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6. Diskussion

6.2. Vergleich mit anderen Studien

In unserer Studie wurde auf Grundlage der FFR in 78% der Koronarläsionen auf eine Revaskularisation verzichtet. Dies ist in Einklang mit bereits veröffentlichten Arbeiten, die zeigen konnten, dass Druckdrahtmessungen die Anzahl der perkutanen Koronarinter-ventionen senken und damit auch Kosten reduzieren können [35].

Zudem demonstrieren die Ergebnisse der DEFER-, FAME- und FAME-2-Studie, dass der Verzicht auf eine PCI basierend auf Messungen der FFR auch über einen Beobach-tungszeitraum von einem bis zu fünf Jahren nicht nachteilig für die Patienten war [1, 3, 9, 10, 22, 26]. Das ereignisfreie Überleben nach 5 Jahren lag in der DEFER-Studie bei 80% in der Gruppe mit konservativem und bei 73% in der Gruppe mit interventionellem

Vorgehen bei einer FFR > 0,75 und unterschied sich somit nicht signifikant (p = 0,52) [3].

In der FAME-Studie konnte der primäre Endpunkt, welcher durch Tod, Myokardinfarkt und Revaskularisation definiert wurde, durch eine FFR-gestützte Revaskularisation sig-nifikant reduziert werden. So wurde der primäre Endpunkt in 18,3% der Fälle in der An-giographie- und in 13,2% der FFR-Gruppe in einem Jahr verzeichnet (p = 0,02) [9]. Die FAME-2-Studie verdeutlichte schließlich, dass Patienten bei einem FFR-Wert ≤ 0,80 von einem interventionellen Vorgehen im Vergleich zu einem rein konservativen Vorgehen profitieren. Bedingt durch eine signifikant höhere Inzidenz des primären Endpunktes (Tod, Myokardinfarkt und dringende Revaskularisierung) in der medikamentösen Gruppe im Vergleich zur PCI-Gruppe wurde die FAME-2-Studie vorzeitig beendet (12,7% vs.

4,3%; p < 0,001) [10].

Im großen französischen R3F-Register führte die Messung der FFR bei 43% der 1075 Patienten zu einer Änderung der Revaskularisationsentscheidung, die zuvor auf Grundlage der Angiographie getroffen wurde [5]. Damit übereinstimmend zeigen auch die Ergebnisse dieser Arbeit, dass der visuell geschätzte Stenosegrad und die FFR unzu-reichend miteinander korrelieren. Allerdings wurden im franzözischen Register nur Pati-enten mit angiographisch intermediären Stenosen im Bereich zwischen 35%-65% inklu-diert [5].

In einer prospektiven multizentrischen Studie aus Südkorea, dem IRIS-FFR Register, er-folgte aufgrund der intrakoronaren Druckmessung in 25% der Fälle eine Revaskularisa-tion [36]. Das IRIS-FFR Register wies zwar eine hohe Fallzahl auf, jedoch wurden auch hier gewisse Ausschlusskriterien wie beispielsweise Transplantatgefäße definiert [36]. In unserer Studie wurden keine Ausschlusskriterien definiert, sodass alle Patienten mit in-trakoronarer Druckmessung einbezogen wurden. FFR-Messungen wurden folglich in sämtlichen klinischen Konstellationen berücksichtigt. In diesem Kontext gilt es zu denken, dass ein Einfluss des entsprechenden Zentrums auf die Ergebnisse der FFR be-steht und somit auf die Therapieentscheidung. Sowohl in unserem Register als auch im französischen sowie südkoreanischen wurden die Daten multizentrisch erhoben, wodurch Unterschiede in der Revaskularisationsstrategie bedingt sein können.

Die europäischen Leitlinien sehen den Einsatz der FFR vor allem im Bereich intermedi-ärer Stenosen vor, sofern kein nichtinvasiver Ischämienachweis vorliegt [7]. Im

IRIS-FFR Register wurden 77,7% der IRIS-FFR Messungen in einem angiographisch evaluierten Stenosebereich zwischen 30-69% durchgeführt [36]. In diesem Intervall wurden 63,4%

der intrakoronaren Druckdrahtmessungen der vorliegenden Studie durchgeführt. Der Me-dian des Stenosegrades betrug 60%. Die im Vergleich geringere Anzahl an Messungen in diesem Bereich könnte durch die subjektive Evaluation von Stenosen bedingt sein.

