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Spiele

Im Dokument Praxisbuch für eine (Seite 29-34)

3. Pädagogisch handeln: Beispiele, Methoden und Projekte

3.3. Spiele

3.3.1. Geschlechterbewusste Pädagogik in geschlechtsgetrennten Gruppen1423

In vielen Kindertageseinrichtungen ist zu beobachten, dass die Jungen häufig aktiver, wettbewerbsorientierter und durchsetzungsfähiger als die Mädchen sind. Die Mädchen erscheinen dagegen in vielen Fällen ruhiger und spielen weniger körperbetont. Der spanische Pro-jektpartner fragte sich, ob Mädchen sich nicht doch auch gerne einmal so verhalten möchten wie viele der Jungen und Jungen einmal so wie viele Mädchen.

Deshalb entschieden sie sich dafür, in einer Kinder-tageseinrichtung in Barcelona mit zweijährigen Mäd-chen und Jungen einmal in der Woche in geschlechts-getrennten Gruppen zu arbeiten. In der Jungengruppe behandelten sie Themen wie Gefühle, Berührungen und Pflegetätigkeiten. Die Mädchen führten Tobespiele, Ballspiele und Übungen durch, die das Selbstvertrauen stärken.

Da die Absicht war, dass die Mädchen und Jungen erfahren, was die jeweils andere Gruppe gespielt und ge-tan hat, wurden die Gruppen nach jeder Einheit wieder zusammengeführt.

In der Regel dauerten die Jungen- und Mädchenein-heiten 45 Minuten und die gemeinsame Einheit 15 Mi-nuten.

Die Arbeit mit den Jungen

Die Arbeit mit den Jungen fand in einem ruhigen Grup-penraum der Kindertageseinrichtung statt. In den ver-schiedenen Einheiten wurde mit Tanz, Musik und Bil-dern zum Thema „Gefühle“ gearbeitet, verschiedene Massagespiele durchgeführt und Geschichten erzählt, in denen die männlichen Figuren ebenso mutig wie ängstlich waren. Weiterhin wurden die Jungen dazu angeregt, mit Puppen in Rollenspielen zum Beispiel Haushaltsarbeiten nachzuspielen. Außerdem wurden Verkleidungsspiele ausprobiert, um den Jungen die Möglichkeit zu geben, in unterschiedliche Geschlechter-Rollen zu schlüpfen.

Die Arbeit mit den Mädchen

Mit den Mädchen wurde meist im Freien gearbeitet. Sie spielten Fußball oder andere Ballsportarten, sie kletterten an Seilen hoch und bezwangen abenteuerpädagogische Hindernisse. Außerdem wurden ihnen Geschichten er-zählt, in denen die weiblichen Figuren durchsetzungsfä-hig und stark waren.

Die gemeinsame Arbeit mit Jungen und Mädchen Nach jeder Einheit wurden die Jungen und Mädchen wieder zusammengeführt und ihnen Gelegenheit ge-boten, mit Worten oder Bildern zu erklären, was sie in der geschlechtsgetrennten Gruppe gemacht haben und

23 Vgl. Vega Navarro, A. (2005), Kruse, Anne-Mette. (1996), Tim Rohrmann (2008).

wie sie sich dabei fühlten. Der spanische Projektpartner machte die Erfahrung, dass auch die Zweijährigen sich gut über ihre Erfahrungen austauschen konnten und sie die gemeinsame Einheit sehr interessant fanden.

Bewertung

Im Laufe der relativ kurzen Zeit konnten bei den Mäd-chen einige Veränderungen beobachtet werden. Es gab eindrucksvolle Fälle von sehr schüchternen Mädchen, die anfangs gar nicht an den körperlichen Aktivitäten oder den Ballspielen teilnahmen und im Laufe der Einheiten immer mehr Selbstvertrauen und Lust an körperlicher Betätigung gewannen. Veränderungen bei den Mädchen waren nicht nur in den geschlechtsgetrennten Gruppen wahrzunehmen, sondern auch im geschlechtshetero-genen Alltag der Kindertageseinrichtung. Auch bei den Jungen konnten Veränderungen beobachtet werden. Sie spielten beispielsweise häufiger spontan mit Puppen oder waren häufiger mit Bügeln beschäftigt als dies vor dem Projekt der Fall gewesen war..1524

3.3.2. Verzauberte Kindertageseinrichtung Der spanische Projektpartner beobachtete in einer an der Projektdurchführung beteiligten Kindertagesein-richtung in Barcelona, dass in der Gruppe der 5-jährigen Kinder die Jungen „präsenter“ waren als die Mädchen.

