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SchussenAktivplus

Im Dokument ISF Arbeitsbericht 2014 (Seite 86-97)

6 Projekte mit anderen Einrichtungen

6.1 SchussenAktivplus

Im Jahr 2014 wurden die Probennahmen im Forschungs-projekt „SchussenAktivplus“ abgeschlossen. Drei Jahre lang haben sich insgesamt 19 Partner aus Forschung, Kommu-nen und freier Wirtschaft zu einem Forschungsverbund zusammengeschlossen, um den Effekt von weitergehenden Reinigungsmaßnahmen an Kläranlagen (KA) unterschied-licher Größe und an Regenwasserbehandlungssystemen am Bodenseezufluss Schussen zu untersuchen. Die Verfah-ren zur weitergehenden Abwasserreinigung, die getestet wurden, sind: i) Kombination aus Ozon und granulierter Aktivkohle und/ oder Sandfilter (Testanlage in Eriskirch), ii) Kombination Pulveraktivkohle und Sandfilter (KA Langwiese bei Ravensburg), iii) Kombination aus Ozon und Langsamsandfilter (KA Merklingen), iv) Lamellenklä-rer am Regenüberlaufbecken Mariatal (bei Ravensburg), v) bestehender Retentionsbodenfilter bei Tettnang. Das Pro-jekt wurde vom Bundesforschungsministerium und vom baden-württembergischen Umweltministerium gefördert.

Der Projektteil des ISF befasste sich mit dem Rückhalt, Eintrag und Verbleib von Fäkalindikatorkeimen.

Bewertung der Effizienz verschiedener Ausbaumaßnahmen auf den Rückhalt von fakultativ pathogenen Indikatororganismen

Zur Bewertung der Effizienz bezüglich des Rückhalts von Mikroorganismen durch die im Projekt untersuchten Test-systeme wurde auf die traditionellen Indikatororganismen der Badegewässerrichtlinie und Trinkwasserverordnung, nämlich Escherichia coli und die Gruppe der Enterokokken, zurückgegriffen. Die Gesamtkeimzahl (GKZ) als globaler mikrobieller Parameter wurde ebenfalls ermittelt. Diese Parameter werden in als Koloniebildende Einheiten (KBE)/100 ml bestimmt.

Für die Testsysteme KA Langwiese und Eriskirch sowie dem Regenüberlaufbecken (RÜB) Mariatal und dem Re-tentionsbodenfilter (RBF) Tettnang liegt eine genügend hohe Zahl an Probenahmen vor, um eine Bewertung vor-zunehmen. Im Gegensatz dazu steht das Testsystem mittle-re Kläranlage mittle-repräsentiert durch die KA Merklingen: der Langsamsandfilter wurde nur einmal vor dem Anschluss an die Ozonung analysiert. Für die schwankenden

mikrobio-logische Daten ist damit keine ausreichend hohe Sicher-heit zur Bewertung gegeben.

Im Normalbetrieb eliminieren die Kläranlagen Langwiese und Eriskirch bei einer Eingangskonzentration von etwa 106 KBE/100 ml E. coli bzw. 105 KBE Enterokokken/100 ml mehr als zwei log-Stufen (2,1–2,9). Nach dem Ausbau der KA Langwiese mit einer Pulveraktivkohlestufe im Voll-strom und anschließender Sandfiltration (schon existie-rend) wurde eine höhere Elimination von 3,2–3,3 log-Stu-fen erreicht. Die Konzentrationen im Ablauf der KA Langwiese nach Ausbau liegen für E. coli nur knapp über und für die Gruppe der Enterokokken unter den Grenz-werten für ausreichende Badegewässerqualität (Abb. 6-1).

Dahingegen wies die Ozonung getestet an der KA Eris-kirch im Teilstrom im Median eine hohe keimreduzierende Wirkung (4,8 bzw. 4,0 log-Stufen) auf, die durch nachge-schaltete Filter noch erhöht werden konnte. Die Konzen-trationen in allen mit Ozon behandelten Abläufen liegen unter den Grenzwerten für ausreichende Badegewässer-qualität.

