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Stellungsnahme zur Verbindlichkeit der Umsetzung

9 Übereinkommen und Strategien zum Erhalt der Biodiversität 72

11.2 Stellungsnahme zur Verbindlichkeit der Umsetzung

Anfrage des Referats 52 des MLR beim Referat 72 des UM vom 30.08.2017

1. Förmliche Verbindlichkeit von Managementplänen für Natura 2000-Gebiete im Kommunalwald:

Managementpläne (MaP) für Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (Natura 2000-Gebiete) nach § 36 Abs.

6 NatSchG sind verwaltungsintern bindend (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drucksache 15/6886 vom 12.05.2015 vom 12.05.2015). Auch das Handbuch zur Erstellung von MaP für Natura 2000-Gebiete in Baden-Württemberg (MaP-Handbuch) spricht in der Einleitung von verwaltungsinternen Vorgaben. Damit entfaltet diese Fachplanung gegenüber den zur Umsetzung verpflichteten Landesbehörden eine verbindliche Wirkung, insbesondere gegenüber der der Naturschutz- und Forstverwaltung.

Bei der Bewirtschaftung von Gemeindewald handelt es sich um eine Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung. Die Gemeinden sind in diesem Bereich nicht an Weisungen (des Landes) gebunden, vgl.

auch § 47 Abs. 1 Satz 3 LWaldG: „Im Übrigen bleibt das Recht der Körperschaft, über die in ihrem Wald zu treffenden Maßnahmen nach Maßgabe der Gesetze selbst zu entscheiden, unberührt.“ Auch durch einen verwaltungsinternen Fachplan können Gemeinden nicht rechtlich verpflichtet werden. Für den Kommunalwald sind die Erhaltungsmaßnahmen des MaP somit nicht als verbindlich anzusehen.

2. Verantwortung und Verpflichtung der Kommunen zur Umsetzung von Natura 2000 und der MaP

a) Staatswald und Körperschaftswald soll dem Allgemeinwohl in besonderem Maße dienen (§§ 45 Abs. 1 Satz 1 und § 46 LWaldG). Die Erhaltung der Lebensraumtypen und Arten der FFH- und der Vogelschutz-RL im Wald ist eine Zielsetzung des europäischen und nationalen Naturschutzrechts (vgl. Art. 2 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 1 FFH-RL, § 2 Abs. 5 und § 31 BNatSchG). Daher entsprechen die im MaP dargestellten Erhaltungsziele und –maßnahmen den Allgemeinwohlzielen.

b) Nach § 2 Abs. 4 BNatSchG soll die öffentliche Hand bei der Bewirtschaftung von Grundstücken in ihrem Eigentum oder Besitz die Ziele des Naturschutzes in besonderer Weise berücksichtigen.

Diese Vorschrift richtet sich an Bund, Länder und Gemeinden. Zu den „Grundflächen der öffentlichen Hand“ im Sinne dieser Vorschrift gehören auch Grundflächen der Kommunen (vgl.

Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, § 2 Rn. 21). Der Kommune kommt insofern bei der Bewirtschaftung ihrer im Eigentum oder Besitz stehenden Grundflächen eine Art Vorbildfunktion für die Naturschutzbelange zu. Systematisch steht dieser Absatz in engem Zusammenhang mit

§ 2 Abs. 5 BNatSchG, wonach die europäischen Bemühungen … insbesondere durch den Aufbau und Schutz des Netzes Natura 2000 unterstützt wird. Hieraus wird deutlich, dass vom Gesetzgeber

Lebensraumtypen und Arten der europäischen Naturschutzrichtlinien mit dem Ziel der Erhaltung und Entwicklung bewirtschaftet werden.

c) Der Landesgesetzgeber hat die Pflichten der öffentlichen Hand zum Schutz der Natur in § 2 Abs.

1 NatSchG nochmals konkretisiert: „Für den Naturschutz besonders wertvolle Grundstücke im Eigentum oder Besitz juristischer Personen des öffentlichen Rechts sollen in ihrer ökologischen Beschaffenheit erhalten und zur Förderung der biologischen Vielfalt weiterentwickelt werden.

