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1 Einleitung

1.5 Sonografische Ausbildung der Untersucher

Das Ziel der Kinder-Richtlinien, Kinder mit einer Hüftreifungsstörung möglichst zeitig zu erfassen und einer geeigneten Therapie zuzuführen, hat zur Voraussetzung, dass die Untersucher laufend die hierfür erforderliche Aus- und Weiterbildung erhalten (10).

Die diagnostische Sicherheit der Hüftsonografie nach Graf hängt, neben zu erfüllenden apparativen und technischen Voraussetzungen (siehe 2.2.3) auch von der Qualifikation des Untersuchers ab (29, 38, 39). Von der deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e. V. (DEGUM) werden Kurse zur Hüftsonografie der Säuglingshüfte nach Graf angeboten (40). Hierbei werden ein Grund- und Aufbaukurs sowie ein Abschlusskurs unterschieden, die, aufeinander aufbauend, weiterführende Kenntnisse im Bereich des Hüftultraschalls vermitteln. Zudem werden Refresher-Kurse zur Aktualisierung des Kenntnisstandes angeboten (40). Darüber hinaus hat die DEGUM einen Ausbildungs-katalog zur sonografischen Ausbildung der Untersucher im Bereich der Bewegungs-organe, entsprechend einem Drei-Stufen-Konzept herausgegeben (siehe Tabelle 1) (40). Alle drei Stufen sehen eine optionale Mitzertifizierung der Säuglingshüfte vor. Für die Stufe I kann auch eine alleinige Zertifizierung der Sonografie der Säuglingshüfte stattfinden. Es müssen zunächst die Voraussetzungen in Form von erfolgten Weiter-bildungen, durchgeführten Sonografien, apparativer Ausrüstung und Forschungs-aktivität erfüllt werden, bevor eine Prüfung abgelegt werden kann, um ein Zertifikat für die entsprechende Ausbildungsstufe zu erhalten.

Zur Qualitätssicherung der sonografischen und diagnostischen Fertigkeiten der Unter-sucher werden regelmäßige Stichprobenprüfungen durch die kassenärztliche Ver-einigung empfohlen (10). Eine Analyse von Fehldiagnosen, basierend auf einer Hüft-ultraschalluntersuchung, hat ergeben, dass viele Fehler durch falsche anatomische Identifizierung der verschiedenen Strukturen, die auf einem Sonogramm dargestellt werden, durch eine mangelhafte Brauchbarkeitsprüfung oder eine ungenügende technische Ausrüstung zustande kommen (41). Als Ursache für diese Fehler wird von einer unzureichenden Ausbildung der Untersucher ausgegangen (42).

14

Tabelle 1: Drei-Stufen-Konzept des Arbeitskreises Bewegungsorgane der DEGUM (40)

Einleitung Bürgschaft Schriftlich von

einem

16

Einleitung

17 1.6 Ziele der Arbeit

Hüftreifungsstörungen stellen die häufigste angeborene Deformität des Halte- und Bewegungsapparates dar (1-6). Bei rechtzeitiger Diagnose und einem frühen Therapie-beginn können zwischen 95 % und 98,9 % der Neugeborenen mit konservativen Therapiemitteln geheilt werden (8, 43). Erfolgt eine Therapie verspätet, verlängert sich die Therapiedauer und oft reichen konservative Therapiemöglichkeiten dann nicht mehr aus (3, 27).

Mit Hilfe des Hüftultraschalls können Neugeborene schon innerhalb der ersten Lebens-woche untersucht werden (9). Experten empfehlen den Hüftultraschall nach Graf als Mittel der Wahl, um auch dysplastische Hüften frühzeitig erkennen und therapieren zu können (32). Um dabei eine Übertherapie oder das Übersehen pathologischer Hüften als Folge von Fehldiagnosen zu vermeiden, ist eine standardisierte Ausbildung der Untersucher nötig (32).

Mit der vorliegenden, bizentrischen Evaluation soll untersucht werden, ob ein direkter Zusammenhang zwischen der Erfahrung der Untersucher im Bereich der Hüftsonografie und der durch die Untersucher ermittelten Hüfttypenverteilung nach Graf besteht.

Ferner sollen im Rahmen der Arbeit auch regionale Schwankungen der erhobenen epidemiologischen Daten analysiert werden.

