Teil hervorgeht. Unter der Annahme, daß die Blastomeren nicht voneinander zu unterscheiden sind, jedoch zum Erreichen eines bestimmten Effektes die korrekte Injektion in zwei bestimmte Blastomere der vier vorhandenen notwendig ist, ergeben sich statistisch 25% korrekt injizierte Individuen. In den für die vorliegende Arbeit durchgeführten Injektionsexperimenten wurden deutlich höhere Trefferquoten erreicht. Alle Injektionen wurden mit Eigelegen mehrerer Tiere durchgeführt, um auszuschließen, daß individuelle Unterschiede das Ergebnis beeinflussen.

Die beobachteten Phänotypen der Überexpressionsexperimente mit NvWnt11 mRNA in Xenopus laevis entsprechen denen der Überexpression der endogenen mRNA. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, daß NvWnt11 mRNA in der Lage ist, die gleichen Effekte wie die endogene mRNA zu erzeugen. Auch in den

Kontrollexperimenten, bei denen NvWnt11 mRNA in die ventralen Blastomeren injiziert wurden, gab es vereinzelt Gastrulationsdefekte. Diese sind mit großer Wahrscheinlichkeit auf Injektion in mindestens ein falsches Blastomer

zurückzuführen.

Die Injektion von gegen das endogene XlWnt11 Transkript gerichteten Morpholinos führt, wie auch die Überexpression des endogenen Gens, zu Störungen während der Gastrulation. Dieser Defekt ist optisch nicht von dem gegenteiligen Effekt zu unterscheiden. In beiden Fällen ist die konvergente Extensionsbewegung der Zellen gestört. Die Ko-Injektionsexperimente mit dem XlWnt11 Morpholino und der NvWnt11 mRNA liefern Hinweise darauf, daß die mRNA aus Nematostella den durch das Morpholino erzeugten Defekt teilweise reduzieren kann. Sowohl der Anteil an toten Tieren als auch der Anteil der Tiere mit Gastrulationsstörungen wurde durch die Koinjektionen reduziert. Daraus lässt

sich vermuten, daß die Wirkung von Mitgliedern der Wnt11-Subfamilie im planaren Zellpolaritätssignalweg von den Ur-Eumetazoa bis zu den rezenten Mammalia konserviert blieb. Die Expression der Wnt-Liganden von N. vectensis weisen ebenfalls auf eine mögliche Konservierung der Funktion von

Wnt-Liganden hin.

4.8 Phylogenetische Position der Cnidaria

Die in der vorliegenden Arbeit präsentierten Daten können darauf hinweisen, daß entweder der letzte gemeinsame Vorfahre von Cnidaria und Bilateria eine

komplexere Genausstattung hatte als bisher vermutet (Kusserow et al., 2005; Ball et al., 2004) oder Cnidaria nicht so basal sind wie bisher angenommen. Da die genetische Ausstattung mit verschiedenen Wnt-Liganden erheblich komplexer ist, als es nach derzeitigen Vorstellungen für die Erzeugung eines morphologisch so einfachen Körperbaus wie dem von N. vectensis notwendig ist, könnte die

Einfachheit des Körperbauplans dieses Tieres eine sekundäre Eigenschaft zu sein. Die Reduktion des Bauplanes von sessilen Organismen zur

Radiärsymmetrie ist auch bei anderen Lebewesen wie den Pflanzen zu

beobachten. Die Ausstattung an Wnt Genfamilien in Insekten und Nematoden ist geringer als bei Cnidaria. Dies lässt zwei Interpretationen zu. Zum einen können diese Genfamilien im Verlauf der Evolution vom letzten gemeinsamen Vorfahren der Cnidaria und der Ecdysozoa zu den rezenten Ecdysozoa verloren gegangen sein. Die Ecdysozoa könnten aber auch die basaleren Tiere sein. Viele Merkmale der Ecdysozoa sprechen für den umfangreichen Genverlust während der

Evolution. So fehlen auch andere Gene in Ecdysozoa, die in einfacheren Organsimen und Wirbeltieren vorhanden sind. Möglicherweise ermöglicht der Verlust von großen Genombereichen eine schnellere und energetisch effizientere Fortpflanzung durch schnellere Zellzyklen. Lange Zeit galten die Hydrozoen als die basale Gruppe innerhalb der Cnidaria, da ihr Körperbauplan der einfachste ist (keine Septen oder andere Verzweigungen im Gastralraum). Da aber viele

Merkmale der Hydrozoen durch Anpassungen an die Lebensbedingungen erklärbar sind, ist es wahrscheinlich, daß diese Merkmale sekundär abgeleitet sind. Die Einteilung der Cnidaria an die Basis der Metazoenevolution beruht größtenteils auf ihrem auf den ersten Blick einfachen Körperbauplan mit einer

Symmetrieachse und zwei Keimblättern. Dieser Einfachheit im Körperbauplan steht jedoch eine überraschend komplexe Genetik gegenüber. Zudem besitzen Cnidaria mit den extrem spezialisierten Nesselzellen einen sehr hoch entwickelten Zelltyp. Das zentrale Argument der Einfachheit, die einzige Symmetrieachse, ist vermutlich auf eine sekundäre Reduktion aufgrund der sessilen Lebensweise der Polypen von Cnidaria zurückzuführen. Es erscheint fragwürdig, daß zunächst ein kompletter Satz an Genen entsteht, dem erst viel später eine Funktion zuwächst.

Es ist viel wahrscheinlicher, daß die Diversifikation von Genen aus einem Vorläufergen und die Entstehung neuer Funktionen der Varianten einander gegenseitig bedingen. Die wahrscheinlichste Erklärung für die komplexe

Ausstattung an Wnt-Genfamilien in N. vectensis ist die Evolution eines Bauplans mit mindestens zwei Achsensystemen bei dem letzten gemeinsamen Vorfahren von Cnidaria und Bilateria. Die zweite Symmetrieachse ging früh in der Evolution zu Cnidaria durch Reduktion dieser neuen Eigenschaften aufgrund der sessilen Lebensweise teilweise wieder verloren. In den phylogenetischen Berechnungen in dieser Arbeit fallen die Wnt-Sequenzen der Cnidaria oft an die Basis ihrer

Subgruppe, was die These der basalen Organismengruppe unterstützt. Ist dies der Fall, war die genetische Ausstattung des letzten gemeinsamen Vorfahren von Cnidarian und Bilateriern erheblich komplexer als bislang vermutet.