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8. S TEIERMARK

8. Steiermark

8.1 Nachbarn und ihre Rechte

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8.1.1 Definition und Parteistellung

Die Definition des „Nachbarn“ findet sich in § 4 Z 44 Stmk BauG121. Ein Nachbar ist dem-nach Eigentümer oder Inhaber eines Baurechtes (Bauberechtigter)

► der an den Bauplatz angrenzenden Grundflächen sowie

► jener Grundflächen, die zum vorgesehenen Bauplatz in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen,

− dass vom geplanten Bau oder dessen konsensgemäßer Benützung Einwirkungen auf diese Grundflächen ausgehen können, gegen welche die Bestimmungen die-ses Gesetzes Schutz gewähren, oder

− dass von seiner genehmigten gewerblichen, land- oder forstwirtschaftlichen Be-triebsanlage sowie von einer Anlage, die dem Steiermärkischen Seveso-Betriebe Gesetz 2017 unterliegt, Einwirkungen auf den Bauplatz ausgehen können.

Die Eigenschaft als Nachbar definiert sich also im Wesentlichen am Grundeigentum der direkt angrenzenden oder in einem besonderen räumlichen Naheverhältnis stehenden Grundflächen. Die sog heranrückende Wohnbebauung gewährt auch Betriebsinhabern die Nachbareigenschaft.

Die Nachbareigenschaft kommt im Fall mehrerer Eigentümer an einer Liegenschaft den einzelnen Miteigentümern zu. Dann ist jeder Miteigentümer einer solchen Grundfläche Nachbar im Baubewilligungsverfahren, nicht nur die Gesamtheit der Miteigentümer.122 Von der Eigenschaft als Nachbar ist die Parteistellung zu unterscheiden. Grundsätzlich kann jeder Nachbar Einwendungen erheben (dazu sogleich), es ist jedoch nach dem Gesetzeswortlaut nicht jeder Nachbar zur Verhandlung persönlich zu laden.

Von der Behörde sind zur Bauverhandlung nämlich nur jene Nachbarn persönlich zu laden, deren Grundstücke höchstens 30 m von den antragsgegenständlichen Bau-platzgrenzen entfernt liegen – diese hat der Bauwerber in seinem Ansuchen nach § 22 Abs 2 Z 4 Stmk BauG auch anzugeben –, alle übrigen durch Anschlag an der Amts-tafel.

Nachbar ist sohin grundsätzlich nur derjenige Eigentümer eines Grundstückes, der durch das geplante Bauvorhaben in seinen Rechten beeinträchtigt werden kann.

Die bloße Möglichkeit von Rückwirkungen des Bauvorhabens auf Grundflächen eines

121 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk BauG) LGBl 1995/59 idF LGBl 2020/71.

122 VwGH 20. 9. 2001, 99/06/0032.

8.2 Die mündliche Verhandlung und ihre Kundmachung

Nachbarn begründet dessen Parteistellung im Baubewilligungsverfahren. Die Frage der tatsächlichen Beeinträchtigung ist dann Gegenstand der Prüfung dieses Verfahrens.

Umgekehrt kann etwa bei einer Entfernung von mindestens 30 m vom Bauplatz und Da-zwischenliegen eines anderen Grundstückes eine Parteistellung des Nachbarn zu Recht verneint werden, wenn nicht besondere Umstände vorliegen (etwa Immissionen).

Durch die Ladung zu einer Verhandlung wird eine Parteistellung als Nachbar nicht be-gründet.

8.1.2 Einwendungen (Nachbarrechte)

§ 26 Abs 1 Stmk BauG bestimmt, dass der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilli-gung (nur) Einwendungen erheben kann, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn die-nen (subjektiv-öffentlich-rechtliche Einwendungen).

Die Aufzählung des § 26 Abs 1 Stmk BauG ist eine taxative und somit abschließende;

sie ermöglicht keine die Nachbarrechte erweiternde Auslegung. Zu den Nachbarrechten gehören daher Bestimmungen über

► die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan und einem Be-bauungsplan, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;

► die Abstände (§ 13 Stmk BauG);

► den Schallschutz (§ 77 Abs 1 Stmk BauG);

► die brandschutztechnische Ausführung der Außenwände von Bauwerken an der Nachbargrenze (§ 52 Abs 2 Stmk BauG);

► die Vermeidung einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung bzw unzumutbaren Beeinträchtigung (§ 57 Abs 2, §§ 58, 60 Abs 1, § 66 zweiter Satz und

§ 88 Stmk BauG);

► die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs 6 Stmk BauG).

Wird von einem Nachbarn die Verletzung eines Rechtes behauptet, das im Privatrecht begründet ist (privatrechtliche Einwendung), so hat die Behörde zunächst eine Eini-gung zu versuchen. Kommt keine EiniEini-gung zustande, so ist der Beteiligte mit seinen pri-vatrechtlichen Einwendungen auf den ordentlichen Rechtsweg zu verweisen; siehe dazu schon oben Punkt 2.3.