Folgende Hypothesen sollen mit der vorliegenden Arbeit geklärt werden:

− Der Anteil der Typ IIa-Hüften beim postnatalen Ultraschallscreening in der ersten Lebenswoche ist bei erfahrenen Untersuchern geringer als bei weniger erfahrenen Untersuchern.

Bei weniger erfahrenen Untersuchern werden mehr Typ D-Hüften diagnostiziert

als bei erfahrenen Untersuchern.

Die epidemiologischen Daten unterliegen regionalen Schwankungen und unter-scheiden sich in Abhängigkeit des Standortes.

18

2 Patienten und Methoden

2.1 Patientenkollektiv

Das Patientenkollektiv umfasst alle Neugeborenen, die im Zeitraum vom 01.01.2011 bis 29.02.2012 in Berlin am Campus Charité Mitte auf der Station für Geburtshilfe sowie in Bielefeld am Franziskus Hospital auf der geburtshilflichen Station geboren worden sind.

Die beiden Stationen sind aufgrund einer im Vorfeld beobachteten, vergleichbaren jähr-lichen Patientenzahl ausgewählt worden.

Einschluss- und Ausschlusskriterien

Eingeschlossen worden sind Neugeborene, unabhängig vom Gestationsalter, die postpartal auf einer der oben genannten Stationen betreut worden sind und die postnatal einen Hüftultraschall erhalten haben. Patienten, bei denen die Erhebung anamnestischer Daten nicht möglich gewesen ist, da die Angehörigen entweder kein Wissen über mögliche Risikofaktoren gehabt haben, die Angehörigen nicht ansprechbar gewesen sind oder aufgrund einer Sprachbarriere bei ausländischen Patienten eine Kommunikation nicht möglich gewesen ist, sind aus der Analyse der Risikofaktoren ausgeschlossen worden.

2.2 Datenerhebung

Nach einer einführenden Anamnese ist die Ultraschalluntersuchung (siehe 2.2.3) und im Anschluss die klinische Untersuchung (siehe 2.2.2) der Neugeborenen durchgeführt worden. Grundlage dieser Reihenfolge sind die in Kapitel 4.4 erläuterten Praxiser-fahrungen gewesen.

2.2.1 Anamnestische Daten

Anamnestisch sind durch Befragung der Eltern eine positive Familienanamnese, ein in der Schwangerschaft aufgetretener Fruchtwassermangel und eine Geburt aus Becken-endlage erfasst worden. Ferner sind das Geschlecht des Kindes sowie das Alter als zusätzliche Daten erhoben worden. Aufgrund fehlender präpartaler Daten ist nicht dokumentiert worden, ob die Beine bei Beckenendlage gestreckt oder im Knie gebeugt gewesen sind.

Patienten und Methoden

19 2.2.2 Klinische Untersuchung

Bei der klinischen Untersuchung sind in der vorliegenden Studie zunächst eine Inspektion, gefolgt von der körperlichen Untersuchung und den klinischen Tests durch-geführt worden. Die Inspektion des entkleideten Neugeborenen spielt eine wichtige Rolle bei der Erkennung von Fehlbildungen und Anomalien und ist fester Bestandteil der Vorsorgeuntersuchung U 2 (24, 44). Es ist dabei in der vorliegenden Arbeit vor allen Dingen auch auf das Vorhandensein von Klumpfüßen geachtet worden.

Das Auftreten einer klinischen Instabilität ist dokumentiert worden, allerdings ist nicht mit Hilfe mechanischer Tests evaluiert worden, ob die Hüfte luxierbar gewesen ist.

Abb. 1: Abspreizhemmung der linken Hüfte im Vergleich zur rechten Hüfte, eigene Darstellung, in Anlehnung an Bracken (19)

Als klinischer Test ist in der vorliegenden Arbeit die Abspreizhemmung untersucht worden. Eine Abspreizhemmung kann vorkommen, wenn der luxierte Hüftkopf bei Abduktion in der Hüfte am Becken gebremst wird und somit nur eingeschränkt beweglich ist (9). Um zu untersuchen, ob eine Abduktionseinschränkung vorliegt, werden die Beine des Neugeborenen in Knie- und Hüftgelenk um 90 ° flektiert und dann abduziert (siehe Abb. 1). Bei Neugeborenen sollte der Abduktionswinkel mehr als 80 °

20 betragen. Von einer Abduktionseinschränkung wird bei einer Differenz von mehr als 10 ° gegenüber der gesunden Seite gesprochen (45). Liegt eine beidseitige Abspreiz-hemmung vor, kann diese schwer zu erkennen sein (9).

