Schottawier:
Aber was
denken Sie denn!Christian: Ich werde Ihn dennoch erfahren.
Und
sei es—
viel-leicht—
durch einen Zufall.Schottawier: Möglich
—
möglich! Der Zufall ist ja die einzige Hilfe, derhm —
der—
na, wie soll ich nur sagen—
Christian (eindringlich): Der
—
der— Dummen? Wie? —
Schottawier: Ich habe das nicht behauptet.
Christian (behält Schottawier, der
Hut und
Stocknimmt,
scharfim
Auge): Sie lassen also kaltblütig den schrecklichsten Ver-dacht auf einer anständigen Frau lasten?Schottawier (zuckt die Achseln): Ich habe diese Unterredung nicht heraufbeschworen.
Christian (schreiend): Ich
muß
es wissen: wer ist Ihre Geliebte?Dienstmädchen (öffnet, meldet): Die gnädige Frau. (Ab.)
—
41 Schottawier (deutet imGehen
nach derTüre; spöttisch lächelnd):Der Zufall! (Er grüßt
stumm und
geht ab.) Christian (willihm
nachstürzen, besinnt sich, ist ratlos.)Kurze Pause.
Esther (kommt): Ah.
— Du
bist also schon zurück?Christian: Das überrascht
Dich?
Esther:
Angenehm. —
Erzähle.Christian: Später.
—
(Kurze Pause.) Ich bin fast nicht dazugekommen,
es mirbequem
zu machen. Ein Besucher gab seit der halben Stunde meines Hierseinsdem
andern dieHand.
Esther: Schottawier?
Christian:
Wie
verfällstDu
gleich aufden?
Esther: Oder der Intendant,
—
einervon
den beiden wird's wohl gewesen sein; oder—
Christian: der
—
?Wer noch?— Wer denn noch —
?!Esther:
Was
weiß ich?— Du
warst doch da.— Du
bist übel ge-launt.—
HastDu
keinen Platzim
Schlafwagen erhalten?Christian: Ich schlafe in letzter Zeit überhaupt unruhig; ob
im
Eisenbahnabteil oder daheim, das ist beinahe gleichgültig; das ewig Ziellose beängstigt mich—
, es ist keinEnde
abzusehen.Esther: Ich verstehe Dich nicht.
Christian (lacht): Das ist's ja
—
!Aber
lassen wir das. . ..Esther:
Du
bistsprunghaft; ichkann
DeinenLaunen
nicht folgen;ich bin's geradezu müde. Ich werde
immer
enttäuscht.Wie
anders könnte derWillkomm
bei derRückkehr
von Deinen Reisen sein.—
BistDu
etwa eifersüchtig?Christian:
Wie kommst Du
auf diese Idee?Esther: Sie ist eine der beiden nächstliegenden.
Christian: Die andere?
Esther:
Daß Du
meinermüde
bist.Christian: Ich bin bloß der Ungewißheit müde.
Esther: Welcher Ungewißheit?
Christian (ausbrechend):
Das
fragstDu
noch—
,Du —
, der es ein leichteswäre, mit einem einzigen festen Entschluß einEnde
zu machen!Da
liegt aber die Wurzel des Uebels:Du
willst nicht, weilDu
vielleicht nichtmehr
zurück kannst. ...Du
be-trügst mich, Esther!Du
betrügst mich!Esther:
Du
bist—
vielleicht krank— was
ist plötzlich in Dich gefahren?Christian: Plötzlich?
— Du
hast also bisher nichtsbemerkt? —
Du nimmst
eben nicht Anteil anmeinem
Wohlbefinden: das42
—
erklärtalles, das istwieein Streiflicht in die dunkle Verworren-heit meiner
Ahnungen,
Befürchtungen. Jedes Wort, dasDu
sprichst, ist in seiner brutalen Selbstverständlichkeit eine Be-stätigung meiner
Annahme.
