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Bei der Stimulation der Cochlea mit einer zu hohen Lautstärke kann es zu einer Lärmschädi-gung kommen. Die Lautstärke ist physiologisch als Anzahl der aktiven Nervenfasern und der Feuerrate kodiert. Die Lautstärke über ein CI wird ebenfalls über die Anzahl der aktiven Ner-venfasern kodiert. Das geschieht über die Stimulationsintensität. Die Stimulationsrate ist in-nerhalb eines Stimulationsprogramms fest eingestellt. Dabei führt eine höhere Stimulationsra-te (bis ca. 1000 pps/ch) ebenso wie eine höhere InStimulationsra-tensität der Elektrostimulation zu einer erhöhten Feuerrate und einer erhöhten Antwortamplitude (Heffer et al., 2010; Shepherd und Javel, 1997).

Lärm kann einen sofortigen Hörverlust gefolgt von einer lange andauernden Hörschwellen-verschiebung verursachen, die von Veränderungen der Zelleigenschaften in der Hörbahn be-gleitet wird. Noch ist unbekannt, ob diese Effekte im auditorischen System selbst entstehen oder von den Veränderungen des peripheren Input verursacht werden (Gröschel et al., 2014b):

Eine Beschallung mit 100 dB führte in einer Studie (Kujawa und Liberman, 2009) zu einem Hörverlust. Es wurde allerdings eine Erholung der Hörschwelle gezeigt, die kein Resultat einer Regeneration der mechano-sensorischen oder neuronalen Strukturen ist. Die

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le ist daher lediglich eine Indikation für den Zustand der Haarsinneszellen und nicht für eine eventuelle neuronale Degeneration. Eine neuronale Degeneration wäre als eine reduzierte Antwortamplitude messbar (Kujawa und Liberman, 2009). Nach einer Lärmbeschallung von 115 dB kommt es zu einem signifikanten permanenten Hörverlust, der nach sieben Tagen eine signifikante Erholung gegenüber den Akutmessungen zeigt (Gröschel et al., 2011).

Der akute Hörverlust, den die Studie von Gröschel et al. zeigte, wurde in der vorliegenden Arbeit nicht untersucht (Gröschel et al., 2014b). Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zei-gen jedoch weder sechs Wochen nach der Implantation, noch nach Abschluss der 90tägizei-gen Elektrostimulation einen Hörverlust auf der normalhörenden Seite, der mit einer Lärmbe-schallung vergleichbar wäre.

Die in der vorliegenden Arbeit durchgeführte Elektrostimulation scheint somit keine ver-gleichbare Auswirkung wie eine Lärmexposition zu haben, unabhängig von den verwendeten Stimulationsparametern. Die Ergebnisse einer Exposition mit moderatem Lärm von 90 dB (Gröschel et al., 2011), der bei der Maus keinen Hörverlust verursachte, kommt den Resulta-ten der in der vorliegenden Arbeit untersuchResulta-ten Elektrostimulation am nächsResulta-ten. Nach einem Lärmtrauma wird eine Erhöhung der spontanen Feuerrate beobachtet, die ausschließlich im CN, nicht jedoch in den höheren Strukturen auftritt (Gröschel et al., 2014b). Das spricht für eine Beeinflussung der Aktivität des CN auf zellulärem Niveau, die weitere pathophysiologi-sche Ereignisse auslösen kann (Gröpathophysiologi-schel et al., 2014b). Einzelzellableitungen in DCN und VCN direkt nach dem einzelnen Lärmtrauma zeigen eine signifikante Erhöhung der sponta-nen Feuerrate. Eine erhöhte Spontanaktivität scheint sich innerhalb von zwei Wochen nach dem Lärmtrauma zu entwickeln, nicht jedoch in den ersten sieben Tagen (Gröschel et al., 2014b). Direkt nach der Entfernung der Cochlea wurden vergleichbare erhöhte Aktivitäten festgestellt (McAlpine et al., 1997; Mossop et al., 2000). Dabei wurde gezeigt, dass es sich nicht um ein rein passives Verhalten des IC handelt. Eine erhöhte Aktivität des IC würde sich laut Studien von Gröschel et al. (Gröschel et al., 2014b) und Robertson et al. (Robertson et al., 2013) auch unabhängig von der Hyperaktivität des CN entwickeln.

Der Hörverlust wird in den ersten Stunden und Tagen von einem lärminduzierten Zellverlust begleitet (Coordes et al., 2012), der sich jedoch nach sieben Tagen bereits reduziert hat.

Durch einseitige, wie auch beidseitige Taubheit wird ein komplexes Muster reorganisierender Neurone im adulten Hirnstamm induziert (Illing et al., 2005). Dabei handelt es sich

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erweise um eine Kompensation. Nach einseitiger Cochleostomie sowie einem Lärmtrauma wurden im Hirnstamm der Ratte anatomische, zelluläre und molekulare Veränderungen wahr-genommen (Illing et al., 2005) wie die Erhöhung der Immunaktivität von GAP 43 im VCN der betroffenen Seite an präsynaptischen Endigungen und kurzen Faserabschnitten (Illing et al., 2005).

