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Wellenlänge [nm]

E. Enantiomerentrennung von Knotaxanen

4.2 Cycloenantiomerie

4.2.2 Rotaxansynthese-Mechanismen

Durch ihr Design, ihre ungewöhnliche Struktur und ihr für zukünftige Nanomaschinen und molekulare Motoren nützliches Potenzial sind die Rotaxane ein spezielles Forschungsgebiet der supramolekularen Chemie.[242] Die Synthese von Rotaxanen erfolgt durch drei unterschiedliche Mechanismen – „Threading“, „Clipping“ und „Slipping“ (siehe Abbildung 4.124).

Bei dem „Threading“-Verfahren fädelt das Stabmolekül einen Ring (Makrocyclus) auf, um ein so genannten Pseudorotaxan zu bilden. Das Abfädeln des Makrocyclus wird durch sperrige Gruppen (Stopper-Gruppen), verhindert und es entsteht ein [2]Rotaxan. Die „Clipping“-Methode, die zur Catenan-Synthese verwendet wird, kann auch zur Synthese von Rotaxanen angewendet werden.

Das Makrocyclus wird in Gegenwart einer molekularen Hantel (das Stabmolekül mit den Stoppergruppen) zusammengebaut. Als ein dritter möglicher Weg für die Rotaxan-Synthese gilt das

„Slipping“, bei welchem es sich um das Einfädeln der Hantel in ein Macrocyclus bei hoher Temperatur handelt.

Threading

Clipping

Slipping

Hantel Macrocyclus

Threading

Clipping

Slipping

Hantel Macrocyclus

Threading

Clipping

Slipping

Hantel Macrocyclus

Threading

Clipping

Slipping

Hantel Macrocyclus

Abb. 4.124: Drei verschiedene Mechanismen, mit denen die Rotaxan-Synthese erfolgen kann.

Ein im wesentlichen der Threading-Methode sehr ähnliches Syntheseverfahren für Rotaxane ist die sogenannte Trapping-Methode. Zwischen einer vorgebildeten Halbachse und einem Reif erfolgt eine Komplexierung zu einem supramolekularen Nukleophil. Zur Rotaxan-Bildung führt schließlich die Reaktion mit einer zweiten Halbachse.[242q]243q

Anfang der sechziger Jahre wurden die Rotaxane statistisch nur in sehr geringer Ausbeute synthetisiert. Erstmals wurde 1960 durch Wassermann von der statistischen Synthese eines Catenans[243] berichtet. Harrison und Harrison gelang es 1967, ein Rotaxan durch statistisches

Makrocyclus Hantel

Einfädeln zu synthetisieren.[244] Ein modifizierter Makrocyclus wurde an ein Merrifield-Polyesterharz geknüpft, in dessen Gegenwart eine Achsensynthese mit geeigneten Stoppergruppen durch 70 malige Reaktionswiederholung durchgeführt wurde. Dieser große Aufwand ergab ein Rotaxan in einer Ausbeute von nur 6 %. Viele weitere Arbeitsgruppen berichteten von statistischen Synthesen durch „Slipping“. Harrison et al. erhitzten ein Gemisch aus Kohlenwasserstoffringen mit unterschiedlichen Größen und einer Achse und konnten so das Rotaxan 139 isolieren (Abb.

4.125).[245]

O (CH )2 10 O

(CH )2 29

Abb. 4.125: Rotaxan via Slipping nach Harrison et al.

Eine statistische Rotaxan-Synthese mit relativ hoher Ausbeute von 49 % stellten Bucher et al. aus einem Paracyclophanring durch reversible Spaltung der Achsdar.[246] Zilkha et al.[247] und Gibson et al.[248] führten Untersuchungen zur Stabilität von Rotaxanen durch Variation der Temperatur, Konzentration und Achsenlänge durch. 1995 berichteten Stoddart et al. über das erste dendritische Rotaxan.[249] Durch Slipping gelang Vögtle et al.[250] 1997 die Synthese von amidverknüpften Rotaxanen. Von Grubbs et al. und Claderon et al. wurde mit der Olefin-Metathese eine weitere statistische Synthesemöglichkeit, Rotaxane oder Catenane zu erhalten, vorgestellt. [251]

Die erste elegante gerichtete Synthese eines Rotaxans gelang Schill und Zollenkopf im Jahre 1967.[252] Über eine Präorganisation der Achse und des Makrocyclus, mittels Einbringen einer labilen kovalenten Bindung und folgendem Bindungsbruch, wurde ein Rotaxan dargestellt.