Die Jungen nahmen mehr Raum ein, hatten größeren Redeanteil, antworteten häufiger auf Fragen und zeigten größeres Interesse an neuen Aktivitäten als die Mäd-chen.

Eines Tages beobachteten sie, wie sich ein Junge kurz nach Beendigung einer gemeinsamen Gruppenaktivität an den einzigen Computer setzte. An dem Computer können die Kinder altersangemessene Spiele und Mal-programme nutzen. Nach und nach meldeten andere Jungen ihr Interesse an, am Computer zu spielen. In der ganzen Zeit der Beobachtung ging kein Mädchen in die Nähe des Computers oder trug sich in die Warteliste ein. Eine der anwesenden Erzieherinnen wurde gefragt, warum das so sei. Sie meinte daraufhin: „Die Mädchen gehen für gewöhnlich nicht in die Nähe des Computers.

Sie interessieren sich nicht so richtig dafür.” Der spa-nische Projektpartner hatte jedoch eher den Eindruck, dass die deutliche Jungenpräsenz am Computer dazu führte, dass die Mädchen den Computer für sich nicht entdecken konnten oder wollten.

24 Ein ähnliches Ergebnis findet sich auch bei Vega Navarro (2005), die über einen Zeitraum von zehn Jahren geschlechtsgetrennte Gruppen durchgeführt hat. Sie beschreibt, dass Mädchen durch die Arbeit in geschlechtsgetrennten Gruppen eher als Jungen ihre Handlungs- und Entfaltungsmöglichkeiten vergrößerten.

Doch auch bei mehr als 20 Prozent der Jungen konnte Navarro Verhalten feststellen, das Geschlechtergrenzen überschritt.

Die Erfahrung in dieser Kindertageseinrichtung führte dazu, dass die spanischen Projektparter eine Methode entwickelten, die es Mädchen und Jungen ermöglichen sollte, geschlechteruntypische Aktivitäten auszuprobie-ren. Sie nannten die Methode „Verzauberte Kinderta-geseinrichtung“ und führten sie in den Einrichtungen durch, in denen ein sehr ausgeprägtes geschlechterty-pisches Spielverhalten bei den Kindern auszumachen war. Im Rahmen dieser Methode wurde den Kindern in geschlechtergetrennten Gruppen eine Geschichte er-zählt, in der Mädchen und Jungen sich auch mal un-typisch verhalten möchten. Im Anschluss daran kommt ein Zauberer bzw. eine Hexe zu den Kindern und bietet diesen an, Dinge zu verändern. Die Kinder können dann drei Wünsche äußern, was sie gern einmal anders ma-chen würden.

Die Methode162

Erzählen Sie den Kindern ihrer Gruppen eine Geschich-te, die das alltägliche (geschlechtertypische) Spielverhal-ten ihrer Kinder aufgreift. Schaffen Sie jedoch eine Dis-tanz zum tatsächlichen Leben der Kinder, indem Sie die Geschichte „weit weg und vor langer Zeit“ spielen lassen.

Beschreiben Sie in der Geschichte, wie die Mädchen und Jungen meistens gern ihre geschlechtertypischen Spiele spielen, dass sie aber auch immer wieder den Wunsch verspüren, untypischen Interessen nachzugehen. Ein Teil der Geschichte könnte beispielsweise folgendermaßen aussehen:

Die Jungen spielen Herumrennen, Fußball, Spiele, bei de-nen es ums Kämpfen und sich gegenseitig Umbringen geht.

Manchmal wollten die Jungen nicht mehr herumrennen, sondern lieber mit Puppen spielen oder mit den Mädchen.

Manchmal wollten sie mehr mit den Erzieher/innen ku-scheln, aber sie trauten sich nicht, weil die anderen sich vielleicht über sie lustig machen könnten. Und dann gab es noch andere Dinge, wegen derer die Jungen manchmal unglücklich waren ...

