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Tschetschenen innerhalb der Russischen Föderation und Westeuropas Letzte Änderung: 27.03.2020

Im Dokument I M N A M E N D E R R E P U B L I K! (Seite 50-63)

18. Bewegungsfreiheit Letzte Änderung: 27.03.2020

18.2. Tschetschenen innerhalb der Russischen Föderation und Westeuropas Letzte Änderung: 27.03.2020

[…]

Grundsätzlich können Tschetschenen außerhalb Tschetscheniens an einen anderen Ort in der Russischen Föderation flüchten und dort leben. Dies gilt für alle Einwohner des Nordkaukasus.

Wird jemand allerdings offiziell von der Polizei gesucht, so ist es für die Behörden möglich, diesen aufzufinden und zurück in den Nordkaukasus zu bringen. Dies gilt nach Einschätzung von Experten aber auch für Flüchtlinge in Europa, der Türkei und so weiter, falls das Interesse

an der Person groß genug ist (ÖB Moskau 12.2019). Die regionalen Strafverfolgungsbehörden können Menschen auf der Grundlage von in ihrer Heimatregion erlassenen Rechtsakten auch in anderen Gebieten der Russischen Föderation in Gewahrsam nehmen und in ihre Heimatregion verbringen (AA 13.2.2019). Es kann sein, dass die tschetschenischen Behörden nicht auf diese offiziellen Wege zurückgreifen, da diese häufig lang dauern und so ein Fall auch schlüssig begründet sein muss (DIS 1.2015). Trotz der Rolle nationaler Datenbanken und Registrierungsgesetze, die eine Rückverfolgung von Personen ermöglichen, besteht für betroffene Personen ein gewisser Spielraum, Anonymität und Sicherheit in Russland zu finden, allerdings abhängig von den spezifischen Umständen. Die russischen Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden sind im Allgemeinen oft nicht bereit, als tschetschenische Vollstrecker aufzutreten, da sie oft skeptisch gegenüber Forderungen aus Grosny sind. Die föderalen Sicherheitsbehörden machen einen deutlichen Unterschied zwischen der Behandlung von Personen, die wegen Verbrechen in Tschetschenien gerichtlich verurteilt wurden, und von jenen, denen nur vorgeworfen wird, Verbrechen begangen zu haben. Insofern ist es eher unwahrscheinlich, dass ein Tschetschene, der von Tschetschenien verfolgt wird, anderswo in Russland aktiv misshandelt wird, wenn nicht bereits ein Gerichtsurteil ergangen ist, oder andere Behörden - im Wesentlichen FSB, Generalstaatsanwaltschaft, Untersuchungsausschuss - davon überzeugt sind, dass es ein substanzielles politisches Fehlverhalten oder ein Fall von organisierter Kriminalität vorliegt (Galeotti 2019).

[…]

Relative Anonymität und Sicherheit bieten russische Städte, die groß genug sind, um als Neuankömmling nicht aufzufallen, und die weniger stark polizeilich überwacht sind als beispielsweise Moskau und St. Petersburg. Moskau und St. Petersburg sind insofern

"gefährlicher", als sie tendenziell dichter kontrolliert werden, ihre Kommunikationsinfrastruktur moderner ist, und die Behörden wachsamer sind. Da in Moskau zum Beispiel neue Gesichtserkennungssysteme erprobt werden, die mit Straßenkameras verbunden sind; viele Dokumentenkontrollen durchgeführt, und routinemäßig bei Benutzung der U-Bahn die Registrierungen von Mobiltelefonen überprüft werden; ist es hier viel schwieriger, sich versteckt zu halten. In geringerem Maße gilt vieles davon auch für St.

Petersburg (Galeotti 2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (13.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458482/4598_1551701623_auswaertiges-amt-bericht- ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-russischen-foederation-stand-dezember-2018-13-02-2019.pdf, Zugriff 17.3.2020

- Al Jazeera (28.11.2017): Is Chechnya's Kadyrov really 'dreaming' of quitting?

https://www.aljazeera.com/indepth/opinion/chechnya-kadyrov-dreaming-quitting-171128063011120.html, Zugriff 17.3.2020

- EASO – European Asylum Support Office (8.2018): Country of Origin Information Report Russian Federation.