Die akute starke Aktivierung der IHC und SGZ durch die Lärmexposition, beziehungsweise die starke elektrische Aktivierung der SGZ, könnte einen starken Glutamatausstoß an den Sy-napsen zwischen Hörnerv und CN verursachen. Dies geschieht besonders an den calcium-durchlässigen α-Amino-3-Hydroxy-5-Methyl-4-Isoxazolepropionic-Acid (AMPA) Rezeptoren der „Endbulb of Held“ Synapsen, was zu einer starken und lange anhaltenden Aktivierung (Wang und Manis, 2008) führt.

Neben der Entnahme der Cochlea kann es auch nach einem Lärmtrauma, der Schädigung der Haarsinneszellen durch Antibiotika, aber auch nach einer einseitigen Entfernung des Bulbus oculi (Hendry und Jones, 1988; Jones, 1993) zu ähnlichen Effekten kommen. Direkt nach einem Lärmtrauma wurde eine Erhöhung der Expression von Neurotransmittern gezeigt, ge-folgt von einer lang anhaltenden Reduktion (Abbott et al., 1999; Milbrandt et al., 2000). Nach der einseitigen Entfernung des Bulbus oculi kam es im visuellen Cortex ebenfalls zu einer erhöhten Expression von Neurotransmittern, jedoch nicht zu einem Zellverlust (Hendry und Jones, 1988; Jones, 1993). Durch ototoxische Substanzen wird z.B. eine Schädigung der IHC und der OHC verursacht. Anschließend wurde eine Reduktion der SGZ in Verbindung mit einer Reduktion von Neurotransmitterrezeptoren gezeigt (Marianowski et al., 2000).

Zwischen der Schädigung durch Explantation der Cochleae, der Bulbi sowie einer Schädi-gung der Cochleae durch Lärm oder ototoxische Substanzen gibt es also deutliche Parallelen.

Es existieren jedoch auch Unterschiede, die einen direkten Vergleich mit der Elektrostimulati-on verhindern.

Die Ergebnisse von Studien zum Lärmtrauma (Basta et al., 2005; Coordes et al., 2012;

Gröschel et al., 2010) ähneln in Bezug auf die Reduktion der Zelldichten in CN, MGB und AC den Ergebnissen der Versuchsgruppe MSR der vorliegenden Arbeit. Ein dort auch im IC gezeigter Zellverlust spricht aber dafür, dass die Lärmschädigung einen noch stärkeren nega-tiven Einfluss hatte, als die Elektrostimulation auf die Versuchsgruppe MSR.

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Die Auswirkungen von Lärm fallen nach akustischer Deprivation in der Erholungsphase stär-ker aus (Fukushima et al., 1990). Setzt man die Tiere dagegen nach einer Lärmschädigung Frequenzen im Bereich des Hörverlustes aus, kann die Hyperpolarisation des Thalamus, die Reorganisation der Tonotopie im Cortex und die Entstehung eines Tinnitus verhindert werden.

Zudem kommt es zu einem geringeren Hörverlust (Eggermont, 2006; Noreña und Eggermont, 2005). Auch eine Elektrostimulation kann einen permanenten Hörverlust als Folge einer Lärmbeschallung verhindern. Einseitig ertaubte Mäuse reagierten mit einem permanenten Hörverlust auf einen Lärmpegel, der in den einseitig und zweiseitig stimulierten und beidsei-tig hörenden Kontrollgruppen dagegen lediglich einen kurzzeibeidsei-tigen Hörverlust verursachte (Lim et al., 2014). Das größere Risiko auf Lärmbeschallung mit einem Hörverlust zu reagie-ren, spricht somit für eine frühe CI-Implantation. Dass sich durch eine CI-Implantation ein Hörverlust reduzieren oder verhindern lässt, zeigt die Studie von Lim (Lim et al., 2014).

Nicht nur eine Erhöhung der Intensität des Lärms, sondern auch die wiederholte Exposition führt zu einem erhöhten Hörverlust (Chen et al., 2014) und einer erhöhten Spontanaktivität schon bei zwei gegenüber einem einzelnen Lärmereignis (Gröschel et al., 2011). Wiederho-lung ist auch in der vorliegenden Arbeit ein bedeutender Punkt. Die Elektrostimulation der Versuchsgruppe wurde vom CI, je nach Versuchsgruppe, maximal 275, 1513 oder 5156 Mal pro Sekunde und Elektrode über einen Zeitraum von mehr als 1400 Stunden wiederholt. Je nach akustischem Eingang wechselten sich unterschiedliche Elektroden mit der Stimulation ab. Diese räumliche und zeitliche Abwechslung der Elektrostimulation ist der entscheidende Unterschied zum Lärm. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit beruhen somit auf gänzlich anderen Mechanismen.