• Keine Ergebnisse gefunden

II. Schutzbereich der Privatsphäre

2. Schutzbereich des deutschen allgemeinen Persönlichkeitsrechts

a) Persönlicher Schutzbereich

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein „Jedermann-Recht“, d.h. es gilt für alle natürlichen Personen und ist somit nicht auf Deutsche beschränkt123. Kinder und Minderjährige werden auch vom Schutzbereich des Grundrechts umfasst, da das Grundrecht an das Person-Sein und nicht an eine ausgebildete Persönlichkeit anknüpft124. Fraglich ist, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch juristischen

Bezug auf Art. 8 EMRK, S. 64; Postberg, Das Zusammenwirken von EMRK, Grundgesetz und EU-Grundrechtscharta anhand des Art. 52 III und des Art. 53 der Charta – eine vergleichende Untersuchung zum Schutz des Privat- und Familienlebens, S.18.

119 ECHR, von Hannover v. Germany (no.2), nos. 40660/08; 60641/08, § 96.

120 ECHR, von Hannover v. Germany (no.2), nos. 40660/08; 60641/08, § 96.

121 ECHR, von Hannover v. Germany (no.2), nos. 40660/08; 60641/08, § 95; ECHR, von Hannover v. Germany, no. 59320/00, § 50; ECHR, Schüssel v. Austria, no.

42409/98, § 2.

122 Vgl. hierzu Bulach, Die konstitutionelle Rolle des EGMR im europäischen Grundrechtsschutzsystem durch Auslegung und Fortentwicklung der gemeinsamen Grundwerte unter besonderem Bezug auf Art. 8 EMRK, S. 65; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention. Ein Studienbuch, S. 232; Meyer-Ladewig, EMRK, Art.8 Rn. 29; Marauhn/Meljnik, in: Grote/Marauhn (Hrsg.), EMRK/GG, Kap.

16 Rn. 35; a.A. Schweßinger, Der Einfluss der Europäischen Menschenrechtskonvention auf den zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz in Deutschland, Frankreich und England, S. 21.

123 Vgl. Art. 2 Abs. 1 GG: “Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit…”.

124 Jarass, NJW 1989, 857, 859.

Personen zusteht. Obwohl der BGH das privatrechtliche Persönlichkeitsrecht auf juristische Personen anwendet125, findet man in der Rechtsprechung keine einheitliche Meinung dafür. Nach Art. 19 Abs.

3 GG sind die Grundrechte nur dann auf (inländische) juristische Personen anwendbar, wenn dies mit ihrem Wesen vereinbar ist.

Demgemäß hängt es von den Umständen des Einzelfalls, ob Persönlichkeitsschutz auch für juristische Personen gewährleistet wird126.

b) Sachlicher Schutzbereich

Das BVerfG hat im Elfes-Urteil festgestellt, dass Art. 2 Abs. 1 jegliches Handeln und Unterlassen schützt, insofern dieses nicht in eines der sonstigen Freiheitsrechte eingreift127. Anders ist das so zu formulieren:

jeder kann tun und lassen, was er will, soweit dies nicht andere stört128. Diese Rechtsprechung verankert aber nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht, sondern das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wurde von der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung129 im Rahmen des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG entwickelt. Es knüpft also an die allgemeine Handlungsfreiheit an, weil es auch nicht auf bestimmte Lebensbereiche begrenzt ist, sondern in allen Lebensbereichen relevant ist130. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist daher als Spezialgrundrecht bzw. als Nebenprodukt der allgemeinen Handlungsfreiheit anzusehen131 und ist vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht im BGB zu unterscheiden132, wobei die Reichweite

125 Vgl. BGHZ 81, 75, 78; BGHZ 98, 94, 97.

126 So Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 2 Rn. 52, Epping, Grundrechte, Rn. 528; vgl.

auch Sodan, Grundgesetz, Art. 2 Rn. 9; Dreier, GG I, Art. 2 I Rn. 82; Jarass, NJW 1989, 857, 860.

127 Vgl. BVerfGE 6, 32, 36-38.

128 Vgl. Jarass, NJW 1989, 857.

129 BGHZ 13, 334, 338; 24, 72, 81; BVerfGE 54, 148, 152; 72, 155, 170.

130 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 373.

131 Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, §7 Rn. 1; Postberg, Das Zusammenwirkungen von EMRK, Grundgesetz und EU-Grundrechtscharta anhand des Art. 52 III und des Art. 53 der Charta – eine vergleichende Untersuchung zum Schutz des Privat- und Familienlebens, S.41; Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 2 Rn. 40.

132 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 373.

der Schutzbereiche der beiden Rechte häufig ähnlich oder gar gleich ausfällt133.

