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In Fällen wie dem von LLurimagua in der Region Intag wird deutlich, dass der Bergbaubetrieb schwerwiegende Auswirkungen auf Umwelt und Menschenrechte haben kann. Gleichzeitig wird auf der Grundlage des Berichts des Rechnungshofes deutlich, dass mehrere Instanzen des ecuadoria-nischen Staates selbst nicht verhindert haben, dass durch das Joint Venture der eigenen Firma ENAMI und des chilenischen Staatskonzerns Codelco nationales Recht verletzt wird. Zudem ist die Regierung selbst ihren Pflichten, die sich aus der eigenen Gesetzgebung ergeben, nicht nachgekom-men (Comptroller General Report). In Zeiten globaler Lieferketten wächst jedoch der Konsens, dass auch die einkaufenden Unternehmen eine Verantwortung haben, Schäden zu verhindern. Seit 2011 definieren die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte diese klar für den Fall von Menschenrechtsverletzungen. Die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen formulierten 2011 zusätzlich die Verantwortung für Unternehmen in Bezug auf die Umwelt unter Verweis auf die Rio-Deklaration, die Aarhus-Konvention und die Agenda 21.46 Diese Verantwortung wurde 2018 in der OECD Due Diligence Guidance for Responsible Business Conduct konkretisiert, die Empfehlungen zur Umsetzung der oben genannten OECD-Leitsätze aus dem Jahr 2011 gibt.

Allerdings ist der Rahmen der OECD in Bezug auf die ökologische Sorgfaltspflicht bei weitem nicht so spezifiziert wie die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte in Bezug auf die Menschen-rechte und wurde nur selten in die Sorgfaltspflichtengesetze integriert.47 Bis heute können Konzerne in den meisten Fällen Projekte profitabel betreiben (wie Llurimagua, wenn es durchgeführt würde), auch wenn sie wissen, dass der Abbau schwere Umweltschäden verursacht hat, mit kaum (rechtli-chen) Konsequenzen, abgesehen von möglichen Reputationsrisiken. Dies kann dazu führen, dass extrahierende Konzerne keinem oder kaum Druck von ihren Kunden ausgesetzt sind und die Situa-tion der mangelnden Rechtsdurchsetzung in Bezug auf die Umwelt ausnutzen, mit schwerwiegen-den Folgen für die Umwelt und die lokale Bevölkerung. Dies ist vor allem dann relevant, wenn der Staat selbst und entsprechende staatseigene Unternehmen ein hohes Interesse an den Einnahmen aus der Mine haben. Wie dieser Fall zeigt, haben lokale Akteure sogar innerhalb Ecuadors unter Be-rufung auf das in der Verfassung verankerte Recht auf Natur auf kantonaler Ebene einige rechtliche Erfolge erzielt. Dennoch wurde der Fall auf nationaler Ebene nicht gewonnen und es besteht ein hoher Druck auf die Gerichte, zugunsten der Geschäftsinteressen und gegen die Rechte der Natur zu entscheiden. Wie Krebs et al. (2020) anmerken, könnte die umweltbezogene Sorgfaltspflicht zu-mindest die Umsetzung der nationalen Umweltgesetzgebung am Ort der Gewinnung verbessern.48 Daher werden wir im Folgenden das Konzept der umweltbezogenen Sorgfaltspflicht näher betrach-ten.

46 Organization for Economic Co-operation and Development (OECD) (2011): "OECD-Leitsätze für multinationale Unterneh-men". Paris: OECD. https://www.oecd.org/daf/inv/mne/oecdguidelinesformultinationalenterprises.htm

47 Organization for Economic Co-operation and Development (OECD) (2018): "OECD Due Diligence Guidance for Responsi-ble Business Conduct". Paris: OECD. https://www.oecd.org/investment/due-diligence-guidance-for-responsiResponsi-ble-busi- https://www.oecd.org/investment/due-diligence-guidance-for-responsible-busi-ness-conduct.htm

48 Krebs, D., Klinger, R., Galihofer, P., Scherf, S.C. (2020): „Von der menschenrechtlichen zur umweltbezogenen Sorgfalts-pflicht. Aspekte zur Integration von Umweltbelangen in ein Gesetz für globale Wertschöpfungsketten“. Umweltbundes-amt. P. 49. https://www.umweltbundesUmweltbundes-amt.de/publikationen/umweltbezogene-sorgfaltspflichten.(p 38)

>> Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten sind nicht ausreichend: Explizite umweltbezogene Sorgfaltspflicht erforderlich

Die „United Nations Guiding Principles on Business and Human Rights“ (UNGPs) bieten einen Rah-men für internationale UnternehRah-men, um bei ihren weltweiten Aktivitäten eine Sorgfaltspflicht in Bezug auf die Menschenrechte einzuhalten. Sie waren die Grundlage für die Gesetzgebung zur Sorg-faltspflicht in verschiedenen Ländern. Aber dieser Fall zeigt besonders, dass die menschenrechtli-che Sorgfaltspflicht nach den UNGPs von einer umweltbezogenen Sorgfaltspflicht begleitet werden muss. Er zeigt, dass es nicht ausreicht, wenn Umweltzerstörung nur in den Fällen erfasst wird, in denen sie direkt zu Menschenrechtsverletzungen führt, wie es bei den UNGPs allein der Fall wäre, sondern dass es notwendig ist, Unternehmen zu einer zusätzlichen ökologischen Sorgfaltspflicht zu verpflichten. Folglich wäre eine umweltbezogene Sorgfaltspflicht u. a. notwendig, um einen schwer-wiegenden globalen Verlust der biologischen Vielfalt zu verhindern, wozu sich die Regierungen durch das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die biologische Vielfalt verpflichtet haben.

