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Strukturelle Eigenschaften von Kringelchen identifizieren es als FGF-Rezeptor

4.2 FGF/FGFR-S IGNALÜBERTRAGUNG IN H YDRA

4.2.1 Strukturelle Eigenschaften von Kringelchen identifizieren es als FGF-Rezeptor

wahrscheinlich mit positiv geladenen Aminosäuren im Bereich von D2. Dadurch wird die Ig-ähnliche Schleife D1 in räumliche Nähe zur Ligandenbindestelle gebracht und erschwert so die Bindung von FGF (Plotnikov et al., 1999). Da der isoelektrische Punkt der Linker-Region zwischen D1 und D2 im Fall von Kringelchen bei pKA 4,41 liegt, könnte dieser Bereich funktionell wie eine saure Box wirken.

Bei FGF-Rezeptoren von Vertebraten findet man C-terminal zur sauren Box eine Bindestelle für Heparin, die „K18K“-Sequenz, in die ein HAV-Motiv eingebettet ist, über das Interaktionen mit Zelladhäsionsmolekülen vermittelt werden (Nagendra et al., 2001). Das HAV-Motiv fehlt allen bekannten Rezeptoren der Wirbellosen und auch Hydra (siehe 2.1.1).

Ähnliches gilt für die „K18K“-Region der Wirbeltier-FGFR, die mittels sechs Lysinen eine positiv geladenen Grube bildet, in der der Koaktivator Heparin bindet (Schlessinger et al., 2000; Plotnikov et al., 2000; Pellegrini et al., 2000). Eine leicht variierte „K18K“-Sequenz findet sich zwar auch im FGFR der Seescheide H. roretzi, fehlt aber wiederum den FGF-Rezeptoren der anderen Wirbellosen. Dies deutet darauf hin, dass mit der Aufspaltung der Deuterostomier die Bindung von Zelladhäsionsmolekülen (CAMs) und Heparin an FGFR funktionell an Gewicht gewann.

Es ist aber umstritten, ob die typische „K18K“-Region als konservierte Sequenz für eine Heparinbindung unbedingt notwendig ist, vielmehr scheint eine positiv geladenen Grube als Voraussetzung für die Interaktion mit Heparin auszureichen (Plotnikov et al., 2000;

Schlessinger et al., 2000; Pellegrini et al., 2000). Die FGF-Rezeptoren des Seeigels Strongylocentrotus purpuratus und des Polychaeten Platynereis dumerilii zeigen ebenso wie Breathless aus Drosophila und das FGFR-ähnliche Protein NouDarake aus Dugesia japonica im Bereich der „K18K“-Region eine Anhäufung von positiv geladenen Aminosäuren (McCoon et al., 1996; Steinmetz, 2002; Shishido et al., 1993; Cebria et al., 2002). Sie besitzen vier bis fünf Lysine und Arginine an konservierten Positionen. Nicht nachgewiesen ist bisher, ob Heparin hier binden kann.

Im Fall von Kringelchen ist eine solche Interaktion fraglich, denn dieser Rezeptor besitzt nur drei positiv geladene Aminosäurenreste im Bereich der putativen Heparinbindestelle, von denen keine zur „K18K“-Sequenz konserviert ist. Allerdings gilt das Gleiche für EGL-15, den C. elegans-FGFR: In einem Strukturmodel von EGL-15 im Komplex mit Heparin und FGF entsprach die Verteilung geladener Aminosäuren der, die im Komplex aus humanem FGFR1 FGF1 und Heparin identifiziert wurde (Nagendra et al., 2001). Die Heparinbindefähigkeit ist also zwischen C. elegans- und humanen FGF-Rezeptoren konserviert, obwohl erhebliche Sequenzunterschiede bestehen. Für Kringelchen bedeutet dieses Ergebnis, dass erst Struktur- und Funktionsanalysen eine abschließende Aussage darüber zulassen würden, ob der Hydra-Rezeptor in der Lage ist, Heparin zu binden und ob die Interaktion mit Heparin eine ursprüngliche Fähigkeit von FGFR ist.

ein FGFR ist: Eine Ig-ähnliche Schleife D3 kann bei Kringelchen nicht -wie bei anderen FGFR üblich- über Schwefelbrücken gebildet werden, denn im Bereich zwischen D2 und der Transmembrandomäne gibt es keine Cysteine. D3 ist bei Wirbeltier-Rezeptoren für die Bindung von FGF essentiell. Im Verlauf dieser Arbeit erhärtete sich die Hypothese, dass eine FGF-Bindung an den Hydra-Rezeptor erfolgen kann: Eine detaillierte Sequenzanalyse zeigte, dass bei Kringelchen aller Wahrscheinlichkeit nach durch hydrophobe Wechselwirkungen eine Schleifenstruktur analog zu D3 ausgebildet wird. Anstelle der Cysteine, die D3 im FGFR von triploblastischen Organismen ausbilden, befinden sich im entsprechenden Sequenzbereich des Hydra-FGFRs die Aminosäuren Tyr-249 und Phe-324.