The situation for Chechens in Russia,

https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/Chechens_in_RF.pdf, Zugriff 17.3.2020

- Galeotti, Mark (2019): License to kill? The risk to Chechens inside Russia,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2012286/Galeotti-Mayak-RUF-2019-06-License+to+Kill+-+Chechens+in+the+RF+2019.pdf, Zugriff 17.3.2020

- DIS – Danish Immigration Service (1.2015): Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation – residence registration, racism and false accusations; Report from the Danish Immigration Service’s fact finding mission to Moscow, Grozny and Volgograd, the Russian Federation;

From 23 April to 13 May 2014 and Paris, France 3 June 2014, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1423480989_2015-01-dis-chechnya-fact-finding-mission-report.pdf, Zugriff 17.3.2020

- New York Times (17.8.2017): Is Chechnya Taking Over Russia?

https://www.nytimes.com/2017/08/17/opinion/chechnya-ramzan-kadyrov-russia.html?ref=opinion, Zugriff 17.3.2020

- ÖB Moskau (12.2019): Asylländerbericht Russische Föderation,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2025975/RUSS_%C3%96B_Bericht_2019_12.pdf, Zugriff 17.3.2020 - Telegraph (24.2.2016): Ramzan Kadyrov: Putin's 'sniper' in Chechnya,

http://s.telegraph.co.uk/graphics/projects/Putin-Ramzan-Kadyrov-Boris-Nemtsov-Chechnya-opposition-Kremlin/index.html, Zugriff 17.3.2020

[…]

21. Rückkehr

Letzte Änderung: 27.03.2020

Die Rückübernahme russischer Staatsangehöriger aus Österreich nach Russland erfolgt in der Regel im Rahmen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Rückübernahme. Der Rückübernahme geht, wenn die betroffene Person in Österreich über kein gültiges Reisedokument verfügt, ein Identifizierungsverfahren durch die russischen Behörden voraus. Wird dem Rücknahmeersuchen stattgegeben, wird für diese Person von der Russischen Botschaft in Wien ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Wenn die zu übernehmende Person im Besitz eines gültigen Reisedokuments ist, muss kein Rücknahmeersuchen gestellt werden. Bei Ankunft in der Russischen Föderation mussten sich bislang alle Rückkehrer beim Föderalen Migrationsdienst (FMS) ihres beabsichtigten Wohnortes registrieren. Dies gilt generell für alle russische Staatsangehörige, wenn sie innerhalb von Russland ihren Wohnort wechseln. 2016 wurde der FMS allerdings aufgelöst und die entsprechenden Kompetenzen in das Innenministerium verlagert. Die Zusammenarbeit zwischen föderalen und regionalen Behörden bei der innerstaatlichen Migration scheint verbesserungsfähig. Bei der Rückübernahme eines russischen Staatsangehörigen, nach dem in der Russischen Föderation eine Fahndung läuft, wird die ausschreibende Stelle über die Überstellung informiert und diese Person kann, falls ein Haftbefehl aufrecht ist, in Untersuchungshaft genommen werden (ÖB Moskau 12.2019).

Zur allgemeinen Situation von Rückkehrern, insbesondere im Nordkaukasus, kann festgestellt werden, dass sie vor allem vor wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen stehen. Dies betrifft etwa bürokratische Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Dokumenten, die oft nur mit Hilfe von Schmiergeldzahlungen überwunden werden können. Die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen betreffen weite Teile der russischen Bevölkerung und können somit nicht als spezifisches Problem von Rückkehrern bezeichnet werden. Besondere Herausforderungen ergeben sich für Frauen aus dem Nordkaukasus, zu deren Bewältigung von Problemen zivilgesellschaftliche Initiativen unterstützend tätig sind. Eine allgemeine Aussage über die Gefährdungslage von Rückkehrern in Bezug auf mögliche politische Verfolgung durch die russischen bzw. die nordkaukasischen Behörden kann nicht getroffen werden, da dies stark vom Einzelfall abhängt. Im Normalfall sind Rückkehrer aber nicht immer mit Diskriminierung seitens der Behörden konfrontiert (ÖB Moskau 12.2019).

