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Siedlungsentwicklung am Fallbeispiel Kaltungo

Kaltungo hat im letzten Jahrhundert zweimal seinen Siedlungsschwerpunkt gewechselt. Diese Verlagerung soll in 3 Phasen nachgezeichnet werden. Der Ort besteht seit etwa 200 Jahren.

Während dieser Zeit hat er sich stark verändert. Zunächst lag die alte Siedlung am Berghang als Schutzsiedlung. Die Felder der Frauen lagen in Streifen hangabwärts, die Felder der Män-ner in der Ebene und das Wegenetz orientierte sich nach den Höhenlinien und den Nachbar-siedlungen.

Abb. 3.2.4 Kaltungo (Ende des 19.Jh.): Geschützte Lage am Hang

Quelle: Rekonstruktion (Legende siehe 3.2.1) Weg dient als Orientierungshilfe

Die alte Siedlung wurde mittlerweile völlig gewüstet, man kann nur noch die Siedlungsspuren erkennen und die früheren Agrarterrassierungen. Der alte Ortskern hieß Sohon Gari, die älte-ren Einwohner Kaltungos kennen noch die Lage des Gehöfts ihrer Vorfahälte-ren. Als die Englän-der kamen, richteten sie den ersten Marktplatz Englän-der Region etwa 500m nordwestlich Englän-der Alt-siedlung am Bergfuß ein. Die United African Company hatte dort einen Umschlagplatz für Erdnüsse, die zunächst in Richtung Dadin Kowa, später nach Kano transportiert wurden. Der Platz ist zugunsten des Marktplatzes im Zentrum Kaltungos aufgegeben worden. Mit der Be-siedlung der Ebene verlagerte sich der Ortskern, ein Palast für den Dorfchef wurde errichtet und die ersten Institutionen wie Gericht und Marktplatz entstanden. Die Mission entstand und damit eine Schule und Krankenstation. Mehr und mehr wurden die alten Gehöfte verlassen und gewann die Neusiedlung an Bedeutung. Eine Allee wurde von den Briten angelegt, die Ortsverbindungen wurden ausgebaut und der neue Siedlungsschwerpunkt entstand in der Umgebung der alten Siedlung am Bergfuß. Jeder Clan bekam sein Viertel, welches auch einen spezifischen Namen erhielt.

Abb. 3.2.5 Ortskern Kaltungo 1975: Expansion in die östliche Ebene

Quelle: Luftbild (Legende siehe 3.2.1)

Auf dem Ortsplan von 1975 ist schon der nächste Schritt der Erweiterung in östliche Richtung zu sehen. Zunächst bildete sich der Siedlungsschwerpunkt um den Markt, den Palast, die christliche Mission und die Schule aus. Später reichte der Platz am Bergfuß nicht mehr aus und die Expansion fand in Richtung der Felder statt, wo sich eine relativ ebene Fläche befand, die besiedelt werden konnte. Mit der Fertigstellung der Asphaltstraße wanderte der Schwer-punkt gänzlich in den neuen Ortsteil. Die Institutionen wanderten nach: Der Markt wurde 1943 erneut verlegt, der Palast kam 1949 an seinen heutigen Standort, die lokalen Verwal-tungseinrichtungen erst in den 80er Jahren.

Die Verbindungsstraße von Gombe nach Yola wurde 1958 an den Orten (siehe auch Billiri) vorbeigeführt, weil man keine Gehöfte verlegen und Bodenstreitgkeiten in Kauf nehmen wollte. Die Verlegung eines Marktplatzes bringt Konflikte mit der Tradition. Für die Einrich-tung eines Marktes sind bestimmte Zeremonien und Riten nötig, die Verlegung eigentlich ausgeschlossen. In Kaltungo wurde er trotzdem ins Zentrum verlegt. In Billiri dagegen liegt der Markt deshalb 1,4km vom Motorpark entfernt, der mit den permanenten Geschäften das eigentliche Handelszentrum des Ortes ist. Die Verwaltung Kaltungos denkt wieder über eine Verlegung des Marktplatzes nach, weil er in seiner Expansion bereits die maximale Ausbrei-tung in der Dorfmitte erreicht hat. Der neue Marktplatz soll dann in der Nähe der Verbin-dungsstraße GomYola liegen. Das Krankenhaus und die neue Mission befinden sich be-reits auf der anderen Seite der Straße, zusammen mit dem College und den jüngsten Instituti-onen. Das Gebiet zwischen dem neuen Markt und dem Palast wurde in den 50er Jahren ge-baut, in nördlicher Richtung wuchs die Siedlung in den 70er Jahren. Dadurch ist der Sied-lungsschwerpunkt nochmals verschoben worden. Nun liegt er weiter nördlich zur Straße hin.

Abb. 3.2.6 Ortskern Kaltungo 1999: Kaltungo wächst um die Straße herum nach Norden

Quelle: Luftbild (Legende siehe 3.2.1)

Der Einfluss der Nordsüd Verbindung von Gombe nach Yola ist deutlich spürbar. Die Infra-struktur am Rande der Straße ist wesentlich höher als im eigentlichen Ortskern. Polizei, Bank, College, Tankstellen, Motorpark, Krankenhaus, Hotels, Post und Nitel (Telefonamt) liegen in ihrer Nähe. Neue Siedlungsräume sind ausgeschrieben und werden teilweise schon gebaut.

Ein Expansionsraum liegt nördlich der Straße, hier soll ein Stadion und teurer Wohnraum entstehen, ein weiterer liegt in östlicher Richtung hinter den beiden Hügeln. Hier wird bereits die Stromleitung und die Wasserversorgung verlegt.

Kaltungo und Billiri wuchsen nicht nur in die Ebenen, sondern auch vom Altstadtkern zur Asphaltstraße. Dort siedeln vor allem Wohlhabende, die ihre Gehöfte modern bebauen, selbstständig oder mit dem Kapitalrückfluss der migrierten Familienangehörigen. Teilweise werden prestigeträchtige Wohnkomplexe ehemaliger Dorfbewohner in Straßennähe als Fe-rien- oder Wochenendhäuser gebaut. Oft stehen sie leer, oder werden von Familienmitglie-dern verwaltet und bewohnt.1

Die innere Differenzierung der Ortsteile zeigt in den traditionellen Vierteln um den alten Pa-last einen höheren Anteil an Rundhäusern mit 38%, eine höhere Haushaltsgröße mit 7,4 Per-sonen und eine mittlere Gehöftsgröße von 36 Einwohnern. Im Viertel zwischen Markt und Palast gibt es nur 12% Rundhäuser, die Haushaltsgröße beträgt 6,6 Personen und die Gehöfts-einwohnerzahl liegt bei 22. Probleme gibt es immer wieder mit dem Abfluss des Oberflä-chenwassers. Tiefe Gullys durchziehen das ganze Dorfgebiet. 1999 wurde die Ortsstraße öst-lich des Marktes zerstört, weil eine Brücke in der Regenzeit zusammenbrach. Da keine Finan-zen für die Reparatur vorhanden sind, ist die weiter östlich gelegene Zufahrt nun zur Haupt-einfahrtsstraße geworden.

1vgl. Fricke/Malchau für Uyo, 1995, S.117.