8.2 Die mündliche Verhandlung und ihre Kundmachung

8.2 Die mündliche Verhandlung und ihre Kundmachung

Nach § 24 Abs 1 Stmk BauG kann die Behörde über ein Ansuchen eine mündliche Bau-verhandlung durchführen. Ob sie eine solche durchführt, steht in ihrem Ermessen; dabei hat sie sich an den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Ko-stenersparnis (Grundsatz der Verfahrensökonomie) zu orientieren. Diese Bestimmung hält sich daher an die allgemeine Regel des AVG.

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Sofern eine Bauverhandlung abgehalten wird, ist jedenfalls zwingend ein Ortsaugen-schein durchzuführen.

Hinsichtlich der Kundmachung gilt Folgendes:

Die Anberaumung einer Bauverhandlung hat nach § 25 Abs 1 Stmk BauG durch persön-liche Verständigung der bekannten Beteiligten zu erfolgen. Als bekannte Beteiligte gelten unter anderem insb der Bauwerber sowie die Nachbarn, die der Behörde durch das auf seine Vollständigkeit und Richtigkeit hin überprüfte Verzeichnis nach § 22 Abs 2 Z 4 Stmk BauG bekannt geworden sind (das sind die sog 30-Meter-Nachbarn).

Wenn noch andere Personen als Beteiligte in Betracht kommen, ist die Verhandlung nach § 25 Abs 1 letzter Satz Stmk BauG überdies

► durch Anschlag in der Gemeinde oder

► durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung

kundzumachen. Anders als in § 41 Abs 1 AVG nennt das Stmk BauG die Möglichkeit mittels Verlautbarung im elektronischen Amtsblatt der Behörde nicht. Diese kann aber als geeignete Form im Rahmen der doppelten Kundmachung gewählt werden.

Die doppelte Kundmachung kann daher zB durch

► Anschlag in der Gemeinde und

► Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung oder

► Verlautbarung im elektronischen Amtsblatt der Behörde erfolgen.

8.3 Präklusion

8.3 Präklusion

Wurde eine Bauverhandlung doppelt kundgemacht, so hat dies auch nach § 27 Abs 1 Stmk BauG zur Folge, dass ein Nachbar seine Stellung als Partei verliert, soweit er nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Ver-handlung Einwendungen im Sinne des § 26 Abs 1 Stmk BauG erhebt.

Haben Nachbarn keine Einwendungen erhoben, haben sie eine allenfalls gegebene Par-teistellung verloren. Ihnen muss der Bescheid auch nicht mehr zugestellt werden. Eine allfällige dennoch erhobene Beschwerde123 gegen die Bewilligung ist zurückzuweisen.

Wurde eine Bauverhandlung nicht ordnungsgemäß doppelt kundgemacht, so er-streckt sich die darin bezeichnete Rechtsfolge (Verlust der Parteistellung) nach § 27 Abs 2 Stmk BauG nur auf jene Nachbarn, die rechtzeitig die Verständigung von der

123 Mit LGBl 2020/11 wurde der behördliche Instanzenzug im Bauverfahren in der Steiermark abgeschafft. Gegen erst-instanzliche Baubescheide kann daher direkt Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht erhoben werden.

8.5 Übergangener Nachbar

Anberaumung der Bauverhandlung erhalten haben. Das sind insb jene, die rechtzei-tig persönlich geladen wurden.

8.4 Quasi-Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Auch das Stmk BauG sieht eine eigene Regelung für die Quasi-Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor. Aus Gründen der Rechtssicherheit für den Bauwerber ist die An-tragstellung jedoch zeitlich begrenzt.

Nach § 27 Abs 3 Stmk BauG kann ein Nachbar, der seine Parteistellung aufgrund von Präklusion verloren hat und glaubhaft macht, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, rechtzeitig Einwendungen zu erheben, und den kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft (siehe dazu auch Punkt 2.6), binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses seine Einwendungen auch nach Abschluss der Bauverhandlung vorbringen, und zwar

► bis zum Ablauf von acht Wochen ab tatsächlichem Baubeginn oder

► ab Kenntnis der bewilligungspflichtigen Nutzungsänderung, längstens jedoch bis zum Ablauf eines Jahres ab durchgeführter Nutzungsänderung.

Solange über das Bauansuchen noch nicht entschieden wurde, sind im Falle einer be-rechtigten Quasi-Wiedereinsetzung die erhobenen Einwendungen von der Behörde in gleicher Weise zu berücksichtigen, als wären sie in der mündlichen Verhandlung erhoben worden. Wurde hingegen der Baubewilligungsbescheid bereits erlassen, gilt die Einbringung der Einwendung als Antrag auf Zustellung des Genehmigungsbe-scheides. Gegen den Genehmigungsbescheid (oder gegen den dem Antrag auf Zustel-lung nicht stattgebenden Bescheid) kann Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht erhoben werden.

Wird gegen den nachträglich zugestellten Bescheid Beschwerde erhoben, kann die Bau-behörde eine sog Beschwerdevorentscheidung fällen. Damit kann sie selbst den an-gefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufheben, abändern oder die Be-schwerde zurück- bzw abweisen (§ 14 VwGVG).

