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Verbindungen mit cyclischen Chalkogenoarsenaten

Röntgenographische Charakterisierung

4 Verbindungen mit cyclischen Chalkogenoarsenaten

4.1 Einführung

Die Kondensation zu Oligomeren bzw. Polymeren ist in der Chemie der Komplexanionen ein weitverbreitetes Phänomen. Besonders umfangreich ist auf Grund der Oxophilie vieler Elemente, sowie der Häufigkeit des Sauerstoffs auf der Erde, die Verbindungsvielfalt im Bereich kondensierter Oxoanionen. Genannt seien hier als Beispiele aus der Chemie der Hauptgruppenelemente die Kondensation von Boraten zu mehrkernigen Komplexanionen, sowie die, an der Zahl unterschiedlicher Verbindungen gemessen, größte und für den Aufbau der Erdkruste wichtigste Gruppe der Silikate, oder die Bildung von polymeren Anionen aus Orthophosphaten. Im Bereich der Übergangsmetalle findet man als Vertreter dieser Stoffklasse v.a. die Iso- und Heteropolymetallate der Elemente V, Nb, Ta, Mo und W.

Im Falle des Elements Arsen findet man mittlerweile eine ähnlich reichhaltige Chemie oligo- und polynuklearer Anionen. Zahlenmäßig überlegen sind dabei auf Grund der Affinität dieses Elements zu den schwereren Homologen des Sauerstoffs Verbindungen mit Schwefel, Selen und Tellur.

Mehrkernige Chalkogenopnicogenate kommen, wie die in Kapitel 3 beschriebenen monomeren Anionen, ebenfalls in der Natur vor und bilden mit diesen die dort erwähnte mineralische Unterabteilung der Sulfosalze. In Anlehnung an die Systematisierung der silikatischen Minerale werden diese ebenfalls hinsichtlich des Kondensationsgrades, der Dimensionalität und der Geometrie des vorliegenden Anions klassifiziert [13].

Die in der Einleitung zum vorigen Kapitel erwähnten Minerale werden demzufolge den Insel- oder Neso-Sulfosalzen zugeordnet. Ein Beispiel für ein Ketten- oder Ino-Sulfosalz stellt der Chalkostibit CuSbS2 dar. Die gleiche Stöchiometrie auf Grund des identischen Kondensationgrades liegt in den Cyclo-Sulfosalzen vor. Zu nennen ist hier das Ag3[As3S6] (≡AgAsS2), welches die Smithit-Trechmannit-Gruppe bildet. Sehr kompliziert im Aufbau des anionischen Teils sind die Phyllo-Sulfosalze, denen z.B. der Hutchinsonit PbTlAs5S9

angehört.

Die Zahl der synthetisch dargestellten Verbindungen mit kondensierten Chalkogenopnicogenaten ist in den letzten Jahren stetig angestiegen. Der Umfang des vorliegenden Materials ist mittlerweile so groß, daß sich bereits zwei ausführliche Übersichtsartikel mit dieser Stoffklasse beschäftigt haben [40, 41]. Beide behandeln das gesamte Gebiet der Chalkogenopnicogenate, beschreiben also auch Verbindungen mit mononuklearen Anionen. Der zweite Artikel befaßt sich zudem mit dem nicht minder umfangreichen Feld der Chalkogenometallate der Elemente Ge, Sn und Pb.

Die Trends und Gesetzmäßigkeiten hinsichtlich der Strukturen und der diese dirigierenden Einflüsse, welche sich auf Grund der Fülle der angesammelten Beobachtungen abzeichnen,

sollen im Folgenden für das Element Arsen summarisch aufgezeigt werden. Dabei fassen die Erörterungen v.a. die Erkenntnisse zusammen, die Sheldrick und Wachhold in ihrem Übersichtsartikel vorstellen [41].

Die Strukturchemie der Chalkogenoarsenate kann hinsichtlich bestimmter Gesichtspunkte beschrieben und geordnet werden:

− Oxidationszahl

Auf Grund der mangelnden Stabilität der Gruppenoxidationsstufe +V für As liegt dieses in oligomeren und polymeren Chalkogenoarsenaten ausschließlich in der Oxidationsstufe +III, bzw. bei Anwesenheit von As-As-Bindungen < +III vor. Der Begriff Oxidationszahl besitzt allerdings hier wegen der geringen Elektronegativitätsdifferenzen sehr formalen Charakter. Die Aussage, daß As in solchen Verbindungen immer trivalent auftritt, erscheint deshalb angemessener.

