• Keine Ergebnisse gefunden

Unternehmerische Verantwortung – Umfang und Inhalt

Im Dokument Die mentale Innovation (Seite 14-18)

4. Werte und Einstellungen öko-fairer Unternehmer

4.1 Unternehmerische Verantwortung – Umfang und Inhalt

Es gibt drei Gruppen von Auslösern, die einen Zugang zu einer umfassend verstandenen Verantwor-tung begründen10:

1. Die persönliche Haltung, die vorwiegend durch die Erziehung in Elternhaus, Schule und Gesell-schaft erworben wurde. Das trifft für sieben Personen der insgesamt 35 ausgewerteten Interviews zu, also gut 20 %.

Liegt in meiner Natur oder Erziehung

Very important, because of my parents and my grandparents

Haltung von Großvater und Vater gelernt

2. Die persönliche Haltung, die aus der Auseinandersetzung mit der Rolle der UnternehmerIn er-wächst. Insgesamt sagen das zehn der Interviewees, gut 30 %.

Da wächst man rein, musste eigene Leitplanken entwickeln.

Je mehr Macht ich habe irgendwo, oder Möglichkeiten, umso höher ist auch meine Verant-wortung.

Sich einfach immer in der Frühe ins Gesicht schauen können und gleichzeitig aber sagen zu können, man ist ja trotzdem irgendwie erfolgreich finanziell.

Eine Person betont besonders die Gestaltungspielräume der Unternehmer-Rolle: Komme aus der DDR, als Unternehmer kann ich verändern.

3. Die dritte Gruppe will mit der Unternehmer-Tätigkeit etwas zur Verbesserung beitragen; der Welt, der Umwelt, der menschlichen Lebensverhältnisse. Das sind gut 20 % der Befragten. Bei eini-gen ist das bereits ein Impuls zur Unternehmensgründung gewesen. Das sind weitere 20 %, zusam-men mit den vorher genannten sind es 40 %.

Wir wollen dieses nachhaltige Profil, das wir haben, weiterentwickeln, weiter schärfen.

Menschen und Beziehungen im Vordergrund und der wirtschaftliche Erfolg kommt. Ohne Ehrlichkeit in Beziehungen geht der wirtschaftliche Erfolg in Leere.

Was ist der Nutzen dieser Firma für die Welt.

Beitrag zur Lösung der ökologischen Probleme leisten...war von Anfang an da.

10 Nach den Spiegelstrichen sind Zitate der InterviewpartnerInnen aufgeführt. Der Wortlaut wird unverändert zum Original wiedergegeben. Dabei werden auch Satzbruchteile verwendet. Die deutsche und die englische Gramma-tik der gesprochenen Worte wurden nicht korrigiert. Die prozentualen Angaben sollen die Verteilung der Antworten deutlicher machen. Es wird nicht der Anspruch erhoben, dass die Ergebnisse repräsentativ sind.

Politik und Industrie handeln nicht bei Umweltschäden, also handle ich

Dass wir uns nicht zurück lehnen können und sagen “alles muss der Staat abdecken.

Die Beachtung von ökologischen und sozialen Themen kann auch in der konventionellen Wirtschaft festgestellt werden. Da im Denken dieser AkteurInnen die Unternehmens-Verantwortung aber strikt auf die wirtschaftlichen Ziele begrenzt ist, finden ökologische und soziale Themen nur dann Eingang in Entscheidungen, wenn es gesetzlich gefordert ist oder wenn es der Erreichung der wirtschaftlichen Ziele unmittelbar dient.

Bei den UnternehmerInnen in der Studie werden dagegen Auslöser sichtbar, die die UnternehmerIn-nen-Tätigkeit in einen größeren Bezugsrahmen einbetten. Bei der ersten Gruppe (20 %) ist es ein Hintergrund von humanistischen Werten, bei der zweiten (30 %) ist eine bewusste Reflektion der Rolle und Macht der UnternehmerIn in der Gesellschaft erkennbar, in der dritten Gruppe (40 %) wird die Tätigkeit der Firma direkt als Beitrag zur Lösung von gesellschaftlich relevanten Problemen verstanden und in das Zusammenwirken der AkteurInnen in Wirtschaft, Politik, Gesellschaft einge-ordnet.

Die individuellen Auslöser, zu einem größeren Bezugsrahmen zu gelangen, sind durchaus verschie-den. Was auch immer der hauptsächliche Auslöser ist, er führt zu einem ganzheitlichen Engagement, innerhalb dessen verantwortungsvolle Praktiken verstärkt werden, die sich häufig aus den Besonder-heiten des Produkts oder dem speziellen Unternehmenszweck ergeben.

4.1.2 Was sind die Inhalte der Verantwortung als UnternehmerIn

Die meisten Interview-PartnerInnen haben ein sehr umfassendes Verständnis von Umfang und Inhalt der Verantwortung als UnternehmerIn. Es scheint, dass Verantwortung als unteilbar empfunden wird und sich auf alle Aspekte des Geschäfts erstreckt. Rund 50 % der Befragten äussern sich im Sinne dieser integrativen Perspektive. Der Zusammenhang der Verantwortung für die eigene Familie, den eigenen Lebensunterhalt mit der Verantwortung für alle Stakeholdergruppen bis hin zu Umwelt und Gesellschaft wird klar formuliert.

