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Theoretischer Bezugsrahmen – Faktor „Mensch“ in der manuellen

Kommissionierung

Zur Beantwortung der Forschungsfrage sind einige wichtige Begriffe zu definie-ren. Neben dem Begriff der (manuellen) Kommissionierung mit dessen Besonder-heiten (Kapitel 2.1, Kapitel 2.2) soll im Folgenden zudem kurz auf vorhandene Planungsansätze eingegangen werden (Kapitel 2.3), da ausgewählte Planungs-ansätze im weiteren Verlauf genutzt werden, um die Auswirkungen des Faktors

„Mensch“ auf die Effizienz analysieren zu können. Anschließend erfolgt eine kurze Darstellung des Stands der Forschung im Bereich des Faktors „Mensch“

in der manuellen Kommissionierung (Kapitel 2.4). Dabei liegt der Fokus auf Kommissionierfehlern (Kapitel 2.4.1), Abweichungen vom Soll-Prozess (Kapi-tel 2.4.2) und Blockierungen während des Kommissionierprozesses (Kapitel 2.4.3). Zuerst erfolgt die Betrachtung von Kommissionierfehlern und deren bis-her bekannten Ursachen, Auslösern, Formen und Konsequenzen. Anschließend soll aufgezeigt werden, inwieweit Abweichungen vom Soll-Prozess bereits in der Literatur im Bereich der manuellen Kommissionierung berücksichtigt werden, um erste Hinweise auf deren Auswirkungen auf die Effizienz ableiten zu können.

Den Abschluss des Kapitels bilden die überblicksartige Darstellung der Literatur im Bereich der Blockiervorgänge in manuellen Kommissionierlagern (dem soge-nannten Picker Blocking; Kapitel 2.4.3) sowie die Ableitung des theoretischen Bezugsrahmens für den möglichen Einfluss des Faktors „Mensch“ in der manuel-len Kommissionierung (Kapitel 2.5).

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© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018

T. Franzke, Der Mensch als Faktor in der manuellen Kommissionierung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-20469-3_2

12 2 Theoretischer Bezugsrahmen – Faktor „Mensch“

2.1 Erläuterung der begrifflichen Grundlagen zur manuellen Kommissionierung

Kommissionierung umfasst die auftragsgerechte Zusammenstellung von Waren aus einem Lager oder einem Lagerbereich.1 Für die zu kommissionierenden Waren existiert eine Vielzahl von Begriffen.2 Im Folgenden soll der Begriff Stock Keeping Unit (SKU) für diejenige Einheit verwendet werden, die im Lager-bereich aufbewahrt ist und prinzipiell kommissioniert werden kann.3 Diese Tätigkeit wird von einem Kommissionierer ausgeführt, der die Teilmenge aus dem Lager(-bereich) zusammenstellt. Die zu kommissionierende Teilmenge ist Bestandteil der Gesamtmenge an SKUs im Lager. Die Auswahl erfolgt ent-sprechend eines oder mehrerer Kundenaufträge, die eine Bestellung eines inter-nen oder exterinter-nen Kunden zur Grundlage haben.4 Kundenaufträge bestehen dabei aus einzelnen Artikeln/Positionen, bei denen in jeder Zeile vermerkt ist, welcher Artikel in welcher Menge bestellt worden ist.5 Sie können einen Kom-missionierauftrag (von lagergängigen Gütern), einen Fertigungs- oder Lieferauf-trag (von nicht-lagergängigen Gütern) oder einen DienstleistungsaufLieferauf-trag (von sonstigen Dienstleistungen, wie dem Verpacken) enthalten.6 Die Kommissio-nierung kann belegorientiert (der Beleg enthält die Kundenaufträge ausgedruckt

1Vgl. de Koster et al. (2007), S. 483; VDI 3590 Blatt 1 (1994), S. 2; Bei der Definition besteht weitgehende Einigkeit in der Literatur (siehe dazu bspw. Gudehus (2012), S. 707;

ten Hompel et al. (2011), S. 4).