Laut wissenschaftlicher Studien und unabhängiger Umweltverträglichkeitsprüfungen würde das beschriebene Projekt unter anderem zu massiver Abholzung, schwerem Verlust an Biodiversität, der Gefährdung von zwei Arten, und einer prognostizierten Veränderung des lokalen Klimas führen.4950 Der Verlust der biologischen Vielfalt steht nicht in direktem Zusammenhang mit Menschenrechts-verletzungen und fällt daher nicht unter die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht. Nichtsdestotrotz stellt der fortschreitende Verlust der Biodiversität nicht nur enorme wirtschaftliche Risiken für das Unternehmen dar, sondern untergräbt auf lange Sicht unsere Fähigkeit, Armut, Nahrungs- und Was-sersicherheit sowie die menschliche Gesundheit effektiv zu addressieren, und muss daher verhin-dert werden.51 Es gibt verschiedene Konventionen oder Abkommen zu Umweltaspekten. Hierzu ge-hören die Biodiversitätskonvention oder das Pariser Abkommen, die den Schutz unserer Umwelt oder des Klimas vorschreiben sowie die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen (2011) und die OECD Due Diligence Guidance for Responsible Business Conduct (2018), die auf die Verantwor-tung von Unternehmen in diesem Zusammenhang hinweisen. Allerdings müssen die ökologische Sorgfaltspflicht und die Verantwortlichkeiten für Unternehmen in dieser Angelegenheit noch klarer definiert werden.

>> Was sollte bei der Erstellung einer umweltbezogenen Sorgfaltspflicht be-rücksichtigt werden

Neben dem Aufzeigen der Notwendigkeit, eine gesonderte umweltbezogene Sorgfaltspflicht in die Sorgfaltspflichtgesetzgebung zu integrieren und weiter zu konsentieren, gibt diese Fallstudie auch einige Einblicke in Aspekte, die bei der Weiterentwicklung des Konzepts einer umweltbezogenen Sorgfaltspflicht berücksichtigt werden sollten:

49 Brondizio, E. S., Settele, J., Díaz, S., & Ngo, H. T. (2019): „Global assessment report on biodiversity and ecosystem services of the Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services“. IPBES secretariat, Bonn. See also Niranjan, A. (2019): „Der massive Verlust der Biodiversität ist für den Menschen so bedrohlich wie der Klimawandel“.

https://www.dw.com/de/der-massive-verlust-der-biodiversit%C3%A4t-ist-f%C3%BCr-den-menschen-so-bedrohlich-wie-der-klimawandel/a-48614763

50 Darüber hinaus zeigt sich, dass die geografischen Bedingungen mit hohen Niederschlägen und dem Überangebot an unterirdischem Wasser sowie die Gefahr von Seebeben ein hohes Risiko für saure Bergbauwässer und die Verschmut-zung von Grundwasser, Flüssen und Bächen darstellen. Dies sind Themen, die als rote Linien für den Bergbau angesehen werden können

51 Die Bedeutung der biologischen Vielfalt und die Verpflichtung, für sie zu kämpfen, wurde mit dem Ziel für nachhaltige Entwicklung (SDG) 15, das der biologischen Vielfalt gewidmet ist, erneut bekräftigt.

• Der Fall Intag zeigt, dass bestimmte geologische und klimatische Bedingungen, die Ereignisse wie z. B. Erdbeben und starke Regenfälle begünstigen, das Risiko einer schweren Umweltzer-störung durch den Bergbau erhöhen können und sehr ernst genommen werden müssen. Daher ist es wichtig, potenzielle Abbaugebiete vor Beginn eines Bergbauprojektes hinsichtlich der ge-ologischen und klimatischen Bedingungen zu überprüfen. Im Rahmen des Forschungsprojek-tes des UmweltbundesamForschungsprojek-tes wurde eine Bewertungsmethodik hinsichtlich standortbezogener Umweltgefährdungspotenziale des Bergbaus52 entwickelt, die Vorschläge für ein diesbezügli-ches Screening von Standorten enthält. Sie könnte eine Grundlage für die Erfüllung einer um-weltbezogenen Sorgfaltspflicht speziell vor Beginn eines Bergbauprojektes sein.

