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Schlucken, Urogenitalsystem, Verdauung und Sexualität

Im Dokument S3-Leitlinie Schlaganfall (Seite 143-149)

Enthaltung 11 Bei Schlaganfallpatienten mit schwerer Schwäche,

2. Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger Lust und Freude an Dingen, die Sie sonst gerne tun?

6.3.5 Schlucken, Urogenitalsystem, Verdauung und Sexualität

Dysphagie

In den ersten drei Tagen der Akutphase des Schlaganfalls liegt bei 42-67 % der Patienten eine Dysphagie vor [216]. Die Hälfte davon aspiriert Nahrung, ein Drittel entwickelt eine Pneumo-nie [216]. Einen Monat nach dem Schlaganfall besteht bei 15% der Patienten noch eine Dys-phagie [367].

Eine Dysphagie kann neben einer Aspiration (mit der möglichen Folge einer Pneumonie) zu Mangelernährung, Dehydratation und Gewichtsverlust führen. Dadurch schränkt sie die Le-bensqualität ein [75,216]. Eine Aspiration kann aufgrund einer gestörten laryngealen Sensibi-lität auch ohne offensichtliche Anzeichen erfolgen (stille Aspiration).

Patienten mit einer schlaganfallbedingten Dysphagie haben ein 12fach erhöhtes Risiko für eine Aspirationspneumonie. Bei diesen Patienten bestehen im Vergleich zu Patienten ohne Dysphagie eine erhöhte Morbidität und Mortalität. Eine frühzeitige Erkennung und Diagnos-tik der Dysphagie ist daher wichtig [368].

Level of

Evaluation der Dysphagietherapie wird u. a. auf die transnasale Endoskopie oder die Videof-luoroskopie zurückgegriffen. (AHA/ASA 2016 [216], DGEM KEN 2013 [368].

6.3.72 Evidenzbasierte Empfehlung

Bei Patienten mit Schluckbeschwerden und/oder pathologischen Screeningbefund sollte ein weiter-führendes Assessment der Schluckfunktion ange-boten werden.

Leitlinienmodifikation: DGEM KEN 2013 [368], SIGN 119 2010 [369]

6.3.73 Evidenzbasierte Empfehlung

Patienten ohne pathologischen Screeningbefund, bei denen aber andere etablierte klinische Prä-diktoren für das Vorliegen einer Dysphagie bzw.

deren Komplikationen vorhanden sind (wie ins-besondere ein insgesamt schweres neurologisches Defizit, eine Dysarthrie, eine Aphasie oder eine ausgeprägte faziale Parese), sollte ebenfalls ein weiterführendes Assessment angeboten werden.

Leitlinienmodifikation: DGEM KEN 2013 [368], SIGN 119 2010 [369]

6.3.74 Evidenzbasierte Empfehlung

Patienten mit einer Dysphagie soll eine oro-pharyngeale Schluckrehabilitation angeboten werden, die sich aus restituierenden, kompensa-torischen und/oder adaptiven Maßnahmen zu-sammensetzt.

Leitlinienmodifikation: SIGN 119 2010 [369]

Dabei ist die Art der Schluckstörung, die Motivation und Kognition des Patienten zu berück-sichtigen [369]. (s. A6.3.5)

Level of evidence

Empfeh-lungsgrad Ergebnis

Konsensverfahren

B 1 a Ja 15

Nein 0

Enthaltung 5

A 1 b Ja 12

Nein 0

Enthaltung 8

Ist enterale Ernährung voraussichtlich länger er-forderlich (>28 Tage), soll, bei nicht palliativer Intention, nach 14-28 Tagen die Anlage einer PEG-Sonde angeboten werden.

Leitlinienmodifikation: DGEM KEN 2013 [368]

