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4 Doer/Non-Doer-Analyse

6 Standardisiertes Interview

Bei einem standardisierten bzw. (voll-) strukturierten Interview handelt es sich im Prinzip um das mündliche Abfragen mithilfe eines zuvor entwickelten Fra-gebogens. Dabei kann sowohl ein stan-darisierter Fragenbogen (vgl. Kap. 1) als auch ein selbstentwickelter Fragebogen (vgl. Kap. 2) zum Einsatz kommen. Ge-genüber der schriftlichen oder Online-Fragebogenbefragung hat das mündli-che Interview den Vorteil der direkten Interaktion zwischen Interviewerin bzw.

Interviewer und befragter Person.

Der Fokus dieser Methode liegt darauf, Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zu untersuchen. Zu diesem Zweck wer-den alle interessierenwer-den Variablen der entsprechenden sozialen Phänomene in Form von Fragen operationalisiert bzw.

messbar gemacht [1] und die entsprechen-den Daten bei einer größeren Gruppe von Befragungspersonen erhoben.

Standardisierte Interviews werden ein-gesetzt, wenn bereits umfängliches Vor-wissen zu dem Evaluations- oder For-schungsgegenstand besteht, sodass ein standardisiertes Erhebungsinstrument entwickelt werden kann.

Kurzbeschreibung

Struktur/Merkmale der Methode Ein standardisiertes Interview enthält überwiegend geschlossene Fragen, wobei sowohl der exakte Wortlaut der Fragen und Antwortmöglichkeiten als auch die Reihenfolge der Fragen vorge-geben sind. Die Methode ist somit zum einen durch das vollstandardisierte Er-hebungsinstrument (den Fragebogen) gekennzeichnet und zum anderen durch die vollstrukturierte und standardisierte Durchführung. Dementsprechend muss der bzw. die Interviewende darauf ach-ten, dass jedes Interview auch tatsäch-lich genau gleich durchgeführt wird [1, 2].

Für die Entwicklung des Fragebogens, der einem standardisierten Interview zugrunde liegt, gelten die Gütekriterien Objektivität (Unabhängigkeit der Ergeb-nisse von den Rahmenbedingungen), Reliabilität (Zuverlässigkeit der Ergeb-nisse und Genauigkeit der Messung) und Validität (Gültigkeit, dass ein Ver-fahren das misst, was es zu messen vor-gibt) [3, 4] (vgl. Kap. 1).

Personen und Technik

Ein standardisiertes Interview wird i. d. R. zwischen einer Befragungsper-son und einer Interviewerin bzw. einem Interviewer geführt. Dabei verwendet die interviewende Person in jedem Interview denselben Fragebogen, der wortgenau und in der immer gleichen Reihenfolge abgefragt wird. Bei großen Befragungen vieler Personen werden ggf. mehrere Interviewerinnen und Interviewer ein-gesetzt. Die Interviewdurchführung und Aufzeichnung der Antworten erfolgt ent-weder per Papierfragebogen („paper assisted personal interview“, kurz: PAPI) oder computerunterstützt („computer assisted personal interview“, kurz: CAPI) [2]. Standardisierte Interviews können persönlich („face-to-face“), telefonisch oder online (z. B. als Videokonferenz) durchgeführt werden.

Alle Interviewerinnen und Interviewer sollten entsprechend geschult sein und Erfahrungen im Führen von Interviews haben [4]. Es ist hilfreich, immer auch

eine untersuchungsspezifische Schu-lung für alle interviewenden Personen durchzuführen, um den Hintergrund der Untersuchung zu erläutern und den Fragebogen vorzustellen.

Ergebnisart

Ergebnisse standardisierter Interviews sind i. d. R. quantitative Datensätze, anhand derer sich aufgrund der Stan-dardisierung/Einheitlichkeit der abge-fragten Inhalte sowie der vorgegebenen Antwortmöglichkeiten statistische Kenn-zahlen berechnen lassen. Die ggf. im Rahmen offener Fragen generierten qua-litativen Daten werden z. B. für die Ka-tegorienbildung oder für die Nachzeich-nung spezifischer Fallkonstellationen verwendet [1].

Auswertung

Die Interviewdaten werden zunächst elektronisch erfasst, für die Auswer-tung überprüft und ggf. bereinigt. Der quantitative Datensatz kann anschlie-ßend entlang deskriptiver statistischer Kennzahlen ausgewertet werden (z. B.

Häufigkeiten oder Mittelwerte), aber auch Analysen der Inferenzstatistik sind möglich. Die Auswertung quanti-tativer Daten erfolgt i. d. R. mithilfe von Tabellenkalkulations programmen oder speziellen Statistikprogrammen [5].

Die im Rahmen offener Fragen gene-rierten qualitativen Daten müssen zu-nächst gruppiert/geclustert werden und

können z. B. mithilfe inhaltsanalytischer Methoden ausgewertet werden. Bei der Auswertung von Fragebögen sind statis-tische Fachkenntnisse und Erfahrungen erforderlich.

