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1) Einhundertsiebzehn vollstationäre Patienten mit Depression wurden dahingehend untersucht, ob sie komorbide an einer Angststörung gemäß DSM-IV litten. Bei 31%

war dies der Fall.

2) 78% der depressiven Patienten mit Angststörung litten an einer Agoraphobie und/oder Panikstörung.

3) Depressive Patienten mit und ohne Angststörung unterschieden sich nicht signifikant hinsichtlich von Alter, Geschlecht oder Familienstand. In der Literatur wird

beschrieben, dass sich unter depressiven Patienten mit Angststörung mehr Frauen finden als unter depressiven Patienten ohne Angststörung. Dies konnte nur deskriptiv ohne Signifikanz beobachtet werden.

4) Bei depressiven Patienten mit Angststörung wurde signifikant häufiger eine Double Depression (Dysthymie plus Major Depression) gefunden als bei rein depressiven Patienten. Bei den Patienten, die über mindestens 4 Wochen prospektiv untersucht wurden, war es außerdem so, dass depressive Patienten mit Angststörung signifikant häufiger an komorbidem Substanzmissbrauch litten als Patienten mit „reiner

Depression“.

5) Patienten mit Angst und Depression hatten in der Vorgeschichte mehr frühere Krankheitsepisoden als Patienten mit reiner Depression. Dabei war der Unterschied zwischen den beiden Gruppen für frühere Episoden mit Angst bzw. mit Angst und Depression signifikant, hinsichtlich von „rein depressiven“ Episoden unterschieden sich die Gruppen nicht.

6) Bei fast der Hälfte der Patienten mit Angststörung, die an einer rezidivierenden depressiven Störung litten, waren bei der ersten Krankheitsepisode bereits Angstsymptomen aufgetreten. Bei den Patienten mit rezidivierender depressiver Störung ohne aktuelle Angststörung traf dies nur bei 7% zu.

7) Keine signifikanten Unterschiede fanden sich für depressive Patienten mit und ohne Angststörungen bei Aufnahme und Entlassung hinsichtlich der Depressivität und des globalen Funktionsniveaus.

8) Depressive Patienten mit und ohne Angststörungen wurden gleich lange behandelt.

9) Depressive Patienten mit und ohne Angststörungen wurden mit den selben Psychopharmaka behandelt.

10) Bei Entlassung fanden sich bei depressiven Patienten mit Angststörung mehr Suizidgedanken als bei depressiven Patienten ohne Angststörung, auch wenn der Unterschied klinisch nicht sehr aussagekräftig war.

11) Betrachtet man „positiven“ und „negativen“ Affekt im Sinne des Konzeptes von Watson, Tellegen und anderen, so nahm während der Behandlung „positiver“ Affekt allgemein zu, „negativer“ Affekt dagegen nahm allgemein ab. Patienten mit Angst und Depression zeigten prinzipiell mehr „negativen“ und weniger „positiven“ Affekt als Patienten mit „reiner“ Depression. Depressive Patienten mit und ohne Angststörungen unterschieden sich hinsichtlich des „negativen“ Affektes stärker als hinsichtlich des

„positiven“.

12) Bei depressive Patienten mit Angststörung fanden sich mehr selbstunsichere und mehr kombinierte Persönlichkeitsstörungen als bei depressiven Patienten ohne

Angststörung.

13) Depressive Patienten mit Angststörung wiesen höheren Neurotizismus und tendenziell niedrigere Extraversion auf als „rein depressive“ Patienten.

14) Depressive Patienten mit Angststörung waren ambiguitätsintoleranter, zeigten mehr Scham, mehr Ärgerlichkeit und mehr habituelle Ängstlichkeit als rein depressive Patienten.

15) Depressive Patienten mit Angststörungen berichteten geringere globale, psychische und physische Lebensqualität als rein depressive Patienten.

16) Keine Anhaltspunkte fanden sich dafür, dass depressive Patienten mit und ohne Angststörung sich hinsichtlich saisonaler Befindlichkeit unterschieden.