Esther: Ich
kann
Dir darauf nichts erwidern.Christian:
Du
kannst nicht.Das
glaube ich Dir gerne. Diesmal hastDu —
seitwie langezum
ersten Male—
die blankeWahr-heit gesprochen. Sie schmerzt. (Er geht langsam zu einem Sessel
und
vergräbt das Gesicht in die Hände.)Esther
(kommt
näherund
streichtdann
mit einer mitleidigenGebärde
über sein Haar): Christian,—
Christian— wohin
soll das führen?Christian: Ich kenne mich selbst nicht
mehr
aus.Esther: Es sind
nun
schon so lange Jahre her, daß wir geheiratet haben. Ich hatte mir Hoffnungen gemacht; sie sind natürlich nicht eingetroffen.— Du
kannst nichts dafür.—
So ähnlich wird es ja wohl allen Frauen passieren. Ich weiß ...Du
hast Dich nach Kräften abgerackert—
aber eben darum, weilDu
zu sehr in unsere traurige Lage verbohrt warst, blieb Dir der große Erfolg versagt. Kleinliche Sorge lähmten Deine Energie.
In letzter Minute begann ich alle Kraft
und
allesKönnen
in mir zu wecken. Ichnahm
mir alle,—
den Intendanten, die Autoren, Direktorenund
all dieAnhängsel einwenigins Gebet,entwand
ihnen ihre höchsteigene Routine: kurz, ich spielte mit ihnen auchim
Leben.— Und
nicht ohne Erfolg!Wir
sind heute fastam
Gipfel angelangt; sind fast reich.. .Aber Du
hast mir nie getraut.—
Alles wäre gut ausgegangen,—
aber
Du
begannstmich
zu überwachen, mich mit raschen Fragen zu überfallen. Ichmußte
Dir harmlose Dinge ver-bergen, die DeinenArgwohn
gestachelt hätten,und
die doch nur für Dich getan, gesagt, gelächelt waren.— Du
hast ein so einfältiges Herz, Christian; deshalb habe ich Dich ja so<gerne, trotz alledem! (Sie küßt ihn.)
Christian (unsicher):
Du
hast mich gerne?Wie
könntestDu mich dann
ewigen Zweifeln aussetzen? Zweifeln, die allmäh-lichimmer
unerträglicher wurden.Und
nun, seitdemich Dich erstim
Geiste mitRhemen
spielen sah,—
da ballte sich allesMißtrauen
zusammen —
es ist entsetzlich!Esther (langsam beginnend,
dann immer
schneller):Das
soll janun
in Kürze alles anders werden.— Wir
haben uns ausge-sprochen.Du
kannst ja diese Leute nicht beherrschen, nichtmit ihnen spielen, wie es ja leider geschehen
muß, wenn man
aus der
Menge
herauswill. Bleib' Du, wieDu
bist!Laß
mich das besorgen!Christian: Es sind noch andere Dinge, die mich nicht zur
Ruhe kommen
lassen. (Langsam.) Sag', Esther, hastDu
das je verschmerzt, daß wir—
keine Kinder—
Esther(nach einer Weile): Ja.
— Das mag
mit einer der Beweg-gründe sein, daß es michimmer mehr
zur ernsten Kunst,zum Drama
zieht. DieKunst
beschwichtigtalle Sehnsucht!
Christian:
Und
meine geheimsteAngst,—
Esther—
, ist—
die—
unbegründet?
—
Mir ist das ewige bloße Mittun, das Mitlaufen unerträglich geworden—
Esther: Christian!
Christian: Essindja sodiffizile,schwerexplizierbare Regungen.
—
Siehst
Du —
ich habe trotzTheaterlebens die denkbar höchsteMeinung vom wahren Wesen
des Weibes gehabt; ich habe eigentlich vielleicht nie geliebt—
, nur verehrt. Ich hasse diese Rotte der Gemütsverächter, die mitwieherndem
Gelächter durchs Leben trampeltund
linksund
rechtsim Arm
eine Frau mitsich zerrt,— immer
unbeirrtgeradeaus nachneuem Genuß umspäht und
die ermattende Begleiterin kalten Blutes in denKot
fallenläßt. .. 0, diesevermeintlichen KünstlerdesLebens, diese Laien derKunst
zu leben: ihre Routine istDutzendware und
jede ihrer Gebärden ist eine klägliche Fälschung, irgend einem Original abgelauscht!Esther:
Du
denkst zuviel über allerlei Dinge herum.Christian: Sie lassen mir keine
Ruhe —
diese Dinge.... diese Menschen.Und
das Schrecklichste: daß alle diese Komödian-ten des Lebens Erfolg haben!Das
ist's,was
mich fast rasend macht! J^hrErfolg!