Bei Überlassung ökologisch besonders wertvoller Grundstücke zur Nutzung an Dritte ist die Be-achtung nach Satz 1 sicherzustellen.“ Die Begründung dieser Vorschrift (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drucksache 15/6886 vom 12.05.2015 vom 12.05.2015) führt hierzu aus, dass die öffentliche Hand hierdurch verpflichtet wird, auf die aus Naturschutzsicht besonders wertvollen Grundstücke, z. B. naturschutzrechtliche Schutzgebiete und Flächen, die FFH-Lebensraumtypen enthalten, Rücksicht zu nehmen.

d) Den Vorrang der Erhaltung des Waldes als ökologischen Ausgleichsraum für Klima, Luft und Wasser, für die Tier- und Pflanzenwelt sowie für die Erholung der Bevölkerung hat auch das BVerfG ausdrücklich für die Bewirtschaftung des Körperschafts- und Staatswaldes, also über den Staatswald hinaus für den gesamten öffentlichen Wald betont (Urt. v. 31.5.1990, NVwZ 1991, 53).

e) Eine Bewirtschaftung, die die Erhaltungsziele und die entsprechenden Maßnahmen des MaP ignoriert und die Verschlechterung des Erhaltungszustands der LRT und Arten verursacht, muss dazu führen, dass auf der Basis des Fachrechts gegen eine solche Bewirtschaftung vorgegangen wird. Die Verwaltung müsste auf der Grundlage des Verschlechterungsverbots (§§ 33, 34 BNatSchG) tätig werden und ggf. auch ein Bußgeldverfahren einleiten (§ 69 Abs. 3 Nr. 6 BNatSchG).

f) Die Managementpläne bedürfen keiner Verträglichkeitsprüfung, weil sie „unmittelbar der Verwaltung“ des Natura 2000-Gebiets dienen. Dies wäre bei Plänen, die nicht aus dem MaP abgeleitet sind, nicht der Fall. Die Gemeinde müsste für ihre Forsteinrichtung, die die Erhaltungsziele des MaP nicht berücksichtigt, nach § 34 Abs. 1 BNatSchG eine Verträglichkeitsprüfung durchführen.

Dies gilt auch für Maßnahmen der regelmäßigen forstlichen Praxis, die den Erhaltungszielen des Gebiets widersprechen können und zu erheblichen Beeinträchtigungen des FFH-Gebiets führen.

g) Das Land muss auf die Einhaltung dieser Verpflichtungen nach e) und f) bestehen, weil ansonsten die Verletzung der Vorgaben der FFH-RL und somit ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission drohen.

3. Fazit

Eine rechtliche Bindung der Kommunen zur Umsetzung der MaP besteht nicht. Aus der Gemeinwohlverpflichtung erfolgt zwar keine zwingende und unmittelbare Verpflichtung der Kommunen, die MaP zu beachten. Der Gesetzgeber betont jedoch die besondere Verantwortung der Kommunen für den Schutz von Natur und Landschaft und sieht „Soll-Regelungen“ mit konkretem Bezug auf die Berücksichtigung der Natura 2000-Ziele vor.

Eine Verschlechterung der LRT und Arten lässt das europäische und nationale Recht nicht zu. Daher müssen letztlich auch die Gemeinden die Erhaltungsziele und -maßnahmen im Kommunalwald umsetzen. Der MaP bietet hierfür die Grundlage, zumal er unter Beteiligung der Kommunen erarbeitet wurde.

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gez. Kaiser

Herausgeber

Landesbetrieb ForstBW

Postfach 10 34 44, 70182 Stuttgart

Autoren

FVA, Abt. Waldnaturschutz:

Christina Baumhauer Andreas Schabel Vanessa Tschöpe

Institut für Naturschutz- und Naturschutzrecht Tübingen:

PFITZER GmbH & Co. KG, Renningen

Kontakt

Urs Hanke, Carsten Hertel, Daniel Meyer, Dietmar Winterhalter

FVA, Abt. Waldnaturschutz:

Marisa Molinari

Zitiervorschlag

ForstBW (Hrsg.) (2018):Natura 2000 im Wald von Baden-Württemberg. 93 Seiten, Stuttgart.

Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit Genehmigung des Herausgebers unter Quellenangabe.

Stand: März 2018, ForstBW Drucknummer: 13-2018-52

Diese zwei Zertifikate zeichnen die naturnahe und nachhaltige Bewirtschaftung des Staats- waldes durch den Landesbetrieb ForstBW aus.

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