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1. EINLEITUNG

1.5 H UMANES S ERUM -A LBUMIN

Humanes Serum-Albumin hat ein Molekulargewicht von 66,5 kDa und wird in der Leber synthetisiert (ca. 10 – 15 g/Tag). Es liegt in einer Konzentration zwischen 35 – 50 g/L vor und hat eine durchschnittliche Halbwertzeit von 19 Tagen (Peters 1985). Als regulierender Faktor für die Albuminsynthese wird der extravasale kolloidosmotische Druck in der Leber angesehen. So erklärt es sich auch, dass es bei iatrogener exogener Zufuhr kolloidonkotischer Substanzen, sowohl natürlicher als auch künstlicher Kolloide, im Rahmen längerer Anwendungen zu einer Hemmung der Albuminsynthese kommt (Oratz et. al. 1970). Das Albumin ist im menschlichen Organismus in zwei Kompartimenten verteilt. Zu 40% im intravasalen Flüssigkeitsraum und zu 60% im

extravasalen Flüssigkeitsraum. Der extravasale Flüssigkeitsraum ist in Abhängigkeit der Kapillarpermeabilität bezüglich der Organe für das Albumin in zwei Subkompartimente unterteilt. Die viszeralen Organe bilden eines dieser Subkompartimente, da Sie eine hohe Kapillarpermeabilität für Albumin aufweisen und so ein schneller Austausch mit dem Intravasalraum stattfinden kann. Das zweite Subkompartiment bilden die Skelettmuskulatur und die Haut, da diese eine reduzierte Austauschgeschwindigkeit mit dem intravasalen Albuminpool darstellen [Oratz et. al. (1970), Rossing (1978), Margarson und Soni (1998), Standl (2001)]. Ungefähr 5% der intravasalen Albuminmenge werden pro Stunde mit dem Extravasalraum ausgetauscht („transcapillary escape rate“). Diese Austauschrate des Albumins ist erhöht bei Verbrennungen, Myxödem, Leberzirrhose und diabetischer Mikroangiopathie [Parving und Rossing (1973), Parving et. al. (1977)]. Über die Lymphbahnen wird das Albumin wieder dem Intravasalraum zugeführt. Bei physiologischer Kapillarpermeabilität beträgt die durchschnittliche intravasale Verweildauer des Albumins 4 Stunden (Standl 2001).

Die wichtigsten physiologischen Funktionen des Albumins bestehen in der Aufrechterhaltung des intravasalen Volumens, in einer Pufferfunktion als Bestandteil des Proteinpuffersystems und einer Transportfunktion.

Durch eine hohe Wasserbindungskapazität von ca. 18 ml/g kann Albumin Volumen im intravasalen Lumen binden. So hat Albumin eine ca. 2,5 fach höhere onkotische Wirkung bei vergleichbaren Konzentrationen als Globuline mit einem durchschnittlichen Molekulargewicht von 170 kDa. Letztendlich bestimmt das Albumin zu 80% den intravasalen kolloidosmotischen Druck, obwohl es nur einen Anteil von 60% an den Gesamtproteinen im Plasma stellt [Ladegaard-Pedersen (1969), Standl (2001)].

Das Albumin kann als Bestandteil des Proteinpuffers des menschlichen Körpers, insbesondere durch reversible H+ - Bindung oder Abgabe an der Carboxyl- bzw.

Aminogruppe einen Anteil leisten, um das Säure-Basen Gleichgewicht aufrecht zu erhalten (Scheid 1996).

Die Transportfunktion kann das Albumin durch seine besondere Struktur und Bindungsfähigkeit erfüllen. Die Primärstruktur des Albumins ist endgültig seit 1982 bekannt (Dugaiczyk et. al. 1982). In späteren Arbeiten konnten die Sekundär- und nach Röntgenstrukturanalysen auch die Tertiärstruktur identifiziert werden. Aus den 585 Aminosäuren werden über 17 Disulfidbrücken drei homologe Domänen (I-III) gebildet, welche jeweils nochmals in zwei Subdomänen (A-B) gegliedert werden (siehe auch

Abb. 4) . Die dreidimensionale, herzförmige Struktur zeigt zu 67% eine

α

– helikale Struktur [Carter und Ho (1994), Peters (1996), Curry et. al. (1998)].

