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schaft und Wohnungspolitik

Politische Intervention notwendig

Die mit der vorliegenden Studie erfolgten Ana­

lysen und Prognosen machen deutlich, dass bis zum Jahre 2030 mit einer erheblichen Zunahme armutsgefährdeter Haushalte älterer Menschen und einem überproportionalen Anstieg der Trans­

ferleistungen zu rechnen ist. So lässt der demo­

grafische Wandel in allen Regionen den Anteil an Älteren mehr oder weniger stark ansteigen, insbe­

sondere in der Gruppe der Hochaltrigen mit einem hohen Anteil Alleinstehender, die ein besonders hohes Armutsrisiko aufweisen. Dieser Prozess ist im Prinzip kaum zu beeinflussen.

Darüber hinaus hat die wirtschaftliche Lage und Arbeitsmarktsituation der vergangenen 20 Jahre dazu geführt, dass ein Teil der zukünftigen Senio­

ren erhebliche Einkommenseinbußen und verrin­

gerte Rentenansprüche zu verzeichnen hat, auf­

grund derer auch kaum Altersvorsorge betrieben und Vermögen aufgebaut werden konnten. Diese Defizite sind für die meisten bis zum Renteneintritt kaum noch aufzuholen. Durch unterschiedliche rentenversicherungsrechtliche oder sozialpoli­

tische Maßnahmen könnte das Anwachsen des Risikos gemildert werden. Möglichkeiten und Dimensionen zur Bekämpfung der Ursachen der Armutsgefährdung sind jedoch nicht Gegen­

stand dieser Studie, die von den beschriebenen Status-quo-Annahmen ausgeht. Zudem bleiben die strukturellen Überlegungen davon unberührt, die sich auf die Frage konzentrieren, wie sich zu­

nehmende Altersarmut auf die Wohnungsmärkte

auswirkt und welche Strategien und Instrumente

zur Steuerung der Prozesse bestehen bzw. wie sie wirken können.

Ausgangspunkt ist hierbei die Frage, inwieweit Armutsgefährdete in der Lage sind, sich am Woh­

nungsmarkt mit adäquatem Wohnraum zu versor­

gen. Ist dies nicht der Fall, so gibt es zwei Ansätze für staatliches Handeln. Zum einen liegt der vom Grundgesetz abgeleitete und im SGB verankerte Anspruch auf eine soziale Grundsicherung zu­

grunde, der es Leistungsberechtigten ermöglicht, ein Leben zu führen, das der Würde des Men­

schen entspricht. Zum anderen können politische Interventionen gerechtfertigt werden, wenn es am Markt zu gesellschaftlich unerwünschten Ent­

wicklungen kommt und der Markt selber nicht im ausreichenden Maß funktioniert und die Nachfra­

ge deckt. Beide Ansätze können als Argument für Interventionen sowohl auf Ebene des Bundes, der Länder als auch der Kommunen herangezogen werden.

Grundsicherung im Alter

Zentrales Instrument ist die Grundsicherung im Alter und die damit verbundene Übernahme der Bedarfe für Unterkunft und Heizung, soweit die Wohnungen angemessen sind. Sie ist naturge­

mäß subjektorientiert und soll dem Leistungsbe­

rechtigten das Existenzminium sichern. Hierbei sind die Richtwerte zur Miethöhe angemessenen Wohnraums lokal zu ermitteln und festzusetzen.

Dies sollte entsprechend der Intentionen des Ge­

setzgebers sowie der laufenden Rechtsprechung wohnungsmarktkonform ausgeführt werden.123 Das heißt, die Richtwerte müssen so angesetzt werden, dass für die Leistungsberechtigten stets ausreichend Wohnraum zur Verfügung steht.

Damit stellen die Wohnkosten für sie keine Be­

lastung mehr dar, und zwar unabhängig von der Wohnungsmarktsituation.

Trotzdem sind mit diesem Instrument einige Pro­

bleme verbunden. Denn die Wohnkosten werden nur übernommen, wenn der Wohnraum ange­

messen ist und dem einfachen Standard genügt.

Durch diese Beschreibung des Existenzminimums erfolgt zugleich auch eine des Maximums, auch wenn im Rahmen der Produkttheorie gewisse Spielräume bestehen. Hinsichtlich des Woh­

nungsmarktes ist hierbei entscheidend, dass neben der Höhe der Wohnkosten eine weitere objektspezifische Beschränkung für die Leis­

tungsberechtigten besteht, also nur bestimmte Wohnungen infrage kommen. Dies hat neben sozialräumlichen Disparitäten auch Auswirkun­

gen auf die Bestandsentwicklungsstrategien der Eigentümer, da diese Regelungen zuerst einmal Investitionen erschweren (s. u.).

