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DIE TENDENZEN DER HOLOZÄNEN LANDSCHAFTSENTWICKLUNG - ERGEBNISSE UND DISKUSSION

5 UNTERSUCHUNG HOLOZÄNER SEDIMENTE UND RELIEFFORMEN IN AUSGEWÄHLTEN TEILGEBIETEN DES RIO-YAVI-SYSTEMS

6 DIE TENDENZEN DER HOLOZÄNEN LANDSCHAFTSENTWICKLUNG - ERGEBNISSE UND DISKUSSION

Um die holozäne Landschaftsentwicklung zu verstehen, ist auch nach den präholozänen Verhältnissen zu fragen, d.h. nach den Altformen, die durch die hier zur Diskussion stehenden holozänen Prozesse verändert oder ausgelöscht wurden.

Dabei spielen folgende Aspekte eine Rolle:

1. Als wesentlicher Ausgangszustand des Reliefs ist die Punahochfläche zu nennen, die als Flachform seit dem ausgehenden Tertiär bzw. beginnenden Quartär vorhanden ist. In dieser Zeit wurden im Untersuchungsraum weitflächig die plio-pleistozänen Sedimente als fluviale und lakustrische Akkumulationen abgelagert. In Randbereichen der Gebirgsaufragungen kam es dabei vermutlich auch zu Pedimentationsvorgängen.

2. Dominierende Formungstendenz während des Quartärs war zumindest in den unzerschnittenen Bereichen der Punahochfläche flächenbildende Morphodynamik unterschiedlicher Intensität in Abhängigkeit von den pleistozänen Klimaschwankungen. Ergebnisse dieser flächenhaften Abtragung sind 3 Fußflächengenerationen, die sich während des Pleistozäns in den gering resistenten plio-pleistozänen Sedimente entwickelten.

3. Durch unterschiedliche, im einzelnen meist nicht näher bekannte, teilweise vermutlich tektonische Prozesse bildeten sich unter den generell ariden und semiariden bis subhumiden Bedingungen geschlossene, d.h. abflußlose Hohlformen, die als Sedimentfallen fungierten und aktuell als Salare, Lagunen und große Becken der Punahochfläche in Erscheinung treten.

4. Im mittleren bis jüngeren Pleistozän erfolgte durch rückschreitende Erosion der Quellflüsse des Río-Pilcomayo-Systems der hydrographische Anschluß an die exorheische Entwässerung nach Osten mit entsprechender kräftiger Taleintiefung.

Die holozäne Um- oder auch Weiterbildung des plio-pleistozänen und pleistozänen „Altreliefs“ erfolgte teils durch äolische Prozesse der Deflation sowie der Bildung von Flugsanddecken und Dünen, teils durch fluviale Prozesse mit Talverschüttung mit Feinsedimenten, zeitweilig aber auch mit Taleintiefung und Terrassenbildung, teils, vor allem in den Hochlagen der Gebirge, durch periglaziale,

glazifluviale und glazigene Prozesse mit Bildung eines entsprechenden Formenschatzes.

Da nach bisheriger Kenntnis die tektonische Aktivität des Holozäns weitgehend zu vernachlässigen ist, müssen die zeitlichen Wechsel unterschiedlicher Prozeßkombinationen weitgehend mit klimatischen Veränderungen sowie für das Mittel- und Jungholozän auch mit anthropogenen Aktivitäten verknüpft werden.

Die morphologischen und sedimentologischen Befunde der vorliegenden Untersuchung des Río-Yavi-Einzugsgebietes erlauben folgende Schlüsse auf morphodynamische und entsprechende klimatisch bzw. auch anthropogen beeinflußte Phasen der Landschaftsentwicklung während des Holozäns:

Haupttendenzen der holozänen Landschaftsentwicklung in den Tälern des Río Yavi-Beckens sind 2 Akkumulationsphasen, welche die Terrasse I bilden und eine Erosionsphase mit 2 kurzen Ablagerungsepisoden (Terrassen II und III). Innerhalb dieser Phasen gab es einzelne Zeitabschnitte, die im Kap. 7 beschrieben werden.