2.2.3 Sonografische Untersuchung

Die Ultraschalluntersuchung ist bei allen Patienten nach der von Graf beschriebenen Methode durchgeführt worden (9): Die Neugeborenen sind in der von Graf empfohlenen Lagerungsschale in Seitenlage standardisiert erst rechts, dann links untersucht worden.

In beiden Zentren ist ein 7,5 MHz Linearschallkopf zum Einsatz gekommen. Von jedem Hüftgelenk sind zwei Einstellungen in der Standardebene angefertigt worden. Für jedes der Bilder ist eine neue Einstellung des Schallkopfes erfolgt, so dass die Bilder zeitlich versetzt aufgenommen worden sind. Als Abbildungsmaßstab ist der von Graf emp-fohlene Mindestmaßstab von 1,7:1 gewählt worden (9). Es sind jeweils zwei Bilder aus-gedruckt worden, wobei eines der Hüftsonogramme als Grundlage für den deskriptiven Befund gedient hat. Das andere Bild ist von Hand mit Hilfe eines Sonometers ver-messen worden (9). Eine Schallkopfführung ist nur in Bielefeld vom Fachteam genutzt worden.

Die Abbildung der Hüftsonogramme wurde unabhängig davon, ob es sich um die rechte oder linke Hüfte gehandelt hat in aufrechter Rechtsprojektion durchgeführt, die der Darstellung eines rechten a. p.-Röntgenbildes entspricht. Bei der Beurteilung der Hüftsonogramme ist gemäß Graf mit der Identifizierung wichtiger anatomischer Struk-turen begonnen worden, wie in Abbildung 2 dargestellt. Diese Identifizierung bezeichnet Graf als Checkliste 1 (9). Um eine möglichst kippfehlerfreie Darstellung zu doku-mentieren, ist regelhaft die Knorpel-Knochen-Grenze mit abgebildet worden.

Es sind nur Hüftsonogramme zur Beurteilung verwendet worden, in denen die Standardebene mit dem Unterrand des Os ilium, der Schnittebene und dem La-brum acetabulare dargestellt worden ist, entsprechend der Checkliste 2 nach Graf (9).

Mit diesen drei „Landmarken“ wird die Standardebene im Raum definiert und ermöglicht, vergleichbare Sonogramme beliebig oft zu reproduzieren. Wenn der Unter-rand des Os ilium bei dezentrierten Gelenken gefehlt hat, so ist dies die einzige Ausnahme gewesen, bei der das Hüftsonogramm, ohne dass es der Standardebene entsprochen hat, beschreibend aber nicht messtechnisch befundet worden ist (9).

Patienten und Methoden

21

Abb. 2: Anatomische Identifizierung nach Graf (9) (Sonografie; Franziskus Hospital Bielefeld)

1) Knorpel-Knochen-Grenze 2) Hüftkopf

3) Umschlagfalte 4) Gelenkkapsel

5) Labrum acetabulare 6) Knorpelig präformiertes

Pfannendach 7) knöcherne Pfanne 8) knöcherner Erker

2.2.4 Befunderhebung nach Graf

Da einer Hüftreifungsstörung eine Wachstumsstörung der Hüftgelenkpfanne zugrunde liegt, erfolgt eine Beurteilung des knöchernen und knorpeligen Anteils der Gelenk-pfanne. Die Hüfttypisierung erfolgt primär durch die morphologische Beschreibung des knöchernen Pfannendaches, des knöchernen Erkerareals und des knorpeligen Anteils des Pfannendaches (siehe Abb. 2), in Relation zum Alter des Säuglings (9). Die für diese Arbeit verwendeten Hüftsonogramme sind zunächst deskriptiv bewertet und anhand der morphologischen Besonderheiten einem Hüfttyp zugeordnet worden. Nach-folgend sind sie vermessen worden und anhand der Winkelwerte ist der Hüfttyp bestätigt worden. Bei Vorliegen einer Diskrepanz zwischen dem deskriptiven und dem gemessenen Befund ist die Untersuchung auf Fehler kontrolliert und nachfolgend gegebenenfalls wiederholt worden.