Es besteht keine allgemeine Gefährdung für die körperliche Unversehrtheit von Rückkehrern in den Nordkaukasus. Vereinzelt gibt es Fälle von Tschetschenen, die im Ausland einen negativen Asylbescheid erhalten haben, in ihre Heimat zurückgekehrt sind und nach ihrer Ankunft unrechtmäßig verfolgt worden sind. Das unabhängige Informationsportal Caucasian Knot schreibt in einem Bericht vom April 2016 von einigen wenigen Fällen, in denen Tschetschenen, denen im Ausland kein Asyl gewährt worden ist, nach ihrer Abschiebung drangsaliert worden wären (ÖB Moskau 12.2019). Nach einer aktuellen Auskunft eines Experten für den Kaukasus ist allein die Tatsache, dass im Ausland ein Asylantrag gestellt wurde noch nicht mit Schwierigkeiten bei der Rückkehr verbunden (ÖB Moskau 12.2019; vgl. AA 13.2.2019). Eine erhöhte Gefährdung kann sich nach einem Asylantrag im Ausland bei Rückkehr nach Tschetschenien aber für jene ergeben, die schon vor der Ausreise Probleme mit den Sicherheitskräften hatten (ÖB Moskau 12.2019).

Der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen ist aus Angst vor Terroranschlägen und anderen extremistischen Straftaten erheblich. Russische Menschenrechtsorganisationen berichten von häufig willkürlichem Vorgehen der Polizei gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Kaukasisch aussehende Personen stünden unter einer Art Generalverdacht. Personenkontrollen und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) finden weiterhin statt (AA 13.2.2019).

Rückkehrende werden grundsätzlich nicht als eigene Kategorie oder schutzbedürftige Gruppe aufgefasst. Folglich gibt es keine individuelle Unterstützung durch den russischen Staat.

Rückkehrende haben aber wie alle anderen russischen StaatsbürgerInnen Anspruch auf Teilhabe am Sozialversicherungs-, Wohlfahrts- und Rentensystem, solange sie die jeweiligen Bedingungen erfüllen. Es gibt auch finanzielle und administrative Unterstützung bei

Existenzgründungen. Beispielsweise können Mikrokredite für Kleinunternehmen bei Banken beantragt werden. Einige Regionen bieten über ein Auswahlverfahren spezielle Zuschüsse zur Förderung von Unternehmensgründungen an (IOM 2018).

Neben der allgemeinen Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr haben Rückkehrer die Möglichkeit, eines der vom österreichischen Innenministerium unterstützten Reintegrationsprogramme in ihrem Heimatland in Anspruch zu nehmen. Diese freiwilligen Rückkehrer erhalten eine umfassende Beratung und eine Reintegrationsleistung vor Ort (besteht im Wesentlichen aus einer Sachleistung), welche eine erneute Existenzgrundlage im Herkunftsland ermöglichen und somit eine Nachhaltigkeit der Rückkehr fördern soll (ÖB Moskau 12.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (13.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458482/4598_1551701623_auswaertiges-amt-bericht- ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-russischen-foederation-stand-dezember-2018-13-02-2019.pdf, Zugriff 10.3.2020

- IOM – International Organisation of Migration (2018): Länderinformationsblatt Russische Föderation, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698619/18364377/Russland_

%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20101366&vernum=-2, Zugriff 10.3.2020

- ÖB Moskau (12.2018): Asylländerbericht Russische Föderation,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2001768/RUSS_%C3%96B_Bericht_2018_12.pdf, Zugriff 10.3.2020

[…]

22. Dokumente

Letzte Änderung: 27.03.2020

Die von den staatlichen Behörden ausgestellten Dokumente sind in der Regel echt und inhaltlich richtig. Dokumente russischer Staatsangehöriger aus den russischen Kaukasusrepubliken (insbesondere Reisedokumente) enthalten hingegen nicht selten unrichtige Angaben. Gründe liegen häufig in mittelbarer Falschbeurkundung und unterschiedlichen Schreibweisen von beispielsweise Namen oder Orten. In Russland ist es möglich, Personenstands- und andere Urkunden zu kaufen, wie z.B.

Staatsangehörigkeitsnachweise, Geburts- und Heiratsurkunden, Vorladungen, Haftbefehle und Gerichtsurteile. Es gibt auch Fälschungen, die auf Originalvordrucken professionell hergestellt werden (AA 13.2.2019). Auslandsreisepässe sind schwieriger zu bekommen, aber man kann auch diese kaufen. Es handelt sich bei den Dokumenten oft um echte Dokumente mit echten Stempeln und Unterschriften, aber mit falschem Inhalt. Die Art der Dokumente hierbei können z.B. medizinische Protokolle (medical journals), Führerscheine, Geburtsurkunden oder Identitätsdokumente sein. Ebenso ist es möglich, echte Dokumente mit echtem Inhalt zu kaufen, wobei die Transaktion der illegale Teil ist. Für viele Menschen ist es

einfacher, schneller und angenehmer, ein Dokument zu kaufen, um einen zeitaufwändigen Kontakt mit der russischen Bürokratie zu vermeiden. Es soll auch gefälschte „Vorladungen“ zur Polizei geben (DIS 1.2015).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (13.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458482/4598_1551701623_auswaertiges-amt-bericht- ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-russischen-foederation-stand-dezember-2018-13-02-2019.pdf, Zugriff 10.3.2020