Die Mädchen spielen mit Puppen, pflegen sie, wenn sie krank sind. Meistens malten sie und spielten mit den ande-ren Mädchen Rollenspiele. Manchmal wollten die Mädchen jedoch mehr herumrennen, laut sein und sich schmutzig machen, so wie die Jungen. Manchmal wollten sie zwischen die Jungen gehen und sie vom Kämpfen und Herumbrüllen abhalten und sie um ihre Hilfe bitten ...

Eines Tages kommen eine gute Hexe und ein guter Zau-berer in die Stadt, die geheime Wünsche erfüllen kön-nen. Fordern Sie ihre Kindergruppe auf, der Hexe und dem Zauberer Dinge vorzuschlagen, die sie für die Kin-der in Kin-der Geschichte änKin-dern sollen.

Erzählen Sie Ihren Kindern daraufhin, dass die Hexe

25 Diese Methode wurde von Norman Duncan entwickelt.

und der Zauberer auch zu ihnen kommen könnten. Da-für müssten sich die Kinder jedoch in geschlechterge-trennte Gruppen aufteilen. Teilen Sie die Kindergrup-pe in Mädchen- und JungengrupKindergrup-pen auf und lassen Sie dann die Hexe und den Zauberer in Form einer Hand-puppe auftauchen. Die Hexe bzw. der Zauberer fragen dann die Kinder, was sie denn gern im Tagesablauf der Kindertageseinrichtung verändern würden. Wenn die Kinder sehr viele Dinge ändern möchten, sollen sie sich erstmal auf drei Wünsche einigen. Sobald die Kin-der ihre Wünsche geäußert haben, bekommen sie ihre Wünsche erfüllt, soweit dies möglich ist und können für eine bestimmte Zeit neue Spiele und Tätigkeiten ausprobieren. Nachdem die Kinder in geschlechterge-trennten Gruppen sich ihre Wünsche erfüllt haben, kommen die Gruppen wieder zusammen und zeigen der jeweils anderen Gruppe, welche Veränderungen sie sich gewünscht haben und welche neuen Spiele sie aus-probiert haben. Sprechen Sie mit den Kindern darüber, wie sie die verzauberte Spieleinheit empfunden haben.

Vielleicht ist es auch notwendig, Vereinbarungen zwi-schen den Gruppen auszuhandeln und sie zu fragen, welche Zauberkraft sie brauchen, damit Veränderungen von Dauer sind.

In den folgenden Tagen und Wochen können Sie mit den Kindern in verschiedenen Situationen wieder an die Geschichte anknüpfen und neue Veränderungen zaubern. Die Erfahrungen mit den verzauberten Spiel-einheiten können in Form von Bildern und Texten ver-arbeitet werden, die dann an die Wand gehängt wer-den.

Erfahrung mit der Methode

Der spanische Projektpartner führte die Methode „Ver-zauberte Kindertageseinrichtung“ auch in der Kin-dertageseinrichtung durch, in der nur die Jungen den Computer nutzten. Als die Mädchen und Jungen nach dem Spiel in geschlechtergetrennten Gruppen wieder zusammenkamen, beklagten sich die Mädchen bei den Jungen darüber, dass immer nur die Jungen den Com-puter nutzen würden und sie nie mit dem ComCom-puter spielen könnten. Die Jungen und Mädchen einigten sich im folgenden Gespräch darauf, dass soweit wie möglich immer ein Mädchen und ein Junge zusammen den Computer nutzen sollten.

Die Methode wurde auch in anderen Kindertagesein-richtungen erprobt und jedes Mal gab es eine Reihe von Jungen, die sich gern als Prinzessin verkleideten oder mit Puppen spielten. Die Projektdurchführenden gewannen den Eindruck, dass unsere Methode den Kindern einen größeren Freiraum ermöglichte, diesen Interessen nach-zugehen. In einer Kindertageseinrichtung nutzten die Mädchen die Methode, um das erste Mal in der Einrich-tung gemeinsam Fußball zu spielen.

3.3.3. Wie fühlt sich das an? Verkleidung und Geschlechter-Rollentausch

Mein Bruder trägt gern Röcke!

