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Unterschiedliche Lebenswelten als Unterschiedliche Lebenswelten als Unterschiedliche Lebenswelten als Unterschiedliche Lebenswelten als Herausforderung

und Patientenorientierung und Patientenorientierung und Patientenorientierung

3.3.1 Unterschiedliche Lebenswelten als Unterschiedliche Lebenswelten als Unterschiedliche Lebenswelten als Unterschiedliche Lebenswelten als Herausforderung

Herausforderung Herausforderung Herausforderung

Konflikte zwischen den Kulturen ergeben sich aufgrund unterschiedlicher Lebenswelten, Kommunikationsmuster und Handlungslogiken (von Kardorff, Leisenheimer 1999). Ausgegangen wird von einem doppelten Ungleichgewicht zwischen Selbsthilfegruppen und Professionellen:

„Das doppelte Ungleichgewicht zwischen Selbsthilfegruppen und Fachleuten … bezieht sich … auf das hierarchische Verhältnis zwischen kranken und gesunden Menschen sowie zwischen Laien und Experten, die mit der institutionell legitimierten Definitionsmacht über die Laien ausgestattet sind“ (von Kardorff, Leisenheimer 1999: 48).

Zudem befinden sich Betroffene häufig in einer Situation objektiver Abhängigkeit.

Die folgende Tabelle skizziert einige wichtige Unterschiede zwischen den gleichwertigen, aber ungleichartigen Partnern (eigene Zusammenstellung basierend auf von Kardorff, Leisenheimer 1999; Borgetto 2005):

Kern:

Kern:

Kern:

Kern: gemeinsamer gemeinsamer gemeinsamer gemeinsamer Erfahrungs

Erfahrungs Erfahrungs Erfahrungs---- und und und und Informationsaustausch Informationsaustausch Informationsaustausch Informationsaustausch

Kooperation:

Kooperation:

Kooperation:

Kooperation:

aufwendig und aufwendig und aufwendig und aufwendig und voraussetzungsvoll für voraussetzungsvoll für voraussetzungsvoll für voraussetzungsvoll für beide

beide beide

beide SeitenSeitenSeiten Seiten

Doppeltes Doppeltes Doppeltes Doppeltes Ungleichgewicht Ungleichgewicht Ungleichgewicht Ungleichgewicht zwischen Selbsthilfe zwischen Selbsthilfe zwischen Selbsthilfe zwischen Selbsthilfe und Professionellen und Professionellen und Professionellen und Professionellen

Tabelle 1: Unterschiede zwischen den Partnern Selbsthilfe SelbsthilfeSelbsthilfe

Selbsthilfe ProfessionelleProfessionelleProfessionelleProfessionelle////

Gesundheitseinrichtungen Gesundheitseinrichtungen Gesundheitseinrichtungen Gesundheitseinrichtungen

Wissen Alltagserfahrung/

Erfahrungswissen

Fachwissen Entscheidungsfindung Basisdemokratisch Hierarchisch

Arbeitsteilung „Allroundkräfte“ Differenzierung/Arbeitsteilung Handlungsweise Flexibel Routinen und „institutionelle

Zwänge“3

Erreichbarkeit Informelle Kontakte Definierte/formelle Kontakte Außendarstellung Wechselnd,

situationsbezogen

Einheitlich

Borgetto (2002 zit.n. Stricker et al. 2010: 40) kommt bei der Auswertung bisheriger Studien und Erfahrungen mit Kooperation zu dem Ergebnis, „dass vor allem die „Kultur“ einen entscheidenden Einfluss ausübt und häufig noch strukturelle Asymmetrien zwischen den Gruppen und den professionellen AkteurInnen bestehen“. Aufgrund der unterschiedlichen Handlungslogiken können die Handlungen der anderen Seite häufig nicht nachvollzogen werden (SEKIS 1999 zit.n. El-Najjar 2010: 33).