Zu Beachtendes

Grundsätzlich ist bei der Konstruktion eines Fragebogens Unterstützung von Personen ratsam, die Erfahrung in der Fragebogenentwicklung, dem Führen von Interviews sowie der Auswertung von Befragungsdaten haben. Ein neu entwickelter Fragebogen sollte in einem Pre-Test (Testbefragung) getestet und ggf. überarbeitet werden (vgl. Kap. 2).

Die Qualität der Interviews und der da-mit gewonnenen Daten ist in hohem Maße abhängig von der Professionali-tät und Gesprächsführungskompetenz der Interviewerinnen und Interviewer.

Damit der Einsatz des standardisierten Erhebungsinstruments auch tatsäch-lich zu standardisierten Interviews (und letztlich zu quantitativ auswertbarem Datenmaterial) führt, müssen die Inter-viewenden Sorge dafür tragen, dass je-des Interview auch tatsächlich unter den-selben Bedingungen und auf die gleiche Art und Weise durchgeführt wird [2].

Standardisierte Durchführung der Interviews generiert quantitative Daten und ermöglicht Vergleichbar-keit der Antworten zwischen Befra-gungspersonen

Berechnung deskriptiver und in-ferenzstatistischer Kennzahlen, quantifizierbare Ergebnisse und Ermittlung statistischer Zusammen-hänge möglich

Möglichkeit, eine große Stichprobe zu untersuchen

Gewissheit darüber, dass die erho-benen Daten von der gewünschten Befragungsperson stammen

Größere Verbindlichkeit, größere Sorgfalt und geringere Abbruch-rate im Vergleich zur Methode der schriftlichen Befragung

Gut geeignet, wenn es um relativ enge und klar vordefinierte Frage-stellungen geht oder um Themen, zu denen bereits ein großes Vor-wissen besteht

Vorteile [+]

Beispielhafte Einsatzgebiete In der Evaluation im Rahmen von:

Erhebung von Wissen und Meinungen, Einstellung und Verhalten bzgl. (neu-er) Themenbereiche und Maßnahmen

Messung von aktuellem Stand oder Veränderungen in Einstellun-gen, Wissen oder Persönlichkeits-eigenschaften

Überprüfung der Wirksamkeit von ein-gesetzten Maßnahmen auf Variablen, Zustände oder Indikatoren

Optimierung von Maßnahmen, Produkten oder Prozessen

Prüfung von Untersuchungs-hypothesen

Prüfung von Ursache-Wirkungs- Zusammenhängen

Darstellung von Trends/Entwicklungen

Ermittlung von Bedarfen

Begleitung einer Konzeptentwicklung

Bewertung von Teams, Produkten, Prozessen, Unternehmen und anderen zu analysierenden Objekten

Weitere mögliche Einsatzgebiete:

Markt- und Meinungsforschung

Sozial- und Gesellschaftswissen-schaften

Großer zeitlicher Aufwand für die Terminfindung und die Durchfüh-rung

Künstliche Gesprächssituation, da trotz des direkten/unmittelbaren Gesprächs ein vorgefertigter Fra-genkatalog abgearbeitet wird

Keine Flexibilität während des In-terviews: Fragen sind vorher fest-gelegt, kein individuelles Eingehen auf Befragungsperson möglich

Entdeckung noch unbekannter Problemfelder o. Ä. kaum möglich

Nicht geeignet bei neuen oder sehr komplexen Fragestellungen

Problem der sozialen Erwünscht-heit beim Antwortverhalten be-sonders hoch

Nachteile [–]

Literatur

[1] Döring, N.; Bortz, J.: Interview. In: Döring, N.; Bortz, J.: Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften. 5. Aufl. Springer, Berlin 2016, S. 356–397

[2] Prüfer, P.; Stiegler, A.: Die Durchführung standardisierter Interviews. Ein Leitfaden.

(GESIS-How-to-Reihe 11. Hrsg.: ZUMA, Mannheim 2002

https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/20143/ssoar-2002-pru-fer_et_al-die_durchfuhrung_standardisierter_interviews.pdf?sequence=1&isAllowed=y

&lnkname=ssoar-2002-prufer_et_al-die_durchfuhrung_standardisierter_interviews.pdf [3] Porst, R.: Fragebogen. Ein Arbeitsbuch. 4. Aufl. Springer, Wiesbaden 2014

[4] Diekmann, A.: Befragung. In: Diekmann, A.: Empirische Sozialforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendungen. 11. Aufl. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2017, S. 434–547

[5] Döring, N.; Bortz, J.: Quantitative Datenanalyse. In: Döring, N.; Bortz, J.: Forschungs-methoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften. 5. Aufl. Springer, Berlin 2016, S. 612–620.