Die erste Akkumulationsphase findet mit der Ablagerung von Schottern, aber auch lokal schluffig-tonigen, humusreichen Sedimenten im Frühholozän statt. Die Grobsedimente zeugen von einer großen Abflussintensität im Frühholozän durch hohe Niederschläge unter feuchten Bedingungen. Die Schotterablagerungen sind mit ähnlichen Sedimenten im Nachbartal Cholacor und mit einer Vergletscherung auf der Sierra de Santa Victoria korrelat (Zipprich 1998).

Ähnlich wie in Yavi sind feuchtere Verhältnisse in verschiedenen Regionen der zentralen Anden erkannt worden, wo das frühe Holozän als Übergang zwischen den kalten und feuchteren Bedingungen im Spätglazial zu den überwiegend trockenen Verhältnissen im Mittelholozän interpretiert wird. Dazu gehören die Untersuchungen in der nahegelegenen Sierra de Santa Victoria (Zipprich et al. 2000, Schäbitz 2000) und in der Sierra del Aguilar sowie in der Provinz Jujuy (Markgraf 1985). Auch im Norden Chiles (Nuñez et al. 1995-1996; Grosjean, 1994; 1998; Grosjean et al. 2003;

Kull & Grosjean, 1998; Kull, 1999, Messerli et al. 1993) und im Norte Chico Chiles (Veit 1991; 1992, 1993, 1996, 1998) herrschten spätglazial / frühholozän feuchte

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Bedingungen vor. Die feuchten Bedingungen spiegeln sich auch in Seenhochständen der Coipasa-Phase in den zentralen Anden wider, u.a. in Nordchile und Bolivien (Geyh et al. 1998, 1999; Geyh 2000; Grosjean 1994; Grosjean et al. 2001, 2003;

Messerli et al. 1998; Silvestre et al. 1999; Veit et al. 1998; Wolfe et al. 2001).

Aus anderen Arbeiten ergibt sich demgegenüber, dass das Klima des Frühen Holozäns vorherrschend trocken gewesen ist: Graf (1981, 1986, 1992) und Servant

& Servant-Vildary (2001, 2003) in den Anden Boliviens und Nordchiles; Iriondo (1992) und Iriondo und Garcia (1993), nach Befunden im Osten der Ebene des Chaco, Alcalde & Kulemeyer (1999) bei den Yungas San Salvador de Jujuy. Dabei bleibt die Frage offen, ob es unterschiedliche Klimaentwicklungen in den verschiedenen geoökologischen Höhenstufen und Regionen gegeben hat.

Die zweite Akkumulationsphase im Mittelholozän ist durch die fluviale Ablagerung von Schutt, Sand und schluffig-tonigen humosen Sedimenten mit oft mehr als 10 m Mächtigkeit repräsentiert. Zeugen dieser Akkumulationsphase sind an den Terrassenwänden in allen 5 Untersuchungsgebieten erkannt worden. Die holozänen Feinsedimente bestehen ganz überwiegend aus umgelagerten äolischen Dünensedimenten der Punahochfläche und sind äolisch und/oder durch Abspülung in die Täler gelangt. Da die Mattierung als äolisches Merkmal überwiegend erhalten ist, kann der Transportweg im Fließgewässer nur kurz gewesen sein. Sie stammen also aus der nächsten Umgebung. Vegetationsreste und hoher C-Gehalt zeigen, dass der Talboden zur Akkumulationszeit eine dichte Pflanzendecke getragen haben muss. Er war ein feuchter Vegetationsstandort bei lokal hohem Grundwasserspiegel. Ein ganzjährig geringer Abfluss (geringe Transportkraft des Fließgewässers) mit permanenter bzw. überwiegender Akkumulationstendenz charakterisiert die Gerinne.

Feinlamination von klastischen und organischen Sedimenten könnte als Jahreszeitenrhythmus gedeutet werden. Das allgemeine Bild vom Mittelholozän (ca.

8000-2000/1500 yr B.P.) ist durch aride Bedingungen am Anfang mit zunehmender Feuchtigkeit zum Ende hin charakterisiert. Das Ende der Ablagerungsphase im Mittelholozän ist durch etwas feuchtere Bedingungen gekennzeichnet, allerdings nicht so deutlich ausgeprägt wie in den höheren Lagen der Gebirgsketten im Norden der Puna bekannt ist (Markgraf 1985; Zipprich et al. 2000; Schäbitz 2000).