• Die verschiedenen roten Linien und Themen, die im Zusammenhang mit der umweltbezoge-nen Sorgfaltspflicht zu berücksichtigen sind, die Carlos Zorilla auf der Grundlage seiner Erfah-rungen im Rahmen seiner Arbeit für die NRO Decoin aufgeführt hat, sind darüber hinaus wert-voll, um die Ausarbeitung von Standards für die umweltbezogene Sorgfaltspflicht zu gestalten.

Darüber hinaus geben sie Aufschluss darüber, wie die Überwachung durch die Gemeinde zu einer umweltbezogenen Sorgfaltspflicht während der Abbauphase beitragen kann. Aus dieser Perspektive könnte die umweltbezogene Sorgfaltspflicht in schwerwiegenden Fällen zu dem Ergebnis führen, dass bestimmte wirtschaftliche Aktivitäten rote Linien in Bezug auf Umweltri-siken überschreiten und daher nicht durchgeführt werden sollten.

• Bei der Bewertung der Umweltauswirkungen eines Vorhabens ist es von besonderer Relevanz, dass die lokale Bevölkerung am Ort des Abbaus in den Prozess einbezogen wird. Eine entspre-chende Konsultation wird von der UNGP (Prinzip 18) im Rahmen einer menschenrechtlichen Risikoprüfung gefordert und gleichzeitig verlangen viele nationale Gesetzgebungen dies im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsstudie (so auch Ecuador53). In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass zum einen die lokale Bevölkerung Zugang zu den vollständigen Informationen über die Auswirkungen des Vorhabens auf das Ökosystem hat. Laut dieser Studie war dies in Intag nicht der Fall, und die Möglichkeit der lokalen Bevölkerung, auf die Umweltverträglich-keitsprüfung zu reagieren, wurde dadurch eingeschränkt, dass nur sehr wenig Zeit zur Verfü-gung stand, um auf große Mengen sehr komplexer Daten zu reagieren.

• Zweitens ist es wichtig, dass die Informationen unabhängig und unvoreingenommen sind. Der-zeit wird eine Umweltverträglichkeitsprüfung weltweit als wichtiger Eckpfeiler für eine Umwelt-prüfung zu Beginn eines die Umwelt betreffenden Vorhabens behandelt. Dieser Fall zeigt, wie wichtig es ist, eine unabhängige Bewertung der Umweltauswirkungen vorzunehmen und inter-nationale Best-Practice-Standards zu beachten. Die japanische Umweltverträglichkeitsprüfung war unabhängiger als Umweltverträglichkeitsprüfungen üblicherweise sind, da sie meist von den Unternehmen selbst in Auftrag gegeben54 werden, und lieferte nützliche Informationen für die lokale Bevölkerung, um die potenziellen Auswirkungen des Vorhabens zu erkennen. Der Zu-gang zu unabhängigen wissenschaftlichen Bewertungen ist wichtig für die lokalen Gemeinden, um sich ein unabhängiges Bild davon machen zu können, welche Auswirkungen der Betrieb auf

52 Dehoust; Günter; Manhart, Andreas; Dolega, Peter; Vogt, Regine; Kemper, Claudia et al.: (2020): "Umweltkritikalität von Rohstoffen. Eine Bewertung der Umweltgefährdungspotenziale von Rohstoffen aus dem Bergbau und Empfehlungen für eine ökologische Rohstoffpolitik" (80) Umweltbundesamt. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/me-dien/1410/publikationen/2020-06-17_texte_80-2020_oekoressii_environmentalcriticality-report_.pdf, zuletzt geprüft am 03.02.2021.

53 Büro des Ombudsmannes von Ecuador: "Free, Prior and Informed Consent in Ecuador: Contributions to the Expert Mech-anism on the Rights of Indigenous Peoples". https://www.ohchr.org/Documents/Issues/IPeoples/EMRIP/FPIC/Ecua-dor_NHRI.pdf S.9

54 UN Environment (Hg.) (2018): "Assessing Environmental Impacts - A Global Review of Legislation". https://europa.eu/ca-pacity4dev/unep/documents/assessing-environmental-impacts-global-review-legislation.

ihr Gebiet haben wird. In diesem Fall ermöglichten unabhängige Informationen den lokalen Akteuren zudem, irreführende Einschätzungen des Unternehmens ENAMI zu hinterfragen.

• Es ist entscheidend, dass die Gemeinden in der Lage sind, die Auswirkungen des Betriebs auf die Umwelt zu überwachen und ihre Überwachungsergebnisse in Beschwerdemechanismen der Unternehmen einzubringen. Darüber hinaus ist es wichtig, dass diese Beschwerdemecha-nismen so beschaffen sind, dass Beschwerden, auch in Bezug auf Umweltschäden, entlang der Lieferkette an herstellende Unternehmen oder andere Geschäftspartner*innen weitergeleitet werden und diesen nachgegangen wird.

• Bei der Definition von Gesetzen zur ökologischen Sorgfaltspflicht ist es wichtig, dass die lokale Bevölkerung aus den Abbaugebieten einbezogen wird, um zu verhindern, dass Anforderungen so formuliert werden, dass sie dazu neigen, z. B. Kleinbergleute aus der Lieferkette auszuschlie-ßen.

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