Die Auswahl des Reinigungsverfahrens in Kläranlagen ist daher auch in Abhängigkeit von der Nutzung des Vorflu-ters zu treffen. Steht eine Nutzung als Badegewässer im Vordergrund, sollte auf die gute Desinfektionswirkung mittels Ozonung zurückgegriffen werden. Allerdings kön-nen bei der Ozonierung Transformationsprodukte mit oft noch nicht bekannten Auswirkungen für die Umwelt ent-stehen. Zudem wurde in einem anderen Teilprojekt von SchussenAktivplus gezeigt, dass bei stark reduzierten abso-luten Zahlen der prozentuale Anteil an Antibiotika-resi-stenten Bakterien durch diese Behandlung steigen kann.

Beim RÜB Mariatal findet aufgrund der kurzen Verweilzeit keine Keimelimination statt. Auch nach Ausbau mit einem Lamellenklärer, der zur Feststoffabtrennung dient, zeigte sich keinerlei Effekt auf die mikrobiologische Situation.

Die bakteriellen Konzentrationen des RÜB-Ablaufs liegen in etwa so hoch wie in der Nachklärung einer Kläranlage (Daten hier nicht gezeigt) und stellen damit eine hohe, temporär begrenzte Belastungsquelle dar. Im Gegensatz zum RÜB wies das RBF Tettnang eine

Eliminationslei-hauptsächlich die Kläranlagen beitragen, da sie ständig Bakterien in mäßig hohen Konzentrationen in die Schus-sen eintragen. Bei erhöhten AbflüsSchus-sen sind aber andere Eintragsquellen bspw. durch Regenentlastungen maßgeb-lich an der hygienisch-mikrobiologischen Belastung betei-ligt. Diese Tatsache lässt sich gut bei der PN R im Juli 2014 beobachten, die Tage zuvor hatte es kräftig geregnet: so-wohl in der Schussen als auch in der Argen wurden bei dieser Kampagne die höchsten E. coli-Konzentrationen bestimmt (Abb. 6-2).

Ob die Veränderungen im Belastungsmuster auf den Aus-bau der KA Langwiese zurückzuführen ist, kann nicht be-urteilt werden: Erstens liegt zwischen der „unterhalb“ zur Kläranlage gelegenen PS3 ca. 12 km Fließstrecke und zwei-tens münden zwischen diese beiden Probestellen diverse kleinere Bäche (u. a. Schwarzach, Tobelbach) in die Schus-sen. Dadurch werden mögliche Effekte durch den KA-Aus-bau allein durch die Frachten aus den Nebenflüssen über-deckt.

Fazit zum Gesamtprojekt

Insgesamt können zusätzliche effektive Reinigungsstufen in Kläranlagen und an Regenüberlaufbecken Spurenstoffe und Keime reduzieren und die Wasserqualität im Vorfluter stung von 2,2 bzw. 2,7 log-Stufen auf und ist vergleichbar

mit denen der im Projekt untersuchten Kläranlagen ohne Ausbaumaßnahmen (bei niedrigeren Zulaufkonzentrati-onen als in den Kläranlagen). Die Datenlage zum bakteri-ellen Rückhalt von Retentionsbodenfiltern in Deutschland ist sehr gering, im Vergleich mit anderen Retentionsboden-filtern wird eine hohe Elimination von E. coli und Entero-kokken erreicht [scheuReR et al. 2015]. Die Gründe hierfür konnten im vorliegenden Projekt nicht ausreichend geklärt werden, sind aber aus wissenschaftlicher als auch kommu-nalpolitischer Sicht von großem Interesse.

Bewertung des Ausbaus der Kläranlage Langwiese mit Pul-veraktivkohle im Vollstrom auf die mikrobiologische Bela-stung der Schussen

Die Lebendkeimzahlen von E. coli und Enterokokken, die während der Freilandkampagnen an den verschiedenen Probestellen bestimmt worden sind, schwanken i. d. R. für die jeweilige Kampagne und die jeweilige Keimgruppe in-nerhalb einer log-Stufe, auch bei unterschiedlichen hydro-logischen Verhältnissen und unabhängig von der Jahreszeit (Abb. 6-2, S. 88). Eine „auffällig“ belastete Probenstelle wird nicht ersichtlich, sondern es ist eher von einer bakte-riellen Grundlast auszugehen, zu der bei Trockenwetter

Abb. 6-1: Konzentrationen von E. coli und Enterokokken in den verschiedenen Testsystemen vor und nach Ausbaumaßnahmen im Ver-gleich zum Grenzwert für ausreichende Badegewässerqualität. LW= Langwiese; ER = Eriskirch, RÜB = Regenüberlaufbecken; RBF = Retentionsbodenfilter; Ab = Ablauf; FF = Flockungsfiltration; Sa = Sandfilter; PAK = Pulveraktivkohle; Ak = granulierte Aktivkohle; LK = Lamellenklärer.

