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Aufgrund der Ergebnisse der Testgütebestimmung stellt sich die Kurzversion (sieben Skalen mit 37 Items) des deutschen COQOL als ein zuverlässiges, messgenaues und valides Instrument dar, das sowohl für SHT-Patienten als auch für die Kontrollgruppe ohne SHT die kognitive, sensorische und motorische Lebensqualität ermittelt. Nach der statistischen Itemreduktion sollte nun der klinische Einsatz des COQOL erfolgen. Es ist zu erwägen, die Aspekte von Orientierung und Sprache mit einzubinden, obwohl die Items dieser Bereiche nach der statistischen Analyse keine eigene Skala ergaben. Dies könnte z.B. dadurch erfolgen, dass aufgrund von inhaltlichen Überlegungen zwei entsprechende zusätzliche Skalen aus den ursprünglichen Items erzeugt werden.

Die bereits oben erwähnten unterschiedlichen Spätfolgen von SHT-Patienten über 65 Jahren (Deb und Burns 2007) könnten in weiteren Untersuchungen mit dem COQOL-K betrachtet und mit der bereits erhobenen Patientenpopulation verglichen werden, um potenzielle Auswirkungen des höheren Lebensalters auf die kognitive, sensorische und motorische Lebenszufriedenheit zu betrachten. Das Ergebnis einer Fünf-Jahre-Langzeitverlaufsstudie nach SHT zeigte einen signifikanten negativen Einfluss des Faktors Lebensalter auf die Erfolge der Rehabilitationsmaßnahmen. Je jünger die Patienten waren, um so besser war die Erholung nach einem bzw. fünf Jahren (Marquez de la Plata et al. 2008). Somit stellt das Lebensalter nicht nur bezüglich einer einmaligen Untersuchung der Lebenszufriedenheit einen besonderen Einflussfaktor dar, sondern sollte mit dem hier validierten COQOL-K im zeitlichen Verlauf untersucht werden.

Bei vielen anderen Krankheitsbildern treten auch objektive Einschränkungen der kognitiven, sensorischen oder motorischen Fähigkeiten auf. Da der COQOL nicht SHT-spezifisch ist, wäre ein wichtiger weiterer Schritt der Forschung, den hier entwickelten COQOL-K auch in anderen Patientengruppen (siehe 1.1.4 S. 9) zu verwenden. Das Potenzial des Fragebogens sollte nicht nur auf den deutschen Sprachraum begrenzt werden, sondern wie in 2.3.2 (S. 26) erläutert, kann das Instrument in andere Sprachen übersetzt werden, um es international anwenden zu können.

Bei bestimmten Krankheitsbildern, z.B. schwerem SHT, ist es möglich, dass sich die Patienten nicht mehr bezüglich ihrer eigenen Lebensqualität äußern können. Es kann (wie bereits in 1.1.2 S. 7 erläutert) angedacht werden, eine Angehörigen-Version des COQOL zu

83 entwickeln und zu validieren. Dies könnte durch geringfügige Umformulierungen des Fragebogens geschehen. Zunächst könnte dann die Selbst- und die Fremdeinschätzung der Probanden parallel erfolgen und danach der Vergleich der jeweiligen Ergebnisse stattfinden, um zu erkennen, wie genau die Fremdeinschätzung der Lebenszufriedenheit den eigenen Angaben der Patienten entspricht.

Ein generelles Anliegen der Lebensqualitätsforschung ist es, die Akzeptanz und Anwendung der Lebensqualitätsinstrumente im klinischen Alltag zu steigern. Zunächst müssen die Patienten gegenüber der Möglichkeiten solcher Instrumente sensibilisiert werden und erkennen, dass diese nicht nur Zeit kosten können, sondern auch die Chance zu einer besseren Kommunikation mit dem Arzt bieten. Weiterhin müssten die Ergebnisse der Forschung im Bereich der sensorischen, motorischen und kognitiven Lebensqualität dem breiten Publikum besser zugänglich gemacht werden, um den Stellenwert des Konstrukts zu betonen.

Eine wichtige Zielgruppe bei der Vermittlung von Ergebnissen der Lebensqualitätsforschung stellen Ärzte dar. Oftmals fehlt diesen die Zeit, sich neben den harten klinischen Fakten mit dem subjektiven Erleben ihrer Patienten zu beschäftigen. In vielen Köpfen ist das Konstrukt

„Lebensqualität“ noch gar nicht akzeptiert (siehe 1.1.3 S. 9). Allerdings darf der Einsatz im klinischen Kontext nicht zu euphorisch und blind erfolgen. Die einfache Ausfüllbarkeit von Fragebögen stellt eine große Gefahr dar. So kann es durch mangelnde methodische Kenntnisse der Anwender nicht nur zu Fehlinterpretationen einzelner Ergebnisse kommen, sondern auch zur Diskreditierung der ganzen Lebensqualitätsforschung (Rose 2000). Es ist nicht nur wichtig, Instrumente zu entwickeln und die allgemeine Akzeptanz dieser zu steigern. Man muss darüber hinaus für jedes Instrument gezielt die Auswertung und die Einschätzung der Ergebnisse vermitteln. Weitere Adressaten sind Institutionen der Kostenerstattung (z.B. Krankenkassen) und somit letztendlich die Politik. Ihnen gegenüber müssen Behandlungen und Medikamente gerechtfertigt werden. Daher ist es entscheidend, dieser Seite den Stellenwert der Lebensqualitätsforschung zu verdeutlichen, um die Forschung selbst voranzutreiben, aber auch deren Ergebnisse angemessen zu berücksichtigen.