Harninkontinenz

Schlaganfallpatienten klagen nicht selten über eine Harn- und Stuhlkontinenz sowie über Obs-tipation. 40-60 % der in Kliniken aufgenommenen Patienten sind zu Beginn harninkontinent, bei der Entlassung sind es noch 25 %, nach einem Jahr noch 15 %. 20-40 % der Patienten be-klagen bei stationärer Aufnahme eine Stuhlinkontinenz, bei der Entlassung sind es 20 % und nach einem Jahr noch 10 % [370]. Über Harn- und Stuhlinkontinenz zu sprechen, ist für viele Menschen unangenehm, so dass nur wenige Betroffene das Thema ansprechen. Schlaganfall-patienten berichten, dass dieses Thema aber auch von den Gesundheitsfachberufen in den Kliniken kaum bis gar nicht adressiert würde [371-373]. Vor diesem Hintergrund sowie wegen der Folgen, die eine Harn- bzw. Stuhlinkontinenz nach sich ziehen kann (Einschränkung in den Lebensaktivitäten, der Partizipation und körperliche, mentale und finanzielle Belastung der Angehörigen), ist es wichtig, dass Hausärzte dieses Thema aktiv ansprechen, ein diffe-renziertes Assessment durchführen und ggf. weitere Berufsgruppen zur Beratung und Anlei-tung hinzuzuziehen [16,374,375]. Eine systematische Abklärung der Patienten mit Harn- und Stuhlinkontinenz beinhaltet zunächst die Allgemein- und die urogynäkologische Anamnese.

Zu diesem Zweck kann man sich eines modularen Fragebogensystems zur Harninkontinenz (www.iciq.net) bedienen. Eine körperliche Untersuchung (incl. vaginaler und digital-rekta-ler Untersuchung) sowie eine sonographische Untersuchung der ableitenden Harnwege mit Restharnmessung (<50 ml: normal, >200 ml pathologisch) schließen sich an [376-378]. Eine verhaltenstherapeutische Schulung sieht Informationen vor über den Flüssigkeitshaushalt, die Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr, eine Coffein-Reduktion, Bewegungstraining sowie eine ra-sche Bedarfsentleerung [378]. Darifenacin, Fesoterodin, Oxybutynin, Propiverin, Solifenacin, Tolterodin und Trospiumchlorid stehen zur medikamentösen Therapie der Drang-Inkontinenz und Reizblase zur Verfügung. (s. A6.3.5)

6.3.76 Evidenzbasierte Empfehlung

Jeder Schlaganfallpatient sollte bezüglich Harn- und Stuhlinkontinenz exploriert werden.

Leitlinienmodifikation: AUS 2017 [39], RCP 2016 [16]

Level of

Patienten mit Inkontinenzbeschwerden sollte ein strukturiertes Inkontinenzassesment (z. B. ICIQ) angeboten werden sowie eine Ultraschalluntersu-chung der Harnwege mit Restharnbestimmung.

Leitlinienmodifikation: LL Harnink b geriatr Pat 2016 [376], LL Belastungsinkontinenz der Frau 2013 [377], AUS 2017 [39], NICE CG148 2012 [379]

Quelle: Martin et al. 2006 [380], Abrams et al. 2012 [378]

6.3.78 Evidenzbasierte Empfehlung

Bei Harninkontinenz sollte eine Urinuntersuchung mittels Teststreifen angeboten werden.

Leitlinienmodifikation: LL Harnink b geriatr Pat 2016 [376], NICE CG148 2012 [379]

Quellen: Abrams et al. 2012 [378]

6.3.79 Evidenzbasierte Empfehlung

Zur Reduktion der Inkontinenzepisoden sollte körperliches Training und ggf. eine Gewichtsre-duktion empfohlen werden.

Leitlinienmodifikation: LL Harnink b geriatr Pat 2016 [376], LL Belastungsinkontinenz der Frau 2013 [377]

Quellen: Abrams et al. 2012 [378]

6.3.80 Evidenzbasierte Empfehlung

Patienten mit Dranginkontinenz soll Blasen- und Beckenbodentraining angeboten werden.

Quellen: Abrams et al. 2012 [378]

Level of

Schlaganfallpatienten mit Dranginkontinenz kann nach Ausschluss eines relevanten Restharns eine anticholinerge Therapie angeboten werden.

Leitlinienmodifikation: AUS 2017 [39]

Quellen: Nabi et al. 2006 [381], Abrams et al. 2012 [378]

6.3.82 Evidenzbasierte Empfehlung

Patienten mit Belastungs- und/oder gemischter Inkontinenz sollte Beckenbodentraining empfoh-len werden.

Leitlinienadaption: LL Harnink b geriatr Pat 2016 [376]

6.3.83 Evidenzbasierte Empfehlung

Zur Reduktion von Inkontinenzepisoden bei mit-telschwerer Belastungsinkontinenz kann Duloxetin angeboten werden.

Leitlinienadaption: LL Harnink b geriatr Pat 2016 [376]

6.3.84 Evidenzbasierte Empfehlung

Patientinnen mit Belastungsinkontinenz sollte eine Pessartherapie als Option angeboten werden.