Bei einem Videointerview in einer spanischen Einrich-tung erzählte ein fünfjähriges Mädchen wie jemand, die ein Geheimnis preisgibt, dass ihr kleiner vier Jahre alter Bruder ihre Kleider auftrage. Gut finde sie das überhaupt nicht, da er ihre Kleider nämlich schmutzig mache. Durch die Art und Weise, wie sie die Geschichte ihres Bruders erzählte, entstand der Eindruck, dass sie Kleider tragende Jungen schlimm und nicht normal finde.

Wenn Kinder danach befragt werden, woran Jungen oder Mädchen erkannt werden können, zählen sie stets bestimmte Kleidungs- oder Schmuckstücke auf, die sie ausschließlich Mädchen oder Jungen zuordnen. Das ist nicht verwunderlich, denn Mädchen und Jungen nut-zen oft kulturell anerkanne geschlechterdifferenzierende Codes wie Kleidungs- und Schmuckstücke, um sich mit ihrem Geschlecht zu identifizieren und sich vom jeweils anderen Geschlecht abzugrenzen.

Dennoch gab es in allen Einrichtungen, in denen die Methode erprobt wurde, immer Kinder, die sich diesen klaren geschlechtertypischen Zuordnungen widersetzten:

Viele Mädchen, die Hosen und kurzes Haar trugen, viele Jungen, die gerne Röcke anzogen und ausgelassen tanz-ten und während der Videointerviews erzähltanz-ten, dass sie sich gern als Prinzessin verkleiden oder gerne lange Haare hätten.

Erfahrungen zeigen, dass Mädchen und Jungen sehr unterschiedlich mit den Anforderungen einer Gesell-schaft umgehen, die so deutlich von einer „Zwei-Ge-schlechter-Kultur“ geprägt ist. Während sich ein Teil der Kinder meist sehr strikt an Geschlechterstereotypen orientiert, ist ein anderer Teil der Kinder gewillt, Ge-schlechtergrenzen immer wieder (auch für längere Zeit) zu überschreiten.

In der spanischen Kindertageseinrichtung „CEIP Agora“

wurde mit den Erzieher/innen ein Verkleidungsspiel ent-wickelt, das Kindern das Überschreiten von Geschlech-tergrenzen ermöglichen sollte, ohne dass sie dafür von ihren Freund/innen ausgelacht werden.

Die Methode

In der Kindertageseinrichtung CEIP Agora verkleiden sich fast alle Jungen und Mädchen gerne. In den Grup-penräumen gibt es Verkleidungskisten, die viele Kinder geschlechtertypisch nutzen, sei es weil sie geschlechter-typische Rollen spielen, sei es weil sie sich vor den ande-ren Kindern nicht trauen Geschlechtergande-renzen zu über-schreiten. Das Verkleidungsspiel zielte darauf ab, mit einem einfachen Zufallsspiel Jungen und Mädchen die Gelegenheit zu geben, in vielfältige Geschlechter-Rollen zu schlüpfen.

In einem ersten Schritt wurden eine relativ große

Anzahl von Kostümen und Kleidungsstücke zusam-mengetragen, mit deren Hilfe dann so viele verschiedene (männliche) und „weibliche“ Figuren wie es Kinder gab entwickelt wurden.

Im Anschluss wurden die Namen jeder Figur, für die es auch Verkleidungsstücke gab, auf einen Zettel ge-schrieben (Prinzessin, Hexe, Prinz, Polizist etc.).

Danach wurden die Jungen und Mädchen aufgefor-dert, einen beliebigen Zettel zu ziehen.

Die Jungen und Mädchen zogen dann die für ihre Figur bestimmten Kleidungsstücke an und schlüpften in ihre Rollen. Das führte dazu, dass sich zum Beispiel ein Junge als Prinzessin und ein Mädchen als Opa ver-kleideten. Die Jungen und Mädchen spielten dann eine Zeitlang die ihnen zugewiesenen Rollen.

Zuletzt wurden die Kinder aufgefordert, die von ih-nen gespielte Figur zu malen, und gefragt, ob das Spiel ihnen gefallen hatte oder nicht.