Interventionalisten beurteilen Stenosegrade individuell unterschiedlich, weswegen sich eine Vergleichbarkeit als schwierig erweist. Jedoch lässt sich konstatieren, dass auf die FFR leitliniengerecht insbesondere im intermediären Bereich zurückgegriffen wird.

Die Lokalisation der Läsionen im Koronarsystem beeinflusste signifkant, ob sich an die Messung eine Revaskularisation anschloss. Bei einer Messung im RIVA folgte in 28,8%

der Fälle eine Revaskularisation, bei Messungen im LCX hingegen nur in 9,4%. Im ALKK-Register resultierten ebenfalls aus Messungen im RIVA erheblich mehr interven-tionelle Behandlungen als im LCX (62,4% vs. 18,5%) [4]. In Übereinstimmung mit die-sen Daten zeigt die vorliegende Arbeit, dass die Stenoselokalisation einen unabhängigen Prädiktor einer pathologischen FFR darstellt (p < 0.001). FFR-Messungen waren im RIVA sowie in Hauptästen der Koronargefäße signifikant häufiger pathologisch und kon-sekutiv von einer Revaskularisierung gefolgt. In Konklusion sollte insbesondere bei Lä-sionen im RIVA und in Hauptästen, die angiographisch als intermediär evaluiert werden, häufiger eine Druckdrahtmessung durchgeführt werden.

Bereits in anderen Studien wurde untersucht, inwiefern die Applikationsart von Adenosin die FFR-Ergebnisse beeinflusst. Schlundt et al. konnten demonstrieren, dass die intrako-ronare der intravenösen Adenosin-Verabreichung nicht unterlegen ist, so zeigte sich kein signifikanter Unterschied der FFR-Werte (p = 0.62) [12]. In ihrer Studie wurde Adenosin bei jedem Patienten sowohl intrakoronar als auch intravenös verabreicht, wobei die Rei-henfolge der Applikationsarten randomisiert wurde. Die Autoren konnten die beiden Ver-abreichungsformen dadurch direkt vergleichen. Sie schlussfolgerten, dass die intrakoro-nare Gabe eine schnellere Messung erlaube und zu weniger Unannehmlichkeiten führe [12]. In einer 2019 publizierten Metaanalyse konnte bestätigt werden, dass die diagnosti-sche Präzision der beiden Applikationsformen vergleichbar ist [37]. In unserem Register konnten die Interventionalisten die Druckdrahtmessungen nach ihrer Präferenz sowohl mit als auch ohne Vasodilatatoren durchführen. Es konnte kein signifikanter Einfluss der

Applikationsform des Adenosins festgestellt werden unter Berücksichtigung der Ver-knüpfung mit anderen Parametern (p = 0,88). Adenosinfreie Möglichkeiten der Druck-drahtmessung wie die iFR zeigten bereits in mehreren Studien eine hohe Übereinstim-mung mit der FFR [16, 17]. Durch den Verzicht auf Adenosin können außerdem uner-wünschte Wirkungen vermieden und Kosten gespart werden [38]. Nichtsdestotrotz wur-den awur-denosinfreie Alternativen in unserem Register selten durchgeführt (12,3%), wobei man berücksichtigen muss, dass es sich zum Zeitpunkt der Datenerhebung um eine relativ neue Methode handelte.

Die FFR erwies sich in unserer Studie als sicheres interventionelles Verfahren, wobei es in nur 0,25% der Fälle zu schwerwiegenden Komplikationen kam. Im IRIS-Register ga-ben die Autoren an, dass es bei 0,1% der Messungen zu gravierenden Komplikationen gekommen sei [36]. Eine mögliche Erklärung für die höhere Komplikationsrate in unserer Studie besteht darin, dass keine Ausschlusskriterien definiert und somit auch klinisch kri-tische Patienten inkludiert wurden. Außerdem könnte die Rate an Komplikationen durch die unterschiedliche Expertise der Untersucher beeinflusst worden seien. Die Autoren des ALKK-Registers stellten prinzipiell keine Zunahme der periprozeduralen Komplikatio-nen im Vergleich zu einer ad hoc PCI fest [4]. Da es sich um eine katheterinterventionelle Methode handelt, können jedoch schwerwiegende Komplikationen wie Gefäßdissektio-nen auftreten.