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1. THEORETISCHER HINTERGRUND

1.1 Kognitive Veränderungen im Alter

1.1.2 Einfluss des pathologischen Alterns auf die Kognition

1.1.2.5 Rolle der neurogenetischen Befunde

In klinischen Verlaufsbeobachtungen konnten einige biologische Risikomarker für Entwicklung einer Alzheimer-Demenz identifiziert werden. Einer dieser Marker ist die Präsenz eines oder beider Apolipoprotein-E4-Allele (Blacker et al., 2003; Sando et al., 2008; Kim et al., 2009). Das ApoE-Gen wird beim Menschen auf Chromosom 19 co-diert und zeigt einen Polymorphismus, indem es sich in drei Isoformen entwickelt, und zwar ApoE2, ApoE3 und ApoE4 (Finckh, 2006). Zu den Hauptfunktionen von diesem Protein gehört Transport, Ablagerung und Metabolismus von Cholesterin in der Peri-pherie (Lane et al., 2005). Im Gehirn ist Apo-E3-Allel am Neuritenwachstum beteiligt und für die Regeneration von Axonen und Myelin nötig (Han et al., 2003; Lane et al., 2005; Hatters et al., 2006). Im Gegensatz zu den Allelen ApoE2 und ApoE3 weist das Vorliegen von ApoE4-Allel keine neuroprotektiven Eigenschaften auf. Forscher vermu-ten, dass beim Abbau von ApoE4 vermehrt toxische Fragmente entstehen, die das Zytoskelett und den Energiestoffwechsel in den Mitochondrien stören und somit neuro-nale Degeneration begünstigen (Buttini et al., 1999). Zudem kann dieses Allel das Agg-regieren der Amyloid -ß-Peptide zu senilen Plaques fördern (Holtzman et al., 2000), die ebenfalls ein Biomarker für AD sind (Shoji et al., 1990). Somit stellt ApoE4 den wich-tigsten bekannten genetischen Risikofaktor für die Entwicklung einer

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Demenz dar (Andrew et al., 2010). So sind 30 bis 40 Prozent der AD-Patienten Träger dieses Alleles, wobei hier der so genannte gene dose effect7 eine wichtige Rolle spielt (Corder et al., 1993; Blacker et al., 1998). Darüber hinaus wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass die ApoE4-Allel-Träger gegenüber den Anderen etwa fünf bis neun Jahre früher an AD erkranken (Blom et al., 2009). Dabei muss hervorgehoben werden, dass der genaue Wirkungsmechanismus des ApoE4-Allels auf eine bereits entwickelte AD nach wie vor unklar bleibt (Andrew et al., 2010).

Immer mehr Studien geben Hinweise für einen Einfluss des ApoE-Status auf die kogni-tive Leistungsfähigkeit bei Personen, die noch keine für die Diagnose von MCI bzw.

AD typische Symptomatik aufweisen. So wird bei diesen Probanden über Beeinträchti-gungen im episodischen Gedächtnis berichtet, die den freien Informationenabruf, Abruf mit Hinweisreizen (so genannten cues) und die Widererkennung betreffen (Caselli et al., 2004; Small et al., 2004; Zehnder et al., 2009). Die Träger des ApoE4-Allels schneiden ebenfalls in Aufgaben zum verbalen episodischen Gedächtnis schlechter als ApoE4-Allel-non-carriers ab (Schultz et al., 2008). Dahingegen konnte Jorm et al. (2007) die Beeinträchtigungen der Leistungen des episodischen Gedächtnisses in Abhängigkeit vom ApoE-Status nicht bestätigen. Desweiteren bestehen in der Literatur widersprüch-liche Befunde zu den Abrufleistungen der Personen mit ApoE4-Allel hinsichtlich der visuell-räumlichen Gedächtnisinhalte. Es wird sowohl auf die Defizite (Maheen et al., 2010) als auch auf gut erhaltene Funktionen (Schultz et al., 2008) in diesem Zusam-menhang hingewiesen. Weiterhin zeigen Trägern des ApoE4-Allels Störungen in der Arbeitsgedächtnis-Leistungen (Parasuraman et al., 2002) sowie in exekutiven Funktio-nen (Small et al., 2004; Nilsson et al., 2006). Bei diesen PersoFunktio-nen scheint zudem die geteilte Aufmerksamkeit (Rosen et al., 2002) und die Geschwindigkeit zur

7 ein Zusammenhang zwischen dem Phänotypen und Anzahl der vorhandenen Allelen bestimmtes Gen, d.h. Vorliegen eines Gens in der homo- oder heterozygoter Form (Corder et al., 1993).