Des Weiteren ergibt sich aus Sicht der leistungs­

berechtigten Senioren ein Problem, wenn bei älteren Paaren der Partner verstirbt, denn dann wird die bewohnte Wohnung fast immer sofort unangemessen. Gerade bei den älteren Senioren über 80 Jahre ist jedoch ein Umzug aus diesem Grund häufig nicht zumutbar und erfolgt nach Ein­

zelfallprüfung in der Regel nicht. Da diese Grup­

pe in allen Regionen deutlich zunehmen wird, bekommt dieses Problem einen immer größeren Stellenwert und erfordert eine grundsätzliche Regelung.

Wohnungswirtschaftlich unproblematisch ist hin­

gegen die Situation, wenn bisherige SGB II-Be­

zieher in das Rentenalter kommen und damit zu SGB XII-Beziehern werden. Denn für beide Grup­

pen gelten die gleichen Angemessenheitsrege­

lungen. Ein Anstieg der Leistungsberechtigtenzahl aus diesem Grund hat wohnungswirtschaftlich keine Auswirkungen, da Wohnkosten und Wohn­

situation unverändert bleiben können.

Das kann bei denjenigen Personen, die erst mit Eintritt in die Rente Leistungen zur Grundsiche­

rung im Alter erhalten, anders sein und eine An­

passung des Wohnraums erforderlich werden.

Gleiches kann passieren, wenn bei Wohngeld­

empfängern die Wohnkosten steigen oder die Ein­

kommen sinken und sie zur Bedarfsgemeinschaft werden und die bisherige Wohnung nicht den Angemessenheitskriterien entspricht. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass diese Haushalte vorher aufgrund ihrer niedrigen Einkommen häu­

fig bereits schon preiswert gewohnt haben und ihre Wohnsituation damit den Angemessenheits­

kriterien zumeist entspricht. Insgesamt wird die Zunahme von Leistungsberechtigten von Grund­

sicherung im Alter nur zu einem kleineren Teil zu einer zusätzlichen Wohnmobilität führen.

Wohngeld

Zur Dämpfung der Wohnkostenbelastung bzw.

des Wohnkostenanstiegs ist Wohngeld als Sub­

jektförderung geeignet. Durch die abnehmende Relation zwischen Wohnkostenhöhe und Zu­

schuss gibt es zwar ähnlich wie bei der Grund­

sicherung letztendlich eine Obergrenze der För­

derung, die aber eine Abstufung erlaubt. Dieser Effekt sowie der verbleibende Betrag geben dem Leistungsempfänger einen Anreiz zu Sparmaß­

nahmen. Des weiteren entfallen Regelungen zu Anforderungen an die Beschaffenheit der Woh­

nung. Insgesamt wird mit dem Wohngeld auf den Wohnungsmarkt reagiert, ohne diesen zu beein­

flussen.

Allerdings ist hier die Abstimmung auf die lokalen Wohnungsmarktverhältnisse weniger ausgeprägt

als bei der Grundsicherung, da die regionalen Un­

terschiede nur über sechs Mietenstufen differen­

ziert werden.

Die derzeitigen Miethöchstbeträge des Wohn­

gelds bilden die regionalen Wohnungsmarktunter-schiede jedoch nicht ausreichend ab, sowohl in ihrer Höhe – insbesondere für 1-Personen-Haus­

halte – als auch hinsichtlich der räumlichen Dif­

ferenzierung nach Mietenstufen. Die tatsächlich vorliegenden Mietniveaus der jeweiligen Kommu­

ne werden nicht im vollen Maße berücksichtigt, wie es beispielsweise die KdU-Werte vorsehen.

Hier sind entsprechende Anpassungen erforder­

lich, soll eine Verschiebung zur Grundsicherung vermieden werden.

Altersgerechter Umbau

Derzeit ist das Angebot an altersgerechtem bar­

rierearmen oder -freiem Wohnraum so gut wie in allen Wohnungsmärkten zu knapp. Um die Ursa­

chen zu beheben, sind mehr Um- oder Neubauten erforderlich, deren Errichtung durch eine Ob­

jektförderung unterstützt werden kann, wie z. B.

durch die soziale Wohnraumförderung der Länder oder das KfW-Programm „Altersgerecht Umbau­

en“. Dadurch kann eine Ausweitung des Ange­

botes erreicht werden, was jedoch den armuts­

gefährdeten Haushalten nur bedingt nützt, denn sowohl die Neubauten als auch die meisten Um­

bauten sind mit Investitionssummen verbunden, die Miethöhen erfordern, die die Grenzwerte von Wohngeld und Grundsicherung oft überschreiten.

