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Spezialfälle

Im Dokument Viele Stimmen, kein Kanon (Seite 32-35)

3 Systematisierung der Third Mission

3.1 Konkurrierende Definitionen

3.1.3 Spezialfälle

 

Es gibt zwei Aktivitätsbereiche, die regelmäßig zuerst genannt werden, wenn Hochschulen ihr Engage‐

ment jenseits klassischer Aufgaben beschreiben sollen: Weiterbildung und Technologietransfer. Diese bei‐

den Bereiche sind auch dadurch herausgehoben, dass in den letzten Jahren nahezu jede Hochschule eine  für Weiterbildung zuständige Organisationseinheit sowie eine Transferstelle oder vergleichbare Einrich‐

tung aufgebaut hat. Damit sind es zugleich die einzigen Third‐Mission‐Bereiche, für die bereits konsoli‐

dierte Erfahrungen mit hochschulorganisatorisch verstetigten und abgestützten Aktivitäten vorliegen.  

 

Weiterbildung

Weiterbildung taucht in den meisten Konzepten auf, die ein umfangreicheres Verständnis der Third Missi‐

on haben und sich nicht auf einzelne Phänomene, meistens Wissenstransfer, beschränken. Die Begrün‐

dung hierfür ist, dass Weiterbildung nicht eindeutig den Kernprozessen von Lehre und Forschung zugeord‐

net werden kann. Allerdings wird die Abgrenzung zu anderen Aktivitäten der Third Mission weitaus selte‐

ner thematisiert. So gilt Weiterbildung vor allem aufgrund des Umstandes, nicht Teil der ersten oder zwei‐

ten Mission zu sein, als Teil der Third Mission. 

Mit der Öffnung des Hochschulzugangs für die Massenbeteiligung wuchs auch der Weiterbildungsmarkt,  angetrieben von der zunehmenden Bedeutung akademischer Qualifikationen und beruflicher Flexibilität  (Szadkowski 2013: 203; Howard/Sharma 2006). Weiterbildungsangebote können zudem für Regionen mit  stark regionalisiertem Arbeitsmarkt eine herausragende Rolle spielen: Die Hochschulen können hier an  die Arbeitsplatzkapazitäten der Region angepasste Wege zwischen den unterschiedlichen Qualifikations‐

stufen ermöglichen, damit Qualifizierten jeder Ebene eine Anschlussmöglichkeit an eine höhere Qualifika‐

tionsebene in ihrer Region ermöglicht wird („upskill“‐Effekt) (Arbo/Benneworth 2007: 41f.). Flexible Wei‐

terbildungsmöglichkeiten sind auch dann notwendig, wenn auf die Bedarfe nicht‐traditioneller Interessen‐

ten an Hochschulbildungsangeboten angemessen eingegangen werden kann.  

Es gibt also, alles in allem, gute Gründe, Weiterbildung als Teil der Third Mission und nicht der Lehre im  traditionellen Sinne zu zählen. Abgrenzungsschwierigkeiten zur Lehre sind jedoch vereinzelt erkennbar,  vor allem dort, wo Weiterbildung in Form von nicht‐konsekutiven Aufbaustudiengängen angeboten wird. 

Solche Aktivitäten sind in der Hochschulpraxis kaum von ‚normalen‘ Tätigkeiten der Lehrenden zu unter‐

scheiden, auch wenn hier erweiterte – häufig auch zählungskräftige – Zielgruppen im Focus stehen.  

Trotz aller seit Jahren betriebenen Aktivitäten, z.B. auch die Bildung von Organisationseinheiten für Wei‐

terbildung an nahezu allen Hochschulen: Die tatsächlichen Weiterbildungsaktivitäten sind bislang über‐

schaubar geblieben. Gründe dessen sind vor allem drei: Universitäten haben Probleme, Weiterbildungs‐

bedarfe so zeitnah anzubieten, wie sie auftauchen (und sich ändern). Die meist nötige Praxisnähe kann  eher von nichtakademischen Weiterbildungsanbietern geboten – mitunter auch nur: behauptet – werden  als von Universitäten. Weiterbildungsleistungen des akademischen Lehrpersonals sind bisher nicht auf das  Lehrdeputat anrechenbar.  

