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1. Einleitung

4.1 Die Revision des Adoptionsrechts

Das Adoptionsrecht ist schweizerischen Zivilgesetzbuch geregelt. Am 1. Januar 2007 trat das Partnerschaftsgesetz in Kraft. Gemäss Artikel 28 PartG sind Personen, welche in einer eingetragenen Partnerschaft leben, von allen Formen der Adoption ausgeschlossen.

Ehepaaren stehen gemäss ZGB grundsätzlich alle drei Adoptionsformen offen.

Historisch betrachtet wurde dieser Ausschluss gleichgeschlechtlicher Paare von der Adoption vor allem deshalb ins Gesetz aufgenommen, um im Falle eines allfälligen Referendums, das Risiko eines Scheiterns der Gesetzesvorlage zum Partnerschaftsgesetzes zu minimieren. Ob

der Verzicht auf das Adoptionsrecht, welcher bei der späteren Ergreifung des Referendums kontrovers diskutiert wurde, tatsächlich dazu beigetragen hat, dass die Stimmbürger*innen 2005 für das Partnerschaftsgesetz gestimmt haben, ist nicht erwiesen. Was hingegen durch Umfragen belegt werden konnte, ist, dass die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in der allgemeinen Wahrnehmung zugenommen hat (Der Bundesrat, 2014, S. 890). Gemäss einer Umfrage des GALLUP TELE Omnibus vom Juni 2010, befürwortete die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare: Konkret waren 86,3% der Befragten dafür, dass Kinder, die in einer Regenbogenfamilie leben, dieselben rechtlichen Rahmenbedingungen erhalten wie Kinder in anderen Familien (ebd.).

Seit der Annahme des Partnerschaftsgesetzes im Jahr 2005 und dessen in Kraft treten im Jahr 2007 gab es in der politischen Landschaft verschiedene Bewegungen Richtung Revision des Adoptionsrechts. Nachfolgend werden exemplarisch einige politische Motionen chronologisch abgebildet.

2009 Im März 2009 reichte Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber die Motion «Adoption ab dem zurückgelegten 30. Lebensjahr» ein. Dem Parlament wurde eine Änderung von Artikel 264a Abs. 2 ZGB (Senkung des Mindestalters für die Adoption) unterbreitet.

Der Bundesrat hat die Motion zur Annahme empfohlen. Nachdem das Parlament die Motion in der Folge annahm, verabschiedete der Ständerat einen modifizierten Motionstext. Dieser beinhaltete nebst der Forderung der Nationalrätin Prelicz-Huber, auch die Forderung, dass die Adoption für Paare in einer stabilen, faktischen Lebensgemeinschaft geöffnet werden sollte, insbesondere die Stiefkindadoption. Der Nationalrat stimmte der Neufassung zu (Der Bundesrat, 2014, S. 892).

2010 Im Juni 2010 forderte Prelicz-Huber in ihrer Motion «Aufhebung des Adoptionsverbotes für Personen in eingetragener Partnerschaft», dass die Adoption für Paare, welche in eingetragener Partnerschaft leben, ermöglicht wird (Katharina Prelicz-Huber, 2010).

2010 Am selben Tag reichte Nationalrat Mario Fehr die Motion «Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare» ein. Die Motion forderte die Schaffung der gesetzlichen Grundlagen damit gleichgeschlechtlich orientierte Frauen und Männer, welche in einer eingetragenen Partnerschaft leben, das Kind ihrer Partnerin, ihres Partners adoptieren können (Mario Fehr, 2010).

2010 Im September 2010 beantragte der Bundesrat die Ablehnung beider Motionen, mit der Begründung, dass er die Revision von Art. 28 des PartG derzeit nicht für opportun halte. Er berief sich insbesondere auf die Abstimmung über das Partnerschaftsgesetz und der damit verbundenen breiten Akzeptanz der Gesellschaft. Der Bundesrat stellte fest, dass die breite Akzeptanz des Partnerschaftsgesetzes damit zu tun hatte, dass

eingetragenen Paaren der Weg zur Adoption und der Zugang zur Fortpflanzungsmedizin nicht geöffnet wurde (Der Bundesrat, 2010).

2011 Aufgrund der diversen Motionen, welche betreffend des Adoptionsrechts eingereicht worden seien, reichte die damalige Nationalrätin und heutige Bundesrätin Viola Amherd, im April 2011 die Motion «Totalrevision des Adoptionsrechts» ein. Sie forderte darin, wie es der Titel besagt, dass das Adoptionsrecht nach Art. 264ff ZGB einer Totalrevision unterzogen werden soll (Viola Amherd, 2011).

2011 Der Bundesrat beantragte im Juni 2011 die Ablehnung der Motion, da er eine punktuelle und zielgerichtete Anpassung des Adoptionsrechts als sinnvoller erachtete als eine Totalrevision (Der Bundesrat, 2011).