Binnen zwei Wochen nach Zustellung dieser Beschwerdevorentscheidung kann dann jede Partei den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Ent-scheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem eigentlichen Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, und ein Begehren zu enthalten (§ 15 VwGVG).

8.5 Übergangener Nachbar

8.5 Übergangener Nachbar

Ein Nachbar, der nicht aufgrund von Präklusion seine Parteistellung verloren hat und dem kein Bescheid zugestellt worden ist (übergangener Nachbar), kann seine Rechte ebenfalls auch nach der (nicht ordnungsgemäß doppelt kundgemachten) Bauverhand-lung noch geltend machen.

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Dies jedoch, anders als nach der generellen Regelung des AVG, nicht zeitlich unbe-schränkt. Hier gilt aus Gründen der Rechtssicherheit Ähnliches wie bei der Quasi-Wiedereinsetzung.

Nach § 27 Abs 4 Stmk BauG kann der übergangene Nachbar

bis zum Ablauf von drei Monaten ab tatsächlichem Baubeginn oder

ab Kenntnis der bewilligungspflichtigen Nutzungsänderung, längstens jedoch bis zum Ablauf eines Jahres ab durchgeführter Nutzungsänderung

nachträgliche Einwendungen gegen die bauliche Maßnahme vorbringen oder die Zustel-lung des Genehmigungsbescheides beantragen.

Für die Berücksichtigung gilt das oben unter Punkt 8.4 dargelegte.

Besondere Vorsicht ist im Fall der Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung gebo-ten. Mangels anderslautender Regelung sind nach der Rechtsprechung des VwGH in diesem Fall die oben dargestellten zeitlichen Beschränkungen des § 27 Abs 4 Stmk BauG nämlich nicht anwendbar.124 Ein übergangener Nachbar kann seine Rechte da-her nach der (nicht ordnungsgemäß doppelt kundgemachten) Bauverhandlung zeitlich unbeschränkt geltend machen.

Beispiel: Dies gilt etwa im nicht selten vorkommenden Fall einer erst nachträglich eingeholten Baubewilligung für ein (in dieser Lage oder dieser Größe) nicht bewilligtes Wohnhaus und damit eine zur Gänze konsenslose bauliche Anla-ge oder auch nur eines nicht bewilligten und daher konsenslosen Zubaus (Er-ker, Garage) zu einem Einfamilienhaus.

In beiden Fällen sollte daher jedenfalls eine (doppelt kundgemachte) Bauverhand-lung abgehalten werden, um für den Bauwerber Rechtssicherheit zu schaffen.

8.6 Nachbarrechte im vereinfachten Verfahren

8.6 Nachbarrechte im vereinfachten Verfahren

Im Jahr 2020 ist in der Steiermark die Baugesetznovelle 2019125 in Kraft getreten. Das bisherige Anzeigeverfahren wurde durch das vereinfachte Verfahren ersetzt und – insb auch hinsichtlich der Beteiligung der Nachbarn und deren Rechte – neu geregelt.

Im vereinfachten Verfahren ist nur der Bauwerber Partei (§ 33 Abs 7 Stmk BauG).

Nachbarn haben somit grundsätzlich keine Möglichkeit, ihre Nachbarrechte im Verfahren geltend zu machen. Mangels Parteistellung kann es auch nicht zum Verlust der Partei-stellung, also einer Präklusion, kommen. Von der Behörde ist jedoch auch im vereinfach-ten Verfahren von Amts wegen zu prüfen, ob Nachbarrechte verletzt werden (§ 33 Abs 4 Z 4 Stmk BauG).

124 VwGH 1. 8. 2018, Ro 2015/06/0011.

125 LGBl 2020/11.

8.6 Nachbarrechte im vereinfachten Verfahren

Die unmittelbaren Nachbarn haben im vereinfachten Verfahren jedoch einen nicht unbe-achtlichen Einfluss, nämlich wenn es generell um die Frage der Zulässigkeit der Durch-führung des vereinfachten Verfahrens geht. Nach § 33 Abs 2 Stmk BauG ist nämlich bei bestimmten Vorhaben126 der Nachweis der Zustimmung der

► an den Bauplatz angrenzenden Grundstückseigentümer sowie

► jener Grundeigentümer, deren Grundstücke vom Bauplatz durch ein schmales Grundstück bis zu 6 m Breite (zB öffentliche Verkehrsfläche, privates Wegegrund-stück, Riemenparzelle) getrennt sind,

anzuschließen. Die Zustimmung hat durch Unterfertigung der Baupläne zu erfolgen.

Kann der Bauwerber diese nicht vorlegen, hat die Behörde das ordentliche Baubewil-ligungsverfahren einzuleiten und den Bauwerber hievon zu verständigen. Diesfalls können die Nachbarn ihre Nachbarrechte im Verfahren geltend machen und ihre Partei-stellung auch wieder durch Präklusion verlieren.

126 Ua Neu-, Zu- oder Umbauten von Kleinhäusern, Errichtung, Änderung oder Erweiterung von Abstellflächen, Gara-gen oder Nebengebäuden.