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onsverarbeitung (O'Hara et al., 2008) beeinträchtigt zu sein. Jedoch können diese Defi-zite nicht in allen Studien bestätigt werden (Caselli et al., 2004; Jorm et al., 2007).

Ähnlich zu den neuropsychologischen Testungen, liefern die Untersuchungen mittels bildgebenden Techniken widersprüchliche Befunde im Bezug auf die Auswirkung des ApoE4-Allels auf Gehirn. So konnte in mehreren Studien bei gesunden Personen eine Atrophie im Bereich des medialen Temporallappens (d.h. Hippocampus, Gyrus parahippocampalis, Amygdala) gezeigt werden (Jak et al., 2007; Burggren et al., 2008;

Cherbuin et al., 2008), was mit dem Erkranken an AD assoziiert wird. Erneut ließ sich die Rolle des ApoE4-Allels auf Gehirnvolumina in anderen Arbeiten nicht bestätigen (Cherbuin et al., 2008; Adamson et al., 2008). Weiterhin bestehen kontroverse Befunde im Hinblick auf die Auswirkung des gen dose effect auf die strukturelle Verminderung des MTL. Lemaitre et al. (2005) haben 750 unbeeinträchtigte Erwachsene untersucht und konnten keine signifikanten morphologischen Unterschiede des MTL zwischen Trägern des ApoE4-Allels in einer heterozygoten Form und ApoE4-Allel-non-carriers nachweisen. Es ergaben sich jedoch signifikante Differenzen, wenn die beiden Gruppen mit den Trägern des ApoE4-Allels in einer homozygoten Form verglichen wurden (Le-maitre et al., 2005).

Desweiteren weisen die Befunde der PET-Studien auf einen Glucose-Hypometabolismus im Bereich des frontalen (Reiman et al., 2005), temporalen, parieta-len sowie cingulären Kortex (Scarmeas et al., 2004). Hierbei wird auch die Auswirkung des gen dose effect berichtet (Reiman et al., 2005). Die Untersuchungen mittels fMRI kommen dahingegen zu gegensätzlichen Ergebnissen. So zeigten Bondi et al. (2005) bei gesunden Trägern des ApoE4-Allels eine Hyperaktivierung im Gyrus fusiformis bilate-ral, linkem Gyrus frontalis medius, medialem frontalem Kortex sowie im rechtem superiorem Kortex während der Ausführung von Aufgaben zum episodischen Gedächt-nis. Auf eine stärkere Aktivierung des Hippocampus im Zusammenhang mit episodi-schem Gedächtnis weisen Trivedi et al. hin (2006). Zudem berichten Filbey et al. (2006) eine Hyperaktivierung des rechten Gyrus parahippocampalis und rechten Gyrus cinguli bei jungen Probanden mit ApoE4-Allel. Im Gegensatz dazu zeigten Lind et al. (2006)

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geringere kortikale Aktivierung bei Trägern des ApoE4-Allels in linkem inferior-parietalem Kortex und im anteriorem cingulum beim Lösen einer Gedächtnisaufgabe.

Eine Hyperaktivierung bei Personen mit ApoE4-Allel im Bezug auf Arbeitsgedächtnis-aufgaben fanden Wishart et al. (2006) in MFL und parietalem Kortex. Dabei weisen Burggen et al. (2002) auf keine signifikanten Unterschiede in der neuronalen Aktivie-rung in Abhängigkeit von Gen-Status hin. Das unterschiedlichen AktivieAktivie-rungsmuster bei den Trägern des ApoE4-Allels im Vergleich zu ApoE4-non-carrier können als kom-pensatorische Mechanismen betrachtet werden, die jedoch nur bis zu einem gewissen Maße aktiviert werden können (Wishart et al., 2006).

1.1.3 Zusammenfassung der Befunde zu normalen und pathologischen