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Verletzung der Pflicht zur sorgfältigen Recherche

Im Dokument Beschwerde gegen den ORF (Seite 32-35)

4. Rechtliche Beurteilung 1. Zuständigkeit der Behörde

4.3. Zur behaupteten Verletzung des Objektivitätsgebotes

4.3.2.2. Verletzung der Pflicht zur sorgfältigen Recherche

Nach § 10 Abs. 5 Satz 2 ORF-G hat der Beschwerdegegner alle Nachrichten und Berichte sorgfältig auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen. Diesem Gebot entspricht er dann, wenn eine solche Prüfung stattgefunden hat und von der Medienbehörde im nachprüfenden Verfahren als ausreichend erachtet wird (VwGH 01.03.2005, Zl. 2002/04/0194). Maßstab für diese Nachprüfung ist, ob der Beschwerdegegner mit der notwendigen journalistischen Sorgfalt recherchiert hat. Bei einem von ihm gestalteten Beitrag ist dies dann der Fall, wenn die darin getroffenen Aussagen sich aus den Recherchequellen ergeben (BVwG 04.07.2017, W157 2117445-1/3E).

Bei der Sendung „Zeit im Bild 2“ handelt es sich um eine Nachrichtensendung. Es ist daher zu prüfen, ob sich die im inkriminierten Beitrag getroffenen Aussagen des Beschwerdegegners, dass der Beschwerdeführerin Rückforderungsansprüche von Spielern in der Höhe von bis zu drei Milliarden Euro drohen und dass sie den Wiener Spielapparatebeirat zu ihren Gunsten beeinflusst habe, aus den von diesem herangezogenen Recherchequellen ergeben.

a) Recherche zum möglichen Verlustrisiko von bis zu drei Milliarden Euro

Zur Berechnung des möglichen Verlustrisikos von bis zu drei Milliarden Euro stützt sich der Beschwerdegegner im Wesentlichen auf die Abrechnung eines Monats (27.03. bis 26.04.2007) von zwei Spielautomaten an zwei Wiener Standorten. Die derart ermittelten Einnahmen von 8.000 Euro rechnet er sodann auf das Jahr hoch, was eine Summe von 96.000 Euro ergibt. Diese Jahressumme rundet er auf 100.000 Euro auf und rechnet sie anhand der 2018 in einem Zivilverfahren von einem Zeugen mit Wissen bis Ende 2010 angegebenen Gesamtzahl der von Novomatic in Wien betriebenen Spielautomaten hoch. Dabei rundet der Beschwerdegegner die Anzahl der Automaten von den vom Zeugen angegebenen 2.800 auf 3.000 auf. Die derart ermittelte Jahressumme an Einnahmen von 300 Millionen Euro multipliziert er mit der Anzahl der Jahre, die diese Automaten rechtswidrig betrieben worden sind, wobei er zunächst in seiner Stellungnahme vom 21.05.2019 alternativ von einem Zeitraum von acht Jahren (2007 bis 2014) oder 15 Jahren (2000 bis 2014) ausgeht, den er in seiner Duplik vom 21.08.2019 auf 14 Jahre konkretisiert. Den sich daraus ergebenden Betrag von 3,763 Milliarden Euro rundet er schließlich auf drei Milliarden Euro ab.

Nach Ansicht der KommAustria ist – wie im Wesentlichen von der Beschwerdeführerin vorgebracht – eine einzige Monatsabrechnung von zwei Standorten aus dem Jahr 2007 keine ausreichende Grundlage, um auf die Einnahmen von tausenden Spielautomaten an verschiedenen Standorten in ganz Wien über einen Zeitraum von mehreren Jahren zu schließen. Diese würde nämlich voraussetzen, dass die Einnahmen an allen Standorten über alle Monate eines Jahres hinweg und das über mehrere Jahre hinweg konstant sind. Dies ist allein schon deshalb nicht der Fall, weil die Einnahmen eines Automaten sich je nach dessen Standort unterscheiden. Dies zeigt sich bereits bei den beiden in der Detailabrechnung ausgewiesenen Standorten: Während bei dem einen Standort das Einspielergebnis nach Steuern 8.157,08 Euro und der Partneranteil davon 5.873,10 Euro beträgt, beträgt das Einspielergebnis beim anderen Standort nach Steuern 11.283,33 Euro und der Partneranteil 8.124 Euro. Dies im Übrigen, obwohl – oder vielleicht: weil – beide Standorte in der selben Straße (Kalvarienberggasse) gelegen sind. Damit aber kann aus der vom Beschwerdegegner im Rahmen seiner Recherche herangezogenen Abrechnung nicht in valider Weise ein behauptetes Gesamtverlustrisiko der Beschwerdeführerin hochgerechnet werden.

