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Statistische Analysen

Teil II Hauptuntersuchung: Die Lebenslagen der Bezügerinnen und Bezüger

4.6 Statistische Analysen

In einem ersten Arbeitsschritt wurde eine sorgfältige Aufbereitung der Daten durchge-führt. Dazu gehörte erstens eine umfassende Datenbereinigung. Zweitens wurden alle verwendeten Variablen auf fehlende Werte geprüft. Bei intervallskalierten Skalen wurden die fehlenden Werte durch den Mittelwert der Variablen ersetzt (Tabachnik &

Fidell, 1996). Drittens wurden Ausreisser sorgfältig korrigiert. Ein Wert wurde als Ausreisser definiert, wenn er mehr als drei Standardabweichungen vom Mittelwert abweicht. Die so definierten Ausreisser wurden nicht etwa ausgeschieden, sondern dann dem höchst gültigen Wert zugeordnet (Tabachnik & Fidell, 1996). Diese Korrek-tur musste lediglich in drei Variablen vorgenommen werden.10 Abschliessend mussten zusätzliche Recodierungen und inhaltliche Ausrichtungen der Variablen vorgenommen werden.

4.6.2 Bildung von Indikatoren

In einem zweiten Arbeitsschritt ging es darum, die verschiedenen Variablen deskriptiv auszuwerten und zu den jeweiligen Dimensionen zu bündeln. Dies erfolgte entweder über Einzelvariablen oder über die Konstruktion von Indizes.11

Die Verwendung von Indizes bietet sich an, wenn „ein einzelner Indikator die interes-sierende Dimension nicht mit ausreichender Genauigkeit misst“ (Schnell, Hill & Esser, 1999, S. 177). Sie ermöglichen es auch, mehrere Variablen zu einem einzelnen neuen Indikator zusammenzuführen, umso die weitere Analyse – ohne Informationsverlust – zu vereinfachen. Das heisst, eine derartige Konstruktion kann auch „als Reduktion des Merkmalsraumes“ verstanden werden (Ziegler, 1973).

Bei den einzelnen Dimensionen des konstruierten Fragebogens stellte sich also die Frage, welche Variablen ausgewählt und in welcher Form sie zu Indizes gebündelt werden sollen. Der Entscheid wurde anhand von theoretischen und methodischen

10 Es handelte sich um die Variablen „bezahlte Arbeit in Stunden pro Woche“, „Anzahl Personen pro Haushalt“

und „Grösse soziales Netzwerk“.

11 Unter einem ‚Index’ wird „eine Zusammenfassung von mehreren Einzelindikatoren zu einer neuen Variablen verstanden“ (Schnell, Hill & Esser, 1999, S. 160).

Methode 71 Überlegungen getroffen. So wurde darauf geachtet, dass die in die Indexbildung ein-gehenden Variablen die entsprechende Dimension passend abbilden, aber nicht zu vie-le fehvie-lende Werte aufweisen, die spätere statistische Analysen (Clusteranalyse) ver-unmöglichen könnten. Zusätzlich mussten die Variablen miteinander korrelieren und (etwa) dieselben Wertebereiche besitzen, damit die einzelnen Variablen nicht un-gleichgewichtig in den Index eingingen (Schnell et al., 1999). Die ausgewählten Vari-ablen wurden anschliessend additiv miteinander verrechnet und die gebildeten Indizes in dem Sinne „standardisiert“, dass (kategorial) hohe Werte immer auch mit (inhalt-lich) positiven Merkmalen verbunden waren.

Nach diesen Prozeduren lagen für 11 Lebenslagendimensionen entsprechende Indi-kator-Variablen vor. Für die Dimension „Tagesstruktur“ konnte aus methodischen Überlegungen heraus kein Indikator gebildet werden. Dafür wurde die Dimension

„Materielle Situation“ mit zwei Indikatoren abgebildet: Persönliches Einkommen und Haushaltseinkommen. Auf die Berücksichtigung des Äquivalenzeinkommens wurde verzichtet (vgl. Hinweis unter 6.1.3). Damit standen für die weiteren Analysen ins-gesamt 12 Indikatoren bereit. Von diesen zählen „Formale Bildung“, „Arbeitsinte-gration“, „Persönliches Einkommen“, „Haushaltseinkommen“ sowie „Wohnraum“ zu den ökonomischen Dimensionen; „Soziale Kontakte“ sowie „Freizeitaktivitäten“ zäh-len zu den sozialintegrativen Dimensionen und „Mobilität“, „Unabhängigkeit von Hilfe“, „Selbstbestimmung“ sowie „Absenz von Stigmatisierungserfahrungen“ zählen zu den behinderungsbezogenen Dimensionen. Die Dimension „physischer und psychi-scher Gesundheitszustand“ wurde keiner dieser Gruppen zugeordnet und steht für sich alleine.

4.6.3 Clusteranalyse

In einem dritten Arbeitsschritt sollten nun typische Lebenslagen gebildet werden.

Hierzu wurden die Indikator-Variablen mehreren Clusteranalysen zugeführt und diese formal und inhaltlich nach ihrer Güte beurteilt.

Grundlegendes Ziel jedes Clusterverfahrens ist das Auffinden von homogenen Grup-pen bzw. Clustern für eine Menge von Objekten (hier: Befragten). Damit verfolgt die Clusteranalyse genau die Zielsetzung einer Typologie von Lebenslagen: Es sollen auf der Grundlage von sogenannten Klassifikationsmerkmalen (hier: Lebenslagendimen-sionen) typische Konstellationen von Lebenslagendimensionen gefunden und zu Grup-pen (Cluster) vereinigt werden, die in sich sehr ähnlich (homogen), untereinander aber möglichst verschieden (heterogen) sein sollen.

