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Stärken- und Schwächenanalyse der Instrumente einer ökologischen

Im Dokument 69/2017 (Seite 49-52)

2 Verhaltensbasierte Regulierung als Instrument der ökologischen Verbraucherpolitik

3.3 Stärken- und Schwächenanalyse der Instrumente einer ökologischen

Die Darstellung der „klassischen“ Instrumente einer ökologischen Verbraucherpolitik sowie die Ein-ordnung der Nudges in die „klassischen“ Instrumente führen zu der Frage, welche Stärken und Schwä-chen die jeweiligen Ansätze charakterisieren. EntspreSchwä-chend der Ausrichtung des Projekts geht es im Folgenden um eine vereinfachende Gegenüberstellung. In den Fallstudien werden die Nuancierungen deutlicher ausgearbeitet.

In der Entstehungszeit der Umweltpolitik in Deutschland in den 1970er Jahren stellten regulative Instrumente den typischen Regulierungsansatz dar. Aus der Perspektive politischer Entscheiderin-nen und Entscheider sind Verbote und Gebote interessant, da sie eine „stringente Steuerung suggerie-ren [und] einen hohen symbolischen Gehalt besitzen (Gefahr erkannt – Gefahr gebannt)“ (Böcher &

Töller, 2012, S. 77). Die Stärke dieser Instrumente besteht darin, dass sie etwa bei einer akuten

Gefah-50 renabwehr bzw. bei besonders gesundheitsschädlichen Stoffen rasch wirken und über eine hohe Treffsicherheit verfügen. Daher werden sie auch überwiegend in Fällen einer Gefahrenabwehr „für Leib und Leben“ eingesetzt.

Allerdings ist auch eine Reihe von Schwächen regulativer Instrumente aufzuzählen: Erstens sind diese Instrumente aus ökonomischer Perspektive relativ ineffizient. Denn alle Unternehmen, die beispiels-weise einen bestimmten Stoff emittieren, müssen die Regulierung in gleicher Weise erfüllen, ganz un-abhängig davon, welche Kosten sie jeweils dafür aufbringen müssen. Komparative Kostenvorteile in der Emissionsvermeidung werden demnach nicht genutzt. Zweitens bremsen Grenzwerte und Verbote Innovationen tendenziell. Da Grenzwerte relativ langlebig und Emissionen bis zum Grenzwert kosten-frei sind, besteht für Unternehmen kein Anreiz, nach neuen technischen Innovationen zu suchen. Statt für eine ständige Verbesserung zu sorgen, können Verbote und Grenzwerte demnach dazu führen, dass sie tendenziell den herrschenden Stand der Technik für einen langen Zeitraum zementierten (dy-namische Ineffizienz). Drittens stellen gesetzliche Regulierungen wegen ihrer im Staatsgebiet univer-sellen Geltung „one-size-fits-all“-Regelungen dar. Hierdurch kann berechtigten Sonderfällen nur unzu-reichend Rechenschaft getragen werden. Viertens sind diese Ansätze stark paternalistisch, da sie Wahlmöglichkeiten eliminieren (Verbote) oder spürbar beschränken (Gebote) (Böcher & Töller, 2012, S. 77–78; Rogall & Longo, 2004, S. 54–55). Diesen Schwächen regulativer Ansätze trägt die Verwal-tungspraxis durch weite Formen der Regulierung schon jetzt Rechnung.

In der regulatorischen Praxis setzte sich daher schnell die Erkenntnis durch, dass Ge- und Verbote oftmals nur das letzte Mittel darstellen, dass sie kontraproduktive Effekte produzieren können und dass weichere Instrumente geeigneter sein können als harte Ge- oder Verbote, um die politisch vorge-gebenen Ziele zu erreichen. Diese bleiben „the stick behind the door“, sie legitimieren Verwaltungs-handeln. In der Praxis dominiert responsive Regulierung (Baldwin & Black, 2007) oder auch experi-mental governance (Sabel & Zeitlin, 2008). Diese Ansätze lassen sich eindrucksvoll mit verhaltensba-sierter Regulierung kombinieren (siehe hierzu Purnhagen, 2014b).

Die ökonomischen Instrumente setzen an diesen Schwachstellen der regulativen Instrumente an.

Durch Umweltsteuern, Subventionen oder Mengenlösungen soll die Funktionslogik des Marktes aus-genutzt und hierdurch Verhaltensänderungen bei den Steuerungsadressaten ausgelöst werden. Der Vorteil ökonomischer Instrumente besteht demnach darin, dass von ihnen grundsätzlich eine dynami-schere Wirkung ausgeht. Denn es existieren wegen der komparativen Kostenvorteile für Unternehmen Anreize, die besteuerten Umweltauswirkungen ganz unabhängig von den jeweiligen Grenzwerten ein-zuschränken. Auch bieten sie Unternehmen ein großes Maß an Flexibilität, wie die Ziele erreicht wer-den sollen, sodass die Einhaltungskosten tenwer-denziell sinken (Europäische Kommission, 2007, S. 4).

Es gibt jedoch auch Schwächen dieser Instrumente. Zum einen wird die ökologische Wirksamkeit in Frage gestellt. Denn die Wirksamkeit hängt letztlich von der Eingriffstiefe (bspw. der Höhe der Abga-ben), Häufigkeit der Maßnahmenverschärfung, Verfügbarkeit von Technologien zur Effizienzsteige-rung oder zur Substitution und letztlich von den individuellen Kosten-Nutzen-Abwägungen der Unter-nehmen ab. Auch besteht bei Subventionen und Förderprogrammen die Gefahr von Mitnahmeeffekte.