2Für die Bezeichnung der zu kommissionierenden Einheit werden in der Literatur verschie-dene Begriffe, wie Artikel, Produkt, Ware oder Stock Keeping Unit (SKU), genutzt (vgl. de Koster et al. (2007), S. 483). Ferner kann dabei zusätzlich nach Lagereinheit (Einheit, in der die zu kommissionierenden Teile gelagert werden), Transporteinheit (zur Bereitstellung transportierter Artikel), Beschickungseinheit (Einheit zur Nachfüllung des Bereitstellortes für einen zu kommissionierenden Artikel), Bereitstelleinheit (Einheiten zur Entnahme für Kommissionierer), Entnahmeeinheit (Menge eines Artikels pro Zugriff), Kommissionier-/

Sammeleinheit (entsteht durch Entnahmevorgänge) und Versandeinheit (Gesamtheit der Kommissioniereinheiten entsprechend eines Kundenauftrags) unterschieden werden (vgl.

ten Hompel et al. (2011), S. 7; VDI 3590 Blatt 1 (1994), S. 3). Eine solche Unterscheidung ist für die vorliegende Arbeit jedoch nicht zielführend und soll daher nicht genutzt werden.

3In Anlehnung an de Koster et al. (2007), S. 483; Rouwenhorst et al. (2000), S. 516.

4Als Bestellung wird die Willenserklärung vom Kunden, Ware zu definierten Konditionen (Art, Beschaffenheit, Menge, Preis und Lieferbedingungen) zu erwerben, verstanden (vgl.

ten Hompel et al. (2011), S. 4).

5Vgl. de Koster et al. (2007), S. 483.

6Vgl. Wichmann (1994), S. 9.

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als Kommissionieranweisungen)7, beleglos (Anweisungen an Kommissionierer mittels anderer Medien, in Form von elektronischen Displays) oder automatisch durchgeführt werden.8 Ein Computersystem9 kann dabei die Steuerung dieser Prozesse übernehmen.10

Kommissioniersysteme11 können in verschiedene Arten unterteilt werden. De Koster et al. unterscheiden zwischen automatischen (Einsatz von Maschinen) und manuellen (Einsatz von Menschen) Kommissioniersystemen.12 Beim Einsatz von maschinengestützten Systemen (picker-less systems)13 wird unterschieden nach automatisierter Kommissionierung und dem Einsatz von Pick-Robotern.14 Schät-zungen zufolge nutzen ca. 80 % der Unternehmen in ihren Lagern jedoch die manuelle Kommissionierung.15 Daher liegt der Fokus im weiteren Verlauf auf der manuellen Kommissionierung.

Generell setzen sich Kommissioniersysteme aus drei Bestandteilen zusam-men:16 dem Informations-, dem Materialfluss- und dem Organisationssystem. Das Informationssystem besteht aus Elementen, die zur Durchführung der Material-flussvorgänge notwendig sind (Auftrag, Kommissionierliste, Position). Das Mate-rialflusssystem besteht ebenfalls aus mehreren Teilen: dem Bereitstell-, Transport-, Entnahme-, Abgabe-, Sammel- und Rücktransportsystem. Im Materialflusssystem werden Materialflusseinheiten (Lager-, Transport-, Beschickungs-, Bereitstell-, Entnahme-, Sammel- und Versandeinheit) gebildet und bewegt. Das Organisations-system besteht aus der Aufbauorganisation (Infrastruktur), der Ablauforganisation

7Wichtig ist hierbei, dass Kundenauftrag und Kommissionierauftrag/-anweisung unter-schiedlich sein können (vgl. Kłodawski/Żak (2013), S. 42; ten Hompel et al. (2011), S. 8).

8Zum Unterschied zwischen belegorientierter oder belegloser Kommissionierung wird auf die VDI-Richtlinie 3311 (1998, S. 2) verwiesen.

9Computersysteme zur Übernahme der Steuerung der Kommissionierung sind Lagerver-waltungs- und Kommissionierleitsysteme sowie Warenwirtschafts- und Auftragsabwick-lungssysteme. Diese übernehmen die Aufgaben der Kommissioniersteuerung, wie das Auslösen von Aufträgen oder das Steuern, Optimieren und Kontrollieren von Prozessen (vgl. Gudehus (2012), S. 739).