Albumin interagiert in vielfältiger Art und Weise mit seiner Umgebung, endogenen Substraten und Medikamenten. Typischerweise kommt es zu einer oder mehreren Bindungen in spezifischen Regionen des Moleküls. Wegweisende Arbeiten dazu stammen von Sudlow und seiner Arbeitsgruppe. Sie fanden zwei Bindungsstellen am Albuminmolekül und nannten diese Bindungstelle I und Bindungstelle II (Sudlow et.

al. 1975). Bindungstelle I liegt in der Subdomäne II A und Bindungstelle II in der Subdomäne III A. Unter physiologischen Bedingungen binden z.B. körpereigene Substanzen wie Fettsäuren und Bilirubin an Albumin [Jacobsen (1969), Peters (1985), Curry et al. (1998)]. Aber auch viele Medikamente interagieren mit den Bindungsstellen des Albumins. Manche Medikamente bevorzugen bestimmte Bindungsstellen am Albuminmolekül. So binden z.B. Digitoxin, Ibuprofen und Tryptophan vorrangig an der Bindungsstelle III A und Warfarin vorrangig an II A [Sudlow et al. (1975), Sudlow et al.

(1976), Sollenne und Means (1979), Xiao und Daniel (1992)]. In weiteren Arbeiten konnte gezeigt werden, dass sowohl die Bindungsstelle I als auch Bindungsstelle II in verschiedene Bindungsbereiche eingeteilt werden können, zu denen Liganden wie Warfarin oder Azapropazon (zu Bindungsstelle I) und Bilirubin und Diazepam (zu Bindungsstelle II) unterschiedliche Affinitäten besitzen [Fehske et al. (1982), Maruyama K. et al. (1985a), Yamasaki et al. (1996), Ghuman et al. (2005), Zhu et al. (2008)].

Die ganze Komplexität der Bindungsmöglichkeiten und des vielschichtigen Bindungsverhaltens des Albumin findet sich auch darin begründet, dass manche Liganden Affinitäten zu mehreren Bindungsstellen haben können und dass Strukturen innerhalb des Albuminmoleküls, die von den eigentlichen Bindungsstellen weit entfernt liegen, Einfluss auf das Bindungsverhalten haben können [Yamasaki et al. (1999), Bhattacharya et al. (2000), Dockal et al. (2000)]. Es ist also auch möglich, dass mehrere Liganden an einem Albuminmolekül gebunden sind, ohne sich dabei zu beeinflussen.

Die Bindungseigenschaften machen Albumin auch zu einem geeigneten Träger für Medikamente, welche gezielt an Albumin gekoppelt produziert und appliziert werden.

Albumin ist nicht zuletzt dadurch für derartige Einsätze geeignet, da es sich sehr robust gegenüber Änderungen des ph-Wertes und der Temperatur zeigt. Darüber hinaus kann es lange gelagert werden. Als „drug carrier“ findet es insbesondere in der Onkologie und in der Rheumatolgie Verwendung (Kratz 2008).

Die Anwendung von humanen Serum-Albumin als Therapeutikum im Bereich der Intensivmedizin wurde 1998 kritisch diskutiert, als im Rahmen einer Metaanaylse eine erhöhte Mortalität unter dem Einsatz von humanem Serum-Albumin bei den Indikationen Hypovolämie, Verbrennungen und Hypalbuminämie im Vergleich zum Einsatz von kristalloiden Lösungen postuliert wurde (Cochrane Injuries Group Albumin Reviewers 1998). Obwohl die Arbeit wohl methodische Mängel aufwies, wurde durch die Arbeit die Indikation zur Gabe von humanem Serum-Albumin kritischer als zuvor hinterfragt und deutlich, dass kaum Studien zu diesem Thema existierten. Insgesamt schienen kristalloide Lösungen und künstliche Kolloide eine gleichwertige therapeutische Alternative zu sein (Expertengruppe Humanalbumin 2000).

Spätere Arbeiten beschäftigten sich dann mit der Darstellung der Sicherheit und der guten Verträglichkeit von Albumin. In einer Übersichtsarbeit über alle gemeldeten schweren Nebenwirkungen nach Albumingabe in der Zeit von 1998 – 2000 wurde gezeigt, dass tödliche und nicht tödliche Nebenwirkungen sehr selten in Relation zur weltweit verabreichten Albumingesamtdosis auftraten und die Therapie mit humanem Serum-Albumin daher als sicher eingestuft werden kann (Vincent et al. 2003). Darüber hinaus wurde 2001 eine erneute Metaanalyse aufgelegt, in welcher der Einfluss der Gabe von humanem Serum-Albumin bei vergleichbaren Indikationen auf die Mortalität erneut beurteilt wurde. Dabei fand sich kein signifikanter Einfluss auf die Mortalität im Vergleich zu Kristalloiden (Wilkes und Navickis 2001).