17) Der beste – und einzige signifikante – Prädiktor für das Auftreten einer Episode mit Angst und Depression war die Anzahl früherer Episoden mit Angst.

18) Das globale Funktionsniveau bei Entlassung war überwiegend durch die dann verbliebene depressive Symptomatik bedingt. Angstsymptome spielten hier keine nennenswerte Rolle.

19) Die Lebensqualität bei Entlassung wurde in etwa gleichem Ausmaß von der verbliebenen depressiven Symptomatik und der verbliebenen Angstsymptomatik erklärt, wobei die Gesamtaufklärung der Varianz deutlich geringer war als beim globalen Funktionsniveau.

20) Bei Aufnahme waren Angstsymptome in der Gesamtstichprobe normal verteilt. Bei Entlassung waren sie als Effekt der erfolgten Behandlung linksschief.

21) Angstsymptome und depressive Symptome korrelierten zum jeweiligen Messzeitpunkt signifikant miteinander (Kendalls tau b=0.18 bzw. 0.48). Angstsymptome bei

Entlassung korrelierten darüber hinaus mit Angstsymptomen bei Aufnahme und habitueller Ängstlichkeit (Kendalls tau b=0.21 bzw. 0.23). Alle anderen Korrelationen waren ausgesprochen schwach oder nicht signifikant.

22) Der dimensionale Angstscore bei Aufnahme war in erster Linie durch den aktuellen Depressionscore und die Anzahl früherer Episoden mit Angst zu erklären.

23) Der dimensionale Angstscore bei Entlassung war in erster Linie durch den aktuellen Depressionscore und Angstscore bei Aufnahme zu erklären.

24) Von den 36 Patienten, bei denen gemäß DSM-IV (SKID-I Interview) eine

Angststörung zu diagnostizieren war, hatten nur 16 auch auf dem Entlassungsbrief der Klinik eine Angststörung diagnostiziert bekommen.

25) Mittels einer logistischen Regression zeigte sich, dass in der klinischen Diagnostik (im Vergleich zur Diagnostik gemäß SKID) die Schwelle für Angststörungen höher

angesetzt wurde und dass zum anderen dazu tendiert wurde, Angststörungen als zu depressiven Störungen gehörig anzusehen, wenn die depressive Symptomatik ausgeprägter war.

26) Es gibt Hinweise, dass Patienten sich stärker durch die Angstsymptomatik beeinträchtigt fühlen, als Ärzte das allgemein annehmen. Umgekehrt messen möglicherweise Ärzte der depressiven Symptomatik mehr Bedeutung bei als Patienten.

27) Der britische Psychiater Peter Tyrer hat eine Störung „Cothymia“ postuliert, die durch das gleichzeitige Auftreten von (nicht-unterschwelliger) Angst und Depression

definiert ist. Die vorgelegte Untersuchung fand keine überzeugenden Hinweise dafür, dass diese Störung sich deutlich von anderen depressiven Störungen abgrenzen ließe.

28) Hinweise fanden sich aber dafür, dass es einen Prägnanz- und Verlaufstyp im

Spektrum der unipolar affektiven Störungen gibt, der wiederholt mit Angstsyndromen einhergeht. Dieser Verlaufstyp hat nur begrenzte zeitliche Stabilität, geht aber in gewissen Bereichen mit prognostisch ungünstigeren Faktoren einher – so etwa häufigerem komorbiden Substanzmissbrauch, geringerer Lebensqualität, mehr Krankheitsepisoden, mehr Suizidgedanken und größeren Auffälligkeiten im Bereich der Persönlichkeit.

29) Eine Hypothese, die diese Ergebnisse erklären kann, ist, dass gemäß der

Temperamentstheorie von Hagop Akiskal unterschiedliche Ausmaße eines

ängstlich-phobischen Temperaments vorliegen, die als „Trait-Marker“ bzw. als ängstliche Prädisposition sich zu akuten depressiven Episoden „mischen“.

30) Die Differenzierung Angst und Depression ist sinnvoll, insbesondere unter dem Aspekt der Prognose und der differenzierten Therapieplanung.