- DIS – Danish Immigration Service (1.2015): Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation – residence registration, racism and false accusations; Report from the Danish Immigration Service’s fact finding mission to Moscow, Grozny and Volgograd, the Russian Federation;

From 23 April to 13 May 2014 and Paris, France 3 June 2014, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1423480989_2015-01-dis-chechnya-fact-finding-mission-report.pdf, Zugriff 10.3.2020“

1.4. Zur maßgeblichen Lage in der Teilrepublik Inguschetien, insbesondere zum tschetschenisch-inguschischen Grenzabkommen, stellt das Bundesverwaltungsgericht ergänzend folgende örtliche Gegebenheiten fest:

1.4.1 Als sich herausstellte, dass der Präsident Inguschetiens – damals Junus-Bek JEWKUROV – und der Präsident Tschetscheniens – Ramsan KADYROW – unter Ausschluss der Öffentlichkeit die Neuziehung der Verwaltungsgrenze zwischen den beiden Teilrepubliken verhandelten, begannen erste Demonstrationen in Inguschetien im August 2018. Im Herbst 2018 kam es zu weiteren Protesten gegen das Abkommen, an deren Organisation mehr als 40 verschiedene politische Kräfte Inguschetiens beteiligt waren. Die Demonstranten forderten die Aufhebung des Abkommens und den Rücktritt JEWKUROVs. Im Frühjahr 2019 kam es zu einer neuen Protestwelle im Zusammenhang mit dem Plan der Regierung, die lokalen Gesetze so zu ändern, dass Fragen der territorialen Veränderungen in Inguschetien nicht in einer Volksabstimmung behandelt werden müssen.

Am 26.03.2019 fand in der inguschischen Hauptstadt Magas eine von den Behörden genehmigte Demonstration statt, an der nach verschiedenen Schätzungen zwischen 4.000 (offizielle Schätzung) und 40.000 Personen teilnahmen. Der Protest dauerte bis zum nachfolgenden Tag an. Am 27.03.2019 wurden Einheiten der russischen Nationalgarde aus der Region Stawropol hinzugezogen und es kam zu Zusammenstößen zwischen den Exekutivorganen und Demonstranten. Bei den Zusammenstößen wurden mehrere Menschen verletzt.

Anfang April 2019 begannen Durchsuchungen, Verhöre und Massenverhaftungen von Aktivisten. Für viele Personen wurden Verwaltungsstrafen und Geldstrafen angeordnet, anschließend begannen die Vorbereitungen für Strafverfahren nach dem Artikel

„Gewaltanwendung gegen Regierungsvertreter“. Ende Mai 2019 wurden mindestens 96

Aktivisten strafrechtlich verfolgt und gegen mindestens 29 Aktivisten wurden Strafverfahren eingeleitet. Insgesamt sind 82 Personen festgenommen worden und mit Stand Ende Mai 2019 standen mindestens 24 Aktivisten noch immer unter Arrest. Im September 2019 waren nunmehr 33 Personen in Haft und es befanden sich drei Personen im Ausland, wo sie um Asyl aus politischen Gründen ansuchten. Die Proteste führten im Juni 2019 zum Rücktritt des Präsidenten Inguschetiens, Junus-Bek JEWKUROV.

1.4.2. Die inhaftierten Personen wurden z.T. aufgrund der „Organisation von Aktivitäten eines extremistischen Verbandes“ angeklagt. Es handelt sich dabei um Anführer der inguschischen Opposition, welche von der Menschenrechtsorganisation „Memorial“ als politische Gefangene eingestuft werden. Die in dieser Aufzählung genannten Personen wurden in die föderale Extremisten-Liste aufgenommen. Ende November 2020 wurde erneut eine Person im Zusammenhang mit den Protestkundgebungen verhaftet.

1.4.3. In Zusammenhang mit den Protestkundgebungen kam es auch zur willkürlichen Verurteilung zumindest eines inguschischen Journalisten wegen angeblichen Drogenbesitzes zu drei Jahren. Der Journalist berichtete auf einer Website extensiv über die Demonstrationen in Magas, stellte seine Arbeit aber nach anonymen Drohungen ein. Die Website wurde in weiterer Folge von Roskomnadzor, der föderalen Aufsichtsbehörde für Telekommunikation und Massenmedien, gesperrt. Der Journalist wurde während der Untersuchungshaft gefoltert.