Insofern bedürfen diese Instrumente weiterer Komponenten, um altersgerechten und zugleich preiswerten Wohnraum zu schaffen. Mögliche Ansatzpunkte hierfür sind:

• Im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung der Länder preiswerte Wohnungen mit einer Mietpreis- und Belegungsbindung zu schaffen oder mit einer mittelbaren Belegung zu sichern.

• Eine Zuschusskomponente in den Regelun­

gen zum Wohngeld, wenn eine altersgerechte Wohnung der DIN 18040 oder den technischen Mindestanforderungen der KfW entspricht und damit eine höhere Miete zu zahlen wäre.

Der technische Standard wäre bspw. durch ein Zertifikat des Architekten oder des Hand­

werkers zu belegen.

• In Anlehnung an die Satzungsregelungen nach § 35 a SGB XII für die Angemessenheits­

regelung besondere Bedarfe für „Altersange­

messheit“ zu definieren.

• Darüber hinaus ist eine Unterstützung der altersgerechten Anpassung auch mit Mitteln der Pflegeversicherung möglich, dies bedarf jedoch einer Abstimmung der jeweiligen För­

derbedingungen. Denn der Zuschuss nach § 40 SGB XI beschränkt sich auf die Gruppe der Pflegebedürftigen und deckt nur Investitio­

nen bis zu einem bestimmten Festbetrag ab, zudem muss der Erhalt der preiswerten Mie­

te gesichert werden. Dies erfordert, wie die Wohnungssuche älterer Menschen generell, eine zugehende Beratung und Unterstützung.

Beitrag der Wohnungswirtschaft

In der organisierten Wohnungswirtschaft ist das Seniorenwohnen neben der energetischen Sa­

nierung derzeit ein großes Thema, Schwerpunkt bildet hierbei der altersgerechte Umbau. Das The­

ma Altersarmut wird zwar zunehmend gesehen, jedoch nur wenig in das strategische Handeln einbezogen. Dies hängt auch davon ab, inwie­

weit armutsgefährdete Ältere bereits zu den Be­

standsmietern der Unternehmen gehören oder als Neumieter avisiert sind. Letzteres kann durchaus Gegenstand des Gesellschaftsvertrages oder der Genossenschaftsstatuten sein.

Entscheidend ist die bewusste Verantwortung der Gesellschaften, Genossenschaften, aber auch privaten Eigentümer, sich auch auf konkurrenz­

schwächere Gruppen zu orientieren – insbeson­

dere in angespannten Märkten. In entspannten Wohnungsmärkten ist die Notwendigkeit „an je­

den zu vermieten“ wesentlich größer.

Hauptansatzpunkt ist hierbei der Erhalt des preis­

werten Wohnraums, während die altersgerechte Anpassung, die nur ein Teil der Senioren akut be­

nötigt, auch für einkommensschwache Haushalte mit den oben beschriebenen Instrumentarien um­

gesetzt werden sollte.

Daneben kommt es darauf an, das Wohnungs­

angebot auszuweiten und vor allem kleine Woh­

nungen für 1-Personen-Haushalte zu schaffen, um tragbare Gesamtmieten zu erhalten. Diese sind auch erforderlich, um Eigenheimbesitzern eine Alternative bieten zu können. Diesen ziel­

gruppenorientierten Ansatz sollten auch die Wohnungsunternehmen verfolgen. Insbesondere in schwachen und schrumpfenden Märkten wird dies erforderlich sein, um ausreichend Mieter zu halten. Der Schwerpunkt sollte dabei vor allem in den 1970er-Jahre-Quartieren sowie einigen Alt­

bauquartieren liegen – den räumlichen Schwer­

punkten des zukünftigen Anstiegs armutsgefähr­

deter Haushalte Älterer.