Episodische, mäßige Abflussspitzen mit Ablagerung von feinmaterial- und vor allem chloritreichen Sedimenten deuten auf Erosion in den höheren Lagen des Río Yavi-Beckens (Sierra de Santa Victoria und Sierra de Quirquinchos) und wurden wahrscheinlich durch einzelne Niederschlagsereignisse ausgelöst.

Die Ablagerung von überwiegend Feinsedimenten in den Tälern während des Holozäns und eine nachfolgende Erosionsphase im Spätholozän ist das allgemeine Bild der Landschaftsentwicklung in Yavi, aber auch in den andinen Tälern Nordwestargentiniens, Nordchiles und Boliviens. Da die räumliche Verteilung der Talsedimente ein relativ großes Spektrum von geoökologischen Höhenstufen und Klimaten innerhalb und am Rande der Ariden Diagonale in den zentralen Anden umfasst, ist es denkbar, dass diese Sedimente unter unterschiedlich geprägten trockenen Klimaten entstanden sind (d.h., arid, semiarid und wahrscheinlich auch subhumid).

Die rekonstruierten Umwelt- und Klimabedingungen im Mittelholozän des Río Yavi-Beckens zeigen, dass die feinkörnigen Talsedimente unter aridem bis semiaridem Klima mit niedrigem Abfluss und einer dichten Vegetationsdecke im Talboden abgelagert wurden, mit lokal höherem Grundwasserspiegel. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Interpretation von Grosjean (2001) und Grosjean et al. (2003) für die westliche Abdachung der Anden (ca. 18°S-25°S). Der von Quade et al. (2001) rekonstruierte allgemeine Anstieg der Grundwasserspiegel in der Zentral-Atacama, abgeleitet aus der Ablagerung von Feinsedimenten in den Tälern, steht dagegen im Widerspruch zu dem in dieser Arbeit interpretierten Sedimentationsmilieu.

Eine umfassende Diskussion über die nicht synchrone Entwicklung der Akkumulations- und Erosionsphasen in der Region (vgl. Grosjean 2001; Grosjean et al. 2003; Quade et al. 2001) sprengt den Rahmen der vorliegenden Arbeit. Trotzdem zeigen beobachtete Tendenzen in Yavi und bei Tres Cruces, in der Puna von Jujuy (etwa 50km südlich von Yavi), Talfüllungen mit unterschiedlichem Alter: spätglazial bis frühholozän (Fernández et al. 1991), holozän (diese Arbeit, auch Markgraf 1985) und mittel- bis spätholozän (Fernández 1984). Die verschiedenen Zeiträume, die in

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den Sedimentstapeln vertreten sind, dürften nicht nur auf übergeordneter Verlagerung von atmosphärischen Zirkulationssystemen beruhen, sondern auch auf unterschiedlichen regionalen und topographischen Lagen, geologischen Voraussetzungen usw. Diese Rahmenbedingungen sollten in regionalen Entwicklungsmodellen nicht außer Acht gelassen werden.

Die Klimabedingungen der Zentralen Anden waren im Mittelholozän überwiegend trocken. Die Altersstellung dieser Trockenperiode liegt im allgemein zwischen 8500 - 7500 yr B.P. für den Anfang und ca. 4000 - 3000 yr B.P. für das Ende der Phase (Lupo 1998, Zipprich et al. 2000; Schäbitz 2000; Markgraf 1985; Fernández et al., 1991; Nuñez et al. 1995-96, Grosjean et al. 1997; Messerli et al. 1998; Veit 1991, 1992, 1993, 1996, 1998, u.a.).