Deskriptive Bewertung

Durch die Bewertungen des knöchernen Pfannendaches, des knöchernen Erkerareals und des knorpelig präformierten Pfannendaches in ihrer Kombination wird bereits ein Hüfttyp definiert, wie in den Abbildungen 3 bis 9 dargestellt. Dieser Hüfttyp ist nach-folgend durch das Messverfahren noch bestätigt worden.

22

Abb. 3: Hüfttyp I

(Sonografie; Franziskus Hospital Bielefeld) Gute knöcherne Formgebung; stumpfes Er-kerareal; übergreifendes, knorpelig präfor-miertes Pfannendach.

Abb. 4: Hüfttyp IIa

(Sonografie; FranziskusHospitalBielefeld) Ausreichende knöcherne Formgebung; run-des Erkerareal; übergreifenrun-des knorpelig prä-formiertes Pfannendach. Typ IIa und Typ IIb unterscheiden sich hinsichtlich des Alters:

Typ IIa <12 Wochen, Typ IIb >12 Wochen.

Abb. 5: Typ IIc (ohne Stress)

(Sonografie; Charité-Universitätsmedizin Berlin) Hochgradig mangelhafte knöcherne Form-gebung; rundes bis flaches Erkerareal und noch übergreifendes Knorpeldach.

Abb. 6: Typ IIc (mit Stress)

(Sonografie; Charité-Universitätsmedizin Berlin) Die Hüfte entspricht ohne Stress einer Typ IIc-Hüfte. Durch axialen Druck in kaudo-kraniale Richtung kann sie in eine Hüfte überführt werden, die deskriptiv einer Typ D-Hüfte mit hochgradig mangelhafter knöcher-ner Formgebung, rundem bis flachem Erker-areal und verdrängtem, knorpelig präformier-tem Pfannendach entspricht.

Patienten und Methoden

23

Abb. 7: Typ D

(Sonografie; Charité-Universitätsmedizin Berlin) Hochgradig mangelhafte knöcherne Form-gebung; rundes bis flaches Erkerareal; ver-drängtes, knorpelig präformiertes Pfannen-dach; Gelenk am Dezentrieren.

Abb. 8: Typ III

(Sonografie; Franziskus Hospital Bielefeld) Schlechte knöcherne Formgebung; flaches Erkerareal; nach kranial verdrängtes, knorpe-liges Pfannendach; dezentriertes Gelenk.

Abb. 9: Typ IV

(Sonografie; Charité-Universitätsmedizin Berlin) Schlechte knöcherne Formgebung; flaches Erkerareal; knorpeliges Pfannendach nach kaudal verdrängt; dezentriertes Gelenk.

24

α

β

Winkelmessung am Hüftsonogramm

Ausschließlich Sonogramme in der Standardebene nach Graf (9) sind mit Hilfe von Knochenwinkel α und Knorpelwinkel β, die in der nachfolgenden Abbildung 10 darge-stellt sind, zur Klassifizierung der unterschiedlichen Hüfttypen ausgemessen worden.

Abb. 10: Knochenwinkel α und Knorpelwinkel β (Sonografie; Franziskus Hospital Bielefeld)

Knochenwinkel α

Der Knochenwinkel α ist definiert als Winkel zwischen Grund- und Pfannendachlinie.

Die Grundlinie geht vom Z-Punkt aus, jenem Punkt, an dem das proximale Peri-chondrium an das Echo des Os ilium trifft, und wird an das Echo des Os ilium tangential nach distal angelegt. Die Pfannendachlinie ist definiert als eine vom Unterrand des Os ilium ausgehende, an die knöcherne Pfanne angelegte Tangente. Der Alpha-Winkel gilt als Maß für den knöchernen Anteil des Pfannendaches.

Knorpelwinkel β

Der Knorpelwinkel β liegt zwischen der Ausstell- und der Grundlinie, wobei die Aus-stelllinie vom knöchernen Erker ausgeht und diesen mit der Mitte des Labrum acetabulare verbindet. Für die Bestimmung des knöchernen Erkers wird der Punkt gewählt, an dem die Konkavität des Acetabulums in die Konvexität des Os ilium über-geht. Der Knorpelwinkel β stellt ein Maß für die knorpeligen Pfannendachanteile dar (9).