Heroin wurde ihm durch die Behörde unterschoben. Dem Journalisten konnten jedoch keine Drogen im Blut nachgewiesen werden.

1.4.4. Behördliche Praktiken wie zeitweises „Verschwinden“ von inhaftierten Personen wie auch deren Folter, um Geständnisse zu erzwingen, sind in Inguschetien weit verbreitet.

Oftmals wird verhafteten Personen der Rechtsbeistand verwehrt bis sie ein Geständnis ablegen oder bis die Wunden, welche durch Schläge verursacht wurden, verheilt sind.

2. Beweiswürdigung

2.1. Zu den Beschwerdeführern:

Die unter Punkt 1.1. getroffenen Feststellungen zu den Beschwerdeführern sowie zu ihrer Familie stützen sich auf die Angaben der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, die im Wesentlichen mit dem diesbezüglichen Vorbringen in den Einvernahmen vor dem Bundesamt übereinstimmen und insoweit glaubhaft sind.

Die Feststellungen zur Unbescholtenheit der Beschwerdeführer beruhen auf aktuellen Strafregisterauszügen, der Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung auf aktuellen

Auszügen aus dem Grundversorgungs-Informationssystem. Die Feststellungen zur Verrichtung von gemeinnützigen Hilfstätigkeiten sowie die bestandenen Deutsch-Prüfungen auf dem Niveau A2 stützen sich auf die im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegten Dokumente.

2.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

Die Feststellung betreffend die Veröffentlichung des Videos der Großmutter beruht auf den von den Beschwerdeführern vorgelegten Screenshots (vgl. die Dateien „img-20200111-wa0005.jpg“, „img-20200111-wa0007.jpg“ und „img-20200111-wa00081.jpg“ in OZ 22 samt Übersetzung in OZ 27). Auf diesen ist erkennbar, dass am 03.12.2018 das besagte Video und ein Foto der Großmutter und deren Ehemann aus jüngeren Tagen auf dem „Instagram“-Profil

„ XXXX “ veröffentlicht wurden. Auf den Screenshots ist ebenfalls ersichtlich, dass der betreffende Beitrag über 1000 „Likes“ aufweist, was nahelegt, dass er von zumindest so vielen Personen eingesehen wurde. Darüber hinaus ergaben eigene Recherchen des erkennenden Gerichtes, dass der betroffene Beitrag weiterhin auf dem Profil „ XXXX “ einsehbar ist. Dieses Profil weist mit Stand vom XXXX rund 235.000 Abonnenten auf. Jedenfalls ist daher von einer bedeutenden Reichweite der dort veröffentlichten Beiträgen auszugehen. Wiewohl es sich dabei um ein „privates“ Profil handelt, dessen Beiträge nur einsehbar sind, wenn man als Abonnent bestätigt wurde, lässt die Zahl von 235.000 Abonnenten darauf schließen, dass eine solche Bestätigung einfach zu erlangen ist und dass daher auch Angehörige der Behörden Einsicht in dort veröffentlichte Beiträge haben.

Aus dem ebenfalls von den Beschwerdeführern vorgelegten Ausweisdokument samt Lichtbild (siehe die Datei „img-20200113-wa00001.jpg“ in OZ 22 samt Übersetzung in OZ 27) geht hervor, dass es sich bei der im Video auf „Instagram“ dargestellten Frau tatsächlich um die Großmutter der Beschwerdeführer handelt.

Die Feststellungen zur Aufnahme von zwei weiteren Videos durch die genannte Journalistin beruhen zum einen auf den übereinstimmenden und glaubhaften Angaben der beiden Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (vgl.