10Vgl. Rouwenhorst et al. (2000), S. 517.

11Für die Definition des Systembegriffs sei an dieser Stelle lediglich der Verweis auf Kapitel 4.1 angeführt, in welchem dieser Begriff ausführlich erläutert wird.

12Vgl. de Koster et al. (2007), S. 483 ff.

13Vgl. van den Berg (1999), S. 752.

14Vgl. de Koster et al. (2007), S. 483 ff.

15Vgl. de Koster et al. (2007), S. 483 ff.

16Vgl. ten Hompel et al. (2011), S. 6 ff.; VDI 3590 Blatt 1 (1994), S. 2 ff.

2.1 Erläuterung der begrifflichen Grundlagen

14 2 Theoretischer Bezugsrahmen – Faktor „Mensch“

(enthält Vorgaben, wie ein Kommissionierauftrag eine oder mehrere Kommissio-nierzonen durchlaufen soll) und der Betriebsorganisation (umfasst die zeitliche Reihenfolge der Bearbeitung von Kommissionieraufträgen).

Hierbei lassen sich Kommissioniersysteme unterscheiden, bei denen die Arti-kel statisch (z. B. in einem Regal) gelagert werden und der Kommissionierer sich zur Ware bewegt (Person-zur-Ware-Systeme17, also dezentrale Bereitstellung), sowie dynamische Systeme, bei denen die Entnahmeeinheit dem Mitarbeiter dynamisch zur Verfügung gestellt wird (Ware-zur-Person-Systeme) und dieser sich nicht vom Ort bewegen muss (zentrale Bereitstellung).18,19 Bei letzterem wird die Ware nach erfolgter Entnahme wieder zurück ins Lager befördert.20 Da die Person-zur-Ware-Systeme in der Praxis am häufigsten vorzufinden sind,21 soll sich im Folgenden auf diese Systeme fokussiert werden.22

De Koster et al. untergliedern zusätzlich nach Put-Systemen.23 In einem ers-ten Schritt erfolgt in diesen Systemen das artikelorientierte Kommissionieren der entsprechenden SKUs in einen Behälter. Im zweiten Schritt, nachdem der Behäl-ter an einen weiBehäl-teren MitarbeiBehäl-ter24 übergeben worden ist, werden die SKUs den jeweiligen Kundenaufträgen bzw. den Verpackungen für die jeweiligen Kunden-aufträge zugeordnet.

17Synonym werden auch die Begriffe Mann-zur-Ware oder Mensch-zur-Ware genutzt.

18Vgl. Ruben/Jacobs (1999), S. 575; ten Hompel et al. (2011), S. 22 ff.; van den Berg (1999), S. 752; VDI 3590 Blatt 2 (2002), S. 12.

19Ten Hompel/Schmidt (2010, S. 37) führen an, dass dezentrale (zentrale) Bereitstellung nicht in jedem Fall mit Person-zur-Ware-Systemen (Ware-zur-Person-Systemen) gleichge-setzt werden könne. Als Beispiel führen sie das Kommissioniernest auf. In diesem System muss sich der Kommissionierer zur Ware bewegen, obwohl es sich um eine zentrale Bereit-stellung handelt.

20Vgl. ten Hompel/Schmidt (2010), S. 37; VDI 3311 (1998), S. 6 ff.

21Vgl. Gudehus (2012), S. 717.

22Vorteile dieser Art der Kommissionierung sind: minimal notwendiger technischer Aufwand; einfache, ohne Rechnereinsatz realisierbare Organisation; kurze Auftrags-durchlaufzeiten; die Möglichkeit zur gleichzeitigen Bearbeitung von Eil-/Einzel-/Teil-/

Komplettaufträgen und Auftragsserien; hohe Flexibilität gegenüber schwankenden Durch-satzanforderungen und Sortimentsveränderungen; Eignung für alle Arten von Waren (vgl.

Gudehus (2012), S. 717).

23Vgl. de Koster et al. (2007), S. 484.

24Umgangssprachlich auch als „Putter“ bezeichnet.