Abb. 6-2: KBE/100 ml von E. coli und Enterokokken im Wasser von Schussen und Argen sowie die jeweilige Abflussmenge (m³/s). PS

= Probestelle, PS0 = Schussen, oberhalb RÜB Mariatal und KA Langwiese, PS1 = Schussen, zwischen RÜB Mariatal und KA Langwie-se, PS3 = Schussen, unterhalb KA LangwieLangwie-se, PS6 = Schussen, Mündung unterhalb KA Eriskirch, PS4 = Untere Argen bei Oberau.

verbessern. Bei der Auswahl des Reinigungsverfahrens ist eine Abwägung für den Einzelfall zu treffen.

Die Kombination aus Ozon und granulierter Aktivkohle (Testanlage in Eriskirch) sowie aus Pulveraktivkohle und Sandfilter (Kläranlage Langwiese bei Ravensburg) haben sich als besonders effizient erwiesen und reduzieren Spu-renstoffe und deren toxische Wirkstoffe um 80 bis 90 Pro-zent. Darüber hinaus konnten diese zusätzlichen Reini-gungsstufen die Anzahl der Antibiotika-resistenten und nicht-resistenten Bakterien deutlich senken. Die Systeme haben unterschiedliche Stärken. Die Pulveraktivkohleanla-ge entfernt besonders gut Stoffe wie das Antikorrosions-mittel Benzotriazol oder den Betablocker Metoprolol aus dem Abwasser. Die Kombinationen mit Ozon konnten die Arzneimittel Carbamazepin und Diclofenac sowie Keime effizienter reduzieren als die Pulveraktivkohle. Allerdings können sich bei der Ozonierung Transformationsprodukte mit oft noch nicht bekannten Auswirkungen für die Um-welt bilden. Deshalb ist bei Ozon eine Nachreinigungsstu-fe notwendig. Als fast genauso efNachreinigungsstu-fektiv wie eine konventio-nelle Kläranlage bei der Elimination von Spurenstoffen und Keimen hat sich der mit Schilf bewachsene Retenti-onsbodenfilter in Tettnang erwiesen, dem das Wasser von zwei Regenüberlaufbecken zugeschlagen wird. Bei entspre-chender Flächenverfügbarkeit ist diese Reinigungsart als mögliche Nachbehandlung an Regenüberlaufbecken zu empfehlen. Dagegen erwies sich der untersuchte Lamel-lenklärer als nicht effizient.

Die Untersuchungen am Ablauf der Kläranlage Langwiese zeigten, wie schnell und positiv sich die Pulveraktivkoh-leanlage auf die Gesundheit der Gewässerorganismen aus-wirkt. Bereits 15 Monate nach Inbetriebnahme dieser Anla-ge zeigten Forellen unterhalb der KläranlaAnla-ge Langwiese weniger Schäden und auch die Lebensgemeinschaft der am Gewässerboden lebenden Organismen hat sich verbessert.

Diese ersten Befunde werden in einer laufenden Nachun-tersuchung noch auf ihre langfristige Stabilität hin über-prüft.

6.2 Klimawandel am Bodensee: Das Interreg-IV-Projekt KlimBo

Der globale Wandel des Klimas zeigt sich deutlich im An-stieg der Temperaturen. Das Jahr 2014 war weltweit das wärmste Jahr seit Beginn der meteorologischen Aufzeich-nungen. Auch die Bodenseeanrainer Deutschland, Öster-reich und die Schweiz verzeichneten einen neuen Tempe-raturrekord. Die Erwärmung zeigt sich auch im Bodensee, dessen Oberflächenwasser zwischen 1990 und 2014 im Durchschnitt um 0,9 °C wärmer war als von 1962 bis 1989 (Abb. 6-3, S. 90). Folgen der höheren Temperaturen sind beispielsweise eine Verschlechterung der winterlichen Durchmischung des Sees und somit Veränderungen im Nachschub von Sauerstoff in die tieferen Wasserschichten (Abb. 6-4, S. 90).