In der Fachliteratur existieren jedoch eine Vielzahl von Ansätzen der Clusteranalyse.12

12 Vgl. dazu Bacher (1994); Bacher (2001); Bachkhaus, Erichson, Plinke & Weiber (2003); Berger-Schmitt (1997); Kolip (1997); Lamprecht & Stamm (1994); Micheel (2003); Schwenk (1999).

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In dieser Untersuchung wurde für die Prozedur „QUICK CLUSTER“ des Programm-pakets SPSS/PC+ (Version 11.5) angewendet.13 QUICK CLUSTER rechnet nach dem iterativen K-Means-Verfahren. Für eine bestimmte Clusterzahl k werden dabei die Clusterzentren so bestimmt, dass die Streuungsquadratsumme in den Clustern ein Mi-nimum wird.14

Die folgenden Indikator-Variablen gingen z-standardisiert in die Clusteranalyse ein:15 Höchster formaler Bildungsabschluss, Arbeitsintegration, Persönliches Einkommen, Haushaltseinkommen, Wohnraum pro Person, Gesundheitszustand, Soziale Kontakte, Teilnahme an extern-geselligen Freizeitaktivitäten, Mobilität, Unabhängigkeit von Hil-feleistungen, Selbstbestimmung, Absenz von Stigmatisierung.16

Das zentrale Problem der Clusteranalyse bezieht sich auf die Frage, wie viele Gruppen (Cluster) gebildet werden sollen und wie die Qualität einer Lösung beurteilt werden kann. Zur Bestimmung der optimalen Clusterzahl wurden Clusterlösungen von zwei bis zehn Clustern berechnet. Die Entscheidung darüber, welche Clusterlösung den Da-ten am besDa-ten gerecht wird, wurde entsprechend den Empfehlungen in der Fachlitera-tur anhand von folgenden Kriterien getroffen:

– Die durch eine bestimmte Clusterlösung erklärte Streuung (ETA2) bzw. relative Verbesserung gegenüber der vorhergehenden Lösung (PRE) und die F-MAX-Teststatistik (Bacher, 2001, S. 78ff.).

– Die einfaktorielle Varianzanalyse untersucht, ob sich die Mittelwerte der gebildeten Cluster signifikant voneinander unterscheiden (Lamprecht & Stamm, 1994, S. 306).

– Anhand der Mittelwerte und Standardabweichungen lassen sich die interne Homo-genität sowie die externe HeteroHomo-genität der Cluster überprüfen (Schwenk, 1999, S. 116).

13 Für Umfragedaten mit 1’000 und mehr Befragten sind hierarchische Verfahren (wie z.B. die Ward-Methode) verfahrenstechnisch und rechentechnisch ungeeignet. „Bei Datensätzen mit einer grossen Fallzahl ist der SPSS-Anwender auf die Prozedur QUICK CLUSTER angewiesen“ (Bacher, 2001, S. 73).

14 SPSS berechnet zunächst eine Startpartition von k Clusterzentren, die voneinander maximal entfernt sind.

Die gefundene Ausgangslösung wird schrittweise durch Neuzuordnung der einzelnen Objekte verbessert.

SPSS beendet den Prozess, wenn die vorgegebene Höchstzahl k überschritten wird oder wenn sich die Cluster durch weiteres Verschieben von Objekten nicht mehr verbessern lässt (Bacher, 2001, S. 73f.).

15 Durch die Z-Transformation werden die einzelnen Werte der Variablen „in eine Form umgewandelt, die es erlaubt, sie mit anderen Werten derselben oder einer anderen Verteilung zu vergleichen“ (Benninghaus, 2002). Ohne dass die Verteilung der transformierten Variablen verändert würde, liegen nach der Z-Standardisierung alle Indikator-Variablen mit gleichem Mittelwert (0), gleicher Standardabweichung (1) und gleichen Einheiten (Abweichung von Mittelwert) vor.

16 Da bei der Dimension „Diskriminierung – Integration – Partizipation“ vor allem Fragen zur Erfahrung und Befürchtung von Stigmatisierung zu einem Indikator gebündelt wurden, wurde der Indikator „Absenz von Stigmatisierung“ benannt.

Methode 73 – Die Diskriminanzanalyse prüft, ob sich gute Übereinstimmungen zwischen den Lö-sungen ergeben bzw. wie viel Prozent der Elemente den korrekten Clustern zuge-ordnet wurden (Lamprecht & Stamm, 1994, S. 306).

– Eine gefundene Typologie von Clustern sollte man eher hinsichtlich der Fragestel-lung auf ihre Brauchbarkeit beurteilen. Anhand ausgewählter soziodemographischer Merkmale lassen sich die Cluster ansatzweise daraufhin überprüfen, ob es sich um rein statistische Gruppen handelt oder ob diese auch lebensweltliche Einheiten bil-den (Schwenk, 1999, S. 117).

Eine Clusterlösung sollte also nicht so sehr von formalen Kriterien abhängig gemacht werden, „sondern auf jeden Fall inhaltlich interpretierbar sein“ (Bacher, 2001, S. 83).

Die vorgeschlagenen Clusterlösungen erfüllen diese Kriterien und sind inhaltlich gut interpretierbar.

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