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Nicht-suppurative Komplikationen:

Im Dokument S3-Leitlinie Halsschmerzen (Seite 69-74)

2. Patienten für die klinische Scoring Systeme nicht anwendbar bzw. nicht validiert sind

9.4 Systemische Antibiotikatherapie

9.4.1 Ziele und Nutzen der antibiotischen Therapie

9.4.1.2 Vermeidung von Komplikationen .1 Suppurative Komplikationen

9.4.1.2.2 Nicht-suppurative Komplikationen:

Das ARF wurde ausschließlich in RCTs erwähnt, die vor 1961 veröffentlicht wurden. Das Auftreten von Poststreptokokken-Erkrankungen (ARF, PSGN) ist seither in den westlichen Industrieländern deutlich gesunken. Die Ergebnisse dieser frühen Studien zeigen, dass die antibiotische Therapie (intramuskuläre Penicillin-Behandlung) das Auftreten von ARF in Aus-bruchssituationen bis zu zwei Drittel im Vergleich zur Plazebo-Gruppe senken konnte, jedoch war zu damaliger Zeit das Auftreten von Komplikationen deutlich häufiger. Das aktuelle Risi-ko, in Folge einer pharyngealen Streptokokken-Infektion eine Poststreptokokken-Erkrankung zu erleiden, ist in westlichen Industrieländern so gering, dass die präventive Wirkung eines Antibiotikums keine belegbare Relevanz hat und nicht in die Überlegung zur Entscheidung für oder gegen eine Antibiotikatherapie einfließen sollte [6,150,163].

9.4.2 Für welche Patienten kann eine antibiotische Therapie erwogen werden?

Der Centor-Score, der McIsaac-Score und der FeverPAIN-Score erlauben eine Abschätzung der Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Patient (vorausgesetzt der Score ist anwendbar) von einer antibiotischen Therapie profitieren könnte. In der folgenden Tabelle werden im Hinblick auf die Anwendung dieser Scores vier Patientengruppen definiert und entsprechende Therapie-empfehlungen zugeordnet.

Alle Patienten mit akuten Halsschmerzen in der Hausarztpraxis können einer dieser vier Grup-pen zugeordnet werden:

Tabelle 9.2:

Patientengruppen nach klinischen Scores mit entsprechender Therapieempfehlung Patientengruppe für eine durch Strep-tokokken bedingte Tonsillopharyngitis

0 - 2 1 - 2 0 - 2 Immer: Beratung (Kap. 9.1) Anbieten:

symptomatische Therapie (Kap. 9.3) Bei Kindern:

symptomatische Therapie (Kap. 9.3) Patienten

mit intermediärer Wahrscheinlichkeit für eine durch Strep-tokokken bedingte Tonsillopharyngitis

3 3 3 Immer: Beratung (Kap. 9.1) Anbieten:

symptomatische Therapie (Kap. 9.3) Bei Kindern:

< 15 Jahre: neg. GAS-Schnelltest

g keine antibiotische Therapie (Kap. 8.4) Optional (nach gemeinsamer Entschei-dung): antibiotische Therapie mittels Delayed Prescribing

Patienten mit höherer

Wahrscheinlichkeit für eine durch Strep-tokokken bedingte Tonsillopharyngitis

4 4 - 5 4 - 5 Immer: Beratung (Kap. 9.1) Anbieten:

symptomatische Therapie (Kap. 9.3) Bei Kindern:

< 15 Jahre: neg. GAS-Schnelltest

g keine antibiotische Therapie (Kap. 8.4) Optional (nach gemeinsamer Entschei-dung): antibiotische Therapie mittels Delayed Prescribing oder sofortige antibiotische Therapie

Patienten, bei denen die Scores nicht anwendbar

Individuelle Beratung und Risikostra-tifizierung (Kap. 9.1)

Symptomatische Therapie (Kap 9.3) Antibiotische Therapie bei:

n Abszedierender Lymphadenitis oder drohendem oder manifestem PTA (+ Überweisung zum HNO-Arzt!)

n Scharlach

n anamnestisch erhöhtem Risiko für ARF

n Patienten aus Regionen mit hoher regionaler Inzidenz von kokken-Erkrankungen

n Typischen Konditionen schwerer munsuppression (Kap. 7)

9.9 Empfehlung

Falls bei Patienten (Alter ≥ 3 Jahre) mit akuten Halsschmerzen (< 14 Tagen Dauer) ohne RED FLAGS eine antibiotische Therapie ärztlich erwo-gen oder von Patientenseite erwartet wird:

1. Sollte bei Centor-/McIsaac-/ FeverPAIN-Score von ≤ 2 ausschließlich eine symptomatische Therapie angeboten werden.

2. Sollte bei einem Centor-/McIsaac-/ Fever PAIN-Score von 3 eine antibiotische Therapie ausschließlich mittels delayed prescribing angeboten werden.