Interreg-IV-Projekt „Klimawandel am Bodensee“

Das Forschungsprojekt „Klimawandel am Bodensee“

(KlimBo) widmete sich in den Jahren 2011 bis 2015 mit Literaturstudien, Datenauswertungen, Messkampagnen und Modellberechnungen den möglichen Folgen klima-tischer Veränderungen auf den Bodensee. Dabei wurde auch untersucht, wie hydrodynamische Prozesse, die für den Wasseraustausch und die Wasserqualität im See von Bedeutung sind, von den meteorologischen und hydrolo-gischen Verhältnissen abhängen. Weiterhin wurden mög-liche Folgen und Risiken des Klimawandels für die Trink-wasserversorgung aufgezeigt und bewertet. Außerdem wurde untersucht, wie sich eine verstärkte thermische Nutzung des Sees auf das sensible Ökosystem des Boden-sees auswirken könnte. Dies ist wichtig, weil erneuerbare Energien, wozu auch Umweltwärme zählt, bei der Heizung und Klimatisierung von Gebäuden mit Hilfe von Wärme-pumpen und Wärmetauschern eine immer größere Rolle spielen werden. Unterstützt wurde KlimBo vom EU-Inter-reg-IVProgramm „Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein“.

Die Trinkwasserversorgung ist nicht gefährdet

Die auf einer Literaturstudie basierende Abschätzung der möglichen Folgen des Klimawandels auf die Trinkwasser-versorgung aus dem Bodensee ergab, dass die zu erwar-tenden Wechselwirkungen und Prozessabläufe nicht an-ders als in der Vergangenheit sind. Es liegen also bei den Versorgern bereits Erfahrungen vor, wie beispielsweise mit Hochwasserereignissen und Änderungen in der Wasserbe-schaffenheit umzugehen ist. Gleichwohl wird es als erfor-derlich erachtet, Anpassungsmaßnahmen an die sich verän-dernden klimatischen Bedingungen zu treffen.

Klimafolgen für die Bodenseezuflüsse

Im Fokus stand hier die Frage, wie sehr der Hauptzufluss Alpenrhein zur Erneuerung des Tiefenwassers beitragen kann. Dabei zeigte sich, dass bei Hochwasserereignissen das zufließende Rheinwasser nur selten bis zu den tiefsten Seeregionen in 254 Metern Tiefe vordringt. Da es noch sehr unsicher ist, wie der Klimawandel die Hochwässer des Alpenrheins verändern wird, lässt sich kaum abschätzen, ob oder wie sich die Einschichtung des Rheins und dessen Beitrag zum Tiefenwasseraustausch verändern werden (Abb. 6-5).

7 8 9 10 11 12 13

1945 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015

TemperaturC]

Jahr Lufttemperatur bei Konstanz (Daten: DWD)

Wassertemperatur bei Seemitte ~0,5 m Tiefe (i.d.R. 1-2 Messtermine pro Monat, Daten: ISF/LUBW)

Abb. 6-3: Verlauf der Temperaturen der Luft und des Oberflächenwassers im Bodensee von 1962–2014. Mittelwert der Wassertempera-turen: 1962–1989: 10,9 °C, 1990–2014: 11,8 °C; also Anstieg um +0,9 °C. Mittelwert der LufttemperaWassertempera-turen: 1962–1989: 9,0 °C, 1990–

2014: 10,1 °C; also Anstieg um +1,1 °C. Der lineare Trend der Wassertemperaturen beträgt für die Jahresmittelwerte von 1962–2014 +0,03 °C/Jahr.

1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015

gute

Durchmischung

schwache Durchmischung

Abb. 6-4: Die winterliche vertikale Durchmischung des Bodensees hat sich in den letzten fünf Jahrzehnten tendenziell verschlechtert:

Die Stärke der Durchmischung wurde durch den winterlichen Abbau der vertikalen Konzentrationsunterschiede des Phosphats abge-schätzt und als dimensionsloser Kennwert quantifiziert (KLIWA, 2007). Unsicherheiten in der Aussagekraft des Durchmischungskenn-werts ergeben sich durch andere Prozesse, welche die Konzentrationsverteilung beeinflussen, wie beispielsweise Abbau- und Rücklö-sungsprozesse oder Flusswassereinträge.

