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Schutz der Privatsphäre

Im Dokument WAS GILT? LGBTI MEINE RECHTE (Seite 75-79)

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Schutz der Privatsphäre

Meine sexuelle Orientierung, meine Transidentität, meine Interge-schlechtlichkeit sowie mein Geschlechtsausdruck sind Teil meiner Identität und sind als solche rechtlich geschützt.

Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und Artikel 13 der Schweizerischen Bundesverfassung (BV) schüt-zen mein Recht auf Privatsphäre. Gegenüber dem Staat kann ich mich direkt auf diese Rechte berufen. Unter Privatpersonen leitet sich der Schutz meiner Privatsphäre und Persönlichkeit aus dem Zivil- und dem Strafrecht ab. Artikel 28 des Zivilgesetzbuchs (ZGB) schützt meine Persönlichkeit.

Zivilrecht

Das Zivilrecht ist hauptsächlich im Zivilgesetzbuch festgehalten.

So schützt mich z. B. Artikel 28 ZGB vor Persönlichkeitsverletzun-gen durch andere. Dies beinhaltet auch den Schutz meiner Privat-sphäre.

Wenn eine Verletzung meiner Privatsphäre vorliegt, kann ich eine zivilrechtliche Klage einreichen. Wenn ich eine Klage einreiche, muss ich einen Kostenvorschuss bezahlen. Falls ich nicht über genügend finanzielle Mittel verfüge, kann ich unentgeltliche Rechtspflege beantragen. Falls ich den Prozess verliere, muss ich die Prozesskosten (Gerichtskosten und Parteientschädigung) selbst bezahlen.

Strafrecht

Das Strafrecht ist hauptsächlich im Strafgesetzbuch (StGB) gere-gelt. Der Staat schützt damit das Zusammenleben aller Zivilperso-nen und bestraft diejenigen, die gegen das Strafrecht verstossen.

Wenn eine Straftat begangen wurde, kann ich bei der Polizei einen Strafantrag stellen. Die Polizei und gegebenenfalls die Staatsan-waltschaft führen die Untersuchung und leiten die nötigen Schritte ein. Mit dem Strafantrag werde ich zum*zur Privatkläger*in und kann am Verfahren teilnehmen. Das Verfahren kostet mich nichts.

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Schwerwiegende Straftaten werden auch ohne Strafantrag verfolgt (sog. Offizialdelikte). In diesem Fall kann ich erklären, als Privat-kläger*in am Verfahren teilnehmen zu wollen. Das Verfahren kostet mich nichts.

Habe ich ein Recht darauf, dass meine sexuelle Orientierung, meine Transidentität oder meine Intergeschlechtlichkeit geheim gehalten werden (Schutz gegen ein unfreiwilliges Outing)?

a) Im Zivilrecht

Grundsätzlich habe ich ein Recht darauf, dass meine sexuelle Ori-entierung, Transidentität oder Intergeschlechtlichkeit nicht offen-gelegt werden. Es handelt sich um vertrauliche Informationen, die durch mein Recht auf Privatsphäre und Schutz meiner Persönlich-keit geschützt sind.

Aus diesem Grund dürfen diese Informationen grundsätzlich nur mit meiner Zustimmung preisgegeben werden. Wenn ich zum Bei-spiel einer Person erzähle, dass ich lesbisch, schwul, bisexuell, asexuell, trans oder intergeschlechtlich bin, darf sie diese Informa-tion nicht ohne meine Einwilligung an andere weitergeben, auch nicht an meine Eltern oder meine Familie oder an gemeinsame Freund*innen.

Informationen über meine sexuelle Orientierung, Transidentität oder Intergeschlechtlichkeit dürfen auch dann nicht öffentlich verbreitet werden, wenn ich grundsätzlich offen damit umgehe.

Dinge, die ich in der Öffentlichkeit tue (zum Beispiel jemanden küssen), ohne dabei Aufmerksamkeit auf mich lenken zu wollen, gehören ebenfalls zu meiner Privatsphäre. Umgekehrt verringert sich mein Schutz gegen ein unfreiwilliges Outing, je mehr ich selbst öffentlich (insbesondere in den sozialen oder den traditionellen Medien) darüber spreche.