Allerdings gibt es auch Gegenbeispiele. So fällt es Fachhochschulen leichter als Universitäten, Praxisnähe  in Weiterbildungsangebote zu integrieren. Für konkrete (und häufig zeitlich befristete) Weiterbildungsbe‐

darfe konnten auch Universitäten Programme entwickeln und umsetzen, etwa Bildungsmanagement zur  Fortbildung aller Schulleiter/innen in Sachsen‐Anhalt31 oder die Ausstattung aller Kita‐Leiter/innen mit ei‐

nem Bachelor in Frühpädagogik/Leitung und Management in Sachsen (HTWK 2010: 134). Die Auslagerung  der Weiterbildungsangebote in eine externe Gesellschaft kann die Organisation, Abwicklung der Finanzie‐

rung, (bezahlte) Beschäftigung von Hochschullehrenden und die auch überregionale Vermarktung der Of‐

ferten erleichtern.32   

Technologietransfer

Ein Handlungsfeld der Third Mission, das bereits dahingehend genauer untersucht wurde, welche Fakto‐

ren auf dieses begünstigend oder hemmend wirken, ist der Technologie‐ und Wissenstransfer. Gefördert  durch politische Interessen, stehen besonders Kooperationen mit Unternehmen im Fokus bisheriger Aus‐

einandersetzungen mit dem Thema. Um den Technologietransfer zwischen Hochschulen und Unterneh‐

men zu fördern, wurden vielerorts Transferstellen geschaffen. Technologietransfereinrichtungen seien  der politische Versuch, Kontakte institutionell anzubahnen und zu etablieren (Rosner 2006: 191). Studien  zeigen indes, dass die Ergebnisse häufig beträchtlich unter den Erwartungen liegen: 

„Universitäre Transferstellen spielen nur eine begrenzte Rolle im tatsächlichen Transfergeschehen. Unter‐

schiedliche Untersuchungen kommen bereits für die Blütephase von Transferstellen zu dem Ergebnis, dass  maximal 10 % der tatsächlichen Kooperationsbeziehungen unter Einbeziehung von Transferstellen zustande  kommen.“ (Meier/Krücken 2011: 96) 

Konstatiert wird, dass der bisherigen Praxis ein strukturelles Problem innewohne: Transferstellen seien  nicht in der Lage, die Komplexität von Forschungsergebnissen unterschiedlicher Fachrichtungen einer Uni‐

       

31 http://www.bildungsmanagement.uni‐halle.de/ (16.12.2014) 

32 vgl. z.B. http://www.wings.hs‐wismar.de/ (16.12.2014) 

versität zielgerichtet zu kommunizieren (Rosner 2005: 231). Daher seien auch Kooperationen selten durch  die Transfereinrichtungen der Hochschulen initiiert. Sie gingen entweder direkt vom Unternehmen oder  direkt von einem Hochschullehrer aus. (Fritsch et al. 2008: 19) 

Auf diese große Bedeutung von Einzelakteuren in Hochschulen und Unternehmen für entsprechende Koo‐

perationen weisen mehrere Studien hin. Der Einfluss einzelner Personen sei sehr viel höher zu bewerten  als gemeinhin angenommen. Meier und Krücken stellen die These auf, „dass Universitäts‐Wirtschafts‐Be‐

ziehungen – trotz aller Versuche, sie als institutionelle Mission der Gesamtuniversität zu verstehen und  entsprechende organisationale Kapazitäten aufzubauen – vor allem auf Personenkenntnissen und persön‐

lichen Beziehungen aufbauen, und zwar zwischen den konkreten Partnern aus Wissenschaft und Wirt‐

schaft, nicht zwischen stellvertretend Handelnden“ (Meier/Krücken 2011: 94). Als Gründe hierfür nennen  die Autoren das an Personen gebundene Vertrauen und Wissen: 

Vertrauen sei wesentlich für Kooperationen und immer an Personen gebunden. In Interviews wurde  den Forschern mitgeteilt, dass Kooperationen auf der persönlichen Ebene stattfinden oder eben nicht  stattfinden, wenn sich die beteiligten Akteure nicht verstehen. (Ebd.) 

Tacit knowledge – schwer zu kommunizierendes, implizites Wissen – könne nur in persönlichem Aus‐

tausch weitergegeben werden und ist ebenso wie Vertrauen an Personen gebunden. (Ebd.: 94f.) Dieses  Wissen lasse sich nicht über Medien oder Dritte vermitteln. 

Aufgrund dieser beiden personengebundenen Faktoren, die sich nicht vom jeweiligen Träger trennen las‐

sen, könnten eigens geschaffene Transferstellen Kooperationsprozesse zwar unterstützen, aber nicht er‐

setzen. Auch ließen sich persönliche Kontakte nicht durch Transfer‐Datenbanken ersetzen. Gut vernetzte  Wissenschaftler/innen seien gar nicht auf diese Mittlertätigkeiten angewiesen. Und in Feldern, in denen in  Kooperationsbeziehungen ein hohes Maß fachspezifischer Expertise verlangt wird, könne dies von fach‐

übergreifend zuständigen Transferstellen nicht geleistet werden. (Ebd.: 95f.) 