Klimawandel und Nährstoffe

Die klimabedingten Veränderungen der Durchmischungs-vorgänge beeinflussen die Verteilung von Wasserinhalts-stoffen. In den Jahren mit mangelnder vertikaler Durchmi-schung reichert sich verstärkt Phosphat im Hypolimnion an. Kommt es dann zu einer guten Durchmischung, ist mit höheren Phosphatkonzentrationen im Epilimnion und da-mit auch da-mit einem verstärkten Phytoplanktonwachstum zu rechnen. Eine Erhöhung des Phosphoreintrags geht mit einer verstärkten Sauerstoffzehrung im Tiefenwasser ein-her und sollte daein-her vermieden werden.

Modellierung von Austauschprozessen

In KlimBo wurden zahlreiche Modellsimulationen durch-geführt, welche die Ausbreitungsvorgänge und Verweil-zeiten im See mit Hilfe fiktiver Markierungsstoffe (Tracer) untersuchen. Um die Modelle überprüfen zu können, sind reale Messungen erforderlich. Daher wurden im Rahmen des Projekts Messkampagnen zu einem geeigneten Spuren-stoff durchgeführt. Die Wahl fiel dabei auf DMS (N,N-Di-methylsulfamid), einem Abbauprodukt des inzwischen verbotenen Pflanzenschutzmittels Tolylfluanid. Neben re-gelmäßigen Messungen in 16 Zuflüssen, dem Abfluss bei Konstanz und zwei Tiefenprofilen (Seemitte, Überlinger See), wurde eine Messkampagne in der Flachwasserzone durchgeführt. Auch ein Hochwasserereignis wurde erfasst.

Die Modellrechnungen werden durch die Messergebnisse weitgehend bestätigt (Abb. 6-9, S. 93). Die Ergebnisse zei-gen zudem, dass von 2011 bis 2014 etwa eine Tonne DMS

Klima und Wasseraustausch

Für den Transport von Sauerstoff in die tiefen Regionen des Bodensees ist die Auskühlung der oberen Wasser-schichten im Herbst und Winter von hoher Bedeutung.

Die dadurch angetriebene konvektive Durchmischung, die vor allem während langer, sehr kalter Perioden dominiert, ist der wichtigste Antrieb für den winterlichen vertikalen Austausch des Tiefenwassers. Allerdings führt der Klima-wandel schon jetzt, wie auch in Zukunft dazu, dass das Zeitfenster für die Durchmischung des Sees im Winter kürzer wird und sich der Tiefenwasseraustausch ab-schwächt. Dies erhöht die Gefahr, dass die Sauerstoffkon-zentrationen im Hypolimnion abnehmen und kritische Werte erreichen. Um dieses Risiko zu minimieren, muss die Nährstoffbelastung des Sees möglichst gering gehalten werden (vgl. Abb. 6-6 & 6-7, S. 92).

Flachwasserzonen und Buchten: Was tragen sie zur Erneuerung des Tiefenwassers bei?

Eine weitere Triebkraft für die Erneuerung des Tiefenwas-sers sind kalte Dichteströme. Sie entstehen, wenn sich Buchten in der kalten Jahreszeit schneller und stärker als der übrige See abkühlen, dem sogenannten Differential Cooling. Dann kann kaltes Wasser höherer Dichte am See-grund entlang Richtung Seemitte strömen (Abb. 6-8, S. 92).

Die Modellberechnungen ergaben, dass dieser Prozess vor allem in mäßig kalten Zeiträumen wichtig ist. Damit wird dem Differential Cooling im Zuge des Klimawandels eine wachsende Bedeutung zukommen.

Abb. 6-5: Ausbreitung der Flusswasserfahne des Alpenrheins. Simulierte Temperaturverteilung am Seeboden nach dem Hochwasser im Juni 2012.

Abb. 6-8: Simulationsrechnungen zum "Differential Cooling": Dargestellt ist der Anteil des in verschiedenen Flachwasserzonen nume-risch markierten Wassers an der Seesohle nach fünf Tagen Simulationsdauer bei erwärmtem See und kaltem Winter.