− Koordinationszahlen, Koordinationspolyeder und deren Verknüpfungsweise

Die Fähigkeit trivalenten Arsens zur Hypervalenz ist weitaus geringer als die seiner schwereren Homologen Sb und Bi. Man findet polynukleare Chalkogenopnicogenate dieser Elemente mit Koordinationszahlen von vier und fünf für Sb III, bzw. vier bis sechs für Bi III. Mit einer bisher bekannten Ausnahme (in (NMe4)2As6S10 liegen nahezu unverzerrte ψ-AsS4 trigonale Bipyramiden vor [42]) ist As dagegen in solchen Verbindungen immer dreifach koordiniert. Als Koordinationspolyeder tritt demnach die trigonale Pyramide, bei Hinzunahme des lone pairs zur Klassifizierung des Polyeders, das

ψ-AsE3-Tetraeder auf.

Im Gegensatz zu den polymeren Oxoanionen der Elemente der dritten Periode wird bei den Chalkogenometallaten des Arsens Ecken- und Kantenverknüpfung beobachtet. Dies liegt zum Einen an der auf Grund der Größe der beteiligten Teilchen geringeren Abstoßung der zentralen As-Atome bei Kantenverknüpfung, zum Anderen zeigt sich darin der große p-Orbitalanteil der As-E-Bindung, welcher bewirkt, daß sich die bei der Kantenverknüpfung auftretenden viergliedrigen (AsE)2-Ringe mit einem E-As-E-Winkel nahe 90° leichter ausbilden.

− Einfluß des Kations

Der Kondensationsgrad sowie die Dimensionalität des Chalkogenoarsenats, sind u.a.

abhängig von der Größe und der Ladung des jeweilig anwesenden Gegenions.

Der Kondensationsgrad c mit c = y/z eines Chalkogenoarsenatanions der allgemeinen Zusammensetzung AsyEzm- umfaßt den Bereich zwischen 0.333 (mononukleare Spezies AsE33-) und 0.667 (binäre Chalkogenide As2E3). Mit steigendem Kondensations- grad steigt die pro Ladung des Anions der Koordination von Metallkationen zur Verfügung stehende Zahl an Chalkogenatomen. Betrachtet man die Elemente der ersten und zweiten Hauptgruppe, so findet man einen Trend zu größeren Koordinationszahlen für die schwereren Homologen. Ein höherer Koordinationsgrad wird deshalb um so wahrscheinlicher ausgebildet, je größer das vorliegende Alkali -oder Erdalkalimetall- kation ist.

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Betrachtet man als Kriterium für die Stabilität einer Kristallstruktur die Packungsdichte, so gilt allgemein, daß die Raumerfüllung bei niedriger werdender Dimensionalität des anionischen Netzwerks steigt, je größer das vorliegende Kation ist. Voluminöse Kationen wie Cs+, R4N+ oder R4P+ sollten daher mit ketten- oder schichtförmigen Anionen effektivere Packungen bilden als kleinere Gegenionen.

Die genannten Kationeneinflüsse stellen selbstverständlich keine allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten dar. Insbesondere bei Anwesenheit von koordinationsfähigen Solvens- molekülen können diese Effekte modifiziert werden.

− Konnektivität

Die Catenierungsfähigkeit der Chalkogene und des Arsens führt zu einer großen Variabilität der Verknüpfungsmuster in Chalkogenoarsenaten. Neben As-E-As und As-(µE)2-As-Verbrückung wurden ebenfalls zahlreiche Verbindungen dieser Stoffklasse mit mehrgliedrigen Chalkogenketten, sowie mit As-As-Bindungen gefunden.

− Weitere Einflüsse

Bei Bezugnahme auf Synthesen von Chalkogenoarsenaten in Lösung kommen zwei weitere strukturbestimmende Einflüsse zum Tragen. Zum Einen spielt die Konzentration der beteiligten Spezies eine Rolle für die Struktur des entstehenden Anions, zum Anderen werden Kondensationsreaktionen durch anwesende Protonen induziert, so daß mono- nukleare Anionen v.a. in stark basischem Milieu stabil sind. Bei Verringerung des pH-Wertes kondensieren diese dann zu mehrkernigen Einheiten.

Die im Verlauf dieser Arbeit durch Umsetzungen in flüssigem Ammoniak erhaltenen mehrkernigen Chalkogenoarsenate sind sämtlich cyclischer Natur. Dabei handelt es sich bei allen um sechsgliedrige Ringe, deren Ladung von exocyclischen Chalkogenatomen getragen wird. Die bei dieser Ringgliederzahl von der Natur bevorzugte Sesselkonformation wird in allen Fällen beobachtet.

4.2 Cyclische Chalkogenoarsenate mit

alternierenden Arsen-Chalkogen-Bindungen