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Informationen zu sexueller Orientierung, Transidentität oder Inter-geschlechtlichkeit einer bekannten Persönlichkeit dürfen grund-sätzlich nur preisgegeben werden, wenn die betreffende Person eingewilligt hat. Diese Einwilligung muss nicht explizit gegeben sein, sie ist auch gegeben, wenn die bekannte Person öffentlich darüber gesprochen hat. Darüber hinaus dürfen Informationen weitergegeben werden, wenn das öffentliche Interesse daran das Geheimhaltungsinteresse überwiegt. Dies kann zum Beispiel gege-ben sein, wenn ein Politiker, der sich öffentlich schwulenfeindlich äussert, selbst schwul ist.

b) Im Strafrecht

Die blosse Offenlegung meiner sexuellen Orientierung, Transiden-tität oder Intergeschlechtlichkeit ist gegebenenfalls dann straf-rechtlich relevant, wenn sie in einer LGBTI-feindlichen Umgebung stattfindet und wenn damit gerechnet werden muss, dass andere Personen aufgrund dieser Information schlechter als vorher über mich denken oder sich mir gegenüber diskriminierend oder gewalt-tätig verhalten könnten.

Outet mich beispielsweise jemand gegen meinen Willen gegen-über einer Arbeitgeberin, von der angenommen werden muss, dass sie LGBTI-feindlich ist, kann es sich unter Umständen um eine Beschimpfung oder eine Verleumdung im strafrechtlichen Sinne handeln.

Art. 8 EMRK; Art. 10, Art. 13 BV; Art. 173 ff. StGB; Art. 28 ZGB; Art. 21 Abs. 3 KV/BE

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Ist es erlaubt, ein Foto oder ein Video von mir zu machen, zu teilen oder zu publizieren, das meine sexuelle Orientierung, meine Transidentität oder meine Intergeschlechtlichkeit offenbart?

Ohne meine Zustimmung darf in keinem Fall ein Foto oder Video von mir gemacht, geteilt oder verbreitet werden. Dies stellt ganz grundsätzlich eine Persönlichkeitsverletzung dar – nicht nur, wenn darin zusätzlich auch noch meine sexuelle Orientierung, Trans-identität oder Intergeschlechtlichkeit offenbart wird. Auch Ton-aufnahmen, die mich als Person identifizieren, dürfen ohne meine Zustimmung grundsätzlich nicht verbreitet werden.

Es liegt indes keine Persönlichkeitsverletzung vor, wenn ich damit einverstanden bin. Mein Einverständnis muss nicht explizit sein.

Wenn ich zum Beispiel auf einer queeren Veranstaltung vor einer Kamera bewusst posiere, stimme ich stillschweigend zu, dass die-ses Bild auf der Webseite der Veranstalter*innen der Party veröf-fentlicht wird. Dies gilt auch, wenn ich unter Alkoholeinfluss oder Drogen posiert habe und dies im Nachhinein bereue. Ich kann von den Veranstalter*innen jedoch verlangen, dass das Bild nicht an Dritte weitergegeben wird. Ich kann zu einem späteren Zeitpunkt meine Einwilligung widerrufen und verlangen, dass das Bild von mir gelöscht oder verpixelt wird. Auch wenn ich z. B. in Drag oder mit Partner*innen für den Kameramenschen eines Fernsehsenders posiere, stimme ich der Ausstrahlung dieser Aufnahmen zu.

Es ist auf jeden Fall wichtig, den Kontext zu berücksichtigen.

Posiere ich zum Beispiel mit jemandem zusammen für ein Foto auf einer privaten Party von Freund*innen, kann ich davon ausgehen, dass das Bild von Fotograf*in und Partyteilnehmenden im privaten Rahmen verwendet, jedoch nicht öffentlich verbreitet wird.

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Bin ich auf einem Foto im Hintergrund zu sehen (z. B. auf einer Veranstaltung wie der Pride), sind die konkreten Umstände zu prü-fen. Ob eine Persönlichkeitsverletzung vorliegt, ist insbesondere abhängig vom Stil der Aufnahme, von den fotografierten oder ge-filmten Personen, von der fotografierenden Person und vom Me-dium, in dem die Aufnahme verbreitet wird. In der Regel liegt keine Verletzung meiner Privatsphäre vor, wenn ich mit vielen anderen Personen auf einem Bild einer Grossveranstaltung abgebildet bin.

Anders verhält es sich mit Bildern, die mich individualisieren (zum Beispiel nur von mir und einer einzelnen anderen Person), insbe-sondere wenn die Bilder zu einem Outing führen könnten.

Die Benützung von Fotos meiner Geschlechtsmerkmale, insbeson-dere für medizinische Ausbildungszwecke in Fachpublikationen, greift in meine Intimsphäre ein. Ich muss solchen Publikationen zustimmen, und die Bilder müssen anonymisiert werden.

Gute Informationen bietet der Flyer «Das eigene Bild: Alles, was Recht ist» (www.skppsc.ch > Downloads > Broschüren und Faltblätter > Das eigene Bild: Alles, was Recht ist.

Art. 8, Art. 14 EMRK; Art. 5, Art. 10, Art. 13, Art. 36 BV; Art. 4, Art. 29 DSG; Art.

28 ZGB; Art. 12 Abs. 3 KV/BE BGE 136 III 401, 138 II 346

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