3. Sollte bei einem Centor-/McIsaac-/ Fever PAIN-Score ≥ 4 eine antibiotische Therapie mittels delayed prescribing ODER eine soforti- ge antibiotische Therapie angeboten werden.

Leitlinienmodifikation: NICE (Sore Throat, acute) 2018 [6], AKDAE (Atemwegsinfektionen) 2013 [9], DGHNO-KHC 2015 [8]

De Novo Recherche: Little et al 2013 [97], Spinks et al 2013 [4] de la Poza Abad et al 2016 [164], Spurling et al 2017 [165]

9.10 Empfehlung

Falls bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 3 bis 15 Jahren mit akuten Halsschmerzen (< 14 Tagen Dauer) ohne RED FLAGS eine antibiotische Therapie ärztlich erwogen oder von Elternseite erwartet wird, kann bei einem Centor-/McIsaac-/

FeverPAIN-Score ≥ 3 ein Schnelltest auf Gruppe A Streptokokken zur Therapieentscheidung heran-gezogen werden.

Leitlinienmodifikation: NICE (Sore Throat, acute) 2018 [6], DGHNO-KHC 2015 [8]

De Novo Recherche: Little et al. 2013 [97], Spinks et al. 2013 [4] de la Poza Abad et al. 2016 [164], Spurling et al. 2017 [165]

Zur Evidenzbasis einer Verwendung von Schnelltests für Kinder und Jugendliche bis 15 Jahren wird auf das Kapitel 8.4.1 verwiesen.

Infektionen, die zu Halsschmerzen führen sind häufig selbstlimitierend, überwiegend viral verursacht und bedürfen keines Antibiotikums. GAS sind der häufigste bakterielle Erreger bei Halsschmerzen. Patienten mit einem Centor-Score von 3-4 oder einem FeverPAIN-Score von 4-5 haben eine bis zu 60-%tige Wahrscheinlichkeit, an einer Streptokokken-Tonsillopharyngi-tis erkrankt zu sein. Somit ist die Wahrscheinlichkeit der Symptomverkürzung durch eine An-tibiotikatherapie in dieser Patientengruppe am höchsten; nach drei Tagen besteht eine Sym-ptomfreiheit von über 50 % im Vergleich zur Plazebogruppe mit 34 %. Insgesamt verkürzen Antibiotika über sieben Tage die Symptomdauer um 16 Stunden [4,6]. Der gezielte Einsatz von Antibiotika mit klinischen Scoring Systemen (Centor, McIsaac, FeverPAIN) bei Patienten mit hohen Score Werten führt zu einer geringen aber signifikanten Symptomlinderung ab dem zweiten Tag [97].

Das „Delayed Prescribing“ oder auch „Back-up Prescription“ ist eine Verschreibungsstrategie, bei der infolge von Verschlechterung oder Persistenz der Symptome über einen zuvor be-stimmten Zeitraum (in der Regel drei bis fünf Tage) ein Rezept für ein Antibiotikum eingelöst wird. Zwei gängige Modelle werden regelhaft eingesetzt: das Rezept wird ausgestellt, ver-bleibt aber in der Praxis und kann vom Patienten bei o. g. Verlauf abgeholt werden oder, wie überwiegend in Deutschland praktiziert, wird dem Patienten das Rezept bereits bei der Kon-sultation mitgegeben. Studien zum Delayed Prescibing befassen sich vornehmlich mit dem ersten Modell, welches in Großbritannien seit Jahren im ambulanten Bereich eingesetzt wird.

In allen Studien (RCTs) konnte eine Minimierung des Antibiotikaverbrauches durch Delayed Prescibing nachgewiesen werden [97,164,165].

9.4.3 Auswahl des Wirkstoffs und Therapiedauer

9.11 Empfehlung

Antibiotische Therapie (>15 Jahre/Erwachsene):

n Penicillin V 3 x 0,8-1,0 Mio I.E. per os für 5-7 Tage

n Bei Penicillin-Unverträglichkeit:

z. B. 2 x Clarithromycin 250 mg bis 500 mg per os für 5 Tage

Antibiotische Therapie (3 bis 15 Jahren):

n Penicillin V 0,05-0,1 Mio. IE/kgKG/Tag verteilt auf 3 Einzeldosen per os für 5-7 Tage

n Bei Penicillin-Unverträglichkeit:

z. B. Clarithromycin 15 mg/kgKG/Tag verteilt auf 2 Einzeldosen per os für 5 Tage

Empfeh-lungsgrad

A

Level of evidence

T Ia

Ergebnis Konsensverfahren

6 Ja 0 Nein

0 Enthaltungen

Leitlinienadaption: DGHNO-KHC 2015 [8], NICE (Sore Throat, acute) 2018 [6], AKDAE (Atemwegsinfektionen) 2013 [9]

De Novo Recherche: van Driel et al. 2016 [166]

9.12 Statement

Bei Patienten von 3 bis 15 Jahren kann eine Ein-nahme von Penicillin am Mittag erschwert sein (z. B. bei Betreuung in Gemeinschaftseinrichtun-gen). In diesen Fällen besteht die Möglichkeit, die Tagesdosis von Penicillin V auf zwei Einnahmen (morgens und abends) aufzuteilen.