Die Untersuchungen in Yavi stehen im Einklang mit diesem allgemein akzeptierten Bild eines trockenen Mittelholozäns. Die detaillierten Untersuchungen ermöglichten zusätzlich zum ersten Mal in Nordwestargentinien eine Unterteilung des Mittelholozäns mit sehr trockenen Bedingungen am Anfang (zwischen ca. 8300 und 6100 yr B.P.) und danach leicht zunehmender Feuchtigkeit mit episodischen Abflussspitzen. Eine vergleichbare Entwicklung ist in Nordchile durch Zwischenschaltungen von Schlammströmen in fluvialen Sanden, Torfen und Diatomiten, in der Quebrada Puripica repräsentiert (Grosjean et al., 1997). Ähnliche Entwicklungen, durch Seespiegelschwankungen charakterisiert, sind auch in Seebecken wie der Laguna Miscanti in Nordchile (Grosjean et al. 2001), im Titicaca-See in Bolivien und Perú (Wirrmann & Mourguiart, 1995, Paduano et al. 2003), im Lago Potosí und Lago Taypi Chaka Kkota auf dem Altiplano von Bolivien (Wolfe et al.

2001) bekannt.

Andere Autoren fanden im mittleren Holozän feuchte Bedingungen (Graf 1977, 1992, Bobst et al. 2001; Quade et al. 2001; Iriondo, 1992; Iriondo & Garcia, 1993;

Brunotte et al., 1988; Garleff et al., 1993; Garleff & Stingl, 1996). Diese Meinungsverschiedenheiten könnten Folge von differenzierten Landschaftsentwicklungen in den einzelnen Regionen bzw. Höhenstufen, aber auch von unterschiedlichen methodischen Ansätzen und Interpretationen sein.

Die meisten Verfasser vertreten die Meinung, dass in den letzten 3000 bis 4000 Jahren die Klimabedingungen in der Region ähnlich wie heute oder etwas feuchter waren (Lupo 1998; Zipprich et al. 2000; Schäbitz 2000; Markgraf 1985; Argollo &

Mourguiart 1998; Wirrmann & Mourguiart 1995; Nuñez et al. 1995-96; Messerli et al.

1998; Veit 1991, 1992, 1993, 1996, 1998, u.a.). In Yavi gab es - zumindest zeitweise - etwas feuchtere Bedingungen. Am südlichen Rand der zentralen Anden im Bolsón de Fiambalá, Catamarca, wurde dagegen seit 3000 yr BP eine Zunahme der Trockenheit registriert (Brunotte et al. 1988; Garleff et al. 1993; Garleff & Stingl, 1996).

Die Landschaftsgeschichte des späten Holozäns zeigt in Yavi eine deutliche Änderung der Rahmenbedingungen, unter denen der größte Umweltumbruch des Holozäns zustande kam: während auf dem Punaplateau flächenhafte Abtragung herrschte, wurden die Täler erodiert, und es kam zu episodischer Schotterablagerung (Bildung der Terrassen II und III).

Im Rahmen der regionalen Prähistorie fällt auf, dass die Paläoklima-Studien (Markgraf 1985; Zipprich 1998; Zipprich et al. 2000; Reizner 1998; Schäbitz 2000, u.a.) für die letzten 2000 Jahre keine Änderungen in der Größenordnung zeigen, die es gestatten würden, die beachtlichen Veränderungen in den verschiedenen Komponenten des Umweltsystems im Gebiet von Yavi zu erklären. Ausnahmen bilden Arbeiten, die i.w. einen Umbruch von Akkumulation zu Erosion um 2000/1500 yr B.P. als eine Intensivierung und/oder Zunahme der Sommerniederschläge interpretieren (z. B. Fernández 1984; Servant & Fontes, 1984; Servant & Servant-Vildary 2001, 2003; Argollo & Mourguiart 1998; Grosjean 2001; Quade et al. 2001).

Dagegen wird in verschiedenen Disziplinen die Teilnahme des Menschen an der Degradation der Landschaft seit der prähispanischen Periode und eine Akzentuierung in historischer Zeit diskutiert (Markgraf, 1985; Lupo, 1998; Kulemeyer

& Lupo, 1998; Brunotte et al., 1988; Ruthsatz, 1983; Ruthsatz & Fisel, 1984). Die morphodynamischen Prozesse, die zur Eintiefung der Täler geführt haben, sollen

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durch eine merkliche Verringerung des Deckungsgrades durch die Abnahme von Gräsern und die Zunahme von Zwergsträuchern der Steppe (vgl. Kulemeyer & Lupo 1998; Lupo 1998) ausgelöst worden sein. Infolgedessen trat eine wachsende flächenhafte Abspülung der Punahochfläche ein. Da der Oberboden der spätglazialen Parabraunerde (Zipprich et al. 2000) schon ab mindestens 8000 yr B.P.

erodiert wird, bleibt an der Oberfläche oft nur der undurchlässige Bt- oder sogar Cc- Horizont. Die oben genannte Abnahme der Infiltration auf dem Punaplateau führte deshalb zu steigendem Abfluss in den Tälern und dadurch zu einer Eintiefungstendenz.