Patienten und Methoden

25 Endgültiger Befund

Mit Hilfe der oben genannten Linien und Winkel sind alle in dieser Arbeit verwendeten Hüftsonogramme vermessen worden, um den bereits mittels Deskription zugeteilten Hüfttyp zu verifizieren. Einzig dezentrierte Gelenke, die nicht in der Standardebene dargestellt werden konnten, sind nur deskriptiv befundet und nicht vermessen worden.

Tabelle 2 gibt einen Überblick über die verschiedenen Hüfttypen nach Graf mit den zugehörigen Winkelwerten (9).

Tabelle 2: Einteilung der Hüfttypen nach Graf (9)

Hüfttyp

Typ IIc (stabil/ instabil)*

gefährdetes Gelenk jedes Alter

hochgradig mangelhaft α = 43 ° - 49 °

rund bis flach noch übergreifend β ≤ 77 °

rund bis flach verdrängt β > 77 ° ohne Strukturstörung → IIIa

mit Strukturstörung → IIIb Typ IV*

dezentriertes Gelenk jedes Alter

schlecht

α < 43 ° flach nach mediokaudal verdrängt

* in der vorliegenden Arbeit werden aus dieser Tabelle nur die Hüfttypen I, IIa+, IIc, D, IIIa/b und IV entsprechend der untersuchten Altersgruppe betrachtet

26 2.3 Untersucherkollektiv

Die Neugeborenen sind in beiden Städten in der ersten Lebenswoche klinisch und sonografisch untersucht worden. In Berlin sind die Neugeborenen von einer Fachärztin für Orthopädie untersucht worden, die eine Stufe II-Qualifikation entsprechend des Drei-Stufen-Konzeptes der DEGUM aufweist (siehe Tabelle 1) und Kursleiterin im Bereich der Sonografie von Säuglingshüften ist. Bei den Untersuchern in Bielefeld handelt es sich um zwei Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie und zwei Assistenzärzte des-selben Fachbereiches. Von ihnen haben alle den Grund- und Aufbaukurs besucht und ein Facharzt sowie ein Assistenzarzt haben zusätzlich den Abschlusskurs zur Sono-grafie der Säuglingshüfte nach Graf absolviert. In der vorliegenden Arbeit werden dem-zufolge eine sehr erfahrene Stufe II -Kursleiterin und eine Gruppe an Untersuchern, die DEGUM zertifizierte Kurse absolviert haben, miteinander verglichen.

2.4 Ethische Aspekte

Die hier verwendeten Daten sind im Rahmen einer Therapiestudie zum Thema Breitwickeln erhoben worden, für die ein Ethikvotum (EA2/098/10) vorliegt. Die teil-nehmenden Eltern haben in Form einer schriftlichen Einverständniserklärung in die anonymisierte Datenanalyse eingewilligt. Die während der Studie ermittelten Daten sind für die weitere Auswertung anonymisiert mit laufender Nummer in eine Excel-Tabelle übertragen worden, so dass keinerlei Rückschlüsse auf individuelle, personenbezogene Daten möglich sind.

2.5 Statistische Methoden

Die Daten sind mit Hilfe von Excel 2010 sowie des Statistikprogrammes SPSS Statistics 24 analysiert worden. Signifikante Zusammenhänge sind mithilfe von Kreuztabellen sowie dem Χ²-Test und dem exakten Test nach Fisher ermittelt worden. Das Signifikanzniveau wurde mit p < 0,05 festgelegt.

Als Voraussetzung für die Anwendung des Χ²-Testes, damit durch diesen valide Ergebnisse erzielt werden konnten, ist eine erwartete Häufigkeit (expected frequency) größer 5 statistisch ermittelt worden.

Patienten und Methoden

27 Die Sensitivität als Anteil der richtig erfassten Kranken ist als Quotient aus der Anzahl richtig positiver Ergebnisse und der Summe richtig positiver und falsch negativer Ergebnisse berechnet worden.

Die Spezifizität als Anteil der richtig erfassten Gesunden ist als Quotient aus der Anzahl richtig negativer Testergebnisse und der Summe aus falsch positiven und richtig negativen Ergebnissen berechnet worden.

28

3 Ergebnisse

Die epidemiologischen Unterschiede der beiden in der vorliegenden Arbeit untersuchten Standorte werden im folgenden Kapitel in den Unterpunkten 3.1 bis 3.4 beschrieben und analysiert. Die Ergebnisse zu den untersucherabhängigen Unterschieden bei der Diagnose der verschiedenen Hüfttypen nach Graf werden unter 3.6 erläutert.