Es fällt auf, dass durch eine einfache Punktmutation an Position zwei aus den Cystein-Codons (TGT,TGC) jeweils ein Tyrosin-Codon (TAT, TAC) oder ein Phenylalanin-Codon (TTT, TTC) entstehen kann. Hydra besitzt im Gegensatz zu den höher entwickelten Organismen, deren Genom GC-reich ist, ein AT-reiches Genom mit einem Anteil von bis zu 70% AT in codierenden Sequenzen (Galliot und Schummer, 1993). Es ist vorstellbar, dass die Cystein-Codons im GC-reichen Genom entstanden oder bei Hydra sekundär verloren gingen. Im ersten Fall hätte die Ausbildung von Schwefelbrücken die Rezeptorstruktur entscheidend stabilisiert, eine unter evolutionären Gesichtspunkten attraktive Hypothese zur Optimierung der Rezeptor-Liganden-Interaktion.

Sowohl Tyr-249 als auch Phe-324 sind in eine Umgebung von hydrophoben Aminosäureresten eingebettet. Ein erstes Strukturmodell von Kringelchen bestätigte die Hypothese, dass über diese Sequenzbereiche vermutlich eine schleifenartige Struktur ähnlich zu D3 bei Vertebraten-FGFR ausgebildet wird und zeigte außerdem, dass die Konformation der möglichen Ligandenbindestelle von Kringelchen ähnlich der von humanen FGF-Rezeptoren ist (Burke und Blundell, Cambridge, persönliche Mitteilung), obwohl nur eine geringe Sequenzidentität existiert: Von 22 konservierten Aminosäuren, die in Kristallstrukturanalysen von humanen FGF-Rezeptoren als Interaktionsstellen mit FGF identifiziert wurden, sind bei Kringelchen sechs vorhanden und vier weitere konserviert ausgetauscht. Die Ligandenbindestellen von Breathless (Drosophila) und vom C. elegans-FGFR Egl-15 besitzen eine ähnlich geringe Sequenzähnlichkeit zu der humaner Rezeptoren.

Dennoch konnte in einem 3D-Modell gezeigt werden, dass diese FGFR im Bereich der Ligandenbindestelle eine ähnliche Konformation einnehmen und die strukturellen Voraussetzungen zur Bindung von FGF besitzen (Nagendra et al., 2001). Dies zeigt, dass die Konservierung der Sequenz nicht entscheidend ist für die FGF-Bindung.

Für eine Interaktion von Kringelchen mit FGF sprechen auch Ergebnisse, die durch die in vivo-Bindung von aFGF an Hydra-Gewebe erzielt wurden (Abb. 3.24). Die resultierenden Bindungsmuster des markierten aFGF entsprachen in den frühen Knospungsphasen und

nach Ablösung der Knospe in etwa den Expressionsmustern von kringelchen, was darauf hindeutet, dass das aFGF an den Hydra-Rezeptor gebunden hat.

Einen weiteren, funktionellen Hinweis gab ein Rescue-Experiment in Drosophila: Kringelchen wurde heterolog in heartless-mutanten Fliegen exprimiert. Erste Analysen zeigten eine Heilung des frühen mutanten Phänotyps (Hüsken, 2004). Kringelchen kann somit die Funktion von Heartless zumindest partiell übernehmen und ist möglicherweise in der Lage mit einem der beiden Liganden von Heartless zu interagieren.

Nicht zuletzt ist die Isolierung eines FGF aus Hydra ein weiterer Hinweis darauf, dass Kringelchen in der Lage ist solche Liganden zu binden: Mit HvFGF wurde ein cDNA-Fragment isoliert, das deutliche Ähnlichkeit zur Core-Region von Metazoen-FGF besitzt (Abb. 3.25). Dabei war in der BLAST-Analyse die Ähnlichkeit zu FGF2 der Vertebraten am Größten. Von 12 Aminosäureresten, die Interaktionen zwischen FGF und FGFR in Vertebraten vermitteln (Plotnikov et al., 2000; Schlessinger et al., 2000; Pellegrini et al., 2000), sind bei HvFGF sieben konserviert bzw. funktionskonserviert ausgetauscht. Kein anderer FGF eines Invertebraten zeigt eine ähnlich große Übereinstimmung. Dennoch nehmen die bisher analysierten FGF wirbelloser Organismen eine Struktur ein, die der der Vertebraten-FGF sehr ähnlich ist. Stathopoulos et al. (2004) konnten zeigen, dass die Core-Region der Drosophila-FGF Pyramus (FGF8-like 2) und Thisbe (FGF8-like 1) nur wenig Sequenzidentität zu der von Wirbeltieren aufweist, die Sequenzregionen, die für die Faltung des Proteins verantwortlich sind, aber deutlich höher konserviert sind. Wie bei den FGFR ist auch im Fall der FGF die Struktur für ihre Interaktionsfähigkeit ausschlaggebend. Es spricht also alles dafür, dass HvFGF mit einem FGFR, also auch Kringelchen, interagieren könnte, die funktionellen Studien hierfür stehen allerdings noch aus.

4.2.2 Ein Modell zur Einbindung von Kringelchen in mögliche