2011 Im November 2011 reichte die Rechtskommission des Ständerats die Motion

«Adoptionsrecht. Gleiche Chancen für alle Familien» ein. Die Motion forderte, dass alle Erwachsenen, ungeachtet des Zivilstandes und der Lebensform, ein Kind, insbesondere dasjenige der Partnerin oder des Partners adoptieren können, wenn dies dem Kindeswohl 4entspricht. Dabei ging es insbesondere um die Gleichbehandlung von eingetragenen Paaren und Ehepaaren in Bezug auf Elternrechte und die Adoption (Der Bundesrat, 2014, S. 893).

2012 Der Bundesrat beantragte im Februar 2012 die Ablehnung der Motion, mit beinahe derselben Begründung wie bereits bei der Motion Fehr im Jahr 2010. Er teilte nach wie vor die Ansicht, dass die uneingeschränkte Öffnung der Adoption für gleichgeschlechtliche Paare nicht opportun sei. Er berief erneut auf die Abstimmung über das Partnerschaftsgesetz und der damit verbundenen breiten Akzeptanz der Gesellschaft. Die Öffnung der Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare erachtete der Bundesrat mittlerweile jedoch für angebracht. Es sei das Ziel, Kinder in eingetragenen Partnerschaften Kindern in ehelichen Gemeinschaften rechtlich gleichzustellen (Der Bundesrat, 2014, S. 893).

2012 Der Nationalrat änderte folglich den Motionstext und beschränkte ihn auf die Öffnung der Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare (Der Bundesrat, 2014, S. 893).

2012 Die Motionen von Prelicz-Huber und Fehr, welche beide die Aufhebung des Adoptionsverbots von Artikel 28 PartG forderten, wurden im Juni 2012, gestützt auf Artikel 119 Abs. 5 Bst. a PartG abgeschrieben (Der Bundesrat, 2014, S. 893).

2012 Im Dezember zog Amherd ihre Motion «Totalrevision des Adoptionsrechts» zurück (Viola Amherd, 2012).

4 Das Kindeswohl beinhaltet das gesamte Wohlergehen und die Entwicklung eines Kindes. Dies schliesst die Pflege, die Betreuung, die Erziehung, die Versorgung, die Förderung, die Beziehungen und die sozialen Kontakte ein (Selma Koch, 2019, S. 8).

Anstösse für die Revision des Adoptionsrechts kamen des Weiteren aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EMRG). Es wurde in den vorangegangenen Jahren mehrere Entscheide vom EMRG gefällt, welche richtungsweisend für das Adoptionsrecht waren (Der Bundesrat, 2014, S. 894).

2013 Der Nationalrat stimmte im März 2013 der im Jahr 2012 vom Nationalrat eingereichten Motion «Adoptionsrecht. Gleiche Chancen für alle Familien» zu (Der Bundesrat, 2014, S. 893)

2013 Die Vernehmlassung zum Vorentwurf zur Revision des Adoptionsrechts wurde folglich Ende 2013 eröffnet. Es waren total 91 Stellungnahmen eingegangen. Die Stossrichtung der Revision wurde jedoch von der grossen Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden befürwortet. Dem gewandelten Familienbegriff, den gewandelten gesellschaftlichen Wertvorstellungen, und der damit verbundenen Etablierung von alternativen Familienformen wurden Rechnung getragen (Der Bundesrat, 2014, S. 898).

2014 Aufgrund der verschiedenen gesellschaftlichen Entwicklungen, welche von statten gegangen sind, sprach sich der Bundesrat 2014 in seiner Botschaft zur Abänderung des ZGB für eine Revision des Adoptionsrechts aus. Inhalt der Vorlage war unter anderem die - für das Kindeswohls von zentraler Bedeutung - Öffnung der Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare. So sollten Ungleichbehandlungen beseitigt und faktische Beziehungen zwischen dem Stiefelternteil und dem Kind rechtlich anerkannt werden (Der Bundesrat, 2014, S. 878).

2016 Der Vorlage zur Revision des Adoptionsrechts wurde schlussendlich im Juni 2016 durch den Ständerat und den Nationalrat zugestimmt (Die Bundesversammlung - das Schweizer Parlament, 2016).

2016 Im selben Monat wurde das Referendum gegen die Vorlage ergriffen. Die EDU, Mitglieder der jungen SVP sowie weitere Vereinigungen und Stiftungen begannen Unterschriften zu sammeln (Eidgenössisch-Demokratische Union, 2016).

2016 Die Referendumsfrist ist Angangs Oktober 2016 schliesslich erfolglos ausgelaufen (Der Bundesrat, 2017, S. 31).

2017 Im Rahmen der Bundesratssitzung wurde das revidierte Adoptionsgesetz im Juli 2017 beschlossen (Der Bundesrat, 2017).

2018 Am 1.1.2018 trat das revidierte Adoptionsgesetz in Kraft (Der Bundesrat, 2017).

Tabelle 1: Weg zur Revision des Adoptionsrechts (eigene Darstellung)