3.1 Patientenkollektiv

In der Zeit von Januar 2011 bis einschließlich Februar 2012 sind insgesamt 1868 Neugeborene, entsprechend 3736 Hüften, klinisch und sonografisch innerhalb der ersten 13 Lebenstage untersucht worden. In Berlin sind es 944 und in Bielefeld 924 Neugeborene gewesen.

99,5 % der Patienten sind innerhalb der ersten Lebenswoche untersucht worden. Die Untersuchung hat für den Großteil der Patienten am zweiten und dritten Lebenstag stattgefunden, wie die Grafik in Abbildung 11 zeigt.

Abb. 11: Zeitpunkt der Untersuchung in Bezug auf das Alter der Neugeborenen 9

145

585 577

315

155

54

18 6 2 0 1 0 1

0 100 200 300 400 500 600 700

Anzahl der Patienten

Alter der Patienten in Lebenstagen

Alter der Patienten bei der Untersuchung

n = 1868

Ergebnisse

29 50,5 % der Neugeborenen sind in Berlin und 49,5 % in Bielefeld untersucht worden.

Insgesamt sind 50,7 % der untersuchten Kinder männlich und 49,3 % weiblich ge-wesen. Standortbezogen sind davon in Berlin 50,4 % der Neugeborenen männlich und 49,6 % weiblich gewesen. Von den in Bielefeld untersuchten Neugeborenen sind 50,9 % männlich und 49,1 % weiblich gewesen.

3.2 Ermittelte anamnestische Daten und Vorkommen der Risikofaktoren

Von den 1868 untersuchten Neugeborenen sind insgesamt 52 ausgeschlossen worden, bei denen keine Informationen zu den Risikofaktoren vorgelegen haben, so dass das Gesamtkollektiv für die Beurteilung der Risikofaktoren 1816 beträgt.

Bei 77,8 % der 1816 berücksichtigten Neugeborenen, für die anamnestische Daten erfasst werden konnten, haben keine der gemäß Kapitel 2.2.1 betrachteten Risikofaktoren (Geburt aus Beckenendlage, Fruchtwassermangel, positive Familien-anamnese) vorgelegen. Bei 14,1 % der 1816 Neugeborenen hat eine Hüftreifungs-störung in der Herkunftsfamilie vorgelegen. Insgesamt sind 6,5 % aus Beckenendlage geboren worden und bei 3,7 % hat unter der Schwangerschaft ein Fruchtwassermangel vorgelegen.

Von den insgesamt 441 Neugeborenen mit mindestens einem Risikofaktor haben 36 Neugeborene mehr als einen Risikofaktor aufgewiesen. Von ihnen hat bei 28 eine positive Familienanamnese vorgelegen, bei 17 bestand ein Fruchtwassermangel unter der Schwangerschaft und bei 28 hat eine Geburt aus Beckenendlage stattgefunden.

Abbildung 12 verdeutlicht die ermittelte Verteilung von Risikofaktoren, Mehrfachbe-troffene sind als zentrale Schnittmenge dargestellt.

30

Abb. 12: Verteilung der unterschiedlichen Risikofaktoren im gesamten Patientenkollektiv

Bei der nachfolgend in Kapitel 3.4 beschriebenen sonografischen Untersuchung ist bei 26 Neugeborenen aus dem vorliegenden Patientenkollektiv eine Hüftreifungsstörung entsprechend einem Hüfttyp IIc stabil nach Graf oder schlechter festgestellt worden.

Eine Analyse der in der vorliegenden Studie untersuchten Risikofaktoren hat gezeigt, dass bei 10 dieser 26 erkrankten Kinder mindestens ein Risikofaktor vorgelegen hat.

Drei dieser Kinder haben mehr als einen Risikofaktor aufgewiesen. Bei 16 der sono-grafisch als krank erfassten Kinder hat kein Risikofaktor vorgelegen (siehe Abb. 13).

118

256 67

Gesamtverteilung der Risikofaktoren

Beckenendlage vorhanden

Positive Familienanamnese

Fruchtwassermangel in der Schwangerschaft

n = 441

36

Mehrere Risikofaktoren

Ergebnisse

31

Abb. 13: Vorkommen von Risikofaktoren bei Kindern mit mindestens einer pathologischen Hüfte

Von 67 Kindern, die unter der Schwangerschaft einem Fruchtwassermangel ausgesetzt waren, haben 3 Kinder an einer Hüftreifungsstörung gelitten. Bei 256 Neugeborenen hat eine positive Familienanamnese vorgelegen, wovon 7 Kinder mindestens eine patho-logische Hüfte aufgewiesen haben. Es sind 118 Kinder aus Beckenendlage geboren worden. Bei 3 dieser Neugeborenen ist eine Hüftreifungsstörung diagnostiziert worden.