In der klinischen Forschung gibt es bereits Bestrebungen, die Lebensqualitätsmessung in viele Untersuchungen mit einzubeziehen. Die amerikanische Food und Drug Administration (FDA) zählt die gesundheitsbezogene Lebensqualität mittlerweile zu den Einschlusskriterien (Patient-reported outcomes - PROs) für Studien zur Zulassung von Medikamenten.

84 Entsprechendes gilt auch für Europa, die European Medicines Agency (EMEA) erließ ähnliche Richtlinien, in denen der Einbezug der gesundheitsbezogenen Lebensqualität in klinischen Studien als Ergebniskriterium gefordert wird. Bei den Vorgaben der EMEA wird ein breites Spektrum der Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität empfohlen.

Die FDA fokussiert sich mehr auf konzept- und symptombezogene Modelle. Dies sind Instrumente, die wie der COQOL gezielte Bereiche erfassen, die im Mittelpunkt des Behandlungsergebnisses stehen. Die spezifischen Zielbereiche sollten vom Patienten im Vorfeld der Studien mitbestimmt werden. Letztendlich ist die Perspektive des Patienten für die Behandlung entscheidend (Bottomley et al. 2009).

In diesem Kontext stellt die vorliegende Arbeit einen kleinen, aber wichtigen Schritt auf dem langen Weg der Lebensqualitätsforschung dar.

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5 Zusammenfassung

Die Lebensqualität wird in Zukunft noch mehr in den Mittelpunkt von Forschung und klinischer Diagnostik rücken. Bei fast allen Krankheitsbildern des heutigen medizinischen Alltags spielt das subjektive Empfinden des Patienten eine herausragende Rolle, da das subjektive Erleben und die Verarbeitung der Krankheit in den Vordergrund rückt. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, einen Fragebogen in deutscher Sprache zu entwickeln und zu evaluieren, der speziell die kognitive, sensorische und motorische Lebensqualität erfasst.

Hierfür wurde die Langversion (68 Items) des Fragebogens COQOL (Cognitive Quality of Life) aus dem Französischen mit allen 68 Items übersetzt und einer Gruppe von SHT- (N = 252) sowie einer Vergleichsstichprobe ohne SHT (N = 198) vorgelegt.

Mit den gewonnenen Daten wurde zunächst eine Itemselektion durchgeführt (Entfernung allgemeiner redundanter Items), gefolgt von einer Faktorenanalyse der verbleibenden 54 Items anhand der SHT-Patientendaten. Nach Überprüfung der faktoriellen Struktur wurde aus 37 geeigneten Items eine deutsche Kurzversion des COQOL mit sieben Skalen gebildet, die anschließend einer Reliabilitäts- und Validitätsprüfung unterzogen wurden.

Die Ergebnisse der statistischen Analysen belegten in Bezug auf die interne Konsistenz (Cronbach`s α) und die Test-Retest-Reliabilität durchweg zufriedenstellende Skalen-eigenschaften. Als klinisches Validitätskriterium wurde der Beeinträchtigungsgrad aus der Glasgow Coma Scale - Extended (GOSE) verwendet, der zeitnah zur Beantwortung des COQOL-Fragebogens erhoben wurde. Für alle Skalen ergaben sich dabei signifikant verschiedene Werte in den drei GOSE-Kategorien (schwere Behinderung, mittlere Behinderung, gute Erholung). Für die Überprüfung der konvergenten Validität des COQOL wurden TICS, PCRS-D, VAS-LQ, SWLS, SF-36 und QOLIBRI herangezogen. Die Ergebnisse zeigten die erwarteten Zusammenhänge mit inhaltlich ähnlichen Aspekten des COQOL.

Durch die Auswertung der vorgelegten Zusatzfragen zum COQOL konnte eine hohe Akzeptanz seitens der Teilnehmer und eine einfache und schnelle Durchführbarkeit dokumentiert werden. So stellte sich heraus, dass dieser ein sinnvolles Instrument im klinischen Alltag der Betreuung von SHT-Patienten ist, dabei aber die subjektive Lebenszufriedenheit als Aspekt der Lebensqualität im kognitiven, sensorischen und

86 motorischen Bereich auch bei den Probanden ohne SHT angemessen erfasst. Ferner zeigte sich bei der Evaluation, dass der COQOL in der Lage ist, die verschiedenen inhaltlichen Bereiche zu unterscheiden, deren Differenzierung mit den neuen Skalen angestrebt wurde.

Angesichts der hier aufgezeigten positiven Eigenschaften sollte der COQOL zukünftig auch an weiteren Stichproben mit neurologischen und auch geriatrischen Krankheitsbildern auf seine psychometrischen Gütekriterien untersucht werden. Dennoch bleibt am Ende zu sagen, dass ein medizinisches Instrument wie der COQOL nie eine fachkundige Anamnese und die intensive Arzt-Patienten-Beziehung ersetzen kann. Vielmehr sollten Lebensqualitätsinstru-mente gerade als sinnvolle Ergänzung dienen, um die Behandlung und Betreuung für alle Beteiligten zu optimieren.

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6 Anhang