Abb. 6-6: Modellbasierte Abschätzung zur Entwicklung des Sauerstoffgehalts im Tiefenwasser für ein Erwärmungsszenario mit einem Anstieg der Lufttemperaturen um bis zu ca. 3°C zum Ende des 21. Jahrhunderts und mit erhöhter Klimavariabilität. Der zunehmend schlechtere Tiefenwasseraustausch führt zu längeren Phasen unzureichender Sauerstoffzufuhr ins Tiefenwasser.

Abb. 6-7: Modellbasierte Abschätzung zur Entwicklung des Sauerstoffgehalts im Tiefenwasser für das Klimaszenario wie in Abb. 4 je-doch mit einem erhöhten Phosphateintrag, der im See zu einer mittleren Orthophosphatphosphorkonzentration von ca. 6 bis 10 µg/l führt. Durch die stärkere Sauerstoffzehrung im Vergleich zu nicht erhöhten Phosphorgehalten fallen die Sauerstoffwerte im Tiefenwasser auf deutlich niedrigere Werte als in Abb. 6-6.

abschließenden Ergebnisse im Rahmen der IGKB-Jahres-tagung im Mai 2015 in Bregenz im Rahmen einer Presse-konferenz informiert. Dabei wurde auch die zusammenfas-sende Broschüre „Wie fit ist der Bodensee für den Klimawandel? – Das Interreg-IV-Forschungsprojekt „Kli-mawandel am Bodensee“ (KlimBo) gibt Antworten“ prä-sentiert, welche in gedruckter Form erhältlich ist und als pdf-Datei von der Webseite der IGKB bezogen werden kann. In zahlreichen Medien wurde über das Projekt und die bearbeiteten Themen berichtet. Mehrere Berichte im Seespiegel der IGKB (www.igkb.org/aktuelles/seespiegel/

archiv-seespiegel/) informierten über das Projekt und des-sen Ergebnisse. Als abschließender Fachbericht zu den Pro-jektarbeiten wurde der Bericht Nr. 60 in der Reihe der

„Blauen Berichte“ der IGKB veröffentlicht. Er wurde als gedruckter Bericht verbreitet und ist zudem über die Web-seite der IGKB (www.igkb.org) als digitaler Bericht frei erhältlich.

aus dem See ausgetragen wurde und die Restbelastung im Jahr 2014 bei 1,75 Tonnen DMS lag.

Wie lässt sich der Bodensee thermisch nutzen?

Um die Emission schädlicher Treibhausgase zu reduzieren, wird im Zuge der Energiewende eine Verringerung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe angestrebt. Eine Möglich-keit dazu ist die thermische Nutzung von Seen – im Som-mer zur Kühlung und im Winter zur Erwärmung von Ge-bäuden. In der Folge wird im Sommer verstärkt erwärmtes und im Winter abgekühltes Wasser in den See zurückgege-ben. Die Wirkung dieser Nutzung auf den Bodensee wur-de in Mowur-dellberechnungen abgeschätzt. Bei einer Gesamt-nutzung von bis zu einem Gigawatt Wärmeentnahme oder Wärmeabgabe ist mit sehr geringen Auswirkungen zu rech-nen. Allerdings sind bei einer thermischen Nutzung im konkreten Fall wichtige Vorgaben zur Entnahme und Rückgabe des thermisch genutzten Wassers zu beachten, um negative Folgen für das Ökosystem auszuschließen oder weitestgehend zu minimieren.

Kommunikation der Projektergebnisse

Nach Abschluss der Arbeiten in den 6 Teilprojekten, wur-den die Projektergebnisse in einem Statuskolloquium in Frasnacht (Schweiz) im Rahmen des regelmäßigen Kollo-quiums des Internationalen Kooperationsnetzwerks Bo-densee (IKNB) einem größeren Fachpublikum vorgestellt und diskutiert. Die breite Öffentlichkeit wurde über die

Abb. 6-9: Ausbreitung des Pestizdabbauproduktes DMS im Bo-densee vor den Mündungen der Rotach und der Schussen. Ver-gleich von Messung (Punkte mit Messwerten) und Simulation (s.

Farbskala). Alle Konzentrationen in ng/l.

Abb. 6-11: Medien der Öffentlichkeitsarbeit: Projekt-Webseite, Pro-jektbroschüre, Berichte im "Seespiegel", Fachbericht.

werden mehrere Klassen (z.B. Seeboden, Vegetation, Seeo-berfläche, Gebäude, …) unterschieden, da das Ziel, ein hochauflösendes Modell der Geländeoberfläche zu erhal-ten, nur mit den Bodenpunkten durchgeführt werden kann.