Der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wurde häufig nach den verschiedenen Ausprägungen der Persönlichkeit des Menschen in verschieden Sphären (z. B. in Öffentlichkeitssphäre, Sozialsphäre, Privatsphäre und Intimsphäre), deren Schutz unterschiedlich ausgeprägt ist, aufgeteilt. Am besten lässt sich der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Fallgruppen definieren134. Obwohl heutzutage immer noch keine Meinungseinheit über die Fallgruppenaufteilung herrscht, werden überwiegend der Schutz der Privat-, Geheim- und Intimsphäre, das Recht am eigenen Bild und am eigenen Wort in der Öffentlichkeit, der persönliche Ehrenschutz sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht gezählt135. Im Folgenden werden einige Fallgruppen des Schutzbereiches des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dargestellt.

aa) Privatsphäre. Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sichert dem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und gleichzeitig verlangen kann, in Ruhe gelassen zu werden136. Der Schutz ist außerdem nicht nur auf die häusliche Sphäre begrenzt, sondern entfaltet sich überall dort, wo die Einzelnen davon ausgehen dürfen, fremden Blicken entzogen zu sein137.

bb) Intimsphäre. Die Privatheit der Sexualsphäre wird auch vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt138. Die sexuelle Selbstbestimmung erfasst verschiedene Bereiche der Intimsphäre; die Schwangerschaft gehört auch zur Intimsphäre der Frau, deren Schutz

133 Jarass, NJW 1989, 857, 858.

134 Schweßinger, Der Einfluss der Europäischen Menschenrechtskonvention auf den zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz in Deutschland, Frankreich und England, S. 67;

vgl. dazu die Eppler-Entscheidung, BVerfGE 54, 148, 153.

135 Vgl. Postberg, Das Zusammenwirken von EMRK, Grundgesetz und EU-Grundrechtscharta anhand des Art. 52 III und des Art. 53 der Charta – eine vergleichende Untersuchung zum Schutz des Privat- und Familienlebens, S. 40; Lehr, Ansätze zur Harmonisierung des Persönlichkeitsrechts in Europa, S. 33.

136 Vgl. BVerfGE 79, 256, 268.

137 Vgl. BVerfGE 101, 361, 371, 372.

138 Jarass, NJW 1989, 859.

durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verbürgt ist139.

cc) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wurde zum ersten Mal im sogenannten Volkszählungsurteil entwickelt140. Es gewährleistet die Möglichkeit des Individuums, die Kontrolle über seine persönlichen Daten zu behalten und selbst über deren Verwendung zu bestimmen141. Die Daten sind im Hinblick auf ihre Art nicht begrenzt; dazu gehören beispielweise auch Tagebücher, Ehescheidungsakten, Krankenakten und Steuerdaten142.

dd) Selbstdarstellung der Person in der Öffentlichkeit. Zur Öffentlichkeitssphäre gehören grundsätzlich das Recht am eigenen Wort und Bild sowie persönlicher Ehrenschutz143.

1. Der Ehrenschutz konstituiert zwar kein Recht, in der Öffentlichkeit nur nach eigenen Vorstellungen dargestellt zu werden, gewährleistet aber, dass das Ansehen der Person in den Augen anderer wahrheitsgemäß präsentiert wird144 (der Schutzbereich wird als „äußere Ehre“145 bezeichnet).

2. Das Recht am eigenen Wort garantiert dem Individuum die Möglichkeit, selbst zu bestimmen, ob seine Worte der Öffentlichkeit zugänglich sein sollen. Jede Person kann selbst entscheiden, ob ihr Wort auf einem Tonträger aufgenommen werden darf146.

3. Das Recht am eigenen Bild „gewährleistet dem Einzelnen Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten, soweit es um die Anfertigung und Verwendung von Fotografien oder Aufzeichnungen seiner Person durch andere geht147“.

139 BVerfGE 39, 1, 42.

140 BVerfGE 65, 1.

141 Epping, Grundrechte, Rn. 626.

142 Epping, Grundrechte, Rn. 627.

143 So Sodan, Grundgesetz, Art. 2 Rn. 6; Epping, Grundrechte, Rn. 532. Einige Wissenschaftler unterscheiden auch das Recht auf Resozialisierung als Teil der Öffentlichkeitssphäre bzw. des Ehrenschutzes, vgl. dazu Jarass, NJW 1989, 859;

Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, Rn. 49.

144 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995, NStZ 1996, 127.

145 Vgl. dazu Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, Rn. 48.

146 Vgl. BVerfGE 34, 269, 277.

147 BVerfGE 101, 361, 381; vgl. auch BVerfG, Beschluß vom 14.02.2005 – 1 BvR 240/04, – manipiulierte Fotomontage.

3. Schutzbereich des Rechts auf Unverletzlichkeit des Privatlebens