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Steckbrief: Datenintermediäre und -treuhandmodelle

3. Steckbriefe der acht priorisierten Ideen – „Deep Dives“

3.1 Steckbrief: Datenintermediäre und -treuhandmodelle

Beschreibung der Idee

Datenbasierte Geschäftsmodelle treten zunehmend auf, wobei der Zugang zu und die Nut-zung von Daten aus unterschiedlichen Quellen ein Erfolgsfaktor für Innovation und Wett-bewerbsfähigkeit sind. Bislang geschieht die Datennutzung nicht in ausreichendem Maß.

Dadurch werden Unternehmen und insbesondere Start-Ups daran gehindert, innovative Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln.

Datenintermediäre („Treuhänder“) sind eine institutionelle Möglichkeit, den Austausch von Daten zwischen unterschiedlichen Akteuren zu organisieren und können somit einen ökonomischen Mehrwert bieten, etwa in Bezug auf:

➢ Aufbau gemeinsam genutzter Datenpools durch Unternehmen (mit oder ohne per-sönliche Daten)

➢ Sicherstellung der Vertrauenswürdigkeit einer Datennutzung/-weitergabe auf-grund regulatorischer Vorgaben

➢ Unterstützung Betroffener, ihre Selbstbestimmung besser auszuüben.

Ein anderes praktisches Beispiel – im Hinblick auf das Anwendungsfeld „Datentreuhänder für Bürger“ – ist Registermodernisierung und Once-Only-Prinzip.6 Dabei gilt, dass Bürge-rinnen und Bürger ihre Daten „einmal“ bei einer öffentlichen Stelle abgeben – in die Obhut eines Datentreuhänders. In einem Vertrag wird geregelt, für was diese Daten eingesetzt werdenkönnen und für was nicht – welche anderen Behörden also bspw. Zugang bekom-men können. Sobald die Bürgerin oder der Bürger dann von einer anderen Stelle aufge-fordert werden müsste, die Daten erneut abzugeben, entscheidet der Datentreuhänder im Hintergrund automatisch, ob diese Daten bereits vorliegen sollten – also gar nicht mehr erfragt werden müssen – oder ob die Bereitstellung von Daten nicht mit dem Vertrag ver-einbar ist. Auf diese Weise müssen Bürgerinnen und Bürger nicht mehrfach erneut ihre

6 Siehe auch: BDR.de_Datentreuhaender.pdf (bundesdruckerei.de).

Daten abgeben und verlieren nicht den Überblick darüber, wer eigentlich was über sie weiß.

Sinnvollerweise sollte der Anwendungsfall „Datentreuhänder für Bürger“ unter Auswahl exemplarischer sektoraler Anwendungsfelder erfolgen; denkbar wäre eine Erprobung bei-spielsweise in den Bereichen Gesundheit oder KFZ-Daten).

Beschreibung der rechtlichen Hürden

Derzeit werden rechtliche Hürden in verschiedenen Bereichen diskutiert. So ist es vor al-lem das Datenschutzrecht, dessen Vorgaben der Einführung solcher Geschäftsmodelle entgegenstehen könnte. Konkret ist beispielsweise umstritten, inwieweit der Dateninha-ber seine Einwilligung zu dem beabsichtigten Umgang mit Daten wirksam erklären kann (Art. 7 DS-GVO) und – und das ist noch problematischer – ob und ggf. wie das gemäß Art.

4 Nr. 11 DS-GVO erforderliche Maß an Informiertheit sichergestellt werden kann.

Gleichwohl ist umstritten (insbesondere für den Bereich des Datenschutzes), inwieweit rechtliche Hürden tatsächlich bestehen, die einem Erfolg von Datenintermediären entge-genstehen. Während auf der einen Seite rechtspolitisch die Forderung erhoben wird, für Datenintermediäre eine spezielle Form der Regulierung zu schaffen, wird von anderen die These vertreten, dass eine eigenständige Regulierung weder erforderlich noch derzeit sinnvoll sei, weil bereits die derzeitige Rechtslage solche Geschäftsmodelle zulasse.7 Konkrete Funktion einer Experimentierklausel

