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Sprachlicher Excurs

Im Dokument VÖLKER UND (Seite 61-64)

Dass heutzutage auch bei uns in Deutschland sich ein grösse¬

res Publikum für den Bau der verschiedenen menschlichen Sprach¬

stämme interessirt , ist in erster Linie Werken wie Max Müller 's sprachwissenschaftlichen Vorlesungen zu verdanken . Ich darf es deshalb wohl wagen , eine kurze Skizze der Eigenthümlich -keiten der semitischen Grammatik zu geben , und werde be¬

müht sein , in so populärer Fassung als möglich dies zu thun . Zunächst schliesst sich dieser Excurs an die S. 12 nach der relativen Alterthümlichkeit und Ursprünglichkeit unternommene Anordnung und Aufzählung der semitischen Sprachen an , gleichsam als eine Art Illustrirung dazu. Es muss aber gleich hier davor gewarnt werden , in jener Aufeinanderfolge eine nun den sprachgeschichtlichen Verhältnissen entsprechende Chro¬

nologie der semitischen Sprachentwicklung der ältesten Zeit er¬

blicken zu wollen . Eine solche hoife ich später am Schluss dieser Vorträge in den Kapiteln über die ursemitische Kultur und die Geschichte der semitischen Sprachtrennung " zu ent¬

werfen ; man wird dann sehen , dass sich dieselbe keineswegs mit jener Reihenfolge deckt , mit andern Worten , dass sich nicht nothwendig deshalb auch zuerst arabisch , dann äthiopisch , dann assyrisch , dann hebräisch , dann aramäisch (oder etwa umgekehrt : zuerst aramäisch , dann hebräisch , dann assy¬

risch etc .) vom noch vereinigten ursemitischen abgezweigt haben müsse . Dagegen ist es am Platz , hier einige Worte zu sagen

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-über das , was man eigentlich unter Ausdrücken , wie indoger¬

manische , semitische Grundsprache (urindogermanisch , ursemi¬

tisch etc .) versteht , oder kurz , wie man sich die Entstehung und Entwicklung von Sprachstämmen oder Sprachfamilien zu denken habe . Es ist merkwürdig , wie unklare Begriffe gerade hier bei so vielen Gebildeten sich nochfinden .

Wenn in einem Kreis von Sprachen die Hauptelemente der Grammatik sich auf einen gleichen Typus zurückführen lassen , was man leicht schon bei oberflächlicher Vergleichung des Verbal - und Nominalbaus erkennen kann , dann liegt die Vermuthung nahe , dass diese Sprachen in einem engeren ver¬

wandtschaftlichen Verhältnis stehen . Zur Gewissheit wird dies vollends erhoben , wenn man noch findet , dass die charakteri¬

stischsten Bestandtheile des Wortschatzes , vor allem die Zahl¬

wörter , Personalpronomina , wie die meisten sogenannten con -creten Begriffe der Sprache , nämlich die Namen für Körper -theile , Thiere , Pflanzen , Geräthe etc . oder Verba wie essen , trinken , schlafen , regnen (im Gegensatz zu mehr allgemeinen Begriffen , wie glänzen , ziehen , Freude , Unglück etc .) gleich oder doch so ähnlich lauten , dass ein Zufall ausgeschlossen bleiben muss . Die Wissenschaft solcher Untersuchungen ist jung ; sie ist wie so viele andere bahnbrechende Forschungs¬

zweige erst eine Tochter unseres neunzehnten Jahrhunderts . So war allmählich sicher erkannt und bewiesen worden , dass vornehmlich zwei grosse Sprachstämme es sind , denen die Kultursprachen der alten Welt in ihren Sprachdenkmälern von der ältesten Zeiten bis in die nachchristliche Zeit herein , an¬

gehören : einerseits der indogermanische oder arische mit dem altindischen (Sanskrit), altpersischen , griechischen , lateini¬

schen ,germanischen ,slawischen und keltischen als Hauptzweigen , und andrerseits der semitische , wenn man auch bei letzterem ohne eigentliche nähere Begründung sich mehr mit der allge¬

meinen Erkenntnis des Factums begnügte . Denn eine semi¬

tische Sprachvergleichung als Wissenschaft existirt eigentlich doch erst seit wenigen Jahren , inaugurirt vor allem durch Bernhard Stade 's Lehrbuch der hebräischen Grammatik "

