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Das theoretische Fundament der psychologischen Messungen in REGENA REGENA

Im Dokument Abschlussbericht der Verbundpartner (Seite 157-162)

FuE-Vorhaben: Ressourceneffizienz im Gebäudebetrieb durch Nutzerintegration und Automation (REGENA)

5 Projektbericht Hochschule Niederrhein (03ET1070B)

5.3 Stand der psychologischen Forschung

5.3.3 Das theoretische Fundament der psychologischen Messungen in REGENA REGENA

Energieeffizientes Handeln kann als Facette des mehrdimensionalen umweltbewuss-ten Verhalumweltbewuss-tens aufgefasst werden, welches ökologisches Einkaufen, Vermeidung von Abfall, Recycling, Vermeidung motorisierten Individualverkehrs und weitere Aktivitä-ten zur Verminderung von Ressourcenverbrauch und poAktivitä-tenziell umweltschädlichen Verhaltensweisen umfasst (Matthies, 2005).

Eine Handlung ist eine zielgerichtete, inhaltlich und zeitlich abgegrenzte Einheit auf-einander folgender Sequenzen mit unbewussten und bewussten mentalen Anteilen:

Wahrnehmen einer Situation, Bewertung und Abwägen von Alternativen und Hand-lungsentscheidung. Es können drei Regulationsebenen unterschieden werden: die automatisierte Ebene, die Regelebene und die Planungsebene, die jeweils unter-schiedliche kognitive Ressourcen beanspruchen (Hacker, 1999). Das Verhalten ist die beobachtbare Aktivität, z. B. „Fenster schließen“ (Abbildung 67).

Abbildung 67: Einfaches Handlungsmodell

Handlungsmodelle, die in psychologischen Fragestellungen für den Umweltschutz eingesetzt werden, sind vielgestaltig und kommen aus unterschiedlichen Teilberei-chen der Psychologie. Umweltbewusstes Handeln kann als Form eines erweiterten Altruismus aufgefasst werden (Bertsch, 2009) oder auch als Funktion des nachhalti-gen Konsums (Kaufmann-Hayoz, et al., 2011). Zudem lässt es sich als eine inhaltlich bestimmte Facette von verantwortungsvollem Entscheiden und Handeln betrachten (Eigenstetter, 2009).

Nach Matthies (2005) sei das bei Praktikern verbreitete Verhaltensmodell von Fiet-kau & Kessel (1981) durch neuere Forschungsbefunde überholt. Matthies (2005) un-terscheidet zwei Hauptstränge der umweltpsychologischen Verhaltensforschung: (1) Sozialpsychologische Verhaltensmodelle auf der Basis der Theorie des geplanten (rationalen) Verhaltens von Fishbein und Ajzen (1975) mit vielfältigen Modifikationen wie Kosten-Nutzenerwartungen, subjektive Normen und Kontrollüberzeugungen so-wie (2) Varianten des Normaktivationsmodells nach Schwartz und Howard (1981) mit persönlichen Normen, Attribution von Verantwortung und Problemwissen. Das Nor-maktivationsmodell enthält die Modellierung von Verantwortungsabwehr als aktive Abwehr des Verpflichtungsgefühls für als richtig erkannte Verhaltensoptionen.

Matthies (2005) stellt ein integriertes Prozessmodell für Interventionen im Umweltbe-reich vor, das die Phasen Normaktivation (soziale und individuelle Normen), Motiva-tion, Evaluation und Aktion sowie Rückkopplungsprozesse beinhaltet. Durch Visuali-sierung der komplexen Prozesse unterstützt es die Kommunizierbarkeit psycholo-gisch basierter Umweltinterventionen.

In der Umweltpsychologie kaum rezipiert sind Handlungsmodelle der ethischen Ent-scheidungs- und Verantwortungsforschung, die häufiger im wirtschaftsethischen Kontext verwendet werden wie z. B. das Modell der moralischen Urteilsfähigkeit von Kohlberg (1976). Im Prozessmodell von Rest (1999) sind die Teilschritte (1) moralische Sensitivität, (2) moralisches Urteil, (3) moralische Motivation und (4) moralisches Verhalten von Bedeutung. Die Arbeiten von Hoff (1990, 1995, 1998) sowie Hoff, Lempert und Lappe (1991) beschäftigen sich mit der Entwicklung von Verantwortungsbewusstsein in beruflichen Sozialisationsprozessen. Das Moralbe-wusstsein wird durch die Komponenten KontrollbeMoralbe-wusstsein und situationsbezoge-nes Wissen ergänzt. Aus der Verknüpfung des moralischen Urteilsniveaus mit situa-tionsspezifischem Wissen, Kontrollüberzeugungen und Kompetenzerwartungen (Kontrollbewusstsein) entsteht Handlungsrelevanz. Damit Normen handlungsrelevant werden können, ist nach Lind (2000) eine Bindung an moralische Werte notwendig.

Lind spricht von einer Parallelität von Urteil und affektiver Bindung an moralische Werte. Kaiser und Shimoda (1999) unterscheiden Prädiktoren umweltbewussten Verhaltens auf moralischer und konventionsorientierter Verantwortungsebene.