Daran ändert auch nichts, dass die Tageszeitung „Die Presse“ in ihrem Artikel „Wien: Spiellokale werden aussterben“ wie vom Beschwerdegegner vorgebracht von Einnahmen von „bis zu über

€ 10.000 pro Monat“ pro Automat ausgeht; dass dies derart unkonkret formuliert („bis zu über“) ist, spricht nämlich vielmehr ebenfalls dafür, dass die Einnahmen von verschiedenen Parametern – denkbar wären etwa neben dem Standort auch die Öffnungszeiten, das Wetter oder der Zeitpunkt von Sonderzahlungen der Arbeitgeber der Spieler – abhängen. Vor allem schließt dies nicht aus, dass die Einnahmen pro Automat und Monat im Durchschnitt erheblich unter 8.000 Euro liegen können. Damit ist eine solche „bis zu“ Angabe aufgrund der ihr innewohnenden Unsicherheit nicht geeignet, als Grundlage für eine Durchschnittsbetrachtung zu dienen. Insbesondere kann daraus nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass die durchschnittlichen Monatseinnahmen pro Automat jedenfalls bei 8.000 Euro liegen.

Weiters sind für die KommAustria die erwähnten drei Milliarden Euro aus der Rechnung des Beschwerdegegners nicht schlüssig, da unter Zugrundelegung dieser Annahmen sich ein errechneter Betrag von 3,763 Milliarden Euro ergibt und die erhebliche Differenz von 763 Millionen Euro seitens des Beschwerdegegners in keiner Weise nachvollziehbar begründet wird.

Da damit bereits aus all diesen Gründen die Recherchequellen zur Höhe der Einnahmen pro Automat die im Beitrag getroffene Aussage zum der Beschwerdeführerin drohenden Verlustrisiko von bis zu drei Milliarden Euro nicht tragen, kann es offenbleiben, ob die vom Beschwerdegegner herangezogene Anzahl an Automaten zutrifft.

b) Recherche zur Einflussnahme auf den Wiener Spielapparatebeirat

Daraus, dass der Beschwerdegegner beginnend mit einem ausdrücklichem Hinweis auf das Urteil des OGH vom 29.05.2017, 6 Ob 124/16b („Beispiele für Novomatic-Einfluss finden sich übrigens noch einige im Urteil.“) drei Beispiele aus der Arbeitsweise des Wiener Spielapparatebeirats anführt (erstmaliges Zusammentreten nach sieben Jahren, kaum Zeit zur Beurteilung von sehr umfangreichen Gutachten, Vorsitzführung durch einen Geschäftspartner der Beschwerdeführerin) und diese Aufzählung mit der Formulierung „Dem Glück muss man halt manchmal auch ein bisserl nachhelfen“ abschließt, entsteht für den Durchschnittskonsumenten der Eindruck, es ergebe sich aus dem berichtsgegenständlichen Urteil, dass die Beschwerdeführerin den Entscheidungen des Wiener Spielapparatebeirats zu ihren Gunsten nachgeholfen habe. Die in diesem Fall ausdrücklich genannte Recherchequelle – das Urteil des OGH vom 29.05.2017, 6 Ob 124/16b – trägt diese Aussage allerdings nicht.

In diesem Urteil werden im Wesentlichen die erstgerichtlichen Feststellungen zur Vorgehensweise des Wiener Spielapparatebeirats wiedergegeben. Hinsichtlich der im Bericht monierten späten Aufnahme der Sitzungstätigkeit des Beirats wird dort festgehalten, dass dieser mit 23.02.2001 seine Geschäftsordnung beschlossen habe, mangels eines Raums und sonstiger Infrastruktur aber nicht regelmäßig getagt habe. Dies habe sich erst mit 01.01.2007 geändert, als die Geschäftsstelle des Beirats bei der MA 36 angesiedelt worden sei, womit ab diesem Zeitpunkt eine Kanzleikraft die Büroangelegenheiten des Beirats erledigt habe. Die erste Sitzung, in der tatsächlich Spielapparate vom Beirat überprüft worden seien, habe noch später stattgefunden, nämlich erst am 20.09.2007.

Eine Aussage, dass diese langjährige Untätigkeit des Beirats auf den Einfluss der Beschwerdeführerin zurückgeht, findet sich im Urteil nicht.