Sowohl die statistischen als auch die gerichteten Rotaxan-Synthesen waren nur mit geringer Ausbeute und über mehrere Stufen möglich. Als besonders effektiv haben sich jedoch seit den achtziger Jahren unterschiedliche Templatansätze erwiesen. Erst mit der Einführung von Templaten ist es möglich, mechanisch verknüpfte Verbindungen präparativ zu synthetisieren. Für die Präorganisation ihrer mechanisch verknüpften Spezies verwenden Sauvage et al. tetraedrische Kupfer(I)-Komplexe, Stoddart et al. nutzen π-Donor-π-Akzeptor-Komplexe, Busch et al.

139

komplexieren Dialkylammoniumionen mit Kronenether durch elektrostatische Wechselwirkung und Wasserstoffbrücken an einer Phasengrenze.[239b,253] Eines der am besten bekannten Beispiele für durch Wasserstoffobligationen zusammengehaltene Moleküle in der Natur ist die DNA. Natürliche Rotaxane und Catenane, die ebenso auf Wasserstoffbrückenbindungen basieren, wurden in Polypeptiden und Proteinen gefunden.[254] Unabhängig voneinander gelangen Hunter und Vögtle et al. 1995 eine weitere Rotaxansynthese mittels eines Tetralactam-Makrocyclus als Wirtmolekül über den nicht-ionischen Templateffekt, der im Ergebnis erstmals zu ungeladenen Catenanen führte.[255]

Der Templateffekt beruht auf Wasserstoffbrückenbindungen und π-Stapelung mit einem Gastmolekül.

Eine der effektivsten Templat-Synthesen von Catenanen und Rotaxanen, basierend auf einer Anionen-Komplexierung durch Wasserstoffbrückenbindungen, entwickelten Vögtle et al. im Jahre 1999.[235] Anionische Template wurden in der Synthesechemie, anders als kationische und neutrale Template, bislang eher selten genutzt.[207],[256] Obwohl die ersten Beispiele schon Ende der 80er Jahre beschrieben wurden, begann die eigentliche Entwicklung dieses Bereiches aber erst ab Mitte der 90er Jahre.

Anionische Template spielen eine große Rolle sowohl in der Synthesechemie, als auch in einigen biologischen Prozessen, wie z.B. bei der Proteinfaltung. Die Synthese von molekular geprägten Polymeren mit Hilfe anionischer Template hat eine große Bedeutung für die Entwicklung von Trenn- und Sensorikmaterialien.[ 257,207]

So setzten Vögtle et al. organische Anionen zur Bildung von Rotaxanen ein.[ 258] Zunächst entsteht aus einem Tetralactam-Makrocyclus 140 und einem Phenolat-Ion 141 ein stabiler Wirt-Gast-Komplex 142 (Abb. 4.126). Die anionische Komponente wird im Zentrum des Rings positioniert und kann so mit einem zweiten Baustein, z.B. einem Alkylbromid oder Acylchlorid 144, unter Rotaxanausbildung 145 reagieren. Die Phenolatgruppe kann sowohl an der Stopperkomponente als auch an den Achsenvorstufe positioniert werden, womit eine entsprechende Strukturvielfalt ermöglicht wird.

Abb. 4.126: Darstellung der anionengesteuerten Synthese von Ester-Rotaxanen durch Bildung eines Wirt-Gast-Komplexes aus einem Tetralactam-Makrocyclus und einem Phenolat-Ion und anschließende Reaktion mit Alkylbromid oder Acylchlorid.

Der von Vögtle et al. vorgeschlagene Mechanismus wurde 1995 erstmals zur Catenan-Synthese angewendet. Später konnte dieser auch auf die Rotaxan-Synthese übertragen werden[259] und ermöglichte somit eine neue Rotaxansynthese-Strategie – die zweistufige Trapping-Synthese. Die Syntheseroute erfolgt durch Komplexierung zwischen einem deprotonierten Phenolatstopper mit dem Makrocyclus und folgende Reaktion des Komplexes als supramolekulares Nucleophil mit der Achse. Zwischen der so entstandenen Semiachse und dem Makrozylus kann sich kein Komplex bilden, da der Reif wieder abfädelt. Erst in einem zweiten Schritt, durch die Reaktion der Semiachse mit einem Phenolatstopper/Makrocyclus-Komplex erfolg die Bildung des Rotaxans (s. Abb. 4.127).