Als Hauptursache der Abnahme der Vegetationsdichte auf dem Punaplateau und in den Tälern kommt die Überweidung in Frage. Eine gravierende Änderung der Abflussintensität unter dem Einfluss von Überweidung im semiariden, aus feinen, erosionsanfälligen Sedimenten zusammengesetzten System kann innerhalb eines Zeitraumes von 10-100 Jahren stattfinden (Bull 1979). Im Arbeitsgebiet sind gegenwärtig, aber auch schon in prähispanischer Zeit die Indikatoren, die Mensching (1990) zum Erkennen der Desertifikation benutzt, präsent (Kulemeyer, 1998; Kiegel, 2001).

Die Entwicklung der Kulturen, insbesondere der Landnutzung, haben zunehmend die Landschaft geprägt. Die „Yavi-Kultur" (1850 bis 450 yr B.P.) hatte im Vergleich mit den ersten Ackerbaukulturen eine höhere Bevölkerungszahl, die eine intensivere Nutzung der Punatäler und der umgebenden Gebiete nach sich zog. Unter den verschiedenen Aktivitäten, die diese Kultur entwickelte und die Einfluss auf die Landschaft hatten, tritt wegen der großen räumlichen Verbreitung besonders die Züchtung von Cameliden hervor. An zweiter Stelle muss die Landwirtschaft in den Tälern genannt werden, die auch Techniken wie Terrassenanbau und Bewässerung durch Kanäle mit einschließt. Diese Aktivitäten hatten eine Verminderung der Krautschicht aufgrund der Beweidung auf der Punahochfläche wie auch in den Flußtälern und damit eine Verringerung der Bodenbedeckung zur Folge.

Ab der Zeit der Eroberung durch die Spanier fanden tiefgreifende kulturelle Veränderungen statt, die in ganz besonderer Weise die Degradation der Landschaft

bewirkten: die Einsetzung einer neuen Form der Wirtschaftsorganisation, ausgelöst durch die spanischen Eroberer, und die Bildung der Markgrafschaft von Yavi und Tojo. Die Produktion an Nahrungsmitteln war nicht mehr länger am Eigenbedarf orientiert, sondern an den Bedürfnissen Potosís, des großen Bergbauzentrums (Silber) jener Epoche (17., 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts). Zusätzlich verursachte das Ersetzen der Cameliden durch Vieh der alten Welt (Schafe, Ziegen, Rinder etc.) ein größeres ökologisches Ungleichgewicht, da diese neuen Gattungen Schneidehufe besitzen im Gegensatz zum einheimischen Vieh, das mit seinen kissenförmigen Pfoten die Schäden am Boden und auf den Weiden gering hält (Ruthsatz, 1983; Kiegel, 2001).

Die anthropogen bedingte Degradation der Umwelt war nicht ein auf das Einzugsgebiet des Río Yavi begrenzter Vorgang. Es handelte sich vielmehr um einen Prozess regionaler Größenordnung mit Beispielen aus verschiedenen Gebieten der Zentralen Anden, wie Belege für rezente Erosion in verschiedenen ariden bis semiariden Gebieten Jujuys, in den archäologischen Anbauterrassen von Alfarcito bei Tilcara, in einer archäologischen Siedlung im NE-Sektor des Einzugsgebietes von Salinas Grandes und im Río Pastos Chicos bei Susques zeigen.