Dasselbe gilt für den im Bericht monierten Ablauf der Begutachtung durch den Wiener Spielapparatebeirat. In den wiedergegebenen Feststellungen des Erstgerichts wird diesbezüglich ausgeführt, dass der Beirat sich von den Antragstellern Gutachten vorlegen habe lassen, in die jedes Beiratsmitglied Einsicht nehmen habe können, falls es sich im Vorfeld informieren wollte. Die Unterlagen seien sehr umfangreich gewesen. Die Geschäftsstelle habe diese nicht für jedes Mitglied kopiert, sondern die Mitglieder davon verständigt, dass die Unterlagen in der Geschäftsstelle zur Einsichtnahme aufliegen. Die Sitzungen des Beirats hätten etwa zwei Stunden gedauert; in diesen seien die Spiele vorgeführt und von den Gutachtern erläutert worden. Dem Urteil ist damit nicht die Aussage zu entnehmen, dass die Beiratsmitglieder – wie vom Beschwerdegegner in Beitrag ausgeführt – „in zweieinhalb Stunden tausende Seiten Gutachten beurteilen sollten, die sie vorher nie gesehen hatten“. Noch weniger ist diesem die Aussage zu nehmen, dass die Unkenntnis der Beiratsmitglieder auf den Einfluss der Beschwerdeführerin zurückgeht.

Zur Person des Vorsitzenden schließlich wird in den wiedergegebenen Feststellungen im Urteil im Wesentlichen ausgeführt, dass dieser die Darstellung in den von den Antragstellern beigestellten Gutachten nicht hinterfragt habe und sich mit den Spielen nicht im Detail auseinandergesetzt habe.

Er sei zudem mit der Beschwerdeführerin insoweit in einer Geschäftsbeziehung gestanden, als er ihr über zwei seiner Firmen Flächen in Niederösterreich vermiete, auf denen auch Glücksspielautomaten betrieben würden. Darin erschöpfen sich die Feststellungen zur Person des Vorsitzenden. Dem Urteil ist damit auch nicht die Aussage zu entnehmen, dass der Vorsitzende auf den Spielapparatebeirat zugunsten der Beschwerdeführerin Einfluss genommen hat.

In keinem der drei vom Beschwerdegegner angeführten Beispiele ist damit dem Urteil die Aussage zu entnehmen, dass die im Beitrag monierten Missstände in der Arbeitsweise des Wiener Spielapparatebeirat auf den Einfluss der Beschwerdeführerin zurückgehen. Dieses trägt damit als Recherchequelle die im Beitrag des Beschwerdegegners getroffene Aussage, dass sich aus ihm ergebe, dass die Beschwerdeführerin auf die Vorgehensweise des Wiener Spielapparatebeirats zu ihren Gunsten Einfluss genommen hat, nicht.

Da der Beschwerdegegner bei dieser Aussage ausdrücklich auf das berichtsgegenständliche Urteil rekurriert, können an diesem Ergebnis auch die weiteren im Verfahren vorgelegten Rechercheunterlagen nichts ändern.

Dennoch sei festgehalten, dass sich auch aus den vom Beschwerdegegner vorgelegten weiteren Unterlagen eine Beeinflussung des Wiener Spieleapparatebeirats durch die Beschwerdeführerin nicht ableiten lässt. So kann alleine aus einem derart alltäglichen Vorgang wie dass der Mieter von Teilflächen eines Lokals bei dessen Eröffnung durch den Vermieter anwesend ist, nicht geschlossen werden, dass der Vermieter deswegen zugunsten des Mieters auf Entscheidungen in anderen, nicht das Lokal betreffenden Sachen, Einfluss nimmt. Aus dem vorgelegten Protokoll der Sitzung des Wiener Spielapparatebeirats vom 20.09.2007 ergibt sich zwar, dass der Vorsitzende einer intensiveren Beschäftigung mit den vorhandenen Gutachten bzw. der Einholung der Rechtsmeinungen Dritter entgegengetreten ist; dies allerdings gemeinsam mit dem Sachverständigen für Veranstaltungsrecht und offensichtlich mit entsprechender anschließender Beschlussfassung durch den Beirat. Auch daraus kann daher nicht auf eine Einflussnahme durch den Vorsitzenden zugunsten der Beschwerdeführerin geschlossen werden. Im Übrigen sind in diesem Protokoll hinsichtlich der im Bericht monierten Verfügbarkeit der Unterlagen für die Beiratsmitglieder nur Aussagen des Schriftführers und hinsichtlich der Frage der Rechtskonformität der zu begutachtenden Spiele nach dem Glücksspielgesetz nur Aussagen des Sachverständigen für

Veranstaltungsrecht sowie der drei anwesenden Sachverständigen für Apparatetechnik dokumentiert, nicht aber des Vorsitzenden. Damit ist zumindest diesem Protokoll keine aktive Rolle des Vorsitzenden in diesen beiden im Bericht monierten Themenbereichen zu entnehmen.

Im Dokument Beschwerde gegen den ORF (Seite 32-35)