Handlungsmöglichkeiten der Kommunen Insgesamt ist es erforderlich, die Zunahme armuts­

gefährdeter Älterer und ihre Wohnsituation in woh­

nungspolitischen Zielsetzungen zu berücksichtigen und ein entsprechendes Handlungsprogramm zu

formulieren. So kann mit flankierenden und unter­

stützenden Maßnahmen auf kommunaler Ebene der prekären Situation einkommensschwacher Älterer begegnet werden. In der lokalen Stadtpla­

nung sollten problematische Quartiere stabilisiert und aufgewertet werden, um so auch nachhaltig soziale Brennpunkte zu vermeiden. Hier ist eine enge Zusammenarbeit mit den lokalen Wohnungs­

unternehmen angezeigt. Kommunale Wohnungs­

unternehmen könnten mit entsprechenden Ver­

pflichtungen versehen werden.

Viele Schwierigkeiten in der Wohnsituation ein­

kommensschwacher Älterer könnten vermieden werden, wenn frühzeitig agiert wird und die be­

troffenen Personen über notwendige Informati­

onen verfügen würden. Informations- und Unter­

stützungsangebote seitens der Stadt können hier konkret Abhilfe schaffen. Diese Angebote sollten die Beratungen hinsichtlich des Bezugs von Trans­

ferleistungen und Fördermitteln beinhalten, aber auch Informationen und Beratungen zum Woh­

nungsmarkt vorhalten. So kann bei der Wohnungs­

suche geholfen oder ein potenzieller Hausverkauf begleitet und unterstützt werden. Diese Bera­

tungsleistungen sollten aktiv beworben werden, da oftmals die Hemmschwelle, solcherlei Dienste in Anspruch zu nehmen, hoch ist. Vor-Ort-Termine und (dezentrale) Wohnberatungsstellen sollten entsprechend angeboten werden. Auch hier sind Kooperationen zielführend. Die Zusammenarbeit mit den Wohnungsanbietern und mit örtlichen so­

zialen Einrichtungen erhöht die Erreichbarkeit der betroffenen Personen.

Weitere Untersuchungen notwendig

Mit der vorliegenden Studie wurden viele Frage­

stellungen erörtert und Datenquellen ausgewer­

tet. Zugleich sind jedoch Aspekte der Lebens­

lagen und Wohnsituation armutsgefährdeter Älterer deutlich geworden, die einen weiteren Forschungsbedarf implizieren.

Einkommensschwache Menschen passen ihren Wohnraum an ihre Kaufkraft an. Unter den älteren Menschen sorgen u. a. Remanenzeffekte dafür, dass ihnen verhältnismäßig viel Wohnraum zur Verfügung steht, der nicht mehr mit den Einkom­

mensverhältnissen korrespondiert. Umzüge im Alter erfolgen häufig erst dann, wenn sie unaus­

weichlich geworden sind. Wann und unter wel­

chen Umständen ältere Menschen tatsächlich ihre Wohnsituation den geänderten Lebensum­

ständen anpassen, ist nur unzureichend erforscht.

Welche persönlichen Eigenschaften und Umstän­

de die Umzugsmobilität im Alter beeinflussen, was die Mobilitätsneigung hemmt und welche Parameter sie fördern, ist in einer mehrstufigen Analyse zu untersuchen.

Der Aufbau von Vermögen und Altersvorsorge ist ein wesentlicher Ansatz, um Altersarmut vorzu­

beugen. Die Studie zeigt, dass Personen, die oh­

nehin im Alter armutsgefährdet sind, oftmals nicht die Möglichkeit haben, präventive Maßnahmen zu ergreifen. Es besteht intensiver Forschungs­

bedarf darüber, wie sich die Strategien und die Möglichkeiten der Altersvorsorge und des Vermö­

gensaufbaus generell gewandelt haben. Dabei ist zu eruieren, welche Instrumente unter welchen Umständen tatsächlich genutzt werden. Ein spe­

zieller Fokus sollte hierbei auf Wert und Werthal­

tigkeit der Wohnimmobilien liegen. Besonders entscheidend ist an dieser Stelle die Situation der zukünftigen Rentnergeneration (heute 45 bis 64 Jahre alt), um detaillierte Aussagen über deren zukünftige private Versorgungslage zu treffen.

(122)

Eine aktuell erhöhte Erwerbstätigkeit führt auch zu erhöhten Einnahmen der Rentenversicherung, was eine Absenkung der Renten und damit eine Reduzierung der Armutsgefährdung bedeuten könnte. Dauer und Ausmaß einer solchen Entwicklung lassen sich jedoch im Rahmen dieser Studie nicht hinreichend genau abschätzen.

(123)

Vgl. hierzu ausführlich: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Arbeitshilfe zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen der Unterkunft im Rahmen kommunaler Satzungen. - Berlin 2013