Prozesse vorherrschender Einschneidung, verbunden mit Transport von Grobmaterial, sind auch am Oberlauf des Río Grande der Quebrada de Humahuaca, Provinz Jujuy, nach 1800 yr BP (Fernández 1984), auf dem Altiplano von Bolivien ab 1500 yr B.P. (Servant & Fontes, 1984, Servant & Servant-Vildary, 2001, 2003;

Argollo & Mourguiart, 1998) und in Nordchile (Grosjean, 2001; Quade et al., 2001) bekannt und werden im Gegensatz zur vorliegenden Arbeit als Folge einer Intensivierung und/oder Zunahme der Sommerniederschläge interpretiert. Im Bolsón de Fiambalá (Catamarca, Argentinien) gehen die Hinweise über die Degradation der Umwelt bis ca. 3000 yr BP zurück und umfassen Bodenerosion, Zunahme der äolischen Dynamik und Absinken des Grundwasserspiegels (Brunotte et al., 1988;

Garleff et al., 1993; Garleff & Stingl, 1996).

Eine interdisziplinäre Reinterpretation bzw. Erweiterung der regionalen Kenntnisse über die Landschaftsentwicklung im Spätholozän mit Berücksichtigung

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eines Einflusses des Menschen auf die Umwelt ist notwendig. Dabei kann man nicht nur Informationsgewinn für die notwendige Unterscheidung zwischen anthropogenen und klimatisch gesteuerten geomorphologischen Prozessen erwarten, sondern auch wichtige Daten über Ursachen und Entwicklung der Desertifikation in den Zentralen Anden.

Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt hat man nur eine ungenaue Vorstellung über die prähispanischen Kulturen, v.a. in ihrer Beziehung zur Umwelt. Es fehlen noch genauere Kenntnisse der relevanten Aspekte, die für die Erforschung der Umweltverschlechterung auf der Puna und deren Ursachen notwendig sind, wie z. B.

Informationen über die prähistorische Demographie, über angewandte Techniken in der Landwirtschaft und Viehzucht und über die Handhabung pflanzlicher Ressourcen wie Brennmaterial u.a. Diese Informationen, die sich nur durch Ausgrabungen und systematische Forschungen gewinnen lassen, sind, zusammen mit Erkenntnissen aus der Analyse historischer Dokumente und vor allem auch aus der Rekonstruktion des Paläoklimas, der Schlüssel zum besseren Verständnis der Ursachen und der Dynamik des Desertifikationsprozesses, der noch heute den Altiplano charakterisiert.

In geoarchäologischer Hinsicht ergab die Rekonstruktion der Umweltbedingungen eine neue, erweiterte Betrachtungsmöglichkeit. Die Untersuchungen erlauben die Annahme, dass prähispanische Besiedlungen in den Gebieten existierten, wo Yavi und Yavi Chico ihre aktuellen Siedlungen haben, und dass deren Spuren fast komplett aufgrund der Erosion verschwanden. Dieses Ergebnis basiert auf geomorphologischen und sedimentologischen Rekonstruktionen sowie auf Vorkommen archäologischer Reste in weniger von der Erosion betroffenen Gebieten. Es steht der Hypothese von Krapovickas (1992) entgegen, wonach sowohl Yavi Chico als auch Yavi vor dem Eintreffen der Spanier nicht besiedelt waren.

Die Kenntnisse der Veränderungen in der Morphodynamik der Landschaft, besonders im Gewässernetz, sind auch anwendungsrelevant, z. B. im Bezug auf aktuelle Prozesse in der Chaco-Ebene. Hier verlagern sich häufig Flussläufe der Hauptflüsse Bermejo und Pilcomayo aufgrund der großen Sedimentfracht, die sie mit sich führen und die zu einem großen Teil vom Ostrand der Puna stammt. In den

letzten Jahren wurde mit der interdisziplinären Untersuchung dieser Problematik auf der Basis der verschiedenen Einzugsgebiete unter der Beteiligung Argentiniens, Boliviens und, im Falle des Pilcomayo, auch Paraguays begonnen. Die vorliegende Arbeit stellt in diesem Zusammenhang einen Beitrag zum Verständnis der Faktoren dar, die das aktuelle und rezente Verhalten der Flüsse des Chaco steuern.

Darüberhinaus zeigt sie die Notwendigkeit einer Umweltpolitik, die zum Ziel hat, die Desertifikation zu bekämpfen, eine nachhaltige Entwicklung der Region voranzubringen sowie die Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen im Norden der Puna zu verhindern.

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7. DIE GLIEDERUNG DER HOLOZÄNEN LANDSCHAFTSGESCHICHTE IM