Leitlinienadaption: LL Belastungsinkontinenz der Frau 2013 [377]

Stuhlinkontinenz und Obstipation

Es ist nicht ratsam, sich vorzeitig auf eine monokausale Ursache der Stuhlinkontinenz festzu-legen, da es ein Symptom vieler zugrundeliegender möglicher Ursachen sein kann [375,378].

Zu erfragen sind spezifische Vorerkrankungen wie M. Parkinson, Multiple Sklerose, Quer-schnittssyndrome, Hypothyreose und „Red flags“: Rektale Blutung, abdominelle Schmerzen, die bisher nicht erklärbar sind, neue Veränderungen des Stuhlgangverhaltens, Gewichtsver-lust, Eisenmangelanämie [382]. Wichtige Hinweise ergeben sich aus der Medikation und ihrer potenziellen Nebenwirkungen (wie bei Metformin, NSAR, Eisentherapie) sowie aus Fragen

Level of evidence

Empfeh-lungsgrad Ergebnis

Konsensverfahren

0 2 b Ja 12

Nein 0

Enthaltung 8

Level of evidence

Empfeh-lungsgrad Ergebnis

Konsensverfahren

0 4 Ja 15

Nein 0

Enthaltung 5

iciq.net) wünschenswert [75,378]. (s. A6.3.5) 6.3.85 Evidenzbasierte Empfehlung

Schlaganfallpatienten mit Obstipationsneigung kann eine Beratung bezüglich der Flüssigkeits-zufuhr, eine Ernährungsberatung und eine Emp-fehlung zum körperlichen Training angeboten werden.

Leitlinienmodifikation: RCP 2016 [16], NICE CG49 2007 [375]

Quellen: Coggrave et al. 2014 [374]

6.3.86 Evidenzbasierte Empfehlung

Die medikamentöse Therapie der Stuhlinkonti-nenz kann mit Loperamid (und bei Unverträglich-keit mit Codeinphosphat) durchgeführt werden.

Leitlinienmodifikation: NICE CG49 2007 [375]

Quellen: Abrams et al. 2012 [378]

Loperamid ist wirksam, kann die Inkontinenzepisoden reduzieren und wird in einer Dosie-rung von 0,5 bis 16 mg (2-4x tgl.) als Medikament der ersten Wahl eingesetzt [375,378]. Es ist ratsam, die Dosis langsam zu steigern und den Patienten zur symptomorientierten Bedarfs-therapie anzuleiten [375]. Eine Stuhlimpaktion als Ursache der Inkontinenz ist auszuschließen [375].

Zur Therapie der Stuhlinkontinenz und der Obstipation s. auch entsprechende Leitlinien [375,378,383].

Sexualität

Störungen der sexuellen Funktionsfähigkeit sind nach Schlaganfall häufig. Sie umfassen Stö-rungen der Erektion, Ejakulation, Lubrikation und Orgasmusfunktion, die bei bis zu 75 % der Patienten auftreten [384,385]. Die Lebensqualität, Partizipation und Qualität von Paar-beziehungen kann hierdurch deutlich beeinträchtigt werden [386]. Weit verbreitet ist darüber hinaus auch eine Abnahme der sexuellen Appetenz in Folge von Rollenveränderungen in der Partnerschaft oder Veränderungen der äußeren Erscheinung. Auch bei Patienten mit leichten

Level of evidence

Empfeh-lungsgrad Ergebnis

Konsensverfahren

B 1 a Ja 16

Nein 0

Enthaltung 4

Level of evidence

Empfeh-lungsgrad Ergebnis

Konsensverfahren

B 1 a Ja 16

Nein 0

Enthaltung 4

Unkenntnis des Zusammenhangs – häufig nicht von den Patienten angesprochen und in den frühen Stadien der Rehabilitation selten erfragt [389,390] .

6.3.87 Evidenzbasierte Empfehlung

Störungen der sexuellen Funktionsfähigkeit soll-ten exploriert werden.

Quellen: Barrett et al. 2014 [391]

6.3.88 Evidenzbasierte Empfehlung

Liegen Störungen der sexuellen Funktionsfähig-keit vor, sollten Hausärzte eine Beratung und eine Abklärung möglicher Ursachen anbieten.

Quellen: Barrett et al. 2014 [391]

Im Dokument S3-Leitlinie Schlaganfall (Seite 143-149)