Mehr als Betriebswirtschaft, Stakeholderinteressen, auch Nachbarn, Kunden, Ökologie

Dass die nächsten Generationen auch den Betrieb weiter führen können und ich den Boden lebendig erhalte

Mitarbeiter (speziell Auszubildende, Behinderte), Ökologie, Ökonomie, Region

Den Menschen, ... im Sinne des Mitarbeiters, des Kunden, des Lieferanten, .. die Gemein-schaft, die Gesellschaft. Aber natürlich auch die Natur und das Ökosystem in dem wir le-ben... diese Dinge bestmöglich in Balance zu halten.

Ohne im Gegensatz zu diesem inklusiven Verständnis von Unternehmensverantwortung zu sein, rücken einige Interviewees die Mitarbeiter-Beziehung oder auch die menschlichen Beziehungen generell in den Vordergrund. Das sind rund 20 %.

Mitarbeiter nicht nur motivieren, sondern eben auch zufrieden stellen über die Lohnzahlung hinaus

Nutzen von Mensch (Mitarbeiter, Kunden) und Umwelt, keinen Schaden anrichten

Ein Unternehmen muss, wenn es das nicht geben würde, den Menschen fehlen und nicht der Wirtschaft und nicht dem Markt

Nicht ausschließlich an technischen Punkten oder so stoppen, sondern auch die Leute mit-einbeziehen, das ist Partizipation

Für die Unterscheidung von stärker progressiv eingestellten UnternehmerInnen zu den eher konven-tionellen sind die Äußerungen interessant, die eine ökonomische Verantwortung mit erwähnen. Rund 30 % tun dies. Auch sie sind im Einklang mit und nicht im Gegensatz zu dem Cluster, die eine integ-rative Perspektive einnehmen.

Balance von Wachstum und Existenzsicherung

Ökonomische Verantwortung für das Unternehmen. Es besteht da aus meiner Sicht auch gar kein großer Konflikt, sofern ich jetzt nicht irgendwie beabsichtige, übertriebene Gewinne zu erzielen.

Das Unternehmen muss ökonomisch erfolgreich geführt werden, damit die Arbeitsplätze ge-sichert werden, damit der ökologische Ansatz funktionieren kann.

Achieving your business goals without harming anyone and most of all respecting the socie-ty and the environment.

Dass das Unternehmen nachhaltig gesund ist...finanziell auch gesund und sozial und ökolo-gisch stark.

Während im konventionellen Bereich meist argumentiert wird, der Profitmaximierungs- und Wachs-tumszwang lasse keinen Raum für faires und ökologisches Verhalten, formulieren die Befragten ein Junktim: es wird nicht die Ökonomie benutzt um die öko-fairen Aspekte unterzuordnen, sondern die ökonomische Stabilität wird als Voraussetzung gesehen, die öko-fairen Leistungen zu ermöglichen.

Das ist ein grundlegend anderes, prinzipienbasiertes Verständnis von wirtschaftlichem Handeln. Die Ursache-Wirkungs-Kette wird akzeptiert, dass unternehmerische Entscheidungen Konsequenzen für Umwelt und Gesellschaft haben. Die Haltung ist die eines bewussten und bereitwilligen Akzeptie-rens dessen, was die konventionelle Wirtschaft gerne als Nebenwirkungen beiseite schiebt und nach Möglichkeit externalisiert, das heißt nicht in den Verantwortungsbereich und schon gar nicht in die Kostenrechnung aufnimmt.

Die progressiven UnternehmerInnen anerkennen die schädlichen Nebenwirkungen der Unterneh-mens-Tätigkeit und gestalten sie gezielt, d.h. minimieren oder substituieren sie. Sie reduzieren sys-tematisch den ökologischen Fußabdruck. Und sie trachten danach, die sozialen und gesellschaftli-chen Nebenwirkungen so positiv und mensgesellschaftli-chenfreundlich wie möglich zu gestalten, das wird auch als Optimieren des Handabdrucks bezeichnet.

Siehe Anhang Tabelle 1. Verantwortungsübernahme - Auslöser und Inhalte

4.2 Die Bedeutung des Begriffs 'Nachhaltigkeit' für progressive Unter-nehmen

Wie der Begriff 'Unternehmensverantwortung – Corporate Responsibility' ist auch der Begriff 'Nachhaltigkeit – Sustainability' geeignet, den erforderlichen Paradigmenwechsel in der Wirtschaft zu benennen. Beide Begriffe sind mittlerweile aber in aller Munde und werden mit einer derart brei-ten Bedeutung verwendet, dass sie sehr missverständlich sein können. Auch bei den Interview-PartnerInnen zeigt sich das Vieldeutige des Begriffs. Es gibt kritische Anmerkungen und beachtens-werte Ergänzungen zur Nachhaltigkeits-Diskussion.