Zusätzlich zu der Vermessung aus der Luft wurden wie ge-plant mit dem Forschungsschiff Kormoran in der Flachwas-serzone Nachmessungen mit dem Fächerecholot vorge-nommen. Hierzu wurde im Februar 2014 einzelne Abschnitte (Untere Güll, Mehrerauer Seeufer, Fussacher Bucht) nachvermessen, sowie einzelne lange Profile ent-lang der 5 m Tiefenlinie und senkrecht zum Ufer mit einer anderen Frequenz (400 kHz statt 300 kHz wie zuvor) be-fahren. Die höhere Frequenz bietet eine noch höhere Ge-nauigkeit und wurde aus Gründen der Qualitätskontrolle und zum Abgleich mit den LiDAR-Daten verwendet. Die Gesamtlänge der mit dem Fächerecholot gefahren Strecke erhöhte sich damit auf 6000 km Strecke mit insgesamt ca.

7.2 Mrd. Tiefeninformationen (Abb. 6-12).

In beiden Teilprojekten wurde das Prozessieren nach dem Abschluss der Vermessung fortgeführt. Die Laserscanning-6.3 Interreg-Projekt Tiefenschärfe

Als wesentlicher neuer Teil wurden im Jahr 2014 mit einem Laserscanner an mehreren Tagen die Flachwasserzone be-flogen und auch diese Daten aufwendig prozessiert und nachbearbeitet. Wie bei der Echolotvermessung 2013 gab es aufgrund technischer Probleme auch 2014 Verzöge-rungen mit dem Beginn der Vermessung aus der Luft. Ein Bauteil im Lasersystem war defekt und musste in den USA ersetzt werden, danach waren umfangreiche Abstim-mungen der Empfangseinheit notwendig und elektrische Probleme der Spannungsversorgung im Flugzeug zu behe-ben. Der größte Teil der Befliegung fand an drei Tagen im März und Juni statt. Aufgrund aufwendiger Genehmi-gungsverfahren zum Überfliegen eines Naturschutzge-bietes an der Rheinmündung gab es bis in den Juni keine Flugfreigabe durch die österreichische Flugsicherung, mit der Befliegung des Rheindeltas wurde die Vermessung aus der Luft Juni 2014 abgeschlossen. Neben den ca. 15 Mrd.

Datenpunkten wurden etwa 22 000 hochauflösende Luft-bilder angefertigt, zudem wurden (ohne finanziellen Mehr-aufwand für das Projekt) hochauflösende Infrarotbilder hergestellt. Der Hauptteil der Bearbeitung war das manu-elle editieren der Punktwolke des Laserscanners. Hierbei

Abb. 6-12: Die von der Kormoran im Jahr 2013 und 2014 zurückgelegten Strecken im Tiefenschärfe-Projekt. Die farbliche Codierung zeigt den Aufnahmezeitpunkt im Jahr 2014, wenige Linien im Jahr 2014 sind in schwarzer Farbe dargestellt.

Zwischenergebnisse diskutiert und das weitere Vorgehen festgelegt wurden. Im Juni 2014 gab es mit Vertretern der Seepolizeien, des Denkmalschutzes und der Wasserversor-ger ein Treffen zum Umgang mit sensiblen Daten. Die Da-tenaufbereitung sollte gewährleisten, das es keine uner-wünschten Tauchtourismus zu archäologisch relevanten Wracks gibt („sicheres Tauchen“) und die Rohwasserent-nahmen aus Sicherheitsgründen in den Produkten nicht kenntlich sind. Die hierbei diskutierte Vorgehensweise wurde auch bei ähnlichen Projekten in der Schweiz vorge-stellt.