140

143

145

146

147

148

Cl O

2

O O

Cl O

Cl O

O O

O O

OH

O O O

O O

O

Cl O

2 Cl

O

2

O O

O O

O O

Cl O

Cl O Cl

O

Cl O

O O

O O O

O

O O

OH OH

O O O

O

O O O

O O

O O

O O

O O

O O

Cl

O O Cl

O

O O

O

O

O Cl

O 2

142 141

144

Abb. 4.127: Darstellung eines Trapping-Rotaxans.

Die Threading-Synthese zeigte sich als sehr tolerant für verschiedene Modifikationen. So sind für Amid-Rotaxane heteroaromatische Säuredichloride ebenso gut geeignet, wie aliphatische Säuredichloride. Das Ersetzen einer Amidgruppe im Makrocyclus durch eine Sulfonamidgruppe ist nicht nur möglich, sondern erlaubt die Untersuchung molekularer Erkennung der Makrocyclen. Eine nachfolgende Alkylierung der Sulfonylgruppe führt zu komplizierteren Strukturen mit bis zu fünf Reifen auf der Achse, wie das Bis-[2]Rotaxan 149, Tris-[2]Rotaxan 150, [1]Rotaxan 151 und Bretzelane 152 (siehe Abb. 4.128).[ 260]

Abb. 4.128: Schematische Darstellung eines Bis-[2]-, eines Tris-[2]-, eines [1]-Rotaxans und eines Brezelanes.

4.2.3 Cycloenantiomerentrennung des Bissulfonamid- [2]Rotaxans 155

Im Rahmen ihrer Arbeit untersuchte Schelhase[261] die Synthese und Derivatisierung von Rotaxanen.

So diente das vorliegende mittels der Threading-Methode synthetisierte Bissulfonamidrotaxan 155 (Abb. 4.129) als Edukt für weitere präparative Umsetzungen, bei denen eine Alkylierung mit lumineszenten Bromiden (2-Brommethylnaphthalen 153 und 9-Brommethylanthracen 154) am

149 150

151

152

Sulfonamid-Stickstoff des Reifs und der Achse durchgeführt wurde, um zu untersuchen, ob lumineszenten Eigenschaften auf die Rotaxane übertragen werden können. Im Rahmen dieser Arbeit sollte das Rotaxan 155 in die Enantiomeren getrennt werden.

Br

Br

Abb. 4.129: Strukturformel des amidverknüpften [2]Rotaxans 155 und die Alkylierungs-Reagensien 153 und 154.

Zuerst wurde für die chirale HPLC-Trennung die Chiracel® OD Säule eingesetzt. Als Lösungsmittel wurden n-Hexan und verschiedene Alkohole, wie Methanol, Ethanol und Propanol, in unterschiedlichen Verhältnissen verwendet. Eine Trennung ließ sich auf diese Weise allerdings nicht erfolgreich durchführen.

Unter Verwendung der gleichen Lösungsmittel, sowie Mischungsverhältnissen ließ sich mit Hilfe der Chiralpak® AD Säule annähernd eine Basislinientrennung durchführen. Eine Trennung deutete sich bei einem Lösemittelgemisch von n-Hexan/Propanol 70:30 an. Nach der Optimierung des Verhältnisses auf n-Hexan/Propanol 85:15, einer Flussrate von 1ml/min und Detektion bei UV 254 nm konnte schließlich die annähernde Basislinientrennung erreicht werden (Abb. 4.130).

153 154

155

Abb. 4.130: Trennung des Rotaxans 155 in die Enantiomere. Die Trennungsbedingungen sind im Text aufgeführt.

Die durchgeführten CD-Messungen zeigten, dass das Rotaxan-Racemat erfolgreich getrennt wurde.

Wie in Abbildung 4.131 gezeigt, haben beide Enantiomere spiegelbildliche Symmetrie.

-11 9

-5 0 5 Mol CD

200 250 300 350 380

Wellenlänge [nm]

-11 9

-5 0 5 Mol CD

200 250 300 350 380

Wellenlänge [nm]

Abb. 4.131: Chirculardichroismus des Rotaxans 155.