Eine Experimentierklausel kann dazu dienen, zu klären, welche Art (rechtlich) problemati-scher Datenaustausch durch Einschaltung des Intermediäres im konkreten Fall ermöglicht werden soll. Diese kann auch genutzt werden, um zu testen, welche den Datenintermedi-ären zu Grunde liegenden Geschäfts- und Organisationsmodelle sinnvoll sind. Experimen-tierklauseln sind in diesem Zusammenhang in mehreren Rechtsbereichen denkbar8:

7 Kühling/Sackmann/Schneider, Datenschutzrechtliche Dimension Datentreuhänder, September 2020, S. 37 Siehe:

Datenschutzrechtliche Dimensionen Datentreuhänder (ssoar.info); Kühling, Der datenschutzrechtliche Rahmen für Datentreuhänder, ZfDR 2021, 1.

8 Blankertz et al, Themenpapier Datentreuhandmodelle (April 2020), https://pure.mpg.de/rest/items/i-tem_3222478_2/component/file_3222479/content.

➢ Datenschutz: Erweiterung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) um eine durchsetzungsfähige Interoperabilitätsverpflichtung in Art. 20 DSGVO, Verpflich-tung zur Echtzeitportabilität bestimmter Daten, zur Bereitstellung von APIs, Er-leichterung der Ausübung von Betroffenenrechten

➢ Haftungsrecht: Präzisierung des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen in Bezug auf Datensätze insbesondere in Bezug auf die treuwidrige Weitergabe an Dritte und die unberechtigte Verwendung von Daten durch Dritte

➢ Sektorspezifische Regeln: Verpflichtungen/Kontrahierungszwänge bei überragend wichtigen öffentlichen Zwecken zur Zwangsnutzung von Datentreuhändern

Geeignetheit der Experimentierklausel

Insbesondere im Hinblick auf den Rechtsbereich des Datenschutzes bestehen Zweifel da-ran, ob tatsächlich Bedarf und Raum für Experimentierklauseln besteht. Gleichzeitig er-scheint das Phänomen der Datenintermediäre wegen seiner Vielschichtigkeit9 als eher un-geeignet, um im Wege einer Experimentierklausel sinnvoll erprobt werden zu können.

Chancen für eine Experimentierklausel

Offen ist, wie groß das politische Momentum für eine Experimentierklausel auf nationaler Ebene ist. Einerseits ist das Thema derzeit auf der politischen Agenda, und der politische Wille, Datentreuhandmodellen zum Erfolg zu verhelfen, ist groß10. Gleichwohl darf bezwei-felt werden, dass daraus auch für die Einführung einer Experimentierklausel auf eine breite politische Unterstützung geschlossen werden kann, da die Eignung einer Experi-mentierklausel zweifelhaft ist (dazu s. oben).

Unabhängig davon spricht ein weiterer Umstand eher gegen die Einführung einer Experi-mentierklausel – zumindest auf nationaler Ebene: Dies ist der Vorschlag der EU-Kommis-sion zum Data-Governance-Act vom 25.11.2020, der unter anderem eine unionsweite einheitliche Regelung zu Datenintermediären vorsieht. Insoweit bleibt unklar, inwieweit

9 Gemeint ist hier die Tatsache, dass Daten heute omnipräsent sind und Datenintermediäre dadurch prinzipiell in allen Lebensbereichen, basierend auf unterschiedlichen Organisations- und Prozessmodellen denkbar sind. Zwar können Datenintermediäre in Reallaboren getestet werden. Die dort gewonnenen Erkenntnisse haben jedoch aller Voraussicht nicht vollumfänglich und zwingend direkte Aussagekraft über andere Bereiche, in denen Datenintermediäre möglich sind.

10 Vgl. FAZ v. 18.11.2020 (Wie die Datenstrategie der EU aussieht (faz.net)).

künftig Raum und Bedarf für nationale Experimentierklauseln bestehen wird. Spielräume für Experimentierklauseln sieht der Data-Governance-Act nicht ausdrücklich vor, sodass insoweit der Spielraum begrenzt würde. Eine kurz- oder mittelfristige Änderung der DS-GVO, die für die Einführung von Experimentierklauseln zu Datenintermediären nötig wäre, ist politisch nicht wahrscheinlich.