Ein Beispiel für die nachhaltigen Auswirkungen des Pro-jektes Tiefenschärfe sind zwei jüngst beantragte und bewil-ligte Projekte des BMBF. Unter anderem basierend auf den Ergebnissen des Tiefenschärfe-Projektes sollen im Projekt

„Seezeichen“ Austauschvorgänge zwischen unterschiedli-chen Wasserkörpern intensiv untersucht werden, um so mögliche Gefährdungen des Trinkwasserspeichers Boden-see besser beurteilen zu können (Flusswasserfahnen, Grundwasserzutritte). In einem anderen Projekt („HyMo-BioStrategie“) sollen die Auswirkungen von morpholo-gischen Veränderungen (Baumaßnahmen) in der Flachwas-daten wurden bereinigt und bis zum Ende des

Berichts-zeitraumes in weiten Teilen sehr aufwändig händisch klas-sifiziert. Erste Punktwolken wurden schon sehr rasch nach der Vermessung für die Fortführung der Öffentlichkeitsar-beit verwendet. Bei den Fächerecholotauswertungen gab es einen bedeutenden Zeitverzug: Durch die ernsthafte und dauerhafte Erkrankung eines Mitarbeiters gab es er-hebliche Verzögerungen, weshalb entschieden wurde, den Abschluss des Prozessierens unter Aufsicht des Qualitäts-managements durchführen zu lassen. Es stellte sich heraus, dass die besonderen Rahmenbedingungen des Projektes (immense Datendichte, Ansprüche an Maskieren sensibler Daten, unerwartet viele Wasserschallprofile) die Auswerte-software (Weltmarktführer) vor erhebliche Probleme stell-te: Das Projekt Tiefenschärfe ist deutlich größer und kom-plexer als vergleichbare Vermessungen im Meer.

Mittlerweile ist das Prozessieren der Echolotdaten abge-schlossen (Bsp. Abb. 6-13).

Die Projektpartner der IGKB wurden auf den Sitzungen der Sachverständigen und auf der Kommissionstagung von den Projektfortschritten unterrichtet. Für die Steuerung des Projektes gab es Arbeitstreffen, bei denen wesentliche

Abb. 6-13: Geländemodell der Laserscanningdaten vom Rohrspitz. Übergangslos können mit der neuen Messtechnik die Strukturen an Land und im Flachwasser visualisiert werden. Gut erkennbar sind die Hafenbecken und die vorgelagerten Rinnen in der Flachwasserzo-ne sowie uferparallele „Mega-Rippel“, über deren Entstehung es bislang nur Vermutungen gibt.

Mit mehreren Vorträgen wurde das Projekt in unterschied-lichen Konstellationen vorgestellt. Einige Beispiele sind ein Vorträge bei der Jahrestagung der Umweltbeauftragten der Internationalen Wassersportgemeinschaft Bodensee e.V. („Blauer Anker“) und bei der „Grenzüberschreitenden wasserschutzpolizeiliche Fortbildungsveranstaltung“ in Böblingen. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde das Tie-fenschärfe-Projekt unter anderem mit Ausstellungen und einem Projektmagazin vorgestellt (Ausstellung „Unser Bo-densee“ im Naturkundemuseum Stuttgart, Beitrag zur Aus-stellung im Haus am Gondelhafen in Langenargen. Im

„Seespiegel“ der IGKB wurde wiederholt über das Projekt berichtet. Auch die Homepage erfuhr eine sehr gute Be-achtung, vor allem nach einzelnen Presseaussendungen gab es bis zu 1400 Klicks / Tag.

serzone untersucht werden. Hieraus sollen Handlungsempfehlungen für künftige Maßnahmen abge-leitet werden, um die negativen Auswirkungen zu begrenz-en und z.B. dbegrenz-en Schutz der Pfahlbautbegrenz-en zu verbessern.

Ein besonderes Ereignis im Projektverlauf war die Umwelt-ministerkonferenz am 8. Mai 2014 in Konstanz. Die Um-weltminister aller Bundesländer und die Bundesumwelt-ministerin informierten sich am Rande ihrer Konferenz in Konstanz über die Arbeit des ISF und konnten im Tiefen-schärfe-Projekt über konkret mögliche Auswirkungen des Einflusses von Grundwasserzutritten auf die Oberflächen-gewässer (mit dem Hintergrund der Risiken des frackings für den Trinkwasserspeicher Bodensee) informiert werden (Bsp. Abb. 6-14).

Abb. 6-14: Mögliche Grundwasserzutritte aus der Molasse im Überlinger See werden im BMBF-Projekt Seezeichen untersucht und sind ein direktes erstes Ergebnis des Tiefenschärfe-Projektes.

Im Dokument ISF Arbeitsbericht 2014 (Seite 86-97)