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Schnittstellenprobleme beim Übergang von der Klinik in Alltag und Arbeit

Im Dokument in der Arbeitswelt und betriebliche (Seite 22-25)

Nach dem Klinikaufenthalt stellen sich neue Probleme: Der Übergang in den Alltag und letztlich in die Arbeit muss gelingen. Das ist keineswegs gewährleistet: Oft fehlt eine ambulante Anschlusstherapie, dem strukturierten Leben in der Klinik steht – ge-rade dann, wenn die Rückkehr in die Arbeit noch nicht möglich oder gewünscht ist – ein strukturloser Alltag gegenüber, dem gerade depressiven Patienten nur schwer eine Struktur geben können. Nachbetreuung durch die Kliniken findet nicht statt und oft fehlt auch eine Vorbereitung auf die Wiedereingliederung in die Arbeit.

Aus forschungsethischen Gründen konnten wir nicht mit Experten des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) in den Betrieben sprechen, in die die Patienten zurückkommen würden. Wir haben stattdessen Expertengespräche mit BEM-Beauf-tragten in verschiedenen Organisationen unterschiedlicher Branchenzugehörigkeit geführt. In unsere Befunde zur Wiedereingliederung in die Arbeit gingen auch die Erfahrungen der Patienten in den Gesprächen nach Abschluss des Klinikaufenthaltes ein. Diese waren ernüchternd: Die Mehrheit hatte keinen Kontakt zu einem BEM. Da-für waren verschiedene Ursachen ausschlaggebend: Es wurde von vornherein ein Arbeitgeberwechsel oder die Erwerbsunfähigkeitsrente angestrebt; persönliche Ge-spräche und Lösungen mit Vorgesetzten wurden vorgezogen oder die Angst vor Stigmatisierung bzw. „Rücksichtnahme“, die als Karrierebremse verstanden wurde, ließen das BEM eher als Bedrohung erscheinen. Unsere Gespräche zeigten aber durchgängig: Unter „Wiedereingliederung“ wurde generell eine Verkürzung der Ar-beitszeit verstanden, deren Kosten von der Krankenkasse getragen wird. Diese Pra-xis allein aber mag den Übergang erleichtern, ändert aber noch nichts dauerhaft an den Belastungen der Arbeitssituation.

Die Expertengespräche zeigten folgende Probleme des BEM auf: Die Betroffenen sind sich oft unsicher darüber, inwieweit sie dem Verfahren und den BEM-Beteiligten Vertrauen entgegenbringen können. Hier erweist sich die Tatsache als problematisch, dass die Initiative in der Regel von der Personalabteilung ausgeht. Es zeigt sich ein Dilemma: Im BEM-Verfahren Transparenz über die Erkrankung herzu-stellen, kann im Interesse der Bearbeitung der Erkrankungsursachen sinnvoll sein, beinhaltet aber die berechtigte Angst vor Stigmatisierung.

Selbst dann, wenn Betriebe über institutionalisierte Kooperationen mit Rehakliniken verfügten, wurde von den BEM-Beteiligten beklagt, dass Ärzte/Therapeuten kaum einmal mit dem Betrieb Kontakt aufnehmen und sie über sehr geringe Kenntnisse der Arbeitssituationen verfügen. Unsicher sind sich die BEM-Beteiligten zudem, inwieweit es sinnvoll ist, während der Erkrankung im Interesse einer zügigen Wiedereingliede-rung Kontakt mit den Betroffenen aufzunehmen oder dies im Interesse der Therapie zu unterlassen.

Alle Beteiligten an der Wiedereingliederung tendieren aus ihrer jeweiligen Hand-lungslogik dazu, den Fall zu individualisieren: Den BEM-Beteiligten geht es darum, den einzelnen Beschäftigten zu reintegrieren und für ihn eine Lösung zu finden. Der Betroffene selbst teilt natürlich diese Orientierung. Und auch die Ärzte/Therapeuten behandeln die Patienten im Hinblick auf ihre individuelle Problematik. Auf diese Wei-se geraten die strukturellen und eventuell kollektiven Belastungen der

Arbeitssituati-on leicht aus dem Blickfeld. Zugleich sind BEM – orientiert am Einzelfall – und Ge-fährdungsbeurteilung – orientiert am Arbeitsplatz – in den Organisationen in der Re-gel institutionell nicht integriert und unterliegen unterschiedlichen Logiken: In der Ge-fährdungsbeurteilung gilt ein Arbeitsplatz nur dann als belastend, wenn mehrere - wenn nicht alle - Beschäftigten hiervon gefährdet werden.