Die Kritik am Begriff bzw. der Verwendung des Begriffs 'Nachhaltigkeit' (20 %) geht in Richtung beliebige Verwendung oder auch mangelnde Erklärungskraft:

Nachhaltig ist ja alles. Alles hat Folgen. Wenn gemeint ist: umweltverantwortliches, zu-kunftsfähiges Verhalten, dann ist der Begriff unglücklich gewählt.

Jeder verwendet dieses Wort und es ist so unglaublich belastet. Jeder kann es aussprechen und keiner kennt sich aus.

Einige persönliche Reflexionen bringen sinnvolle Ergänzungen und Erweiterungen des Konzepts 'Nachhaltigkeit', die in der üblichen Diskussion nicht auftauchen (20%).

Ein Hinweis ist, dass der Begriff, wenn ernst gemeint, dann sehr umfassend verwendet werden soll-te:

Materialien verwenden, die keinen Raubbau an der Natur betreiben, Arbeitsmethoden, die langanhaltende Wirkung erzielen, Materialien, die langlebig, keine Kompromisse um des Preises willen, Mitarbeiter nicht verschleißen, ausbilden, Wissen weitertragen und erneuern.

Des Weiteren der Hinweis, dass die Gesundung der Erde mittlerweile ein Ziel sein sollte:

Wir dienen der Erde und dem Menschen mit dem, was wir tun und der Gesundung der Erde und dem Wohl der Menschen

Mir fehlt die Heilung da drin in dem Begriff, mir fehlt die Entwicklung und so das sozial Innovative

Es wird angemerkt, dass eine grundlegende Kehrtwende erforderlich ist:

Verstärkt in unserer Generation Gedanken machen müssen, wie man eine Kehrtwende schaffen kann, um halt das Schöne zu erhalten

Wenn wir uns Menschen und die Natur ganz oben hinstellen und das Wohl, das Gemein-wohl,... dann ist das am Ende zwangsweise nachhaltig

Das Triple-Bottom-Line Modell, das die Gleichwertigkeit der Ziele Ökonomie-Ökologie-Soziales postuliert und in der Nachhaltigkeitsdebatte sehr verbreitet ist, wird kritisiert:

Wir leben nicht das Modell der drei Säulen der Nachhaltigkeit, wo die alle gleichberechtigt neben einander stehen, sondern das Greifswalder Nachhaltigkeitsmodell. Der Planet, also der Lebensraum, die Ökologie ist sozusagen der große Kreis. In diesem großen Kreis ist die Gesellschaft und da gibt es dann die gesellschaftliche Nachhaltigkeit und ein Subsystem in-nerhalb der Gesellschaft ist Wirtschaft.

Im Kern des Begriffs 'Nachhaltigkeit' stimmen die InterviewpartnerInnen mit dem verbreiteten Ver-ständnis überein, dass es um eine langfristige Perspektive geht und um das Beachten der Lebensbe-dingungen nachfolgender Generationen:

Zum Einen, eine langfristige Perspektive einzunehmen... und zweitens auch bei den Wir-kungen, nicht nur auf die unmittelbaren Wirkungen zu schauen, sondern auch auf Nachwir-kungen der unmittelbaren WirNachwir-kungen.

Sustainability means using all the given resources, ... but those same resources should serve next generation.

In der Gesamtschau der Interview-Äußerungen werden neue Aspekte der Nachhaltigkeits-Diskussion angesprochen.

Die Triple-Bottom-Line wird als ein unzulängliches Konzept qualifiziert. Dessen Bedeutung war ursprünglich ein wichtiger Schritt nach vorne, um der Ökologie und dem Sozialen eine Gleichwertigkeit neben der bis dato Dominanz der Ökonomie bei Entscheidungen einzu-räumen. Ein Blick auf die Interdependenzen der natürlichen und sozialen Systeme offenbart jedoch, dass die ökologischen Kriterien vorrangig beachtet werden müssen, wenn Gesell-schaften leben und prosperieren wollen. Zudem wird klar, dass die Wirtschaft ein Subsys-tem der Gesellschaft ist und dass die gesamt-gesellschaftlichen Bedürfnisse und Werte der Wirtschaft die Regeln vorgeben sollten.

Die Fragen, wie die menschlichen Lebensbedingungen verbessert werden können und wie Menschen und Natur heilen können, müssten aufgegriffen werden. Daraus ergebe sich eine zukunfts- und entwicklungs-orientierte Ergänzung des Begriffs und soziale Innovationen könnten die angemessene Bedeutung gewinnen.

Die Wirtschaft und die Unternehmen sollten sich auf eine humanistische Ethik beziehen, die wirtschaftliches Handeln einbettet in einen Rahmen, der menschliche Bedürfnisse erfüllt und den Erhalt der Natur sichert. Das sei eine Kehrtwende, die müsse in den Blick genom-men werden. Nachhaltigkeit solle verbunden werden mit dem Gemeinwohl

Im Dokument Die mentale Innovation (Seite 14-18)