Die folgende Abbildung 14 verdeutlicht die ermittelten Anteile erkrankter Kinder in den Gruppen mit vorliegenden Risikofaktoren.

27 %

11 % 62 %

Zusammenhang von Risikofaktoren und diagnostizierten Hüftreifungsstörungen

1 Risikofaktor

>1 Risikofaktor 0 Risikofaktoren

n = 26

32

Abb. 14: Anteil an erkrankten Kindern im Hinblick auf die vorliegenden Risikofaktoren

In dem untersuchten Patientenkollektiv konnte kein signifikant erhöhtes Risiko für das Vorliegen einer Hüftreifungsstörung bei Neugeborenen mit anamnestischen Risiko-faktoren festgestellt werden, wie die ermittelten p-Werte in Tabelle 3 zeigen.

Tabelle 3: Statistische Wertigkeit der untersuchten Risikofaktoren

Risikofaktor

Anzahl Patienten ohne

Hüftreifungsstörung

Anzahl Patienten mit

Hüftreifungsstörung

p-Wert Positive

Familienanamnese 249 7 p = 0,133

Fruchtwassermangel 64 3 p = 0,076

Beckenendlage 115 3 p = 0,412

Mit 56 % hat eine positive Familienanamnese häufiger bei Neugeborenen aus Bielefeld als aus Berlin (44 %) vorgelegen. Ein Fruchtwassermangel hat unter der Schwanger-schaft bei 46 % der Neugeborenen aus Berlin und bei 54 % der Neugeborenen aus Bielefeld vorgelegen. 63 % der Kinder mit Geburt aus Beckenendlage sind in Berlin zur

4 %

96 %

n = 256 n = 67 n = 118

3 % 4 %

Ergebnisse

33 Welt gekommen, 37 % sind in Bielefeld geboren worden. Beim Vergleich der beiden Städte Berlin und Bielefeld hat sich gezeigt, dass von den 52 Neugeborenen, die für die Berechnung der Risikofaktoren aufgrund von fehlenden anamnestischen Daten ausge-schlossen worden sind, 79 % in Berlin untersucht worden sind (siehe Tabelle 4).

Von den 7 Kindern mit Hüftreifungsstörungen und positiver Familienanamnese wurden 6 Kinder in Bielefeld diagnostiziert. Die drei Kinder, bei denen neben mindestens einer pathologischen Hüfte noch ein Fruchtwassermangel unter der Schwangerschaft vorge-legen hat, sind in Bielefeld zur Welt gekommen. Zwei der drei Kinder mit mindestens einer pathologischen Hüfte und Geburt aus Beckenendlage wurden ebenfalls in Bielefeld diagnostiziert.

Tabelle 4: Vergleich der Risikofaktorverteilung in Berlin und Bielefeld

Risikofaktor Anzahl Patienten in Berlin

Anzahl Patienten

in Bielefeld Gesamtanzahl Positive

Familienanamnese 100 128 228

Fruchtwassermangel 23 27 50

Beckenendlage 57 33 90

Mehr als 1 Risikofaktor 14 22 36

Keine Risikofaktoren 709 703 1412

Keine Angaben 41 11 52

Gesamtanzahl 944 924 1868

34 3.3 Resultate der klinischen Untersuchung

Bei 17 der untersuchten Neugeborenen hat eine Skelettdeformität in Form von Klump-füßen vorgelegen, verteilt auf 9 Neugeborene in Berlin und 8 in Bielefeld. Keines dieser Kinder hat eine Hüftreifungsstörung gehabt. In dem untersuchten Patientenkollektiv hat sich somit nicht gezeigt, dass beim Vorliegen einer Skelettdeformität signifikant häufiger Hüftreifungsstörungen auftreten, wie aus Tabelle 5 ersichtlich wird.

Zwei der 1868 untersuchten Kinder haben bei der klinischen Untersuchung eine

Zwei der 1868 untersuchten Kinder haben bei der klinischen Untersuchung eine