Esther:
Du —
sprichst— von —
Christian: Ja
und
nein.—
Ich lebe in beständiger marternder Angst. Ich glaube immer, daß Frauen, die—
keine Kinder haben können, daß .... die eher einer—
gewissen—
Des-orientierung desGemüts
zugänglich sind....Esther:
Du
bistüberreizt, Christian.Du
darfst längereZeit nicht auf Gastspielereisen.Du mußt
in nächster Zeitum
mich sein, das wird Dich beruhigen. In höchstens drei bis vier Jahren ziehenwirunsvon
derBühne
zurück, übersiedelnindie Provinz, dort kaufen wir uns an.Das
wirddann
ein beruhigtes, stillesund
zufriedenes Indentagleben werden,—
nicht?—
44 -.--^r^^rrrr.^^^^^^rT^=^^.^..^Tr==^^^=..^,-^r=^^^
Christian (verträumt):
War'
es nur so weit! Sieh', ich bin nicht Herr über mich. Ich habe das Gastspiel abgebrochen,—
es trieb mich zurück. .. .Esther:
Ach
Gott, die Zeit,—
wie rasch die gehtund kommt!
FreueDich,
wenn Du
inGedenken
schwelgst, wieDu
inunserem Garten DeineraltenLiebhaberei, Rosenzuziehen,nach Herzens-lustnachkommen
wirst. Vielleicht gelingt es Dir, eine neue Spielart zu ziehen; die trägtdann
DeinenNamen.
Christian (wie oben):
Wäre
die Zeit nur schon da!Esther: Die paar Jahre!
—
Die wollen wir uns durch angestrengte Arbeit verkürzen.Wir
wollenden Erfolgzwingen. Meinerstes Auftreten als Tragödin soll der vielverheißendeAnbruch
sein.Und
dazu hat uns Schottawier,—
das ist unleugbar!—
ein prächtigesWerk
beigesteuert,— und
der Intendant hat seiner-seits ebenfalls unsere innerstenWünsche
erfaßt—
, unsere ge-heimste Sehnsucht.Man
darf ihn nicht vor denKopf
stoßen.Du
weißt, keiner hat für unseren raschen künstlerischen Auf-stieg so viel getan wie er,— und
keiner ist für unsereZukunft so wichtig!Christian (schweigt eine Weile,
dann
lacht er aus vollem Halse):So wäre also richtig alles wieder im alten Geleise?
Esther (betroffen):
Wie —
meinst— Du —
das?Christian (losbrechend):
Umsonst
einAufwand von
vielen, vielen Worten, umsonst die Qual so vieler zweifelsüchtiger Stunden, diemir endlich das Geständnis meinerSchwäche
aus der Kehle preßten,— alles umsonst! —
O, ich kenne das!— Du
hast
immer
vortrefflich verstanden. DeineUeberlegenheit gel-tend zumachen; Du
spielst mit mir wie mit allen anderen!Das
soll jetzt einEnde
haben. Ichmuß
wissen, obDu
michwirklich
liebst. Ichmuß
eszweifelsfrei, klarwissen.Rest-los.
Esther:
Das
hastDu
in den JahrenunsererEhe
nichtin Erfahrung bringenkönnen?
Christian: Ich
schäme
mich nicht zu gestehen:— nein. —
Ich vermeinte immer, dasMädchen
von einst zu umfassen— und
plötzlich starrte mir eine fremde Larve ins Gesicht.
Und
dar-über der Schatten des alten Mannes: der Generalintendant.Der dehnt sich geradezu über meinen
Weg!
Esther:
Das
sind Ausgeburten kranker Nerven; laß mich—
Christian(er
entnimmt
einer Westentascheeine kleine, mitweißem
Pulver gefüllte Phiole. Sehr fest): Ichweiß nur einen Ausweg.—
45 Esgibtnurdieseneinen. Du
hastmirTreue geschworen.Hieristabsoluttödliches Gift. —
Trinke mit mir zugleich davon,dann
weiß ich, daß Deine Zuneigung ohne Grenzen ist, dann weiß ich, daßDu
michliebst. Halte Dein Wort! Das Leben ist kein besseres Ziel wert als: den Tod!Esther (konsterniert): Ich soll Dir meine Liebe beweisen,
indem
ich mit Dir
—
in denTod
gehe.. .?!Du
weißt, ich habe Dir einstgesagt, ichhabeesDirgeschworen: mitDirdurchsLeben—
mitDirin den Tod...
Du
weißt, ich werdeWort
halten,wenn
es letztenEndesdarauf