Empfeh-lungsgrad Level of evidence

T Ia

Ergebnis Konsensverfahren

6 Ja 0 Nein

0 Enthaltungen

De Novo Recherche: Lan et al. 2000 [167], Skoog Ståhlgren et al. 2020 [168]

Bezüglich der klinischen Wirksamkeit gibt es bei Erwachsenen und Kindern keine signifikanten Unterschiede zwischen Penicillinen, Cephalosporinen, Makroliden und Sulfonamiden. Wird eine Antibiotikatherapie erwogen, ist Penicillin das Antibiotikum der ersten Wahl, da es auf-grund seines engen Spektrums das geringste Schadenpotenzial hat [6,166]. Auf den Einsatz von Cephalosporinen ist bei allenfalls marginalem Zusatznutzen gegenüber Penicillin V in Anbetracht der Resistenzprobleme und auch der Kosten zu verzichten. Die Länge der Thera-pie ergibt sich aus dem TheraThera-pieziel. Geht es primär um die Verkürzung der Symptomdauer, reicht eine Einnahmedauer von fünf bis sieben Tagen Penicillin aus. Eine genauere Eingren-zung ist nach Datenlage derzeit nicht möglich [6,169]. Drei Tage Penicillin-Einnahme werden jedoch als nicht ausreichend erachtet. Eine 10-tägige Penicillin-Einnahme wird lediglich beim Therapieziel der Eradikation (Kap 9.4.1.5) als notwendig erachtet [7].

Eine Metaanalyse, in der sechs RCTs zusammengefasst werden, die eine zweimalige tägli-che Gabe mit einer dreimal täglitägli-chen Gabe von Penicillin bei Tonsillopharyngitis vergleitägli-chen, kommt zu dem Schluss, dass eine Aufteilung der Gesamtdosis von Penicillin auf morgens und abends in einer pädiatrischen Population gleichwertig im Vergleich zu einer höheren Einnahmefrequenz ist. Allerdings sind sämtliche eingeschlossene Studien aus den Jahren 1977 bis 1995 und laut Autoren der Metaanalyse eher von geringer Qualität [167]. Somit ist eine Aufteilung der Gesamtdosis auf zwei Gaben nur zu veranlassen, wenn die Therapieadhärenz auf Grund von Versorgungsproblemen (z. B. bei Betreuung in Gemeinschaftseinrichtungen) erschwert ist. Eine Umstellung auf Breitspektrumantibiotika oder Wirkstoffe zweiter Wahl ist im Hinblick auf Resistenzentwicklung und Wirksamkeit zu vermeiden. Aktuellere Studien un-tersuchen eher eine höhere Einnahmefrequenz von Penicillin mit dem Ziel einer Verkürzung der Gesamteinnahmedauer. Ein aktuelles open-Label RCT von 2019 belegte eine Nichtunter-legenheit einer fünftägigen Einnahme von 4x 800 IE Penicillin-V bei Pharyngotonsillitis für Patienten ab sechs Jahren gegenüber der 10-tägigen Gabe von 3 x 1000. Trotz höherer Ta-gesdosis und geringerer Eradikationsrate, gab es weniger Komplikationen bei gleicher Hei-lungsrate [168]. Die Autoren der Studie stellen heraus, dass die fünftägige Einnahmedauer die kumulative Wirkstoffaufnahme annähernd halbiert hat und somit ein geringerer Effekt auf das Mikrobiom sowie ein geringeres Risiko für Resistenzentwicklung (z. B. Penicillin-resistente Pneumokokken) zu erwarten wäre.

Erwähnt sei, dass es eine zunehmende Evidenzbasis für die Effektivität von kurzen Therapie-dauern bei Atemwegsinfekten gibt. Für niederländische Patienten mit ambulant-erworbener Pneumonie konnte gezeigt werden, dass eine symptomgesteuerte dreitägige Therapiedauer mit Amoxicillin keine Unterlegenheit gegenüber einer längeren Therapiedauer zeigt [170].

Makrolide, wie Clarithromycin, stehen bei Penicillin-Allergie zur Auswahl [6]. Das früher bei Penicillin-Allergien empfohlene Erythromycin ist derzeit in Deutschland bis auf weiteres nicht zuverlässig lieferbar.

9.4.4 Sonderfall GAS-Eradikation als Behandlungsziel der primären antibiotischen

Im Dokument S3-Leitlinie Halsschmerzen (Seite 69-74)