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Situationsbezogene Handlungsregeln bei aktuell verübter sexualisierter Gewalt

Aktuelle sexualisierte Gewalt in dem Dienst oder der Organisation (Täter*in bekannt)

 Sorgen Sie für Sicherheit der betroffenen Person und für klare räumliche Trennung zwi-schen Täter*in und der betroffenen Person.

 Klären Sie weitere Schritte und berücksichtigen Sie unterschiedliches Vorgehen, je nach-dem, wer die Täter*in ist (weiteres oder näheres Umfeld der betroffenen Person, Person, die auch Assistenzleistungen von dem Dienst erhält oder Personal).

40 ttps://www.justiz.bremen.de/detail.php?template=20_search_d&search%5Bsend%5D=true&lang=de&se-arch%5Bvt%5D=psychosoziale+Prozessbegleitung

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 Hat die sexualisierte Gewalt durch eine Person stattgefunden, die auch Assistenzleistun-gen durch diese Organisation erhält, sorAssistenzleistun-gen Sie für langfristige räumliche Trennung und aktivieren Sie das Hilfesystem für alle Beteiligten.

 (Er)klären Sie (mit) der betroffenen Person weitere Schritte und versuchen Sie, Einver-nehmen herzustellen. Informieren Sie darüber, dass bestimmte Handlungsschritte ggf.

aufgrund eines rechtfertigenden Notstandes (§ 34 StGB) notwendig sind.

 Informieren Sie darüber, dass Veränderungen (wie Kleiderwechsel, Körperhygiene) Spu-ren für eine mögliche Strafverfolgung vernichten. Nach Möglichkeit deswegen keine Ver-änderungen durchführen. Geben Sie Informationen über die Möglichkeit der anonymen Spurensicherung (im Klinikum Links der Weser, im Klinikum Bremen Mitte und Bremen Nord41).

 Informieren Sie die Rufbereitschaft und Geschäftsführung/Leitung. Die Geschäftsfüh-rung/Leitung prüft weiteres Vorgehen, sollte ein*e Mitarbeiter*in sexualisierte Gewalt ausgeübt haben: Klären Sie, ob und wann ein Gespräch mit der/dem betreffenden Mitar-beiter*in geführt wird. Keine Konfrontation im Beisein der betroffenen Person! Berück-sichtigen Sie, dass nach der Konfrontation eventuell wichtige Spuren durch den/die Tä-ter*in beseitigt werden. Wenn das Gespräch stattfindet, dann in einem geschützten Rah-men42. Dokumentation des Gesprächs. Beachtung der Datenschutzbestimmungen. Mel-dung an die Wohn- und Betreuungsaufsicht (§ 16 Absatz 4 Nr. 2 Bremisches Wohn- und Betreuungsgesetz). Weitere (u.a. rechtliche) Fachberatung, Prüfung weiterer arbeits- und ggf. strafrechtlicher Schritte.

 Informieren Sie ggf. gesetzliche Betreuer*innen und sorgepflichtige Eltern – sofern diese schützen.

 Bei Einverständnis der betroffenen Person medizinische Untersuchung, auch wenn keine Verletzungen erkennbar sind, ggf. Behandlung (Frauenärzt*in, Krankenhaus, für Mädchen und Jungen: spezialisierte Kindergynäkolog*in) und/oder Beweisaufnahme/(anonyme) Spurensicherung, um Beweise für eine ggf. spätere Strafverfolgung zu sichern (Bitte Wechselkleidung mitnehmen).

 Informieren Sie sich in Ruhe über Möglichkeit der Strafanzeige und das weitere Verfahren, damit Betroffene und ggf. der/die gesetzliche*r Vertreter*in in die Lage versetzt wird, sich für oder gegen eine Anzeige zu entscheiden. Prüfen Sie im Einzelfall auch, ob die Po-lizei zur Spurensicherung informiert wird (siehe Punkt 7).