3.3.4. Koeduaktive Spielecken1726

In den meisten Kindertageseinrichtungen gibt es di-verse „Spielecken“, wie zum Beispiel die Puppen- oder die Bauecke. Jungen und Mädchen tendieren dazu, diese geschlechtertypisch zu nutzen. Oft halten die Mädchen sich in der Puppenecke auf, in der sie sich um ihre Babys kümmern, kochen und das Haus sauber halten. Die Jun-gen dageJun-gen spielen in der Bauecke, bauen Autos, Flug-zeuge oder Burgen und spielen Ritterkämpfe nach.

Das Spiel in den unterschiedlichen Spielecken beein-flusst und verfestigt die Weiblichkeits- und Männlich-keitsbilder der Jungen und Mädchen, weshalb es sich hierbei unserer Meinung nach um besonders gut geeig-nete Orte handelt, die kindliche Vorstellung dessen, was männlich und weiblich ist, zu erweitern.

Im Folgenden werden Beispiele spanischer und einer österreichischen Kindertageseinrichtungen beschrieben, in denen Strategien umgesetzt wurden, verschiedene Spielecken für geschlechterpädagogische Interventionen zu erweitern.

Erste Strategie: Umgestaltung der Spielecken Eine Kindertageseinrichtung richtete neue Spielecken ein, benannte bestehende Spielecken um und ergänz-te diese mit neuem Maergänz-terial und erleichergänz-terergänz-te somit das Zusammenspiel von Mädchen und Jungen. Die Erzie-herinnen richteten ein Restaurant, ein Büro und eine Tierecke ein und für die Verkleidungskiste wurden neue Kleidungsstücke, wie Anzüge, Aktenkoffer und Bauar-beiterhelme angeschafft. Das Kasperltheater bekam neue Figuren mit einer weniger aufgeladenen „geschlecht-lichen Symbolik“ als dies bei den herkömm„geschlecht-lichen He-xen, Prinzessinnen, Königen etc. der Fall ist. Andere Spielecken wurden wiederum mit einem neuen Namen

26 Vgl. Lobato, E. (2005).

versehen. Die Puppenecke wurde zur Babypflege-Ecke, die Autowerkstatt ab sofort zur „Werkstatt für Mechani-ker und MechaniMechani-kerinnen“.

Zweite Strategie: Spieleckenwechsel

In einer anderen Kindertageseinrichtung wurde das Spielen in den Spielecken an zwei Tagen vorgegeben.

Die Kinder teilten sich an diesen Tagen in gemischtge-schlechtliche Kleingruppen auf und wechselten in einem bestimmten Zeitrhythmus die Spielecken, so dass jedes Kinder einmal in allen Spielecken spielte. In bestimmten Situationen wurden den Kindern Rollenspielvorschläge angeboten, in denen zum Beispiel der Vater kocht oder die Kinder zur Schule bringt.

Dritte Strategie: Auflösung der Spielecken In Wien wurden im Kindertagesheim fun&care die Puppen- und Bauecken ganz abgeschafft und das ge-samte Spielmaterial in Rollcontainern umgelagert.1827 Die Kinder können von nun an ihr Spielmaterial dorthin rol-len, wo sie es gerade benötigen. Dadurch wird es mehre-ren Kindergruppen ermöglicht, an verschiedenen Orten gleichzeitig zu bauen oder mit Puppen zu spielen. Mäd-chen und Jungen können auch zum Beispiel nicht mehr wie in einem weiter oben beschriebenen Beispiel aus der Bau- oder Puppenecke unter dem Verweis vertrieben werden, Mädchen hätten in der Bauecke und Jungen in der Puppenecke nichts zu suchen.1928

3.3.. Geschlechtergerechte Nutzung von Spielplätzen 29

„Zeit zum Spielen. Der Spielplatz ist in zwei große Be-reiche aufgeteilt: ein Bereich mit unbefestigtem Boden und Schaukeln und ein zementierter Bereich mit Fußballtoren und Basketballkörben. Am Rand dieser beiden Bereiche stehen Bänke und einige Tische. Das erste, was die Auf-merksamkeit des Beobachters auf sich zieht, sind die Spiele der Jungen. Eine Gruppe von ihnen spielt mit zwei kleinen Fahrrädern. Jeweils zwei Jungen sitzen auf einem Fahrrad und drei andere Jungen schieben es über den Spielplatz mit dem unbefestigten Boden. Die Räder werden immer schneller und stoßen immer mal wieder gegen ein großes Eisentor, das den Spielplatz von der Straße trennt. Bilder von Motorradrennen und Unfällen drängen sich auf. Die Fahrräder sorgen für große Aufregung, weil alle Jungen darauf fahren wollen, und so wird viel geschubst und ge-rempelt. Eine Erzieherin greift ein und bringt die Jungen dazu, sich mit den Fahrrädern abzuwechseln. Auf dem Zementplatz spielen die Jungen Fußball.