Letz-tere gründet auf sozialen Normen und auf der Bereitschaft, diese zu erfüllen, ersLetz-tere auf individuellen Entscheidungsparametern.

Homburg (2004) stellt ein generisches Modell für umweltorientierte Unternehmen vor, das die Rahmenbedingungen der Organisation und individuelle Variablen wie Ein-stellungen und Umweltängste einbezieht, die sich auf Intention und Verhalten aus-wirken. Generische Modelle haben (ohne den Anspruch auf allgemeingültige wissen-schaftliche Erkenntnisse zu erheben) den Vorteil, zielführend auf Interventionspla-nungen abgestimmt werden zu können.

Ein Problem der angewandten Forschung ist es, dass die Forschenden in einem komplexen Setting nicht alle Einflussfaktoren erfassen können, etwa weil sie umfang-reiche Messungen erfordern oder als situative Faktoren einzigartig sind, im Setting aber zum Erfolg einer Maßnahme beitragen. Im Projekt REGENA wurde insofern ein den Erfordernissen der Intervention angepasstes psychologisches Rahmenmodell entwickelt.

5.3.3.1 Prädiktoren des Verhaltens: Das psychologische Rahmenmodell von REGENA im Überblick

Handlungsmodelle sind Sequenzmodelle (Hacker, 1999; Rest, 1999; Schwartz &

Howard, 1981). Die Bildung der Verhaltensintention mit anschließend ausgeführtem oder nicht ausgeführtem beobachtbaren Verhalten ist die Folge eines komplexen, mehr oder weniger bewussten Entscheidungsprozesses: Der Entscheidungsprozess beinhaltet eine wissensbasierte Aktivierung, Wahrnehmung und ggf. Akzeptanz sozi-aler Normen z. B. einer Gruppe oder Organisation; des Weiteren eine emotionale Bindung an den Gegenstand der Entscheidung (z. B. sich energieeffizient verhalten zu wollen), die Ausbildung eines Verpflichtungsgefühls und eine Kosten-Nutzen-Abwägung, zum Teil auch Verantwortungsabwehr. Wahrnehmungen, Bewertungs- und Entscheidungsprozesse sind in ein organisationales und baulich-technisches Setting bzw. soziotechnisches System eingebettet (Abbildung 68). Das Modell dient als theoretische Grundlage für die Entwicklung der Fragebögen EVE und UVE, die für die Interventionsmessungen eingesetzt werden. Die Faktoren des Modells wer-den nachfolgend dargestellt. Die Entwicklung der Fragebögen ist in Kapitel 5.4 dar-gestellt.

Abbildung 68: Psychologisches Rahmenmodell in REGENA, das der Entwicklung der Fragebogen EVE und UVE zugrunde liegt.

5.3.3.2 Das baulich-technische Umfeld des Projekts REGENA

Bauliche Umgebungsbedingungen, technische Ausstattungen und Arbeitsgeräte können fördernden oder hemmenden Einfluss auf das energierelevante Verhalten ausüben: Beispielsweise lässt sich in Großraumbüros die Raumwärme nicht einfach individuell anpassen, andererseits können nicht ausreichend gewartete Lüftungen unangenehme Gerüche und erhöhte CO2-Werte verursachen, die zum häufigen Öff-nen der Fenster führen. Die durch technische Aggregate unterstützte Wärmeregulie-rung ist ein eigenständiger Faktor, der in den Verhaltensmodellen zu umweltgerech-tem Verhalten kaum berücksichtigt ist.

Im vorliegenden Projekt werden zwei Hochschulen untersucht, deren baulich-technische Voraussetzungen sich deutlich unterscheiden:

 Die Hochschule Niederrhein steht zu Beginn des Projektes in den Anfängen eines Energie-Monitorings und hat sich erst punktuell mit Energieeffizienz be-fasst. Seit 2011 ist eine Zählerstruktur angebracht, die ermöglichen sollte, Verbrauchswerte gebäudescharf zu erfassen. Einzelne Gebäude sind gut ge-dämmt, und in einem Gebäude wurden versuchsweise programmierbare Thermostate angebracht.

 Die weitere am Projekt beteiligte Hochschule ist die Hochschule Trier an ihrem Standort Umwelt-Campus Birkenfeld. Seit der Gründung des Umwelt-Campus Birkenfeld 1996 werden ausgewählte Energieverbrauchsdaten einzelner Ge-bäude und Komponenten systematisch erfasst und ausgewertet. Um im Rah-men des EnergiemanageRah-ments nicht nur grob gestaffelte Verbrauchsdaten zu erhalten, wird seit 2002 ein im Fachgebiet Informatik entwickeltes System zum Verbrauchsdatenmanagement eingesetzt. Die Campus-Gebäudetechnik und die Energieversorgung werden über elektronische Schautafeln in den Haupt-fluren visualisiert. Diese geben dem interessierten Besucher einen Überblick über die vorhandene Anlagentechnik und zeigen die Messwerte der aktuellen Zustands- und Verbrauchsdaten an.