Das heißt, dass Unternehmen die Subventionen beanspruchen, ohne dass dies in jedem Fall angemes-sen wäre (Rogall & Longo, 2004, S. 58, 64–65). Letztlich müsangemes-sen diese Instrumente auch durch die Steuerzahler finanziert werden und sind daher mit realen Kosten verbunden. Überdies wird durch Förderprogramme nicht ein allgemeines Preissignal gesetzt, sondern ganz bestimmte Alternativen zum umweltbelastenden Verhalten gefördert. Hierdurch besteht die Gefahr, dass Alternativen geför-dert werden, die im Markt keine Zukunft haben oder später als unvorteilhaft wahrgenommen werden (wie etwa die Kernenergie). Im Vergleich zu Steuern, die alle unbesteuerten Alternativen fördern, sind Förderprogramme daher wesentlich zielgenauer, aber genau aus diesem Grund auch anfälliger für Fehlentscheidungen (Pfaller, 2010, S. 5).

51 Hinsichtlich der Auswirkungen von Steuern auf Verbraucherinnen und Verbraucher – wie etwa bei einer ökologischen Steuerreform – wird kritisiert, dass der Entlastungseffekt für die Umwelt von einer Vielzahl von Faktoren abhängig ist, die weder politisch beeinflussbar noch vorhersehbar sind. Hierzu zählen etwa die Bedeutung des fraglichen Konsums (etwa das Fahren von SUVs) für die jeweiligen Verbraucher; das Einkommen der Verbraucher und damit die „Schmerzgrenze“, ab welchem Niveau das besteuerte Konsumverhalten nicht mehr durchgehalten wird; und letztlich die Kosten für umwelt-verträglichere Alternativen (John, 2013, S. 19–20). Überdies wird kritisiert, dass insbesondere verletz-liche Verbrauchergruppen mit geringem Einkommen von einer Ökosteuer betroffen wären, sollten die Effekte für diese Zielgruppe nicht durch andere Maßnahmen kompensiert werden. Hierdurch liefen Ökosteuern Gefahr, „unsozial“ zu sein. Abschließend hinterfragen verhaltenswissenschaftliche Er-kenntnisse die Grundannahme dieses Ansatzes, wonach sich Menschen stets vollständig rational und Nutzen-maximierend verhalten (Bartel, 1994, S. 37–38; Pfaller, 2010, S. 4–5).

Prozedurale Instrumente wie Umweltverträglichkeitsprüfungen oder das Ökodesign zeichnen sich dadurch aus, dass Umweltauswirkungen präventiv identifiziert und ggf. abgestellt werden können, bevor es zu negativen Auswirkungen kommt. Diese Instrumente standen jedoch in der Umsetzung zunächst vor der Herausforderung, da der ihnen innewohnende Sektor übergreifende Ansatz nicht mit dem sektoralisierten deutschen Umweltrecht kompatibel war (Böcher & Töller, 2012).

Die kooperativen Ansätze sind grundsätzlich dadurch geprägt, dass mit ihnen zeitlich relativ schnell auf neue Herausforderungen reagiert werden kann, dass Besonderheiten spezifischer Sektoren gut berücksichtigt werden können, dass die Eigeninitiative der Steuerungsadressaten gefördert wird und dass Selbst- und Ko-Regulierungen Möglichkeiten bieten, Regelungen in einem beschränkteren Wir-kungsradius „auszuprobieren“. Als Schwäche sind jedoch mangelnde oder unzureichende Durchset-zungsmechanismen, die Gefahr einer „Privatisierung des Rechts“ sowie Trittbrettfahrerproblematiken zu nennen (Spindler & Thorun, 2015, S. 25–27). Daher bezweifeln viele Fachleute aus der Umweltöko-nomie auch die umweltpolitische Eignung dieses Instruments (Rogall & Longo, 2004, S. 55–56).40 Der Vorteil informationeller Instrumente besteht darin, dass sie politisch und haushaltstechnisch relativ leicht und kostengünstig umgesetzt werden können. Allerdings stehen sie aus zwei wesentli-chen Gründen in der Kritik. Erstens ist die Steuerungswirkung dieses Instruments im Vergleich zu anderen Instrumenten am geringsten. Zweitens verweist die Verbraucherforschung darauf, dass Ver-braucherinnen und Verbraucher zunehmend überfordert sind, die Vielzahl von zur Verfügung stehen-den Informationen zu verarbeiten. Daher wird in der Verbraucherpolitik und Verbraucherforschung gefordert, dass es nicht länger darum gehen sollte, mehr, sondern bessere Verbraucherinformationen zu entwickeln – insbesondere auch unter Berücksichtigung verhaltenswissenschaftlicher Instrumente (vzbv, 2011; OECD, 2010a, S. 82–88; Reisch & Oehler, 2009).

Nudges zeichnen sich demnach gerade im Vergleich mit regulativen Instrumenten dadurch aus, dass sie eine Lenkungswirkung haben, ohne die Wahlmöglichkeiten von Verbrauchern von vornherein zu beschränken oder zu eliminieren. Im Gegensatz zu ökonomischen Instrumenten verfügen sie über den Vorteil, dass sie für Verbraucher und die Steuerzahler mit keinen signifikanten Kosten verbunden sind und berücksichtigen, dass Menschen nicht stets rational Nutzen-maximierend agieren (Reisch &

Sunstein, 2014, S. 334). Auch führen sie zu keinen Fehlanreizen wie es bei Steuern oder Subventionen der Fall sein kann (Galle, 2013a, S. 28). Im Vergleich mit informationellen Instrumenten verfügen Nud-ges überdies über eine höhere Zielgenauigkeit und Wirksamkeit.

40 Söllner (2002, S. 458) und Spindler & Thorun (2015, Kapitel 4) verweisen auf Maßnahmen durch die Selbstverpflichtun-gen zu einem Erfolg geführt werden können.

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