Ein weiteres Risiko des Einsatzes von humanem Serum-Albumin besteht in der theoretisch denkbaren Übertragung von Infektionskrankheiten. Diese ist sowohl beim Einsatz von humanem Serum-Albumin als Therapeutikum, als „drug carrier“ oder auch als Zusatz zu intravenösen Infusionen zur Absättigung der Kunstoffoberflächen im Infusionssystem möglich.

Um das Risiko der Übertragung von Infektionserkrankungen zu vermeiden, werden strenge Richtlinien an die Gewinnung des humanen Serum-Albumins gestellt.

Die Verkettung von Einzelschritten der Qualitätssicherung soll maximale Sicherheit gewährleisten. Im ersten Schritt soll durch gezielte Auswahl der in Frage kommenden Plasmaspender das Risiko minimiert werden. Aus dem humanen Poolplasma wird humanes Serum-Albumin mittels alkoholischer Fällungsverfahren gewonnen (Cohn et al. 1944). Jede Spende wird serologisch untersucht (auf HbsAG, anti HIV 1+2, anti-HCV) und zusätzlich kommen PCR-Testungen auf HCV, HBV, HIV 1, HAV und Parvovirus 19 zum Einsatz. Im Anschluss folgen weitere Virusinaktivierungsverfahren,

bei welchem aber die Pasteurisierung bei 60° über 10 Stunden den wichtigsten Inaktivierungsschritt darstellt. Darüber hinaus müssen Albuminchargen mit einem Barcode markiert sein, um eine Charge zurückverfolgen zu können. Die intravenöse Gabe von Albumin unterliegt dem Transfusionsgesetz, wenn es als Wirkstoff appliziert wird.

Bis heute ist keine direkte Übertragung einer Infektionserkrankung durch die intravenöse Gabe von humanem Serum-Albumin dokumentiert. Ein Problem stellte allerdings das Auftreten der neuen Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit dar. Von der klassischen Creutzfeld-Jakob-Krankheit wusste man, dass diese durch Blutprodukte nur sehr unwahrscheinlich zu übertragen sei, dies aber von der neuen Variante nicht definitiv sagen konnte. Problem dabei war, dass die veränderten Prion Proteine bei der klassischen Form ausschließlich im Gehirn nachzuweisen waren, bei der neuen Variante die Prion Proteine aber auch außerhalb des Gehirns bei Erkrankten nachzuweisen waren und somit theoretisch in Blutprodukten auftreten konnten. Bei der neuen Variante fanden sich Prion Proteine auch in Gaumenmandeln und Milz (Arbeitskreis Blut 1998).

Untersuchungen konnten aber zeigen, dass zumindest die konventionellen Aufreinigungsschritte (Alkohol-Fraktionierungsschritte) von Plasmaderivaten zu einer sukzessiven Entfernung der Erreger aus den Albumin und Immunoglobulin Fraktionen führten [Foster et al. (2000), Lee et al. (2000), Gregori et al. (2004)]. Dennoch wurden Sicherheitsmaßnahmen ergriffen, um Infektionen auf diesem Weg zu vermeiden.

Da trotz aller Sicherheitsmaßnahmen eine Infektion insbesondere mit neuartigen, bisher unbekannten Erregern nicht vollends ausgeschlossen werden kann, ist die Indikationsstellung zur intravenösen Applikation von humanem Serum-Albumin stets streng zu stellen und jeweils eine gewissenhafte Risiko-Nutzen-Abwägung durchzuführen. Dies gilt insbesondere bei Gaben von humanem Serum-Albumin als Nichttherapeutikum, da in diesem Falle keine echte medizinische Indikation besteht. Als Beispiel für einen derartigen Einsatz wäre der Zusatz von humanem Serum-Albumin zu Infusionslösungen mit proteinhaltigen Substanzen zu sehen. Der Zusatz dient dazu, die Kunststoffoberflächen abzusättigen und so einen Verlust der Substanz durch Bindung an der Kunststoffoberfläche zu vermeiden. In diesem Fall stellt der Einsatz von humanem Serum-Albumin keine medizinische Indikation dar, sondern vielmehr eine technische Notwendigkeit, wie auch im Rahmen dieser Studie. Diese Tatsache wird auch von Ethik-Kommissionen kritisch gesehen und daher muss der Einsatz von

humanem Serum-Albumin insbesondere im Rahmen von klinischen Studien sorgfältig abgewogen werden und nur bei sonst unmöglicher technischer Umsetzung der Zielsetzung der Studie in Erwägung gezogen werden.

Abb 4: Humanes Serum-Albumin (Tertiärstruktur). I – III homologe Domänen. A – B = Subdomänen. (nach Bhattacharya et al. 2000, S. 38733).