Und wo sind die Mädchen? Sie spielen im Sand,

unter-27 Vgl. Frauenbüro Stadt Wien (2003).

28 Vgl. das Beispiel „Finja und ihr Interesse am Bauteppich“, Seite 17 29 Vgl. Rohrmann (2008), Schneider, (2005), Subirats/Tomé

(2007).

halten sich auf den Bänken, sitzen auf den Schaukeln.”

(Deutsche Übersetzung aus dem Beobachtungsbuch der Kindertageseinrichtung CEIP Agora, vom 6. Oktober 2007).

Diese Beobachtung einer Erzieherin der spanischen Kin-dertageseinrichtung Agora lässt sich in vielen anderen Kindertageseinrichtungen auch wahrnehmen. Beobach-tungsstudien und Forschungsprojekte, die die Raumnut-zung von Jungen und Mädchen erkundeten, zeigen, dass Räume nicht gleichmäßig genutzt werden.2030 Häufig sind es die Jungen, die weiträumig körper- und laufbetonte Spiele spielen, während die Mädchen sich eher am Rand aufhalten. Die Ressource „Raum“ ist somit in der Regel geschlechterungerecht verteilt. Diese ungerechte Raum-verteilung spiegelt gesellschaftliche Machtverhältnisse wieder, die dadurch gekennzeichnet sind, dass es mehr-heitlich Männer sind, die wichtige öffentliche Positionen besetzen.

Beobachtungen zeigen weiterhin, dass Jungen und Mädchen im Freispiel selten zusammen spielen, unter anderem deshalb, weil das Zusammenspiel von Erzie-her/innen nicht unterstützt wird oder weil die Kinder keine Spiele kennen, die das Zusammenspielen beider Geschlechter fördert.

Praxisbeispiel

Die Kindertageseinrichtung CEIP Agora, in der Kinder im Alter von 3 - 12 Jahren betreut werden, legte einen Schwerpunkt ihrer geschlechterbewussten Arbeit auf die Raumnutzung von Jungen und Mädchen. Nach einer längeren Beobachtungsphase stellten die Erzieherinnen fest, dass auch in ihrer Einrichtung die Jungen den Großteil des Spielgeländes nutzten.

Die Erzieherinnen planten daraufhin, das Zusammen-spiel zwischen Jungen und Mädchen und eine gleichmä-ßigere Nutzung des Raumes zu fördern. Als erstes verbaten die Erzieherinnen an zwei Tagen pro Woche jegliche Art von Ballspielen. Die Erzieherinnen erklärten den Kindern, dass sie ihnen an diesen Tagen andere Spiele beibringen würden, die sie statt der Ballspiele spielen könnten. Dar-aufhin erstellten die Erzieherinnen zusammen mit den äl-teren Kindern Karten, auf denen die Regeln verschiedener kooperativer Gruppenspiele beschrieben wurden. Als die Erzieherinnen und die älteren Kinder eine Reihe von neu-en Spielbeschreibungneu-en erstellt hattneu-en, wurde jede Woche an zwei Tagen eines dieser kooperativen Spiele eingeführt.

Bevor alle Kinder die neuen Spiele ausprobieren konnten, brachten die älteren Kinder den jüngeren Kindern die Spiele bei. An zwei Tagen in der Woche spielten von nun an Jungen und Mädchen zusammen, teilten sich gleich-berechtigt die Ressource Spielgelände und lernten, besser miteinander zu kooperieren. Zudem wurden die älteren Kinder pädagogisch sinnvoll in die Neugestaltung der Wochenplanung eingebunden.

30 Vgl.Rohrmann (2008).

Im Dokument Praxisbuch für eine (Seite 29-34)