VH-1, S. 19 ff sowie VH-2, S 24 ff). Zudem stützen sich die Feststellungen auf die durch den Erstbeschwerdeführer vorgelegten Screenshots, welche den Kontakt mit der genannten Journalistin über „WhatsApp“ und die Übermittlung der beiden Videos zeigen (vgl. die Dateien

„img-20190904-wa0001.jpg“, „img-20190904-wa0002.jpg“ und „img-20190904-wa0003.jpg“

in OZ 9). Aus der vom Bundesverwaltungsgericht veranlassten Übersetzung der Videos (OZ 14) geht hervor, dass sich die Großmutter und die Mutter der Beschwerdeführer darin kritisch zum tschetschenischen-inguschischen Grenzabkommen äußern und die althergebrachte Zugehörigkeit der betroffenen Gebiete zu Inguschetien betonen. So bezeichnet die

Großmutter das Handeln der Regierung als „vollkommen falsch“; es werde ihr ein „Stück Land, das schon über mehrere Generationen [ihren] Vorfahren gehörte“, weggenommen und dies finde sie absolut nicht richtig. In dem Interview der Mutter berichtet diese zunächst über ihre Mutter (die Großmutter der Beschwerdeführer) sowie ihren Großvater (den Urgroßvater der Beschwerdeführer), dem das Land ursprünglich gehörte und dass es noch Dokumente gebe, die dies beurkunden würden. Befragt, wie die Einwohner Inguschetiens zum Grenzabkommen stünden, gibt die Mutter der Beschwerdeführer an, dass all ihre Bekannten und Verwandten dagegen seien.

Die Feststellungen zur Identität von XXXX und ihrer Tätigkeit als Journalistin stützen sich auf das Foto ihres Presseausweises (vgl. die Datei „img-20200111-wa00021.jpg“ in OZ 22 samt der Übersetzung in OZ 27) sowie auf das vorgelegte Video, welches die Journalistin in einer professionell aufgezeichneten Diskussionsrunde zeigt (vgl. die Datei „vid-20200111-wa0009.p4“ in OZ 22). Ihre Ausreise aus der Russischen Föderation aufgrund von Hausdurchsuchungen durch die Behörden ergibt sich aus den glaubhaften und übereinstimmenden Aussagen der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung (vgl.

VH-1, S. 20 und VH-2, S. 24) sowie dem damit in Einklang stehenden „WhatsApp“-Nachrichtenverlauf. Zudem ergibt sich aus den Länderfeststellungen zur Lage in Inguschetien (Punkt 1.4.), dass es im Zusammenhang mit den Demonstrationen zu Hausdurchsuchungen kam und dass insbesondere Journalisten, die über die Proteste berichteten, Ziel von behördlichen Übergriffen wurden. Auch vor dem Hintergrund dieser Länderfeststellungen erscheinen die Ausführungen der Beschwerdeführer zur genannten Journalistin als glaubhaft.

In Zusammenhang mit der Veröffentlichung des ersten Videos der Großmutter, welche – wie festgestellt – am 03.12.2018 stattfand, erscheint das Vorbringen der Beschwerdeführer, dass es in zeitlicher Näher dazu – im Jänner 2019 – zu Einschüchterungen und Drohungen der Großmutter und Mutter durch Regierungsbeamte gekommen sei, als glaubhaft. Denn wie den Feststellungen zur Lage in Inguschetien unter Punkt 1.4. zu entnehmen ist, kam es insbesondere ab dem Herbst 2018 zu Demonstration gegen das Grenzabkommen, bei denen die Aufhebung dieses Abkommens und der Rücktritt des Präsidenten der Teilrepublik gefordert wurden. Aufgrund dieses augenscheinlichen Widerstands von beträchtlichen Teilen der inguschischen Bevölkerung erscheint es plausibel, dass die inguschische Regierung keine Videos tolerieren würde, in denen Betroffene über die historische und traditionelle Zugehörigkeit der abgetretenen Gebiete berichteten, weil derartige Videos den öffentlichen Druck noch weiter verstärken können. Berücksichtigt man das weitere Vorgehen der Behörden in Zusammenhang mit den Protesten (gewaltsame Auflösung einer Demonstration, willkürliche Verhaftungen und Verurteilungen, etc.), so ist glaubhaft, dass es auch zu

Drohungen gegen Betroffene und Kritiker des Grenzabkommens und deren Angehörige wie die Großmutter und Mutter der Beschwerdeführer kommt.

Daher ist es aus Sicht des erkennenden Gerichtes ebenso nachvollziehbar und glaubhaft, dass die Mutter der Beschwerdeführer aus der Russischen Föderation flüchtete und die Großmutter bei Verwandten in Moskau untergebracht wurde. Die Beschwerdeführer erfuhren

Daher ist es aus Sicht des erkennenden Gerichtes ebenso nachvollziehbar und glaubhaft, dass die Mutter der Beschwerdeführer aus der Russischen Föderation flüchtete und die Großmutter bei Verwandten in Moskau untergebracht wurde. Die Beschwerdeführer erfuhren

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