Zwar erfüllten die Transferstellen für Informationen (und ggf. darauf aufbauende Kontaktanbahnungen)  besonders für wenig vernetzte Akteure einen Zweck. Zudem könnten Transferstellen neben dieser Funkti‐

on Übersetzungsarbeit (Vermittlung von Interessen) zwischen den Systemen – Hochschule und Politik  oder Wirtschaft – leisten und auch als ‚Puffer‘ wirken vor Erwartungen aus Politik und Wirtschaft, die  sonst ungefiltert von der Hochschule bearbeitet werden müssten (Kloke/Krücken 2010: 49). Doch könnten  sie nicht die für Kooperationen wesentlichen, personengebundenen Prozesse, wie den Aufbau von Ver‐

trauen, nachbilden. Transferstellen seien demnach von der Politik unter der falschen Annahme geschaffen  worden, dass Informationen und nicht Vertrauen wesentlich für Kooperationen seien. (Krücken 2003: 

27f.)  

Durch politisch initiierte Programme seien die Transferstellen als Kooperationsstrukturen formal geschaf‐

fen worden, ohne jedoch die Aktivitätsebene zu verändern (Meier/Krücken 2011: 95). Die Kooperationen  selbst würden weiterhin maßgeblich von Personen bestimmt: Es „vollzieht sich ein Großteil der Außenbe‐

ziehungen durch einzelne Wissenschaftler, die häufig unabhängig von den hierauf spezialisierten Operati‐

onseinheiten operieren“ (Kloke/Krücken 2010: 49). Der bloße Aufbau von Transferstellen garantiert also  keinen Aufbau oder eine Verbesserung von Transferaktivitäten. Dafür sind weiterhin vor allem Personen  und andere kooperationsbegünstigende Faktoren, wie die Existenz bereits erfolgreich abgeschlossener  Kooperationsprojekte (ebd.: 38), verantwortlich.33  

Auch in Performance‐Measurement‐Untersuchungen von Unternehmen werden einzelne Personen mit  erfolgreichen Systemen in Verbindung gebracht. Was zählt, seien die Softskills der Akteure: der individuel‐

le Antrieb oder die intrinsische Motivation sowie soziale Fähigkeiten und Eigenschaften (u.a. Molas‐Gal‐

lart et al. 2002: 10; Fritsch 2009: 49). Zwar benötigen die kooperierenden Personen Expertise, um sich  über ihren Kooperationsgegenstand austauschen zu können. Wesentlich für erfolgreiche Kooperationen  sei jedoch das Sozialkapital – die Grundlage, auf der sich die Wissenschaftler soziale Netzwerke über die         

33 Anderenorts wird ein begünstigender Zusammenhang von Kooperationstätigkeiten und dem individuellen Hintergrund 

kooperierender Personen vermutet: Um die „kulturelle Lücke“ zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu schließen, sollten  die Kontaktpersonen in beiden Bereichen Erfahrungen gesammelt haben (Geuna/Muscio 2008: 14).  

Jahre ihrer Karriere hin aufbauen (Geuna/Muscio 2008: 15). Durch Sozialkapital würden Wissens‐ und In‐

formationsflüsse erleichtert (Malecki 2010) und langfristige Beziehungen und Vertrauen aufgebaut (Geu‐

na/Muscio 2008: 15).  

Da die Träger von Sozialkapital immer Personen sind, sind dies im Falle von Third‐Mission‐Aktivitäten der  Hochschulen die Hochschulmitarbeiter/innen. Von diesen hängen die Verfügbarkeit des Sozialkapitals und  der Aufbau von Kooperationen und Kommunikationsaktivitäten ab. D’Este und Patel (2007) zeigen, dass  die individuellen Charakteristika von Wissenschaftlern größere Auswirkungen auf Kooperationen mit Un‐

ternehmen haben als die Charakteristika der Hochschule oder Abteilung, in der die Wissenschaftler/innen  forschen. Auch die Qualität der Forschungsabteilung hatte in dieser Untersuchung keine Auswirkung auf  die Wahrscheinlichkeit, Interaktionen mit Unternehmen zu begünstigen (D'Este/Patel 2007: 1309). 

 

Im Dokument Viele Stimmen, kein Kanon (Seite 32-35)