„Die Untersuchung von Kooperationen zwischen Selbsthilfe und Professionellen im Gesundheitswesen bedeutet auch ein Nachzeichnen von Kränkungen, Missverständnissen und Verteilungskämpfen“ (Stark 2001: 51).

Eine detaillierte Zusammenfassung der häufigsten Problembereiche findet sich bei Leisenheimer et al. (1999) und Borgetto (2005). Probleme bestehen u.a. im geringen Wissen und fehlenden Kenntnissen des jeweiligen Partners sowie mangelnden personellen und zeitlichen Ressourcen. Es mangelt aber auch an institutionalisierten Formen (klare Konzepte, Leitbilder, Vereinbarungen) der Beteiligung von Selbsthilfegruppen, um eine konstruktive Begegnung zwischen beiden Seiten herzustellen (Borgetto 2005).

Entsprechend gilt es, Kooperation adäquat zu gestalten und ein Verständnis davon zu entwickeln, wie den Problemen begegnet werden kann (Schaffung von Strukturen zum Ausgleich der Unterschiede), um das in der Kooperation enthaltene Potential zu realisieren.

Ansatzpunkte dafür liegen in den zahlreichen gemeinsamen Schnittstellen bzw.

Handlungs- und Betätigungsfeldern zwischen Selbsthilfe und professioneller Gesundheitsversorgung finden (Leisenheimer et al. 1999: 35ff):

• Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit

• Gesundheits- und sozialpolitische Planung (Selbsthilfe-Initiativen gelten als Indikatoren für aktuellen Bedarf und neue Problematiken)

• Zusammenarbeit in Fachgremien

• Fort- und Weiterbildung für Selbsthilfegruppenteilnehmer/innen und Professionelle

3Fachliche Routinen, Anweisungen und Vorschriften Unterschiedliche

Unterschiedliche Unterschiedliche Unterschiedliche Handlungslogiken Handlungslogiken Handlungslogiken Handlungslogiken

G GG

Geringes Wissen über eringes Wissen über eringes Wissen über eringes Wissen über den Partner als eine den Partner als eine den Partner als eine den Partner als eine von vielen Hürden von vielen Hürden von vielen Hürden von vielen Hürden

Exis ExisExis

Existenz gemeinsamer tenz gemeinsamer tenz gemeinsamer tenz gemeinsamer Schnittstellen SchnittstellenSchnittstellen Schnittstellen

• Gesundheitsförderung und Prävention („Selbsthilfe-Initiativen übernehmen Aufgaben der primären Prävention, der Aufklärung bestimmter Zielgruppen, der psychosozialen Krankheitsbewältigung und psychosozialen Rehabilitation“ (Leisenheimer et al. 1999: 38)).

3.3.2 3.3.2 3.3.2

3.3.2 Kritische Anmerkungen zur Kooperation Kritische Anmerkungen zur Kooperation Kritische Anmerkungen zur Kooperation Kritische Anmerkungen zur Kooperation

Grundannahme vieler Autor/inn/en, die zur Kooperationsförderung publizieren, ist eine positive Konnotation von Selbsthilfegruppen und deren Kooperation mit dem professionellen System und die Annahme, dass Selbsthilfe und Kooperation per se zur Gesundheitsförderung beitragen. Selbsthilfegruppen werden u.a.

deshalb als unterstützungswürdig eingestuft, weil ihnen grundsätzlich positive Wirkungen bzw. gesundheitsförderndes Potential zugeschrieben wird. Dies sollte allerdings nicht dazu führen, die Beschränkungen von Selbsthilfegruppen und die möglichen Probleme und Folgen von Kooperation zu übersehen.

Selbsthilfe „auf Rezept“ ist aus mehreren Gründen problematisch (Leisenheimer et al. 1999). Zum einen gehört zu den Grundprinzipien der Selbsthilfebewegung, dass die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe freiwillig erfolgt. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe nicht für jeden durch ein Gesundheits- bzw. Krankheitsproblem belasteten Menschen in jeder Phase der Problembearbeitung sinnvoll bzw. möglich ist (Leisenheimer et al. 1999). Um von einer Teilnahme profitieren zu können, ist ein gewisses Maß an Bereitschaft und an kommunikativen Fähigkeiten erforderlich. Sind die Selbsthilfekräfte – wie im Fall akuter Krisen – stark eingeschränkt, können die Betroffenen von Selbsthilfegruppen nur bedingt aufgefangen werden.