 Sollte eine Strafverfolgung eingeleitet werden, bestehen Sie bei der Aufnahme der Aus-sage durch die Polizei auf eine speziell für diesen Tatbestand ausgebildete Fachkraft43 und erfragen Sie, ob eine richterliche Videovernehmung möglich ist und ob die Aussage in dem jeweiligen Dienst, also in einem vertrauten Umfeld aufgenommen werden kann. Nach Möglichkeit sollte eine psychosoziale Prozessbegleitung beantragt und hinzugezogen

41 Siehe Anlaufstellen in Bremen

42 Siehe in Handreichungen für die Schulpraxis: darin u.a. Leitfäden für Gespräche mit der/m Beschuldigten, Dienstanweisung zum Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

43 In Bremen bitte an das Fachkommissariat K32 wenden.

33 werden. Prüfen Sie, worin ggf. einzelfallbezogen Einsicht aus den Akten des Dienstes ge-währt werden soll. Die Akteneinsicht muss die Polizei beim Amtsgericht oder der Ge-schäftsführung beantragen.

 Stellen Sie die Assistenz und Begleitung des/der Betroffenen auch im Anschluss sicher.

Früher in dem Dienst oder der Organisation erlebte sexualisierte Gewalt wird von einer be-troffenen Person thematisiert

 Vorgehen wie auf Seite 29 f.

Verdachtsmomente der sexualisierten Gewalt in der Familie oder dem Umfeld

 Zunächst vorgehen wie unter Punkt 1 – 3 und 5auf Seite 29 f.

 Der Dienst ist der Schutzraum. Bei ambulanten Assistenzleistungen stellen Sie den Schutz der betroffenen Person sicher! Bedenken Sie, dass ein weiterer Kontakt mit dem/der Tä-ter*in eventuell digital stattfindet.

 Besondere Kontaktregeln sind wichtig und können von den Mitarbeiter*innen in Abspra-che mit der Geschäftsführung/Leitung und ggf. dem Jugendamt getroffen werden.

Verdacht der sexualisierten Gewalt durch Personal

 Zunächst vorgehen wie unter Punkt 1 – 3.

 Die Geschäftsführung/Leitung prüft, ob und wann der/die betreffende Mitarbeiter*in mit dem Verdacht konfrontiert wird. Keine Konfrontation im Beisein der betroffenen Person!

Berücksichtigen Sie, dass nach der Konfrontation eventuell wichtige Spuren durch eine*n Täter*in beseitigt werden. Wenn das Gespräch stattfindet, dann in einem geschützten Rahmen. Dokumentation des Gesprächs. Beachtung der Datenschutzbestimmungen.

Kann der Verdacht ausgeräumt werden, Informationen an alle Beteiligten und Rehabili-tierung des Beschuldigten.

 Sofern sich der Verdacht bestätigt: Meldung an die Wohn- und Betreuungsaufsicht (§ 16 Absatz 4 Nr. 2 Bremisches Wohn- und Betreuungsgesetz).

 Dann arbeitsrechtliche Konsequenzen und ggf. Anzeige. Einzelfallbezogen kann es sinnvoll sein, vor einer Konfrontation eine Anzeige zu erstatten.

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Schluss

„Es lohnt sich, (wieder) einmal über Sexualität als Menschenrecht auch bei Menschen mit einer Behinderung nachzudenken – selbstkritisch, institutionskritisch, grundsätzlich.“

(Prof. Dr. Joachim Walter).

Mit diesem Satz möchten wir die Arbeit an unserem Leitfaden vorerst beenden und dazu er-mutigen, nicht nur über Sexualität als Menschenrecht nachzudenken, sondern das Thema ak-tiv in die Praxis umzusetzen, mit dem Ziel, eine selbstbestimmte Sexualität zu ermöglichen und Schutz vor sexualisierter Gewalt zu gewährleisten.

Mit der Ausarbeitung des Leitfadens hoffen wir, Ihnen eine Orientierungshilfe dafür an die Hand zu geben und einen Impuls für eine aktive sexualpädagogische Arbeit zu setzen.

Sexualität hat viele Facetten, von denen hier nur einige beleuchtet wurden. So facettenreich wie Sexualität ist, so vielfältig und individuell kann sich auch die sexualpädagogische Arbeit in der Praxis gestalten. Wir wünschen Ihnen dabei gutes Gelingen.

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