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(Leipzig 1879 ) un d unabhängig davon durch kleinere Arbeiten der assyriologischen Schule Friedrich Delitzsch ' s 22; vorbe¬

reitet war sie freilich schon durch Gesenius , Fleischer , Nöldeke und andere hervorragende Semitisten , wie ich an andern Orten schon gelegentlich hervorgehoben habe .23 Nur wenige alte Sprachen sind es , die nicht zu jenen beiden Sprach¬

stämmen , dem indogermanischen und semitischen gehören , so das alt -ägyptische , das sumerisch -akkadische , (in Europa ) das etruskische und wahrscheinlich das für uns verloren gegangene

alt -iberische ; da jedes derselben so ziemlich den einzigen uns noch erhaltenen Repräsentanten von den Sprachfamilien , zu denen sie gehören , bildet und wir ohnehin mit den beiden ersten uns im zweiten Heft noch näher zu befassen haben , so bleiben wir jetzt bei indogermanisch und semitisch als den besten Beispielen , wie man sich , um die obigen Worte zu wiederholen , die Entstehung und Entwicklung von Sprach¬

stämmen oder Sprachfamilien denn eigentlich zu denken habe . Mit dem letzten Ausdruck , nemlich Sprachfamilie , ist fast schon die Beantwortung gegeben , denn ein genealogisches Verhältnis ist logisch das einzig denkbare bei dem oben an¬

geführten Sachverhalt ; eine gleiche Verbalendung , wie in skt . bhara -ti ( „er trägt " ), lat . fer - t, deutsch (sie ge - )bier -t oder wie in skt. bharä -mi (ich trage), altirisch beri -m (dass.) oder ein und dieselbe Nominativendung wie in skt . nava - s,

gr . vio - g, lat . novu - s , goth . niuji -s , lit. nauje -s („neu") setzt nothwendig eine einheitliche Grundform für diese alle voraus , eine einheitliche Grundsprache für alle die Einzel¬

sprachen , aus denen die obigen Beispiele genommen sind . Wenn die so zu erschliessenden Grundformen in diesem Fall fast ganz wie die Sanskritformen lauten , so folgt daraus nicht etwa , dass wir nun im Sanskrit die Muttersprache der übrigen arischen Sprachen haben (ein früher viel verbreiteter Irrthum), sondern nur , dass hier eben das Sanskrit gerade die älteste Form bewahrt hat ; in andern Fällen hat das lateinische , in andern das griechische die dem ältesten am nächsten kom¬

mende Form erhalten . Nehmen wir die obigen Wörter als

Hommel , Die Semiten . I . 4

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Beispiele nicht blos für die Grammatik , sondern auch für den Wortschatz , so geht daraus zunächst hervor , dass alle indo¬

germanischen Sprachen (darunter Sprachen von Völkern , die als solche nachweislich nie mit einander historische Berüh¬

rungen hatten , wie z . B .Kelten und Inder , oder Römer und Inder ) eine Wurzel bhar *) für den Begriff tragen ", nav für den von

neu " verwendeten , dass ferner alle einmal - s als Nominativ -endung , -m ( i) und - t ( i) als Endung der i. und 3. Person Sing, beim Verbum gebrauchten . Die weitere unabweisbare Conse -quenz ist aber die , dass es einst eine vorgeschichtliche Zeit gegeben haben muss , wo alle indogermanischen Völker noch eine Volkseinheit mit einer gemeinsamen Sprache bildeten . Diese Sprache , und zwar in dem letzten Stadium bevor die noch vereinigten Indogermanen sich zu trennen und zu wan¬

dern anfingen , kann die wissenschaftliche Sprachvergleichung noch ziemlich reconstruiren , wenigstens in den Hauptformen und wichtigsten Wörtern , und nennt die so gewonnene und neuerschlossene Grundsprache urindogermanisch . Den sicheren Boden verlassen und mit reinen Hypothesen operiren heisst dagegen , wenn man nun z. B. für jenes bharämi ich trage " eine noch frühere Form ansetzen will , etwa bhar + a + ma (= tragen da ich ), wie man es wirklich that . Es kann einmal in einer vorindogermanischen Periode derartige noch rein agglutinirende Formen gegeben haben , aber zu¬

nächst ist es besser , solche mehr gewagten Restructionen , die für die Wissenschaft ja doch nur Vermuthungen bleiben können , noch aus dem Spiel zu lassen .

Wenden wir uns nun zu den semitischen Sprachen , von deren Bau ich in folgenden Seiten ein kurzes Bild zu geben beabsichtige , so gilt hier ganz das gleiche , wie es eben für die indogermanischen Sprachen ausgeführt wurde , und auch

:-ti verschliffen hat .

*) Grieclx. q>iQ (a wurde eben nur deshalb übergangen , weil bei ihm wie bei den meisten Verben im griechischen die 1. Person Sing , nicht mit -/xi gebildet wird und ebenso sich in der 3. Sing , das urspr ,

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