5.3.3.3 Organisationale Rahmenbedingungen der beteiligten Hochschulen

Kolleginnen und Kollegen oder Kommilitoninnen und Kommilitonen sind wichtige Re-ferenzpersonen für das eigene Verhalten: Relevante Andere oder Relevant Others.

Sie geben Verhaltensnormen vor, die auf das individuelle Verhalten einwirken, indem organisationale Normen kommuniziert werden oder auf akzeptiertes oder abwei-chendes Verhalten hingewiesen wird. In unterschiedlichen Subgruppen bestehen unterschiedliche soziale Normen im Umfeld.

 Im Leitbild der Hochschule Niederrhein wird Nachhaltigkeit als Wert genannt.

Allerdings wird dies nicht weiter präzisiert. Auch wird in der allgemeinen Hoch-schulkommunikation dem Thema Energieeffizienz innerhalb der Hochschule keine besondere Rolle zugewiesen. Energieeffizienz ist zum Zeitpunkt der Er-hebung ein Forschungsschwerpunkt, der sich jedoch vielfach mit Projekten außerhalb der Hochschule befasst.

 Die Abteilung der Hochschule Trier verweist schon in ihrem Namen „Umwelt-Campus Birkenfeld“ auf den Umweltschutz, so dass angenommen werden kann, dass implizit Normen vorhanden sind. Es bestehen einige Professuren, die Umwelt und Ökologie als Schwerpunkt ausweisen. Auf der Website wird auf die Bedeutung des Themas Umwelt hingewiesen.

5.3.3.4 Merkmale von Hochschulangehörigen

Mitglieder in Hochschulen gehören unterschiedlichen Subgruppen an, die unter-schiedliche Selbstverpflichtungen und Verhaltensweisen ausbilden können: Profes-sor(inn)en, Verwaltungsangestellte, Labormitarbeiter(innen) und Studierende. Hoch-schulmitglieder haben unterschiedliche Berechtigungen über die von ihnen benutzten Räume und fühlen sich je nach Verantwortungsbereich in unterschiedlichem Maße gegenüber der baulich-technischen Umgebung und der Organisation verpflichtet (zu Definitionen von Verantwortung z. B. Eigenstetter, 2007). Je mehr Personen einen Raum nutzen, desto geringer ausgeprägt ist das Verantwortungsgefühl für diesen Raum, auch weil bei öffentlich genutzten Räumen keine individuellen Verantwortlich-keiten zugeordnet sind. In Organisationen besteht durch fehlende Verantwortlichkei-ten Verantwortungsdiffusion.

Aufgrund der Rahmenbedingungen tragen Mitarbeitende und Studierende derzeit keine individuelle Verantwortung für den Energieverbrauch einer Hochschule. Da

bislang an den Hochschulen keine expliziten Verhaltensvorgaben bestehen, wird im Projekt die Bereitschaft erhoben, normative Vorgaben der Organisation zu akzeptie-ren.

Die Einflussmöglichkeiten der Mitarbeitenden und Studierenden zum Energiesparen sind zwar gering, aber in der Masse doch bedeutsam. Es sollte ein Wissen und ein Problembewusstsein dafür vorhanden sein, dass geöffnete Fenster und Türen zu großen Energieverlusten führen können, da Wärme- oder Kühlungsenergie aus den Hörsälen und Seminarräumen verloren geht. Zudem können Studierende und Mitar-beitende den Stromverbrauch vermindern, indem sie nach Gebrauch Geräte und Licht ausschalten. Es wird eine generalisierte Kontrollüberzeugung abgefragt, um zu prüfen, ob sich die Mitarbeitenden und Studierenden als verhaltenswirksam erleben können. Sie können in der Situation vermuten, dass es z. B. primär Aufgabe der Hochschulorganisation sei, sich um Energieeffizienz zu kümmern, oder dass ihr Bei-trag zum Energiesparen ohnehin zu gering sei, um von Bedeutung zu sein (Verant-wortungsabwehr).

Aus dem Wissen folgt jedoch nicht notwendigerweise eine positive Einstellung zum Umweltschutz und zum Energiesparen, auch nicht zwangsläufig ein individuelles Verpflichtungsgefühl zum Energiesparen. Eine positive Bewertung des Energiespa-rens ist jedoch für eine Durchsetzung von Energieeffizienz relevant, wenn keine Kon-trollstrukturen vorhanden sind oder nicht aufgebaut werden können (z. B. aus Grün-den des Datenschutzes). Nur bei einer positiven Einstellung gegenüber dem Ener-giesparen kann man davon ausgehen, dass Interventionsmaßnahmen die Ausbil-dung einer Verhaltensintention bewirken, d. h. die Bereitschaft, sich energieeffizient zu verhalten. Basis hierfür sind die Befunde aus der Einstellungs- und Interventions-forschung, siehe Abschnitte 5.6, 5.7 und 5.8.

Im Dokument Abschlussbericht der Verbundpartner (Seite 157-162)