Literatur

Alsdorf, N.; Engelbach, U.; Flick, S.; Haubl, R.; Voswinkel, S.: Psychische Erkrankun-gen in der Arbeitswelt. Analysen und Ansätze zur therapeutischen und betrieblichen Bewältigung. Bielefeld: transcript 2017.

Arbeitskreis OPD (Hrsg.): Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik OPD-2.

Bern: Verlag Hans Huber, Hogrefe AG 2006.

Callon, M.: Some Elements of a Sociology of Translation: Domestication of the Scal-lops and the Fishermen of St Brieuc Bay; in: Law, J. (Eds.): Power, Action and Belief:

A New Sociology of Knowledge. London: Routledge & Kegan 1986.

Reichertz, J.: Gemeinsam interpretieren. Die Gruppeninterpretation als kommunikati-ver Prozess. Wiesbaden: Springer VS 2013.

5 Mixed-Methods-Follow-up-Studie zu Determinan-ten einer erfolgreichen Wiedereingliederung aus der Perspektive der Betroffenen

Beate Weikert, Alexandra Sikora, Ralf Stegmann

Hintergrund

Menschen mit einer psychischen Erkrankung haben den Wunsch aktiv am Erwerbs-leben teilzunehmen. Nach langer krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit benötigen sie jedoch häufig Unterstützung bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz. Für Deutsch-land ist der Übergang von der medizinisch-therapeutischen Behandlung bis hin zur Rückkehr in den Betrieb nur unzureichend wissenschaftlich untersucht.

Die Mixed-Methods-Follow-Up-Studie hat zum Ziel, den Rückkehrprozess in seinem zeitlichen Verlauf vertiefend zu explorieren. Während die quantitative Befragungsstu-die erfasst, „welche“ individuellen und arbeitsbezogenen Determinanten Befragungsstu-die Rück-kehr beeinflussen, untersucht die qualitative Studie, „wie“ diese Faktoren das Erle-ben, Verhalten und Handeln der zurückkehrenden Mitarbeiter/-innen beeinflussen und wie sich dies wiederum auf die Rückkehr auswirkt.

Methodik

Für die Längsschnittstudie werden 300 erwerbsfähige Personen mit einer häufig auf-tretenden psychischen Erkrankung (Depression, Anpassungsstörung, Angststörung, Burnout) aus insgesamt 5 Kliniken (Akut- und Rehabilitationskliniken) rekrutiert.

Der Follow-up-Zeitraum der Längsschnittstudie umfasst 18 Monate und vier Erhe-bungszeitpunkte. Die Teilnehmer werden am Ende ihrer klinischen Behandlung (t0 – Baseline) sowie nach 6 (t1), 12 (t2) und 18 Monaten (t3) anhand eines computerge-stützten telefonischen Interviews befragt. Die Fragen umfassen krankheitsbedingte, individuelle und arbeitsbezogene RTW-Einflussfaktoren.

Parallel zur quantitativen Befragung wird ein Subsample von insgesamt 32 Teilneh-menden zu t0, t1 und t2 qualitativ interviewt. Dabei werden sowohl Teilnehmer mit einer positiven als auch negativen RTW-Prognose einbezogen.

Als Outcomes werden arbeitgeber- und beschäftigtenrelevante Outcomes unter-sucht: die Zeit bis zur Rückkehr an die Arbeit sowie die nach 6, 12 und 18 Monaten erreichte Arbeitszeit. Weiterhin werden die Arbeitszufriedenheit der zurückgekehrten Beschäftigten und deren persönliche Sicht auf den Erfolg des RTW-Prozesses er-fragt. Für alle Rückkehrer wird zusätzlich die Anzahl erneuter Arbeitsunfähigkeitstage im zeitlichen Verlauf der Rückkehr erhoben.

Die Auswertungen im quantitativen Teil erfolgen sowohl deskriptiv im Rahmen der Beschreibung von Stichprobenkennwerten als auch induktiv mit Hilfe von Zusam-menhangsanalysen (Cox-Regression-Modell und weitere Regressionsanalysen). Die qualitativen Interviews werden mit der dokumentarischen Methode nach Bohnsack ausgewertet.

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