Entsprechend kann die „verordnete“ Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe nicht in jedem Fall helfen und auch zur Überforderung von Gruppen führen.

Institutionalisierte Formen der Einbindung werden auch kritisch kommentiert:

Mögliche Folgen sind der „ … Verlust von Autonomie und Selbstbestimmung“

und die „Vereinnahmung der Selbsthilfezusammenschlüsse durch die Professionellen“ (Instrumentalisierung) (Bachl et al. 1998, SEKIS 1999 zit.n.

Borgetto 2005: 58) auch kritisch betrachtet. Gewarnt wird davor, „dass die Dominanz der krankheitsorientierten Perspektive der Medizin nicht zu einer einseitigen Medikalisierung der Gruppen führt“ (Nowak 2011: 54f). Es wird als problematisch erachtet, dass das Auftreten als kompetenter Partner eine Anpassung der Selbsthilfegruppen an das Expert/inn/ensystem beinhaltet, einschließlich der Assimilation einiger Elemente des Expert/inn/ensystems.

Unter anderem erfordert eine erfolgreiche Kooperation einen höheren Organisationsgrad. Beteiligung verlangt zudem formales Wissen, da es Betroffenen ermöglicht, „dass ihre Stimme gehört wird“ (Akrich 2010 zit.n.

Nowak 2011: 55). Entsprechend kann durch eine intensive Kooperation die das vorrangige Ziel des Erfahrungsaustausches der Gruppenmitglieder untereinander in den Hintergrund treten und der Fokus der Gruppen auf Gesundheit verdrängt werden (Epstein 2008; Borgetto 2004 zit.n. El-Najjar 2010:

113; Nowak 2011).

Sowohl positive als auch kritische Annahmen zur Kooperation können als Hinweis für weiteren, vor allem empirischen Forschungsbedarf gesehen werden.

So gilt es zu berücksichtigen, dass Studien über die Effekte von Selbsthilfegruppen nach wie vor rar sind. Auf Basis eines Literaturreviews wird von einer positiven Bilanz gesprochen, wenn auch die Effekte bei unterschiedlichen Problemlagen unterschiedlich hoch sind (Klytta, Wilz 2007).

Hinweise auf negative Effekte konnten in diesem Review nicht gefunden

Positive Konnotation Positive Konnotation Positive Konnotation Positive Konnotation von

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Selbsthilfegruppen Selbsthilfegruppen Selbsthilfegruppen Selbsthilfegruppen stellen keine stellen keine stellen keine stellen keine Patentlösung dar Patentlösung dar Patentlösung dar Patentlösung dar

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Kooperation wiiiird rd rd auch rd auch auch auch k

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kritisch gesehenritisch gesehenritisch gesehen ritisch gesehen

Weiterer Weiterer Weiterer Weiterer Forschungsbedarf Forschungsbedarf Forschungsbedarf Forschungsbedarf

werden. Ein expliziter Bezug auf eine gesundheitsfördernde Wirkung von Selbsthilfegruppen wird nicht hergestellt.

Im Folgenden wird auf ausgewählte Studien zur Zusammenarbeit zwischen Selbsthilfe und Einrichtungen der Gesundheitsversorgung eingegangen.

Angemerkt sei, dass sich die internationale Diskussion zur Beziehung von Patient/inn/engruppen zu medizinischen Expert/inn/en vornehmlich auf die Ergebnisse qualitativer Fallstudien stützt, während in Deutschland auch einige quantitative Studien durchgeführt wurden (Forster, Nowak 2011). Wir nehmen vor allem auf letztere Bezug.